olch   In einer Schublade liegt ein Dolch.

Er wurde geschmiedet in Toledo, gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts; Luis Meliän Lafinur gab ihn meinem Vater, der ihn aus Uruguay heimbrachte; Evaristo Carriego hielt ihn einmal in der Hand.

Alle, die ihn sehen, müssen ein wenig mit ihm spielen; man spürt, daß sie ihn schon lange gesucht haben; die Hand beeilt sich, den Griff zu drücken, der auf sie wartet; die gehorsame und machtvolle Klinge paßt genau in die Scheide.

Der Dolch will etwas anderes.

Er ist mehr als eine aus Metallen verfertigte Gestalt; die Menschen erdachten und formten ihn zu einem sehr genauen Zweck; in gewisser Weise ist er ewig, der Dolch, der gestern abend einen Menschen in Tacuarembó tötete, und die Dolche, die Caesar trafen. Er will töten, er will jähes Blut vergießen.

In einer Schublade des Schreibtisches, zwischen Notizheften und Briefen, träumt der Dolch unaufhörlich seinen einfachen Tigertraum, und die Hand erwacht, die ihn führt, denn das Metall erwacht, das Metall, das in jeder Berührung die Tötung eines Menschen verspürt, für die die Menschen es schufen.

Bisweilen bedaure ich ihn. So viel Härte, so viel Glauben, so viel gleichgültiger oder unschuldiger Hochmut, und die Jahre verstreichen, nutzlos. - Jorge Luis Borges, Kabbala und Tango. Essays. Frankfurt am Main 1991

Dolch (2)

Ist das ein Dolch. Der Griff sucht meine Hand.
Komm, altes Eisen, das die Könige tauscht
Geburtshelfer der Majestät, Thronerbe.
Ich hab dich nicht, und doch seh ich dich gut.
Bist du der Hand nicht wirklich wie dem Auge
Fatales Bild. Bist du ein Traumdolch, eine
Quere Geburt aus überheiztem Schädel.
Ich seh dich noch, deine geborgte Form
Von diesem Dolch, der fest in meiner Hand liegt.
Du gehst mir vor den Weg, der schon mein Gang war.
Du bist das Werkzeug, das ich brauchen wollte.
Mein Auge ist der Clown der andern Sinne
Oder den Rest wert. Ich seh dich immer, Dolch
An deiner Schneide Blut, das vorher nicht war.
Von deinem Griff ist Schweiß an meiner Hand
Von Mördern vor mir. Wie lang zapfst du schon
Von Hand zu Hand gereicht wie eine Hure
Das Blut der Könige, rot wie andres Blut.
Ich hab dich lang genug gesehn. Du bist nicht.
Mein blutiges Geschäft nimmt meine Augen
So in die Lehre. Auf der einen Halb-Welt
Von der mein Leib ins Nichts hängt, stellt was lebt
Sich tot jetzt. Träume reiten den Schlaf, meine Schwestern
Die Hexen treten ihren Dienst an, Mord
Ist billig, mit Blut geleimt der staubige Erdball
Schluckt seinen Schritt. Geh deinen Gang, Wegweiser
Zur Macht, morgen vielleicht in meinen Rücken.
Worte genug für einen einzigen Tod.
Die Welt hat keinen Ausgang als zum Schinder.
Mit Messern in das Messer ist die Laufbahn.

- Heiner Müller, Shakespeare Factory 1, Macbeth. Berlin 1985 (zuerst 1971)

Dolch (3)

Ist das ein Dolch, was ich vor mir erblicke,
Der Griff mir zugekehrt? Komm, laß dich packen! -
Ich faß dich nicht, und doch seh ich dich immer.
Bist du, Unglücksgebild, so fühlbar nicht
Der Hand, gleich wie dem Aug? Oder bist du nur
Ein Dolch der Einbildung, ein nichtig Blendwerk,
Das aus dem heiß gequälten Hirn erwächst?
Ich seh dich noch, so greifbar von Gestalt
Wie der, den jetzt ich zücke.
Du gehst mir vor den Weg, den ich will schreiten,
Und eben solche Waffe wollt ich brauchen.
Mein Auge ward der Narr der andern Sinne,
Oder mehr als alle wert. - Ich seh dich stets,
Und dir an Griff und Klinge Tropfen Bluts,
Was erst nicht war. - Es ist nicht wirklich da:
Es ist die blutige Arbeit, die mein Auge
So in die Lehr nimmt. - Auf der halben Erde
Scheint tot Natur jetzt, den verhangnen Schlaf
Quälen Versucherträume; Hexenkunst
Begeht den Dienst der bleichen Hekate,
Und dürrer Mord schreitet gespenstisch nun,
Durch seine Schildwacht aufgeschreckt, den Wolf,
Der ihm das Wachtwort heult, so diebschen Schrittes,
Wie wild entbrannt Tarquin, dem Ziel entgegen.
Du sichere und festgefugte Erde,
Hör meine Schritte nicht, wo sie auch wandeln,
Daß nicht ausschwatzen selber deine Steine
Mein Wohinaus, und von der Stunde nehmen
Den jetzgen stummen Graus, der so ihr ziemt.
Hier droh ich, er lebt dort;
Für heiße Tat zu kalt das müßge Wort! 

- Shakespeare, Macbeth

Dolch (4)

Nun will ihm Rüd'ger keine Zeit mehr geben,
Stößt Brust und Antlitz kräftig und gewandt,
Und hämmert fort und geht ihm so ans Leben,
Daß er zu Boden fällt auf eine Hand.
Doch glückt es ihm, sich wieder zu erheben,
Worauf er Rüd'gern mit dem Arm umspannt.
Sie drehn sich beide, reißen, schütteln heftig
Und zeigen sich so kunstgeübt wie kräftig.

Durch seine Wunden in der Seit' und Lende
Verlor der Heide schon gar viele Kraft;
Und Rüd'ger war geschickt und sehr behende
Und hatt' im Ringen Übung sich verschafft.
Auch läßt er nicht den Vorteil durch die Hände
Und, wo des Heiden Wund' am weitsten klafft,
Wo reichlicher die Ströme Bluts erscheinen.
Preßt er sich an mit Armen, Brust und Beinen.

Der wilde Mohr, den Zorn und Grimm durchtoben,
Packt Rüd'gers Hals und beide Schultern an.
Jetzt hält er hoch ihn von der Erd' erhoben,
Versucht es dann mit Ziehn, mit Stoßen dann,
Und dreht und preßt bald unten und bald oben,
Stets drauf bedacht, wie er ihn stürzen kann. D
och Rüd'ger strebt, gefaßt in allen Lagen,
Durch Kunst und Kraft den Sieg davonzutragen.

So lange wechselt Rüdiger im Streite Mit Griffen ab, bis er den Feind umfaßt. Er drückt die Brust ihm an die linke Seite Und preßt ihn dort mit seiner ganzen Last, Setzt nun das rechte Bein ihm in der Breite Vor beide Knie und drängt ihn ohne Rast, Hebt von der Erd' empor den starken Recken Und eilt, ihn köpflings auf den Platz zu strecken.

Mit Kopf und Rücken schlägt der Mohr so kräftig Der Erde Grund, daß bei des Schlags Gewalt Der Wunden Blut, wie aus dem Springquell, heftig Aufspritzend, rot das Erdreich überwallt. Beim Schöpf faßt Rüdiger das Glück geschäftig, Kniet auf den Bauch, packt ihm die Kehl' alsbald, Läßt seinen Dolch ihm vor den Augen schweben Und hindert so den Feind, sich zu erheben.

Wie wenn in Ungarns, in Iberiens Schachten,
Wo man nach Gold der Erde Schoß durchrührt,
Bergstürze schnell auf jene niederkrachten,
Die ein verruchter Geiz dort hingeführt,
Und nun ihr Geist, gepreßt bis zum Verschmachten,
Kaum zum Entrinnen einen Weg erspürt:
So ward, wie er zu Boden lag, nicht minder
Der Heide jetzt gepreßt vom Überwinder.

Dolch

Den spitzen Dolch zeigt Rüdiger dem Heiden,
Zum Stoß bereit, aufs Helmvisier gekehrt.
Zur Unterwerfung soll' er sich entscheiden,
Dann, spricht er, sei das Leben ihm gewährt.
Doch Rodomont will lieber Tod erleiden,
Eh eine Tat der Feigheit ihn entehrt.
Er sagt kein Wort und sucht durch Drehn und Ringen,
Mit aller Macht, ihn unter sich zu bringen.

So wie ein Schafhund unterm Bullenbeißer,
Der schon die Gurgel ihm zerbeißt aufs Blut,
Umsonst sich quält und abmüht, heiß und heißer,
Mit schäum'ger Lipp' und Augen voller Glut,
Und nicht entkommt dem grimmen Kehlzerreißer,
Der ihn an Kraft besiegt, doch nicht an Wut:
So spannt umsonst der Heide Sinn und Nerven,
Um seinen Sieger von sich abzuwerfen.

Doch muß es ihm durch Drehn und Zerren glücken,
Den beßren Arm am Ende zu befrei'n;
Und da auch er im wilden Ziehn und Rücken
Den Dolch entblößt, will er noch Sieger sein
Und sucht in Rüd'gers Weichen ihn zu drücken.
Doch dieser sieht den großen Fehler ein,
Den er beginge, wollt' er länger weilen,
Den Todesstoß dem Frevler zu erteilen.

Und zwei-, dreimal, den Arm aufs höchste schwingend,
Stößt er den Dolch mit aller seiner Macht,
Des Rodomont furchtbare Stirn durchdringend,
Ihm ins Visier und endet so die Schlacht.
Dem schon erstarrten Körper sich entringend,
Flieht zu des Acheron graunvoller Nacht
Mit Fluchen jetzt der Geist, ergrimmt und wütig,
Einst auf der Welt so stolz und übermütig. 

- (rol)

Dolch (5) Einmal kam ich zu ihr, da zeigte sie mir einen Dolch mit silbernem Griff, den sie auf der Messe gekauft hatte, sie freute sich über den schönen Stahl und über seine Schärfe; ich nahm das Messer in die Hand und probte es am Finger, da floß gleich Blut, sie erschrak, ich sagte: »O Günderode, du bist so zaghaft und kannst kein Blut sehen und gehest immer mit einer Idee um, die den höchsten Mut voraussetzt, ich hab' noch das Bewußtsein, daß ich eher vermögend wär', etwas zu wagen, obschon ich mich nie umbringen würde; aber mich und dich in einer Gefahr zu verteidigen, dazu hab' ich Mut; und wenn ich jetzt mit dem Messer auf dich eindringe siehst du, wie du dich fürchtest?« – Sie zog sich ängstlich zurück; der alte Zorn regte sich wieder in mir unter der Decke des glühendsten Mutwills; ich ging immer ernstlicher auf sie ein, sie lief in ihr Schlafzimmer hinter einen ledernen Sessel, um sich zu sichern; ich stach in den Sessel, ich riß ihn mit vielen Stichen in Stücke, das Roßhaar flog hier und dahin in der Stube, sie stand flehend hinter dem Sessel und bat, ihr nichts zu tun; ich sagte: »Eh' ich dulde, daß du dich umbringst, tu' ich's lieber selbst.« »Mein armer Stuhl!« rief sie. »Ja was, dein Stuhl, der soll den Dolch stumpf machen.« Ich gab ihm ohne Barmherzigkeit Stich auf Stich, das ganze Zimmer wurde eine Staubwolke, so warf ich den Dolch weit in die Stube, daß er prasselnd unter das Sofa fuhr; ich nahm sie bei der Hand und führte sie in den Garten in die Weinlaube, ich riß die jungen Weinreben ab und warf sie ihr vor die Füße; ich trat darauf und sagte: »So mißhandelst du unsre Freundschaft.« - Bettine von Arnim an Frau Rat Goethe

Dolch (6)

Messer

 

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