Nun möchte einer fragen: Sind denn auch alle drei Geburten darinnen? Ja, das Leben dringet durch den Tod. Die äußerste Geburt ist der Tod, die andere ist das Leben, welches im Zornfeuer und in der Liebe stehet, die dritte ist das hl. Leben.
Unterricht: Die äußerliche Erde ist ein bitter Gestank und ist tot, das verstehet auch ein jeder Mensch. Der Salitter ist auch durch den Zorn ermordet worden, denn du kannsts nicht leugnen, daß nicht Gottes Zorn in der Erden sei, sonst wäre sie nicht also herbe, bitter, sauer und giftig, und gebäre auch nicht solche giftige, böse Würmer. So du aber wolltest sagen, Gott habe sie aus seinem Fürsatze also geschaffen, so würdest du sagen, daß Gott selber die Bosheit sei.
Lieber, sage mir doch, warum ist doch der Teufel verstoßen worden? Du wirst freilich sagen, um seiner Hoffart willen, daß er hat wollen über Gott sein. Rat, Fritz, womit? Was hat er für Gewalt gehabt? Hie sage, weißt du was, weißt du nichts, so schweig und höre:
In dem Salitter der Erden saß er vor den Zeiten der Schöpfung, als derselbe noch dünne und in himmlischer heiliger Geburt stand, und war in dem ganzen Königreiche dieser Welt. Daselbst war es nicht Erde und Steine, sondern ein himmlischer Same, welcher aus den sieben Quellgeistern der Natur geboren ward. Denn darinnen gingen himmlische Früchte und Formen auf, welches war eine Lustspeise der Engel.
Als aber der Zorn darinnen anbrannte, so wards im Tode ermordet; aber nicht also zu verstehen, daß sie darum gar tot sei, denn wie kann in Gott etwas gar sterben, das sein Leben von Ewigkeit hat gehabt? Sondern die äußerste Geburt ist verbrannt, erfroren, ersoffen und erstarret.
Die andere Geburt aber gebäret in der äußersten wieder das Leben, und die dritte wird zwischen der ersten und andern geboren, das ist: zwischen Himmel und Hölle mitten im Zornfeuer, und dringet der Geist im Zornfeuer durch und gebäret das hl. Leben, welches stehet in Kraft der Liebe.
Und in derselben Geburt werden die Toten auferstehen, die da haben einen heiligen Samen gesäet, die werden im Zornfeuer auferstehen. Denn die Erde wird wieder lebendig werden, sintemal sie die Gottheit in Christo hat wieder neugeboren durch sein Fleisch und zur Rechten Gottes erhöhet; aber das Zornfeuer bleibet in seiner Geburt.
Daß du aber wolltest sagen, es sei kein Leben in der Erden, so redest du blind. Du siehest ja, daß Kraut und Gras daraus wachset. Daß du aber wolltest sagen, sie hätte nur einerlei Geburt, so redest du auch blind, denn das Kraut und Holz, das daraus wächst, ist nicht Erde. Auch so ist die Frucht auf dem Baume nicht Holz, auch so ist die Kraft der Frucht nicht Gott, sondern Gott ist im Centro der innersten Geburt in allen drei natürlichen Geburten verborgen und wird nicht erkannt als nur im Geiste des Menschen. Auch so kann ihn die äußerliche Geburt in der Frucht nicht fassen oder halten, sondern er hält die äußerste Geburt der Frucht und formieret sie.
Die andere Frage: Warum ist denn die Erde also bergicht, steinicht
und uneben? Die Berge sind in der Zusammentreibung also
worden, denn des verderbten Salitters ist je an einem Orte mehr gewesen als
an andern, als nachdem wie das Rad Gottes
mit seinen instehenden Quellgeistern ist gewesen. - (
boe
)
Und jedesmal wird's mir der Rachen des Sees von neuem verkünden: Wohl wachsen
auf der Kruste der Erde, von der Sonne gezeugt, entsetzliche Gifte, doch ihr
Inneres, ihre Schluchten und Abgründe, sind frei davon,
und die Tiefe ist rein. - Gustav Meyrink, Der Kardinal Napellus. In:
G. M., Der Kardinal Napellus. Stuttgart 1983.
Die Bibliothek von Babel Bd. 19, Hg. Jorge Luis Borges
rache für ein gläsernes herz erde, auch du bist nicht sicher vor uns: erde, auch du bist nicht mehr gefeit: erde, aber dein brustkorb schwirrt erdherz, der dich geblasen hat |
- Hans Magnus Enzensberger, Landessprache. Frankfurt
am Main 1969 (es 304, zuerst 1960)
-
(nett)
Erde (5) Bland, der noch Lehrling war, hatte seine Schwäche fürs Halluzinieren noch nicht ganz abgeschüttelt. Er weiß, wo er sich befindet, solange er 'draußen' ist, doch bei der Rückkehr stellt er sich vor, daß er unterhalb der Geschichte gereist sei: daß die Geschichte das Bewußtsein der Erde wäre, in Schichten abgelagert, tief in ihrem Körper, analog zu Kohleflözen oder Lagerstätten von ölhaltigem Gestein. Die Besucher sitzen in seinem Salon, zischeln über ihn hin, hinterlassen ekelhafte Talgspuren auf allem, was sie berühren, und geben sich Mühe, ihm über diese Phase hinwegzuhelfen, sichtbar ungehalten über das, was sie als die Geschmacksverirrung eines vulgären Herumtreibers empfinden. Er kommt an und schwärmt von den Wesenheiten, denen er draußen begegnet ist, Mitgliedern einer astralen I. G., deren Aufgabe - wie es Rathenau, durch das Medium Peter Sachsa, angedeutet hatte - jenseits des irdischen Gut und Böse liegt: Unterscheidungen wie diese sind bedeutungslos dort draußen ...
«Jaa, jaa», alle stieren sie ihn an, «aber wozu dann noch von ‹Bewußtsein› und ‹Körper› sprechen? Warum dann diese Unterscheidung?»
Nur deshalb, weil es so schwerfällt, über das Staunen der Entdeckung hinwegzukommen,
daß die Erde eine lebendige Kreatur ist: daß
der große, stumme Fels, als den man sie sich all die Jahre vorgestellt hat,
plötzlich einen Leib und eine Seele
hat. Er kommt sich wieder wie ein Kind vor, er weiß, daß er sich theoretisch
an nichts klammern darf, aber er ist immer noch verliebt in das Gefühl des Staunens,
in dieses Wiederfinden, selbst so spät noch, selbst angesichts der Gewißheit,
daß er es bald wieder loslassen muß ... in die Entdeckung, daß die Schwerkraft,
die immer so selbstverständlich war, in Wahrheit etwas Unheimliches, Messianisches,
Übersinnliches ist im Geistleib der Erde ... in dessen heiligem Zentrum sie
die Abfälle der toten Arten an sich gedrückt hat, ihre Moleküle versammelt und
verdichtet, umgebaut, gewandelt, neu verknüpft, damit die Kohlenteer-Kabbalisten
auf der anderen Seite, wie sie Bland von seinen früheren Reisen kennt, wieder
über sie herfallen, sie verkochen und zerfetzen, jede letzte Permutation
von nutzbarer Magie aus ihnen herausforschen und
noch Jahrhunderte nach der Erschöpfung neue Molekülfragmente finden können für
neue und immer neue Kombinationen und Montagen zu immer neuen künstlichen
Stoffen - - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei
Hamburg 1981
Erde (6) Ich will nun von den Metallen,
den Schätzen der Erde selbst und dem materiellen Werte der Dinge reden, denn
der Mensch ist auf vielerlei Weise bemüht, das Innere der Erde zu durchforschen;
hier nämlich gräbt er nach Reichtümern, Gold, Silber, Elektrum und Erz, dort
sucht er Edelsteine zum Schmuck und farbige Zieraten für Wände und Finger, dort
Eisen für seine Keckheit, und dieses letztere Metall wird bei Krieg und Mord
sogar dem Golde vorgezogen. Wir verfolgen alle ihre Adern, wohnen auf einer
ausgehöhlten Erde und wundern uns noch, daß sie zuweilen voneinanderspaltet
und erzittert, wie wenn dergleichen Ereignisse etwas anderes wären als der Ausdruck
des Unwillens der heiligen Mutter über unser Treiben. Wir steigen in ihr Inneres
und spüren bei den Wohnsitzen der Verstorbenen nach Schätzen, als ob sie da,
wo wir sie mit den Füßen berühren, nicht gütig, nicht fruchtbar genug wäre.
Und diese Sucht ist am allerwenigsten von dem Wunsche, Arzneimittel zu sammeln,
begleitet, denn der wievielte Mensch gräbt wohl um derentwillen? Doch auch diese
Mittel spendet sie auf ihrer Oberfläche in reichlichem Maße, und alle heilsamen
Dinge können wir uns leicht von ihr verschaffen. Jene Gegenstände aber, welche
sie verborgen und in ihr Inneres versenkt hat, welche nicht jählings emporwachsen,
drücken uns nieder und bringen uns zur Unterwelt. Möge der menschliche Geist,
nach oben gerichtet, bedenken, welches Ende bevorsteht, wenn nach Jahrhunderten
die Erde erschöpft ist, und wohin die Habsucht noch führen wird. Wie unschuldig,
glückselig, ja wie prächtig wäre das Leben, wenn wir nichts anderes, als was
über der Erde, kurz nichts, als was um uns ist, begehrten. - (pli)
Erde (7)
Erster Beweis! Ein beträchtlicher Teil von der Erde wird ständig |
Erde (8) Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen. - Lichtenberg
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