icht   Seit meiner Kindheit, da meine Knochen, Nerven und Adern noch nicht gekräftigt waren, genieße ich immerdar bis auf den heutigen Tag, da ich mehr denn siebzig Jahre zähle, die Gnade dieser Schau. Dabei steigt meine Seele, so wie es Gott will, hinauf in die Höhe des Firmamentes und in die wechselnden Schichten des Äthers, sie breitet sich aus zwischen den verschiedenen Völkern, wenn sie auch in weit entlegenen Ländern, fern von mir sind. Und weil ich das also in meiner Seele sehe, schaue ich sie wie den Wechsel der Wolken und anderer Geschöpfe. Ich vernehme dies jedoch nicht mit den leiblichen Ohren, ersinne es nicht in den Gedanken meines Herzens und nehme es nicht durch einen der fünf Sinne auf; ich schaue all das nur in meiner Seele mit offenen Augen wachend während des Tages und der Nacht, ohne jemals ein Ekstase erlitten zu haben. Fortwährend bedrängen mich Krankheiten, und vielfach bin ich so von schweren Schmerzen umklammert, daß sie mir den Tod zu bringen drohen, doch hat mich Gott bis nun zum Leben erweckt.

Das Licht, das ich schaue, ist an keinen Ort gebunden, es ist unendlich heller als eine Wolke, die die Sonne trägt. Ich sehe an ihm keine Höhe, keine Länge und keine Breite. Es wird mir als »der Schatten des lebendigen Lichtes« bezeichnet. Und so wie die Sonne, der Mond und die Sterne im Wasser erscheinen, so formen sich mir und erglänzen mir die Schriften, Gespräche, Tugenden und mancherlei Werke der Menschen in ihm.

Und was ich in diesen Gesichten schaue und erfahre, behalte ich lange im Gedächtnis, so daß ich, wenn ich dies Licht sehe und höre, ich mich erinnere und zugleich sehe, höre, weiß und gleichsam in einem Augenblicke, was ich weiß, lerne. Was ich aber nicht schaue, das weiß ich nicht, denn ich bin ungelehrt, man hat mich nur unterwiesen, in aller Einfalt die Buchstaben zu lesen. Und was ich in meiner Vision niederschreibe, das sehe und höre ich. Ich schreibe auch keine anderen Worte als die, welche ich höre, nieder und bringe sie in ungefeilten lateinischen Worten vor, wie ich sie eben in der Vision höre; denn ich lerne in den Gesichten nicht, wie ein Philosoph zu schreiben, auch sind jene Worte nicht wie Worte, die von Menschenmund ertönen, es ist vielmehr wie eine blitzende Flamme und wie eine Wolke, die sich in reiner Luft bewegt.

Die Gestalt dieses Lichtes vermag ich in keiner Weise zu erkennen, wie ich ja auch nicht voll in die Sonnenscheibe schauen kann. In diesem Lichte sehe ich zuweilen, freilich nicht oft, ein anderes Licht, das mir als »das lebende Licht« bezeichnet wird; wann und wie ich es sehe, kann ich nicht angeben; solange ich es aber schaue, wird jede Traurigkeit und Beängstigung von mir genommen, so daß ich dann wie ein einfältiges Jungmädchen und nicht wie eine alte Frau bin.

Infolge meiner steten Krankheit, an der ich leide, ist es mir manchmal zuwider, die Worte und die Gesichte, die mir gezeigt werden, vorzubringen; wenn sie aber meine Seele sieht und kostet, dann werde ich, wie ich soeben gesagt, völlig geändert und vergesse allen Schmerz und alle Wirrnis. Und was ich in der Vision sehe und höre, das schöpft meine Seele wie aus einem Quell, doch bleibt er dabei voll und unerschöpft.

Zu keiner Stunde fehlt meiner Seele das Licht, das der Schatten des lebendigen Lichtes heißt. Ich sehe es, als schaute ich das Firmament ohne Sterne in einer lichthellen Wolke, und ich sehe darin auch, was ich oft spreche und denen, die mich fragen, aus dem Glanze des lebenden Lichtes antworte. - Hildegard von Bingen, nach (bin)

Licht (2)  Der Glaube an das Wunderbare und Unnatürliche hat eine sonderbare, noch heute in manchen Köpfen spukende Meinung erzeugt. Bis in die neueste Zeit haben sich sogar Naturforscher nicht gescheut, die Worte "Zauberkraft der Schlangen" auszusprechen, und sie in Verbindung zu bringen mit der Art und Weise, wie die Schlangen Beute gewinnen. Nach meinen, unzählige Male wiederholten Wahrnehmungen verhält sich die Sache einfach so, daß die nach jener Ansicht verzauberten Tiere die Schlange, welche sie bedroht, nicht als das furchtbare Raubtier erkennen, welches sie ist. Weder das Säugetier, sei es nun ein unkluges Kaninchen oder eine alte erfahrene Ratte, noch irgend ein Vogel, und wäre es selbst der mißtrauische, durch vielfache Schicksale gewitzigte Sperling, wissen, was eine Schlange ist. Falls sie ihr überhaupt Beachtung schenken, nähern sie sich ihr plump neugierig, betrachten oder beschnüffeln sie, lassen es sich gefallen, daß die Schlange sie bezüngelt und prallen nur dann ein wenig zurück, wenn wenn die Zunge sie an irgend einer empfindlichen Stelle kitzelt. Alte kräftige Ratten, welche man zu großen Schlangen setzt, bekunden vor diesen nicht nur nicht Furcht, sondern betätigen die ihnen eigene Dreistigkeit manchmal in gänzlich unerwarteter Weise. Eine von ihnen, welche ich gefangenenKlapperschlangen als Opfertier anbot, kümmerte sich nicht im Geringsten um das bedrohliche Rascheln und Zischen der Schlange, sondern fraß, als sie Hunger bekam, ein Loch in den Leib des Giftwurmes, an welchem dieser elendiglich zugrunde ging. Daß nun vollends an den Gifthauch irgendwelcher Schlange nicht gedacht werden kann, bedarf keiner längeren Auseinandersetzung. Viele Schlangen, insbesondre die Giftschlangen, riechen allerdings nicht nach Ambra und Weihrauch, verbreiten, namentlich wenn sie gefressen haben, und verdauen, im Gegenteil sehr unangenehme Düfte; daß aber solche ein Säugetier betäuben könnten, muß als gänzlich unmöglich erachtet werden.

Wie immer so auch in diesem Falle erbleicht das Wunderbare vor dem Lichte der Erkenntnis- (brehm)

Licht (3)  In der Luft schwebt ein leuchtender, von waagerechten Flügeln getragener Kreis.
In diesem Ring hängt, wie in einem zu lockeren Gürtel, ein kleiner Mann, auf dem Kopf eine Mitra und eine Krone in der Hand; um seinen Unterleib bauschen sich große Federn zu seinem Rock. Es ist

ORMUZ der Gott der Perser. Er wirbelt schreiend herum:

Ich habe Angst! Ich sehe seinen Rachen. Ich hatte dich besiegt, Ahriman! Aber du erhebst dich wieder!

Als du das erste Mal gegen mich aufstandest, hast du das älteste der Geschöpfe, Kaiomortz, den Stiermenschen, vernichtet. Danach hast du das erste Menschenpaar, Meschia und Meschiane, verführt; du hast Finsternis in die Herzen gesenkt und deine Heere gegen den Himmel geführt. Mein Heer war das Volk der Sterne; von meinem Thron sah ich auf die gestaffelten Gestirne herab. Mein Sohn Mithras wohnte an einem uneinnehmbaren Ort, an dem er die Seelen empfing, sie wieder entließ, und von dem er sich jeden Morgen erhob, um seinen Reichtum zu verströmen. Die Erde spiegelte den Glanz des Firmamentes. Das Feuer — Abbild jenes anderen Feuers, aus dem ich alle Wesen erschaffen hatte — leuchtete auf den Bergen. Um es vor Verunreinigung zu schützen, verbrannte man keine Toten. Im Schnabel der Vögel wurden sie zum Himmel getragen.

Ich hatte die Weiden, die Bebauung der Felder, das Holz zum Opfer, die Form der Gefäße und die Worte, bei Schlaflosigkeit zu sagen, festgesetzt; — und meine Priester beteten unausgesetzt, damit die Anbetung ewig sei wie Gott. Man reinigte sich mit Wasser, opferte Brote auf den Altären und bekannte laut seine Verbrechen. Homa gab sich den Menschen zum Trank, damit sie seiner Kraft teilhaftig würden. Die Genien des Himmels bekämpften die Dänionen, die Kinder des Iran verfolgten die Schlangen. Der König, dem ein riesiger Hof auf Knien diente, verkörperte meine Person, trug meine Mitra. Seine Gärten waren prachtvoll wie eine himmlische Erde; und sein Grabmal zeigte ihn, ein Ungeheuer erwürgend — Sinnbild des Guten, das das Böse vernichtet.

Denn eines Tages sollte ich, dank der grenzenlosen Zeit, Ahriman endgültig besiegen. Aber der Raum zwischen uns schwindet; die Nacht steigt herauf! Her zu mir, Amschaspanden, Izeds, Feruers! Zu Hilfe, Mithras! zieh dein Schwert! Caosyac, der du wiederkommen sollst zur Erlösung der Welt, verteidige mich! Wie? ... Keiner! Ah! ich sterbe! Ahriman, du bist der Herr! - (vers)

Licht (4)  Das Licht ist eine nackte und sorgsam enthaarte Frau.  - Ramón Gómez de la Serna, nach (cirkus)

Licht (5)  

Licht (6)    Licht war im Zimmer, die Welt des Lichts, und das heilige jüdische Wort. Auf der Uhr und auf dem schwarzen Feuer schuf das Licht die innere Welt, und die Form nach seinem Bilde, die sich wandelte, so wie sich die Formen des Lichts stumm verwandelten, verdrehte sein letztes Manneswort. Das Wort wuchs wie Licht. Er liebte und begehrte das letzte, dunkle Licht und wandte sich ab von seinen Erinnerungen und hin zum gelben Meer und dem stolzgeschwungenen Schnabel des Löffels. Durch seine ertrinkenden Erinnerungen hindurch geriet er in die Welt der Liebe und rückte das Lächeln des einen Liebenden zum Mund eines ungezogenen Liebenden, der grausam verfahren war mit den beigeschlafenen Toten, die noch vor dem Ankleiden starben. Langsam wandte er sich zum erleuchteten Gesicht und zum Totenflämmer. Er berührte Mr. Stul am Knöchel, und da sprang sein kämpferischer Geist hinaus - er war jetzt zu drei Teilen Geist, und seine Männlichkeit schrumpfte wie der Saft in einem Stock unter den Lumpen einer Vogelscheuche - um Maria zum Weib zu nehmen; ganz geschlechtlich und nichts, unfaßbarer Hermaphrodit zu Rosse auf den geschlechtslosen Toten, bestieg der Prediger Gottes in grauem Abbild die tote Maria. Mrs. Owen, bewandert in den gottlosen Systemen, erkannte durch das innere Auge, daß die runde doch unbegrenzte Erde faulte, während sie noch reifte; ein Kreis, den nicht ihre Hexenkunst erschaffen hatte, wuchs um sie herum; der makellose Kreis weitete sich, nahm die Form einer Generation an. Mr. Davies berührte die Ränder der Generation; ein menschenjagender Samen erhob sich; und der Kreis zerbrach. Es war Mr. Stul, der geile Mann, der Vater der Bastarde von Aberystwyth, der über den zerbrochenen Kreis hinwegsprang und Hand in Hand mit dem grauen Geist dem Göttlichen seine Küsse aufdrückte, bis die Himmel schmolzen. - (echo)

Mystiker Naturkräfte
Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe
Verwandte Begriffe

tDunkelheit

Synonyme

Antonym