ichter    Barreaux  wurde als Rat angenommen, aber dieses Gewerbe gefiel ihm nicht sonderlich, und den einzigen Prozeß, der ihm zugeteilt worden war, warf er ins Feuer, denn als er sah, daß es soviel Gekritzel zu entziffern gab, nahm er alle Aktensäcke und verbrannte sie, einen nach dem andern. Die erschienenen Parteien, die erfahren wollten, ob er sie bald ausfertige, beschied er: «Dies ist geschehen. Da ich euren Prozeß nicht entziffern konnte, habe ich ihn verbrannt.» - «Ach, wir sind ruiniert», sagten sie. «Das soll euch nicht so sehr bekümmern; es handelt sich nur  hundert Taler, hier sind sie, und ich bin, denke ich, noch billig davongekommen.» Seither wollte er kein Wort mehr davon hören und sagte im Scherz, daß der König häufiger zu Gericht gehe als er. Sein Amt behielt er nicht lange, weil er so viel Schulden machte, daß er es verkaufen mußte. - (tal)

Richter (2)    Vor den Schranken stand im Blickpunkt der Öffentlichkeit ein bleiches, elendes Subjekt namens Duncan Jopp in einem Verfahren, bei dem es um seiner Kopf ging. Seine Geschichte, die an diesem öffentlichen Ort voi ihm ausgebreitet wurde, bot ein Bild der Schmach, des Lasten und der Feigheit, kurz des nacktesten Verbrechens, und der Mensch hörte ihr zu, und manchmal schien es, als verstünde er - als vergäße er den Schrecken des Ortes, an dem er sich befand, und erinnere sich der Schande, die ihn hierhergebracht hatte. Er hielt den Kopf gesenkt, und seine Hände umklammerten die Schranke, sein Haar fiel ihm in die Augen, und von Zeit zu Zeit warf er es zurück. Bald schaute er mit einem unvermittelten wilden Entsetzen auf die Zuhörerschaft, dann wieder blickte er schluckend seinem Richter ins Gesicht. Um seinen Hals hatte er mit einer Nadel ein Stück schmutzigen Flanells befestigt, und das war es vielleicht, was in Archies Urteil zwischen Abscheu und Mitleid den Ausschlag gab. Die Kreatur stand auf der Grenze zum Nichts. Noch für eine kleine Weile war er ein Mensch mit Augen und Verstand, und wieder eine kleine Weile, und mit einem letzten gemeinen Aufzug würde er aufhören einer zu sein. Und inzwischen pflegte er hier - mit einem menschlich natürlichen Zug, der dem Zuschauer zu Herzen ging - seinen kranken Hals.

Ihm gegenüber saß in der roten Robe des Strafrichters, das Besicht von der weißen Perücke umrahmt, Lord Hermiston. Ehrich, wie er durch und durch war, bemühte er sich nicht, sich den Anschein der Unparteilichkeit zu geben. Der vorliegende Fall erheischte kein Feingefühl. Das war ein Mensch, der gehängt verden mußte - so hatte er gesagt -, und er war dabei, ihn zu hängen. Auch konnte man Seiner Lordschaft, wenn man ihn beobachtete, die Freude an seiner Aufgabe nicht absprechen. Deutich sichtbar schwelgte er in der Anwendung seiner geschulten Fähigkeiten, in der klaren Erkenntnis, mit der er die Zusammenhänge sofort durchschaute, in dem rohen, unverblümten Spott, mit dem er jede Erfindung der Verteidigung zerstörte. Er nachte es sich bequem, er scherzte und ließ sich an diesem feierliehen Ort ungeniert gehen wie in einer Kneipe. Und unter Hohnlachen wurde dieser Fetzen von einem Menschen mit seinem Flanellappen um den Hals zum Galgen gejagt.

Duncan hatte eine Geliebte, kaum weniger jämmerlich und weit älter als er, die winselnd und knicksend vortrat und das Gewicht ihres Verrats beisteuerte. Mit dröhnender Stimme vereidigte Mylord sie und schloß eine unduldsame Verwarnung an.

„Überleg dir, was du sagst, Janet. Ich hab ein Auge auf dich. Mit mir ist schlecht Kirschen essen."

. Sobald sie mit ihrer Geschichte begonnen hatte, unterbrach sie das hohe Gericht. „Und was hat dich dazu getrieben, du alte Hexe? Willst du damit sagen, daß du die Hure des Angeklagten gewesen bist?"

„Mit Verlaub, Mylord", winselte das Frauenzimmer.

„Um Himmels willen! Ein feines Paar habt ihr abgegeben", bemerkte Seine Lordschaft, und seine Verachtung klang so furchtbar und erregt, daß nicht einmal die Galerie zu lachen wagte.

Das Schlußwort enthielt noch einige Feinheiten.

„Diese beiden erbärmlichen Kreaturen scheinen zusammengearbeitet zu haben - es ist nicht unsere Sache zu erläutern, wie das geschah. - Der Angeklagte, der, was er auch sonst sein mag, in seiner Denkweise wie in seinem Äußern gleichermaßen abstoßend ist. - Weder der Angeklagte noch das alte Weib scheinen so viel gesunden Menschenverstand zu besitzen, daß sie dann lügen, wenn es notwendig ist." - Und im Verlauf des Urteilsspruches fand Mylord folgendes obiter dictum: „Ich bin das Werkzeug Gottes gewesen, durch das eine ganze Anzahl von Verurteilten gehängt wurde, aber noch niemals ein so verkommener Lump wie Ihr einer seid." Die Worte waren an sich schon stark, aber die Schärfe, die Leidenschaft und die Lautstärke, mit der sie vorgebracht wurden, und die wilde Befriedigung, die der Sprecher in seiner Aufgabe fand, ließ sie den Zuhörern in den Ohren klingen.  - Robert Louis Stevenson, Weir von Hermiston. München 1962 (In: Ders., Romane. Zuerst 1896)

Richter (3)  Braxfield, mit seinem vollen Namen Robert Macqueen, Lord Braxfield (1722-1799), war seit dem Jahre 1788 Lordoberrichter in Edinburgh gewesen. In seinem Essay Virginibus puerisque schilderte Stevenson den tiefen Eindruck, den das Porträt Braxfields von dem bedeutenden schottischen Bildnismaler Sir Henry Raeburn auf ihn gemacht hat: „... die scharfen, geröteten, launenhaften Züge des Mannes, seine Nase wie ein Knüppel, sein Gesicht eckig über dem Doppelkinn ... ein besonders verschlagener Zug spielt um die untere Partie, sinnlich und ungläubig wie bei einem Mann, der einen guten Burgunder kostet und dabei den leisen Verdacht hat, er könne schon zu lange entkorkt sein. Unter den vom Alter hängenden Augenlidern der Blick mit halb jungenhaftem, halb frostigem Zwinkern. Die Hände sind ohne Vortäuschung jeglicher Würde über dem richterlichen Bauch gefaltet . . ." „Von kräftiger Statur, mit finsterem, scharfem Blick, buschigen Augbrauen, dicken Lippen und einer tiefen grollenden Stimme glich er einem fürchterlichen Hufschmied", so schildert ihn Lord Cockburn.  „Sein Dialekt und seine Aussprache waren übertrieben schottisch und seine Gedanken wie seine Ausdrucksweise kurz, kräftig und treffend. Den Angeklagten wie seinen Richterkollegen war er in gleicher Weise überlegen. Bar jeder Vortäuschung richterlicher Würde hatte er seine Freude an den derbsten Späßen und beleidigendsten Verhöhnungen, über die er selbst am meisten lachte, wenn er sah, daß achtbare Leute darüber schockiert waren. So soll er z. B. einem sich sehr geschickt verteidigenden Angeklagten erwidert haben: ,Ihr seid ein sehr kluger Bursche, Mann, aber doch nicht so klug, daß Ihr nicht gehängt werdet.' "  - Nachwort zu: Robert Louis Stevenson, Weir von Hermiston. München 1962 (In: Ders., Romane. Zuerst 1896)

Richter (4)
 

Der Alptraum

Mir träumt von einem alten König. Eisen
Ist die Krone. Alt der Blick und wund.
Antlitz wie seines geht nicht mehr auf Reisen.
Der Degen hält zu ihm, treu wie sein Hund.
Sein Land, ist es Northumbrien, Norwegen?
Norden ist's, gleichviel. Sein Bart fällt rot
Auf seine Brust. Sein Äug blickt nicht verwegen
Zu mir her. Sein Blick ist blind und tot.
Aus welch erloschnem Spiegel, welchem Bug
Der See, die Abenteuerlust besang,
Mag er getaucht sein, grausam grauer Spuk,
Der mir sein Einst und seinen Gram aufzwang?
Ich weiß, daß er mich richtet und mich träumt.
Kaum tagt's, tritt er in meine Nacht. Und säumt.

- Jorge Luis Borges, nach (bo4)

Richter (5) Es war nach einer Sitzung des N.sehen Friedensgerichtes. Die Richter versammelten sich im Beratungszimmer, streiften ihre Uniformen ab und ruhten einen kleinen Augenblick aus, bevor sie sich zum Mittagessen nach Hause begaben. Der Vorsitzende, ein sehr repräsentabler Herr mit dichtem Backenbart, der in einer der gerade verhandelten Angelegenheiten »bei einer besonderen Meinung« verblieben war, saß am Tisch und beeilte sich, diese seine Meinung zu Papier zu bringen. Der Friedensrichter Milkin, ein noch junger Mann mit schlaffem, melancholischem Gesicht, den man allgemein für einen Philosophen hielt, da er mit dem Milieu, in dem er zu leben hatte, unzufrieden war und nach Lebenszielen suchte, stand am Fenster und blickte betrübt hinaus. Der andere Friedensrichter und einer der ehrenamtlichen Friedensrichter waren bereits fortgegangen. Der zweite ehrenamtliche Friedensrichter, ein gedunsener, schwer atmender dicker Mann, und der Gehilfe des Staatsanwaltes, ein junger Deutscher mit einem katarrhalischen Gesicht, saßen auf der kleinen Ottomane und warteten darauf, daß der Vorsitzende mit seinem Schriftstück endlich fertig würde, um sich mit ihm gemeinsam zu Tisch zu begeben. Vor ihnen stand der Gerichtssekretär Schilin, ein kleines Männchen mit süßlichem Gesichtsausdruck, mit Backenbärtchen, die dicht an den Ohren begannen. Er lächelte honigsüß.  - (tsch)

Richter (6)

- Thomas Rowlandson

Richter (7)

Gericht

 

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