lemente
 

Die auch, die Elemente wir nennen, beharren nicht stet,
die Wechsel, die sie durchlaufen — merkt auf — will jetzt ich euch lehren:

Vier urzeugende Stoffe enthält das ewige Weltall;
zwei von ihnen besitzen Gewicht und werden von eigner
Masse belastet zur Tiefe gezogen: Erde und Wasser.
Ebensoviele sind frei von Schwere und streben, da nichts sie
drückt, nach der Höhe: Die Luft und, reiner als diese, das Feuer.
Diese, im Raume getrennt, sie gehn doch ein jedes ins andre
über und fallen zurück in sich selbst: die Erde, sie löst in
flüssiges Wasser schwindend sich auf, das Wasser verflüchtigt
weiter sich dann in die Luft, die Luft, ihrer Schwere entledigt,
steigt, auf das feinste verdünnt, empor zu den Höhen des Feuers.
Rückwärts geht es von da, und der nämliche Weg wird durchmessen.
Denn, verdichtet, wird das Feuer zu dunstiger Luft und
diese zu Wasser, und Erde entsteht aus sich ballenden Wellen.

- (ov)

Elemente (2)

War meines Fleisches dumpfer Stoff Gedanke,
Kein kränkend Hemmnis war die Trennung mir,
Denn ungehindert über Raum und Schranke,
Flog ich dahin, vom fernsten Ort zu dir!

Dann kränkts mich nicht, daß noch mein träger Fuß
An dieser Erde klebt und du so weit;
Der schnelle Sinn springt über Land und Fluß,
Er denkts, und ist am Ziel zur gleichen Zeit.

Ach, Sinnen tötet mich, daß ich nicht Sinn,
Nicht Geist nur, der Entfernung macht zum Traum,
Daß ich aus Erde und aus Wasser bin
Und stöhnend trag die Last von Zeit und Raum;

Und aus den trägen Elementen beiden
Strömt nur die Träne, Sinnbild unsrer Leiden.

 

Feuer und Luft sind jene beiden andern,
Die stets bei dir, wo ich auch immer bin,
Wunsch und Gedanke sind es, und sie wandern
Auf leichten Sohlen zwischen uns dahin.

Wenn diese schnellern Elemente eilen
Von mir zu dir in zärtlichem Verkehr,
Sink ich, dem zwei nur blieben von vier Teilen,
Von Traurigkeit erdrückt, zu Boden schwer;

Bis sich als Ganzes wieder schließt mein Leben,
Wenn meine schnellen Boten mir zurück.
Jetzt nahen sie, Bericht von dir zu geben,
Von deinem Wohlsein, deinem Glanz und Glück.

Ich hörs voll Freude, sende sie dir wieder
Und sink von neuem trüb und schwer darnieder.

- Shakespeare  (Übs. Therese Robinson)

Elemente (3)  Paracelsus hat gesagt, alle irdischen Körper bestehen aus vier Elementen, Merkurius, Schwefel, Salz und aus der jungfräulichen Erde, wie man auch vier Kardinaltugenden hatte. Merkur ist die Metallität, als flüssige Sichselbstgleichheit, und entspricht dem Lichte, denn das Metall ist abstrakte Materie. Der Schwefel ist das Starre, die Möglichkeit des Brennens; das Feuer ist ihm nichts Fremdes, sondern er ist die sich verzehrende Wirklichkeit desselben. Das Salz entspricht dem Wasser, dem Kometarischen, und sein Aufgelöstsein ist das gleichgültige Reale, das Zerfallen des Feuers in Selbständige. Die jungfräuliche Erde endlich ist die einfache Unschuld dieser Bewegung, das Subjekt, das die Vertilgung dieser Momente ist; unter jenem Ausdruck verstand man die abstrakte Irdischkeit, z. B. reine Kieselerde. Nimmt man dies chemisch, so gibt es viele Körper, wo sich kein Merkur oder Schwefel findet; der Sinn solcher Behauptungen ist aber nicht, daß diese Materien realiter vorhanden seien, sondern der höhere Sinn ist, daß die reale Körperlichkeit vier Momente habe. Solches muß man also nicht nach der Existenz nehmen; sonst kann man Jakob Böhme und anderen Unsinn und Mangel an Erfahrung zuschreiben. - Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1817)

Elemente (4)

gespräch der substanzen

aber das bor, aber in ihren brunnen
die aromatischen öle; wer fragt zink und zyan,
wer kümmert sich um die kolloide, den haß
zwischen kalk und arsen, die lieebe der radikale
zum wasser, der transurane schweigende raserei?
niemand liest die manifeste der seltenen erden,
das geheimnis der salze, in drusen versiegelt,
bleibt ungelöst, unbesungen der alte zwist
zwischen links- und rechtsdrehenden aldehyden,
unberufen der klatsch der hormone. hochmut
treibt die kristalle, unter den silikaten
geht die rede von kies, die spate, die blenden
flüstern, die kleesäuren und asbeste. der äther
in seinen ampullen hetzt gegen den schwefel, das jod
und das glyzerin. feindlich warten in blauen flaschen
bleizucker, phosphor und sublimat. ihr mörder!
ihr boten! ihr wehrlosen zeugen der weit!

warum kann ich nicht konten und feuer löschen,
abbestellen die gäste, die milch und die zeitung,
eingehn ins zarte gespräch der harze,
der laugen, der minerale, ins endlose brüten
und jammern der stoffe dringen, verharren
im tonlosen monolog der substanzen?

- Hans Magnus Enzensberger, Landessprache. Frankfurt am Main 1969 (es 304, zuerst 1960)

Elemente (5) Eine Prosa kann faulen wie ein Lendensteak. Seit Jahren beoachte ich die Anzeichen von Zersetzung in meiner Prosa. Wie ich, macht sie ihre Anginen, Ikterusse, Blinddarmentzündungen durch, aber auf dem Wege zur endgültigen Auflösung ist sie mir voraus. Schließlich und endlich bedeutet verwesen, mit der Unreinheit der Bestandteile Schluß zu machen und das chemisch reine Natrium, das Magnesium und den Kohlenstoff wieder in ihre Rechte einzusetzen. Meine Prosa verwest syntaktisch und schreitet - mühsam! - zur Einfachheit fort. Ich glaube, schon aus diesem Grund bin ich nicht mehr imstande, »kohärent« zu schreiben; ein Aufbäumen der Worte wirft mich nach wenigen Schritten ab. Fixer des vertiges, wie schön. Aber ich fühle, ich müßte Elemente fixieren. Das Gedicht eignet sich dazu, auch gewisse Situationen im Roman oder in der Erzählung oder im Theater. Der Rest ist nichts als Füllsel und gelingt mir schlecht.

- Ja, aber sind denn die Elemente das Wesentliche? Den Kohlenstoff festzuhalten ist weniger wert, als die Geschichte der Guermantes festzuhalten.

- Ich habe das dunkle Gefühl, daß die Elemente, die ich im Auge habe, ein Endergebnis der Komposition sind. Man kehrt einfach den Blickpunkt der SchuI-Chemie um. Wenn die Komposition an ihre äußerste Grenze gelangt ist, öffnet sich das Territorium des Elementaren. Man muß diese Elemente festhalten und sie, wenn möglich, sein. - (ray)

Elemente (6) Platon nahm zwei Urgründe des Alls an, Gott und die Materie; jenen nennt er auch Vernunft und Ursache. Die Materie sei gestaltlos und unbegrenzt; aus ihr bilde sich das Zusammengesetzte. Vormals in ordnungsloser Bewegung, habe Gott sie, sagt er, in einen Raum zusammengeführt, überzeugt, daß Ordnung besser sei als Unordnung. Es habe sich aber dieser Wesensbestand in vier Elemente gewandelt: Feuer, Wasser, Luft und Erde; daraus sei, wie die Welt selbst, so alles, was in ihr ist, entstanden. Von diesen Elementen erklärt er die Erde für das allein Unveränderliche, und zwar gilt ihm als Grund dafür der Unterschied der geometrischen Figuren, aus denen die Elemente bestehen. Danach nämlich sind die Figuren der übrigen Elemente miteinander gleichartig, denn alle setzen sich zusammen aus rechtwinkligen Dreiecken mit einer längeren Seite, nur die Erde habe zur Grundlage ein Dreieck von besonderer Art (gleichschenkelig rechtwinkeliges) . Das Element des Feuers nämlich sei die Pyramide, das der Luft das Oktaeder, das des Wassers das Ikosaeder, das der Erde dagegen der Würfel. Daher komme es, daß sich weder die Erde in diese verwandle noch diese in Erde. Sie seien aber nicht so voneinander geschieden, daß jedes immer den ihm eigentlich zukommenden Platz einnähme, denn der Kreisumschwung des Himmels drängt die kleinen Teile zurück und schiebt sie nach dem Mittelpunkt hin zusammen, während er die großen Massen zerteilt. Daher komme es, daß sie, wie sie sich in ihrer Beschaffenheit verändern, so auch ihren Platz wechseln.  - (diol)

Natur

 

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Verwandte Begriffe
Stoff
Synonyme