nterschiede, kulturelle    Auch im Ausland wurde die "Nick-Knatterton"-Bildergeschichte fleißig nachgedruckt, hin und wieder allerdings mit einschneidenden Veränderungen: In der holländischen Fassung des konfessionell gebundenen Amsterdamer »Volkskrant« mußten die von mir mit prallen Rundungen gezeichneten Damen Busen und Popos auf dem Altar der Sittenstrenge opfern: Ein eigens für diesen Zweck engagierter Grafiker hatte in Fließbandarbeit ca. zehntausend Busen auf meinen Zeichnungen zu reduzieren oder ganz zu entfernen, worauf er nachts schlimme Sachen träumte und einen Psychiater aufsuchen mußte.

Dame, aufklappbare

Bei der türkischen Zeitung »Millyet« tat man genau das Gegenteil und ließ von einem einheimischen Künstler die weiblichen Ober- und Hüftweiten gewaltig ausbauen, um der orientalischen Geschmacksrichtung entgegenzukommen. In den Ostblockstaaten änderte man nichts an meinen Figuren, zahlte aber keine Tantiemen, und das empfand ich viel schmerzhafter als das in Holland geübte Abschneiden von Busen und Popos. - Aus: Manfred Schmidt,  Nick Knatterton Gedenkausgabe, Oldenburg u. Hamburg 1971 (Stalling, zuerst 195?)

Unterschiede, kulturelle (2)   Was die Männer, die zum Töten gingen, an Musik hörten, hing in Form von MP3-Dateien um Pikachus Hals. Unter einem Vorwand bat ich ihn, mir den Player für einige Tage zu leihen. Er lachte, als wollte er mir verzeihen, daß ich ihn für so blöd hielt, für so hirnverbrannt, Sachen zu verleihen. Also kaufte ich das Gerät und gab dafür fünfzig Euro aus. Ich steckte mir sofort die Kopfhörer ins Ohr, denn ich wollte wissen, was die Hintergrundmusik zu den Massakern war. Ich erwartete Rap, Hard Rock oder Heavy Metal, aber statt dessen hörte ich nur neapolitanische Schnulzen und Pop. In Amerika schießt man, aufgeputscht vom Rap, in Secondigliano hatten sie Liebeslieder im Ohr, wenn sie zum Töten gingen. - Roberto Saviano, Gomorrha. Reise in das Reich der Camorra. München 2006

Unterschiede, kulturelle (3)  Am 15. Januar 1931 haben wir uns auf der »Ville de Verdun« eingeschifft. Wir waren im dritten Deck untergebracht, wie Passagiere der letzten Klasse. Tags war es zu heiß, nachts war es kalt, und einige von uns haben sich bei einem Zwischenaufenthalt auf den Neuen Hebriden die Malaria geholt. Es hat drei Tote gegeben, wenn ich mich richtig erinnere, darunter Bazit, ein Albino-Kanak aus Wé. Die Mannschaft hat ihre Leichen ins Meer geworfen, ohne daß wir Zeit gehabt hätten, ihnen zu erklären, daß man lebt, um mit den Lebenden zu leben, und daß man stirbt, um mit den Toten zu leben. Im Ozean können die Toten nicht leben, dort können sie ihren Stamm nicht wieder finden . - Gocéné, nach: Didier Daeninckx, Reise eines Menschenfressers nach Paris. Berlin 2001 (zuerst 1998)

Unterschiede, kulturelle (4)  Neben den Göttern in Tiergestalt aber wurde das Tier selbst verehrt, wenn es durch gewisse Merkmale gezeichnet war. Und das bekannteste, dem der pomphafteste Kult zuteil wurde, der jemals einem Tier auf dieser Erde zuteil geworden ist, war Apis, der heilige Stier von Memphis, den die Ägypter für den «Diener des Gottes Ptah» hielten.

Im Tempel selber war der Aufenthalt dieses heiligen Tieres. Priester pflegihn. Starb er, so wurde er unter feierlichen Zeremonien einbalsamiert und bestattet, und ein neuer mit denselben Merkmalen nahm seine Stelle ein. Friedhöfe entstanden, des Andenkens von Göttern und Königen würdig. Die Katzengräber von Bubastis und Benihasan gehören zu diesen Tierfriedhöfen, die Krokodilgräber von Ombos, die Ibisgräber von Aschmunen, die Widdergräber von Elephantine. Es waren Kulte, die das ganze Land durchzogen, die im Lauf der ägyptischen Geschichte unzählige Verwandlungen durchmachten, ortsgebunden das eine Mal mächtig emporflackerten, dann wieder für Jahrhunderte versanken. (Und wen von uns das allzu sonderbar dünkt und vielleicht lächeln machen sollte, der möge sich vorzustellen versuchen, wie absurd alle Angehörigen fremder Kulturkreise etwa unseren Kult mit der Jungfrau von der Unbefleckten Empfängnis empfinden müssen.) - C. W. Ceram, Götter Gräber und Gelehrte. Reinbek bei Hamburg 2000 (zuerst 1949)

Unterschiede, kulturelle (5)   Der Diebstahl wird in Abessinien derart hoch eingeschätzt, daß des Oberhaupt der Diebe sich diesen Titel teuer erkauft. Dasselbe ist bei den Kuriaken der Fall. Er ist dort eine hohe Ehrung.

Bei den Tohukichis darf sich ein Mädchen nicht eher verheiraten, bevor sie nicht Proben von dieser Fertigkeit abgelegt hat.

Bei den Mingreliern ist der Diebstahl ein Zeichen von Geschicklichkeit und Mut. Man rühmt sich dort öffentlich, wenn man ein besonders schwieriges Kunststück verübt hat.

Unsere Reisenden fanden den Diebstahl auf der Insel Otahiti in kräftigem Betriebe.

Er ist auf Sizilien ein achtbares Gewerbe.

Frankreich war unter der Adelsherrschaft nur ein wüster Haufen von Dieben. Heute ist die Form eine andere, die Tatsache aber dieselbe. Die großen Gauner stehlen nicht mehr, sondern jetzt werden sie bestohlen.

Seien Sie versichert, es gibt keine Art, sich das Gut seines Nächsten anzueignen, die nicht rechtmäßig wäre. Die List, die Geschicklichkeit und die Kraft sind nur kluge Mittel, um zu einem erlaubten Ziel zu gelangen.

Ein Sohn des berühmten Camerion, bildete das System des Diebstahls aus. Das Oberhaupt gab seine Befehle, man befolgte sie blind, und die gesamte Beute wurde nach einem gemeinsamen Magazin geschleppt, wo sie mit größter Strenge zu gleichen Teilen geteilt wurde.

Große Diebstähle galten früher als Heldentaten.

Wenn ein Einwohner von Illinois stiehlt, macht er seine Handlung wieder gut, indem er dem Richter die Hälfte der geraubten Summe abgibt, und man denkt nicht weiter daran, ihn zu strafen.

Es gibt Länder, in denen man den Diebstahl nach dem Gesetze der Wiedervergeltung dadurch bestraft, daß man dem Dieb seine Beute abnimmt und ihn laufen läßt. So mild dieses Gesetz in diesem Fall ist, so ist es doch ungerecht, wie eine einfache Überlegung Ihnen gleich beweisen wird.

Ich nehme an, Peter beschimpft und schlägt Paul. Nach dem Gesetz der Wiedervergeltung wird nun Peter auf dieselbe Art mißhandelt. Das ist aber eine schreiende Ungerechtigkeit; denn Peter hatte, als er so handelte, Gründe, die die Grausamkeit seines Verbrechens mildern; wenn Sie ihn aber bestrafen, haben Sie keinen Grund dafür, und darin liegt der große Unterschied, der Ihnen die Ungerechtigkeit eines Gesetzes aufdeckt, das die Dummen so schön finden.

Es gab eine Zeit, in der die deutschen Adligen unter ihren Rechten auch das, auf der Landstraße plündern zu dürfen, aufzählten. Dieses Recht geht auf die ersten gesellschaftlichen Einrichtungen zurück, als der freie Mensch sich noch wie der Vogel im Walde von dem ernährte, was er stehlen konnte. Damals war er ein Jünger der Natur, heute ist er Sklave der unsinnigsten Vorurteile.

Der Diebstahl stand in Lakedämonien in hohen Ehren. Lykurg erhob ihn ins Gesetz. Dieser große Mann sagte, daß die Spartaner durch das Stehlen flink, geschickt und tapfer würden. Auch auf den Philippinen schätzt man noch heutzutage den Dieb.

Die Germanen betrachteten den Diebstahl als Übung für die Jünglinge. Auch die Römer erlaubten ihn bei gewissen Festen. Die Ägypter verwendeten ihn als Erziehungsmittel, während er jedem Amerikaner als Nebenberuf dient. Auch in Afrika betreibt man ihn allgemein, und jenseits der Alpen wird er kaum bestraft.

Nero verließ jede Nacht seinen Palast, um zu stehlen. Am nächsten Tage verkaufte man auf den öffentlichen Plätzen das, was er gestohlen hatte, und den Erlös steckte er ein.

Präsident Rieux, der Sohn Samuel Bernards und der Vater Boulainvilliers, stahl aus Neigung. Er überfiel die Passanten auf dem Pont-Neuf und beraubte sie mit der Pistole in der Hand. Eines Tages beneidete er einen Freund seines Vaters um seine Uhr, er lauerte ihm abends auf, als er gerade von Samuel kam und beraubte ihn. Der Freund kehrte zum Vater zurück, beklagte sich und nannte den Schuldigen. Samuel versicherte, daß das unmöglich sei und schwor, daß sein Sohn bereits schlafe. Man sah nach, und tatsächlich fand man Rieux nicht in seinem Zimmer. Kurze Zeit nachher kam er heim. Man überführte ihn und machte ihm Vorwürfe, so daß er schließlich alle seine Diebestaten eingestand und sich zu bessern versprach. Das hielt Rieux auch, und er wurde später ein bedeutender Richter.

Nichts ist leichter zu verstehen als der Diebstahl aus geschlechtlicher Leidenschaft; denn das Stehlen verursacht einen Nervenchok, der direkt die Geilheit entfacht. Alle diejenigen, die, wie ich, ohne Not gestohlen haben, kennen dieses geheime Vergnügen. Auch wenn man beim Spiel schwindelt, kann man es empfinden. Ich habe den Grafen von . . . gesehen, wie er beim Pikett einen jungen Mann um hundert Louis betrügen mußte, weil er Lust hatte, ihn zu ficken, und er nur beim Stehlen einen Ständer bekam. Die Partie begann, der Graf stahl, wurde geil und nahm den jungen Mann von hinten her, ohne ihm jedoch das Geld zurückzugeben.

Argafond stahl nach den gleichen Grundsätzen alles, was ihm in die Hände gelangte. Er hatte sich ein Freudenhaus eingerichtet, in dem alle jene in unverschämter Weise beraubt wurden, die dem Lockruf seiner Haremsdamen folgten.

Wer stahl mehr als unsere Finanziers?  - (just)

Unterschiede, kulturelle (6)  

Die faule Italienerin. Die fleißige Schwäbin

- Almut Gernhardt, nach: Der Rabe. Magazin für jede Art von Literatur 25. Zürich 1989

Unterschiede, kulturelle (7) Art der Niederkunft In Holland auf besonderen Gebär-Stühlen. — In England sitzt die Frau auf dem Bettrand, den Rücken dem Geburtshelfer zugekehrt. In mehreren Provinzen Frankreichs steht die Frau aufrecht oder sitzt auf den Knien einer Person, die sie stützt. In Griechenland setzt man sie auf einen Dreifuß. - „In Kamtschatka vollzieht sich die Niederkunft in aller Öffentlichkeit, und eine Menge von Augenzeugen genießen dieses Schauspiel mit geschäftiger Lust."  -  Moreau de la Sarthe, Naturgeschichte der Frau (1803), nach (sot)

Unterschiede, kulturelle (8) Der bewaffnete Aufstand ist den Südländern eine Art natürliche Reaktion. Unsere Bauern sind wie ihre Berge, reich an Anmut und grüner Heiterkeit, aber darunter glühen die Feuer. Es gibt in der menschlichen Verzweiflung einen Grenzpunkt, an dem die nördlichen Armen zu den Flaschen greifen - und unsere Armen zu den Dolchen. - G. K. Chesterton, Das Paradies der Diebe. In.: G.K.C., Father Browns Weisheit. Zürich 1991

Unterschiede, kulturelle (9)  DER HAHN. Er ist das Tier des Ostens, der aufgehenden Sonne, obwohl es in China heißt daß er den Süden vertritt. Das ist eine späte Verschiebung aus der Zeit, in der die Chinesen mit fünf Weltrichtungen zu rechnen begannen. Über die Hahnnamen der Völker habe ich schon mehrfach ausführlich Bericht erstattet und will hier nur das Wesentliche zusammenfassen.

Hahn ist schwed. Han und bedeutet Er, männliches Geschlecht. Hun ist das weibliche Geschlecht und entspricht unserm Huhn. Hier also liegen nur vokalische Varianten eines Stammes Gun, Gen vor, die Geschlecht bedeuten. Unsere Hahn- und Huhnworte sind also keine Bezeichnungen eines besonderen Tieres, sondern bedeuten nur: Er und Sie.

Lat. Gallus, span. Gallo, ital. Gallo, lettisch Gailis, gehen sämtlich auf den uralten Stamm Call/-Rufen, der mit Hell identisch ist, weil ein Ruf eine Begrüßung von aufgehender Helle ist.

Eine lange Reihe von Worten geht auf den Stamm Kok, Hoch zurück, und zwar: Frz. Coq, engl. Cock, finn. Kukko (daneben kommt Kana als Hahn vor), ung. Kokas, suaheli Jugoo, ewe. Koklotsu, arabo-mehri Dijojit, poln. Kogut. Bei den Papua, bei denen der Hahn besonders hoch verehrt wird, und auf dem Fries jedes Gemeinschaftshauses und vielfach in Ornamenten zu sehen ist, heißt der Hahn Manckoko Snun, was in der Mittelsilbe sicher ebenfalls auf den uralten Kok-Stamm zurückgeht. Die Kuvi-Kond haben z. B. einen Ausdruck Ganza, der also unsere Gans an die Stelle des Hahnes setzt.  - Ernst Fuhrmann, Das Tier in der Religion. München 1922

Unterschiede, kulturelle (10)  Offenbar bin ich in seinen Augen wirklich eine Dame. Überhaupt hab ich das Gefühl, daß wir deutschen Frauen, soweit wir einigermaßen sauber und manierlich und mit Schulwissen ausgerüstet daherkommen, in den Augen der Russen höchst achtbare Geschöpfe sind, Vertreter einer höheren Kultura. Selbst der Holzfäller Petka muß etwas Derartiges gespürt haben. Vielleicht wirkt auch der Rahmen mit, in dem sie uns finden: die paar polierten Restmöbel, die Klaviere und Bilder und Teppiche, all der Bürgermief, der ihnen so großartig vorkommt. Mir fällt ein, wie Anatol sich mal über den Wohlstand unserer Bauern verwunderte, auf den er in den Dörfern am Wege des Krieges gestoßen ist: »Sie hatten alle Schubladen voll Sachen!« Ja, die vielen Sachen! Das ist ihnen etwas Neues. Bei ihnen hat man nur wenig Sachen. Sie lassen sich in einem Zimmer verstauen. Und statt des Kleiderschrankes gibt es in manchen Familien bloß ein paar Haken an der Wand. Haben sie aber einige Sachen, so kriegen sie sie flink kaputt. Das ewige Geflick und Gepussel deutscher Hausmütter macht den Russinnen keinen Spaß. Ich hab's selber in einer Ingenieurs-Familie miterlebt, wie die Hausfrau in der Stube den Dreck zwar zusammenfegte, ihn aber zum Schluß unter einen Schrank kehrte, wo sicherlich schon mehr lag. Und hinter der Stubentür hing ein Handtuch, in dem sich alle drei Kinder der Familie schneuzten - das Kleinste unten, die Größeren höher.   - Anonyma, Eine Frau in Berlin. Tagebuch-Aufzeichnungen vom 20. April bis 22. Juni 1945. Berlin  2005 (zuerst 1954)

Unterschiede, kulturelle (11)  

Unterschiede, kulturelle (12)  

Unterschiede, kulturelle (13)  Jede Kultur suchte nach ihrem eigenen, absolut sicheren Verfahren zu Empfängnisverhütung. Im alten China schluckten die Frauen in öl erhitztes Quecksilber; das war sicherlich erfolgreich, weil Quecksilber toxisch ist und durch seine Einnahme der Fötus vergiftet wurde — ebenso dürfte die Mutter Schaden erlitten haben, wenngleich bei ihr die Dosis nicht tödlich war.

Eine Methode mit weniger gravierenden Nebenwirkungen wurde im aJten Ägypten angewandt. Vor dem Geschlechtsverkehr sollte eine Frau ihre Vagina mit einer Mischung aus Krokodilmist und Honig präparieren. Während der zähflüssige Honig möglicherweise das Sperma kurzfristig daran hinderte, das Ei zu befruchten, war der Krokodilmist vermutlich die entscheidende Substanz: Sein hoher Säuregehalt veränderte den für eine Empfängnis erforderlichen pH-Wert und tötete die Sper-mien ab. Damit war das erste Spermizid der Geschichte gefunden.

Die in Ägypten angewandten Methoden der Geburtenkontrolle sind die ältesten, die uns in schriftlichen Quellen überliefert sind. Der um das Jahr 1850 v. Chr. verfaßte Papyrus Petrie und der 300 Jahre jüngere Papyrus Ebers enthalten mehrere Methoden der Empfängnisverhütung. Für den Mann wurde neben dem Coitus interruptus der Coitus obstructus empfohlen, bei dem er zwar eine Ejakulation hat, ohne den Penis aus der Scheide der Frau zu ziehen, jedoch durch kräftiges Drücken mit der Hand auf die Wurzel des Harnleiters das Ejakulat in die Harnblase leitet. (Die Papyri enthalten auch einen frühen Hinweis darauf, was Frauen gegen Menstruationsblutungen unternahmen: Die Ägypterinnen benutzten einen tamponähnlichen Pfropfen aus Leinenstreifen und zerstoßenem Akaziengummi; letzteres wurde später unter der Bezeichnung Gummi arabicum als Emulgator und Stabilisator für Farben, Süßigkeiten und Medikamente benutzt.)

Die Bedeutung empfängnisverhütender Methoden stieg im freigeistigen Rom des 2. und 3. Jahrhunderts n. Chr. Soranus von Ephesus, ein griechischer Arzt, der in Rom praktizierte und als bedeutendster Gynäkologe des Altertums gilt, kannte sehr wohl den Unterschied zwischen Kontrazeptiva, die eine Empfängnis verhindern, und Abortiva, die eine Ausstoßung der Leibesfrucht bewirken sollen. Und er vertrat die (korrekte, aber höchst problematische) Lehre, daß Frauen durch einen mehrfachen Abort dauerhaft unfruchtbar werden könnten. Außerdem empfahl er den Frauen die (wirkungslose) Methode, nach einem Geschlechtsverkehr zu husten, auf und ab zu hüpfen und sich zu schneuzen, um die Spennien wieder auszustoßen; und er vermutete unfruchtbare oder »sichere« Tage im Verlauf eines Menstruationazyklus.

Spermizide waren im Vorderen und Mittleren Orient eine verbreitete Methode der Empfängnisverhütung. Im Persien der Antike tränkten die Frauen Naturschwämme mit den unterschiedlichsten Flüssigkeiten, die angeblich eine Empfängnis verhinderten — Alkohol, Jod, Chinin und Karbol —, und führten sie vor dem Verkehr in die Scheide ein. Syrische Schwämme waren berühmt für ihre Saugfähigkeit, und sehr säurehaltiges parfümiertes Essigwasser war als Kontrazeptivem besonders behebt.

Neben den chemischen gab es in der Antike auch physikalische Mittel zur Geburtenkontrolle.

Portiokappe. Etwa seit dem 6. Jahrhundert n. Chr. haben Ärzte, fast ausnahmslos Männer, sich die verschiedensten Gegenstände ausgedacht, die in die weibliche Scheide eingeführt und wie eine Kappe über den Muttermund gestülpt werden. Griechische Ärzte rieten den Frauen, einen halben Granatapfel auszuhöhlen; Jahrhunderte später reichte Casanova seinen Geliebten halb ausgedrückte Zitronenhälften. Die Zitronenschale wirkte als physikalisches Hemmnis und der Saft als chemisches Spermizid.  - (pan)

Unterschiede, kulturelle (14)  Ackroyd sagte: »Und da haben wir die schöne Marie-Marguerite Fahmy, die ihren ägyptischen Playboy-Ehemann 1923 ausgerechnet im Savoy Hotel erschoss. Denkwürdig an dem Fall ist Edward Marshall Halls Verteidigung. Er brachte den Prozess zu einem schaurigen Finale, indem er die Tatwaffe auf die Geschworenen richtete, um sie dann polternd fallen zu lassen, während er ein ›Nicht schuldig!‹ forderte. Natürlich hat sie ihren Mann umgebracht, aber dank Halls Theater kam sie ungeschoren davon. Er hielt auch ein rassistisch anstößiges Plädoyer des Inhalts, dass Frauen, die einen, wie er sich ausdrückte, ›Orientalen‹ heiraten, auf eine Behandlung, wie sie ihr widerfuhr, gefasst sein müssten.«   - P. D. James, Im Saal der Mörder. München 2004

Unterschiede, kulturelle (15)  Die Eingeborenen selbst haben zuweilen das deutliche Gefühl, daß ihr Wissen »konkreten« Charakter hat, und sie stellen es dem der Weißen nachdrücklich gegenüber:

Wir wissen, was die Tiere tun, welches die Bedürfnisse des Bibers, des Bären, des Lachses und der anderen Lebewesen sind, weil sich die Männer ehemals mit ihnen verheiratet und dieses Wissen von ihren tierischen Gattinnen erworben haben . . . Die Weißen haben in diesem Land nur kurze Zeit gelebt und verstehen nicht viel von den Tieren; wir aber wohnen hier seit Tausenden von Jahren, und die Tiere selbst haben uns schon vor langer Zeit belehrt. Die Weißen schreiben alles in ein Buch, um es nicht zu vergessen; aber unsere Vorfahren haben die Tiere geheiratet, sie haben ihre Lebensweise kennengelernt, und sie haben diese Kenntnisse von Generation zu Generation weitergegeben. (Jenness}

- Claude Lévi-Strauss, Das wilde Denken. Frankfurt am Main 1991 (zuerst 1962)

Wenn ein einfacher Insasse in seine Zelle eingesperrt wird, erleidet er vielleicht den Verlust, den die Verwaltung ihm zufügen möchte; doch für einen Engländer der oberen Mittelschicht, der unter den Bodensatz der britischen Gesellschaft geraten ist, kann die Einzelhaft eine unerwartete Bedeutung gewinnen:

In den ersten fünf Wochen meiner Haft wurde ich - außer während der je zwei Arbeitsstunden morgens und nachmittags und während der Hofrundgänge - in meiner Zelle eingeschlossen, glücklicherweise alleine. Die Mehrheit der Männer fürchtete die langen Stunden des Eingesperrtseins. Aber nach einiger Zeit begann ich mich auf das Alleinsein zu freuen, denn es ersparte mir, von einem Beamten angebrüllt zu werden oder dem endlosen, gerneinen Gerede der anderen Gefangenen zuhören zu müssen. Diese einsamen Stunden verbrachte ich meist lesend.

Ein französischer Beamter aus Westafrika führt einen in dieser Hinsicht noch extremeren Fall an:

Die Völker Französisch-Westafrikas haben ganz verschiedene Auffassungen von der Gefängnishaft. Am einen Ort erscheint sie als ein in keiner Weise entehrendes Abenteuer; am anderen bedeutet sie soviel wie die Verurteilung zum Tode. Manche Afrikaner werden, wenn sie im Gefängnis sitzen, zu so etwas wie Hausdienern und betrachten sich schließlich als Familienmitglieder. Aber wenn man einen Fulani einsperrt, so wird er sterben.  - Erving Goffman, Asyle. Über die soziale Situation psychiatrisher Patienten und anderer Insassen. Frankfurt am Main 1973

 

Unterschied Kultur

 

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