rosa Es
ist das sonnige Verona, welches Shakespeare zum Schauplatze gewählt hat für
die Großtaten der Liebe, die er in »Romeo und Julie« verherrlichen wollte.
Ja, nicht das benannte Menschenpaar, sondern die Liebe selbst ist der Held in
diesem Drama. Wir sehen hier die Liebe jugendlich übermütig auftreten, allen
feindlichen Verhältnissen Trotz bietend, und alles besiegend... Denn sie fürchtet
sich nicht, in dem großen Kampfe zu dem schrecklichsten, aber sichersten Bundesgenossen,
dem Tode, ihre Zuflucht zu nehmen. Liebe im Bündnisse mit dem Tode ist unüberwindlich.
Liebe! Sie ist die höchste und siegreichste aller Leidenschaften. Ihre weltbezwingende
Stärke besteht aber in ihrer schrankenlosen Großmut, in ihrer fast übersinnlichen
Uneigennützigkeit, in ihrer aufopferungssüchtigen Lebensverachtung. Für sie
gibt es kein Gestern, und sie denkt an kein Morgen ... Sie begehrt nur des heutigen
Tages, aber diesen verlangt sie ganz, unverkürzt, unverkümmert... Sie will nichts
davon aufsparen für die Zukunft und verschmäht die aufgewärmten Reste der Vergangenheit...
»Vor mir Nacht, hinter mir Nacht« ... Sie ist eine wandelnde Flamme zwischen
zwei Finsternissen... Woher entsteht sie? ... Aus unbegreiflich winzigen Fünkchen!...
Wie endet sie? . .. Sie erlöscht spurlos, ebenso unbegreiflich ... Je wilder
sie brennt, desto früher erlöscht sie... Aber das hindert sie nicht, sich ihren
lodernden Trieben ganz hinzugeben, als dauerte ewig dieses Feuer.
Ach, wenn man zum zweitenmal im Leben von der großen Glut erfaßt wird, so
fehlt leider dieser Glaube an ihrer Unsterblichkeit, und die schmerzlichste
Erinnerung sagt uns, daß sie sich am Ende selber aufzehrt... Daher die Verschiedenheit
der Melancholie bei der ersten Liebe und bei der zweiten... Bei der ersten
denken wir, daß unsere Leidenschaft nur mit tragischem Tode endigen müsse, und
in der Tat, wenn nicht anders die ent-gegendrohenden Schwierigkeiten zu überwinden
sind, entschließen wir uns leicht mit der Geliebten ins Grab zu steigen...
Hingegen bei der zweiten Liebe liegt uns der Gedanke im Sinne, daß unsere wildesten
und herrlichsten Gefühle sich mit der Zeit in eine zahme Lauheit verwandeln,
daß wir die Augen, die Lippen, die Hüften, die uns jetzt so schauerlich begeistern,
einst mit Gleichgültigkeit betrachten werden ... Ach! dieser Gedanke ist melancholischer
als jede Todesahnung!... Das ist ein trostloses Gefühl, wenn wir im heißesten
Rausche an künftige Nüchternheit und Kühle denken, und aus Erfahrung wissen,
daß die hochpoetischen heroischen Leidenschaften
ein so kläglich prosaisches Ende nehmen! - Heinrich Heine,
Shakespeares Mädchen und Frauen
(1839)
Prosa (2) Es geht darum, daß dieses mörderische
Verhältnis des Weibes zum eigenen mädchenhaften Reiz
sich alle Augenblicke offenbart, und daher kommt diese seine Eigenheit, daß
das Weib nicht wirklich Jugend und Schönheit empfindet - es empfindet sie weniger
als der Mann. Schaut auf dieses Madchen! Wie ist
es romantisch ... aber diese Romantik endet mit dem Kontrakt vor dem Altare
mit diesem etwas dicklichen Advokaten da, diese Poesie muß legalisiert werden,
diese Liebe wird zu funktionieren beginnen mit der Erlaubnis der geistlichen
und der weltlichen Behorde Wie sehr ästhetisch . . . aber es gibt keinen Glatzkopf,
noch einen Dickwanst, noch einen Schwindsüchtigen, der für sie beleidigend genug
wäre, sie wird ihre Schönheit ohne Schwierigkeiten der Häßlichkeit übergeben,
und wir sehen sie da triumphierend an der Seite eines Ungetüms, oder, was noch
schlimmer ist, an der Seite eines dieser Manner, welche die leibgewordene kleinliche
Scheußlichkeit sind. Das ist die Schönheit, die sich nicht ekelt! Schön, aber
ohne Empfindung der Schönheit. Und die Leichtigkeit, mit der sich der Geschmack
und die Intuition des Weibes in der Wahl
des Mannes irrt, erweckt den Eindruck irgendeiner unbegreiflichen Blindheit
und zugleich Demut - das Weib verliebt sich in einen
Mann darum, weil er so distinguiert oder so »subtil« ist, von zweitem Range
sind soziale Werte; gesellschaftlich wirkungsvolle werden dem Weibe wichtiger
sein als apollinische Gestalten des Korpers, des Geistes, ja, es liebt den Socken
und nicht die Wade, das Schnurrbärtchen und nicht das Gesicht, den Schnitt der
Jacke, nicht den Brustkasten. Berauschen wird es die schmutzige Lyrik des Grammophons,
begeistern wird es das Pathos des Dummkopfs, verführen wird es der Chic des
Elegants, es weiß nicht zu demaskieren, es läßt sich beschwindeln, da es selber
beschwindelt. Und es wird sich nur in einen Mann aus seiner »Sphäre« verlieben,
denn es fühlt nicht die natürliche Schönheit der Menschenart heraus, sondern
nur die sekundäre, die ein Erzeugnis des Milieus ist - ach, diese Verehrerinnen
von Majoren, Dienerinnen von Generalen, Anhängerinnen von Kaufleuten, Grafen,
Ärzten. Weib, Du bist leibgewordene Antipoesie! - (
gom
)
Prosa (3) Sehr freimütig äußerte sich
Gustav Lilienthal in seinen Briefen zur eigenen Person. Er sei nun einmal
kein Held der Feder, heißt es einmal, auch kein großer Gelehrter.
Zudem stimme, daß er nicht viel gelesen habe und schrecklich
prosaisch angelegt sei. Gegen Luxus empfinde er tiefsten Widerwillen, dazu fühle
er sich zu sehr als Ingenieur und Sozialist. Kurz vor der Rückkehr meinte er,
man sollte jeden jungen Menschen vor der Einbildung warnen, schon sehr früh
etwas Bedeutendes leisten zu müssen. Denn auf diese Weise verlöre man leicht
Hoffnungen fürs Alter. Bedenke er jedoch, was manche
schon vor ihrem 30. Lebensjahr geschaffen haben, dann allerdings fühle er sich
höchst miserabel. - Aus: Gustav Lilienthal. Baumeister Lebensreformer
Flugtechniker. Berlin 1989
Prosa (4) Prosa - Wenn Werte wichtig sind, wie - Zum Beispiel hat es keinen Sinn zu leugnen, daß Prosa und Dichtung nach ihrer ZIELSETZUNG keineswegs dasselbe sind. Aber was ist dann Prosa? Sie wird nur geschwächt, wenn sie sich ohne Not der Dichtung annähert.
Mit gehörigem Wissen zur Hand können wir sagen, wozu die Dinge da sind
Ich erwarte eine Blüte der Werte. Ich erwarte von Prosa, daß sie Prosa ist. Eine Prosa, die befreit ist von fremden, nicht zu ihr gehörenden Werten, muß zu ihrem einzigen Zweck zurückfinden; zu Klarheit und Erhellung unserer Einsichten. Die Form der Prosa bestimmt sich ausschließlich nach den Erfordernissen der Klarheit. Eine Prosa, die nicht exakt auf die Darlegung von Sachverhalten ausgerichtet ist, gibt es nicht - Dies allein ist ihre Form. - Allenthalben erhellend durchdringen -
Dichtung ist etwas ganz anderes. Dichtung hat mit der Kristallisierung von Imagination zu tun - der Vervollkommnung neuer Formen als Zugaben zur Natur - Prosa mag darauf folgen, um zu erhellen, aber Dichtung -
Ist das, was ich geschrieben habe, Prosa? Die einzige Antwort lautet, daß in der Prosa die Form dort ihr Ende findet, wo auch das endet, was mitgeteilt werden soll -Wenn einen die Kraft zum Weiterschreiben mitten in einem Satz verläßt - ist das auch das Ende des Satzes -Und wenn an diesem Punkt etwas neues einsetzt, wäre es nur Stumpfsinn fortzufahren.
Da gibt es keine Unklarheit - nur Schwierigkeiten. - William Carlos Williams, Frühling und
Alles. Nach
(wcw)
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