edanke
Die schönsten Gedanken sind oft nichts, als Seifenblasen; mit dem
Hydrogen unserer Phantasie gefüllt steigen
sie schnell empor, und man denkt nicht daran, daß all der ergötzende Wechsel
ihrer Farben bloß der Abglanz ihres trüglichen Innern sei. Mit dem Oxygen
der Wirklichkeit in Berührung ist ein einziger
Strahl der Vernunft hinlänglich, entzündend
sie im Wasser zu wandeln; das große Geräusch
dabei ist nur der warnende Zuruf an die anderen, die noch zurück sind,
und ein bläulicher Schein leuchtet dem Irrtum
in das dunkle Nichts zurück.
- (
rit
)
Gedanke (2) Der alte Fontenelle
hatte vielleicht Recht als er sagte: wenn ich alle Gedanken dieser Welt
in meiner Hand trüge, so würde ich mich hüten sie
zu öffnen. Ich meinesteils, ich denke anders. Wenn ich alle Gedanken dieser
Welt in meiner Hand hätte - ich würde Euch vielleicht bitten, mir die Hand
gleich abzuhauen; auf keinen Fall hielte ich sie so lange verschlossen.
Ich bin nicht dazu geeignet ein Kerkermeister der Gedanken zu sein. Bei
Gott! ich laß sie los. Mögen sie sich immerhin zu den bedenklichsten Erscheinungen
verkörpern, mögen sie immerhin, wie ein toller Bacchantenzug, alle Lande
durchstürmen, mögen sie mit ihren Thyrsusstäben unsere unschuldigsten Blumen
zerschlagen, mögen sie immerhin in unsere Hospitäler hereinbrechen, und
die kranke Welt aus ihren Betten jagen - - Heinrich Heine, Zur Geschichte
der Religion und Philosophie in Deutschland
Gedanke (3) »Der Gedanke, dieses
seltsame Wesen« - aber er kommt uns nicht seltsam vor, wenn wir denken.
Der Gedanke kommt uns nicht geheimnisvoll vor, während wir denken, sondern
nur, wenn wir gleichsam retrospektiv sagen: »Wie war das möglich?« Wie
war es möglich, daß der Gedanke von diesem Gegenstand selbst handelte?
Es scheint uns, als hätten wir mit ihm die Realität eingefangen. -
(
wit
)
Gedanke (4) Er wartete, doch es kam keine Antwort. »Ella«, sagte er. Schweigen. Nervös fing er wieder an: »Ella, kannst du mich hören? Was ist los?« Mein Gott, dachte er, es ist vorbei mit ihr.
Eine Pause, dann materialisierten sich Gedanken in seinem rechten Ohr: »Mein Name ist Jory.« Nicht Ellas Gedanken, eine andere Art von Ella, vitaler und doch schwerfälliger. Ohne ihren flinken Scharfsinn.
»Gehen Sie aus der Leitung«, rief Runciter erschrocken. »Ich habe mit meiner Frau Ella gesprochen. Woher kommen Sie?«
»Ich bin Jory«, meldeten sich die Gedanken wieder, »und niemand unterhält sich mit mir. Ich würde gerne auch eine Weile mit Ihnen reden, wenn es Ihnen recht ist. Wie heißen Sie?«
Runciter stotterte: »Ich will mit meiner Frau Ella Runciter sprechen. Ich habe für das Gespräch mit ihr bezahlt und will mit ihr reden, nicht mit Ihnen.«
»Ich kenne Mrs. Runciter.« Die Gedanken klammerten sich in seinem Ohr
fest, viel stärker jetzt. »Sie unterhält sich mit mir, aber nicht so wie
mit Ihnen, mit jemandem in der Welt. Mrs. Runciter ist hier bei uns und
weiß auch nicht mehr als wir. Welches Jahr haben wir? Ist das große Schiff
nach Proxima inzwischen gestartet? Das alles interessiert mich brennend,
vielleicht können Sie mir davon berichten. Und wenn es Ihnen recht ist,
erzähle ich es später Mrs. Runciter. Einverstanden?«
-
(ubik)
Gedanke (5) Das eigentliche Leben eines Gedankens dauert nur bis er an den Gränzpunkt der Worte angelangt ist: da petrificirt er, ist fortan todt, aber unverwüstlich, gleich den versteinerten Thieren und Pflanzen der Vorwelt. Auch dem des Krystalls, im Augenblick des Anschießens, kann man sein momentanes eigentliches Leben vergleichen.
Sobald nämlich unser Denken Worte
gefunden hat, ist es schon nicht mehr innig, noch im tiefsten Grunde ernst.
Wo es anfängt für Andere dazuseyn, hört es auf, in uns zu leben. -
(
schop
)
Gedanke (6) . . . Menge: ich suchte mich zurechtzufinden in meiner inneren Menge, die in Bewegung war. Denn jedes Ding ist eine Menge, jeder Gedanke, jeder Augenblick. Alles Vergangene, alles Ununterbrochene, alles Erneuerte, jedes Etwas ist zugleich ein anderes Etwas. Nichts ist jemals endgültig umschrieben, noch hat es Anlage dazu, alles ist Beziehung, Mathematik, Symbol, oder Musik. Nichts Festes. — Nichts, was Eigentum wäre.
Meine Gedanken? Aber gerade die Gedanken sind vielleicht nichts weiter als Störungen des „Ich", Gleichgewichtsverluste (Phase 2) oder Wiedergewinn des Gleichgewichts (Phase 3) in der Bewegung des „Denkenden". Doch die Phase 1 (das ursprüngliche Gleichgewicht) bleibt unbekannt, unbewußt.
Die eigentliche, tiefe Denkbewegung vollzieht sich zweifellos ohne bewußten
Gedanken, auch ohne Bild. Das bewußt wahrgenommene Gleichgewicht
(Phase 3) ist das schlechteste, und nach einiger Zeit erscheint es allen Leuten
verabscheuungswürdig. Die Geschichte der Philosophie
ist die Geschichte der falschen Gleichgewichtspositionen, die nacheinander bewußt
herbeigeführt wurden. Und dann — kann man aus dem Endergebnis „Flamme"
das Feuer begreifen? - Henri Michaux, Nachwort zu: Plume und
andere Gestalten. Wiesbaden 1981 (zuerst 1938)
Gedanke (7) Die Rolle der Gedanken?
jene Rolle, deren Einsicht Hamann veranlaßt, das Denken ein Kleid der
Seele zu nennen, und Rimbaud, den Vokalen ein verborgenes Leben zuzuschreiben,
das den Worten eine unergründliche Bedeutung verleiht? Es ist ein Denken ohne
Gedanken, die Sensation des Denkens, die hier geschildert wird, Gedanken sind
bunte Frachten, die auf dunklen Wassern schwimmen, und alles Wissensgut hat
etwas sehr Zufälliges, sehr Aufgelesenes. Es wird durch die Plätze, bei denen
wir anlegen, und durch das, was dort gerade vorrätig ist, bestimmt Einmal eingeladen
jedoch, macht es die Strömung und Stauung des Flusses, seine Windungen, Wirbel
und Tänze mit. Vom Strome des tieferen Lebens, der ihn trägt, und nicht durch
sich selbst erhält der Gedanke seine Feinheit, Wucht und Gefährlichkeit.
- (
ej
)
Gedanke (8) Wenn sich die Gedanken nicht in Worte fassen lassen, füllen sie den Kopf wie die Touristen den Petersplatz, wenn der Papst redet und es nicht regnet. Oder sie häufen sich und pressen sich gegenseitig zusammen wie die Sardinen in einem Faß. Diese zusammengepreßten Gedanken können gefährlich werden.
An manchen Tagen ging Mozziconi am Ufer auf und ab und hielt sich den Kopf mit beiden Händen.
- Kommt nicht in meine Nähe, sagte er, wenn er jemandem begegnete, kommt nicht in meine Nähe; mein Kopf ist eine Bombe.
Er war überzeugt, daß sein Kopf früher oder später mit einer großen Explosion platzen würde. Deshalb begab er sich mit seinem Brotsack und seinen übrigen Habseligkeiten, das heißt mit nichts, von der Brücke zur Tiberinsel bis zu den Pfeilern des Ponte Flaminio.
Wenn schon eine Brücke in die Luft geht, dann soll es wenigstens die häßlichste sein.
Es wäre allzu schade gewesen um die Brücke zur Tiberinsel, die aus der römischen
Antike stammt. Auch der Ponte Milvio ist von den Römern gebaut worden, und Mozziconi
ging nie zu nahe hin, für den Fall, daß sein Kopf plötzlich platzte. - Luigi Malerba, Geschichten vom Ufer
des Tiber. Frankfurt am Main 1997
Gedanke (9) Mit einer Willensanstrengung verscheuchte er Megan, seine Frau, vollkommen aus seinem Denken, so vollkommen, als ob sie nie zusammengelebt hätten. Was diese tiefen, inneren Unmenschlichkeiten anging, war Mr. Geard schamlos. Dieser Christus-Verehrer packte häufig sein Gewissen am Wickel und hing es vor die entferntesten Außenmauern seines Bewußtseins einfach an den Nagel. Jetzt setzte er alle Hebel und Räder seines Verstandes m Bewegung, bis sein Bewußtsein wie ein gewaltiger Maschinenrachen mit vorstehenden eisernen Greifern sich soweit eingestellt hatte, daß es sein Schlüsselwort packen konnte, das ihn geneckt und gepeinigt hatte.
»Ein Gedanke ist etwas Wirkliches«, sagte er sich. »Er ist etwas Lebendiges. Er erschafft, zerstört, erzeugt; er verbreitet seine lebendigen Nachkommen. Gedanken können wie gewisse Formen körperlichen Schmerzes organische Gestalt annehmen. Sie können leben, wachsen und sich vermehren, unabhängig von der Person, aus deren Sein sie entsprungen sind.
Tausend Jahre lang hat der Gral das Denken angezogen,
aufgrund des Magnetismus von Christi Blut. Der Gral ist jetzt ein organischer
Keim der Schöpfung und Zerstörung. Christi Blut
ruft Tag und Nacht laut daraus hervor. Ja, ja«, so liefen seine Gedanken, »ja,
und schwarze Kacke!« - dies war ein merkwürdiger, Mr. Geard eigentümlicher Fluch
- »jetzt weiß ich, was der Gral ist. Er ist die Sehnsucht von Generationen,
die sich wie Wasser mit Christi Blut vermischt und eingefangen ist im Bruchstück
eines Stoffs, der über das Materielle hinausgeht! Er ist ein kleiner Keim der
Ewigkeit, auf irgendeine Art aus dem weiten All an einem ganz bestimmten Punkt
abgesetzt!« - (cowp)
Gedanke (10)
Gedanke (11)
Große Gedanken entspringen im Herzen.
-
(vauv)
Gedanke (12)
Denken verwirrt die Gedanken,
aber Erzählen klärt sie. - Luigi Malerba, Die nackten Masken. Berlin 1995
Gedanke (13) Er kann, ehe man ein Vaterunser betet, 10 Umstände aufzählen, seine Gedanken kommen ihm, als wenn sie ihm der Kobold brächte
Er konnte einen Gedanken, den jedermann für einfach
hielt, in sieben andere spalten wie das Prisma das Sonnenlicht, wovon
einer immer schöner war als der andere, und dann eine Menge anderer
sammeln und Sonnenweiße hervorbringen, wo andere nichts als bunte
Verwirrung sahen. - Lichtenberg
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