ropädeutik Es
gab es sehr viel Frauenspersonen, die wie Amphibia im Wasser herumgaukelten,
und sich leicht bereden ließen an Bord zu kommen, nackt als die Natur sie
geschaffen hatte. Um Keuschheit war es ihnen auch eben so wenig zu thun
als den gemeinen Mädchen auf Tahiti und den Societats-Inseln, und man kann
wohl denken, daß unsere Seeleute sich den guten Willen dieser Schönen zu
Nutze machten. Sie ließen uns auch hier wieder Scenen sehen, welche der
Tempel Cytherens werth gewesen wären. Ein Hemd,
ein Stück Zeug, oder ein Paar Nägel waren zuweilen hinreichende Lockungen
für die Dirnen, sich ohne Schaam preis zu geben. Doch war diese Liederlichkeit
nichts weniger als allgemein, und ich glaube gewiß, daß nicht eine einzige
verheirathete Person sich einer ehelichen Untreue schuldig gemacht hat.
Hätten wir von der Verschiedenheit der Stände allhier hinlängliche Kenntniß
gehabt, so würde sich wahrscheinlicher weise gefunden haben, daß, wie in
Tahiti so auch hier, die liederlichen Frauenspersonen, nur vom niedrigsten
Pöbel waren. Mit alle dem bleibt es immer ein sonderbarer Zug in dem Character
der südlichen Insulaner, daß unverheirathete Personen sich ohne Unterschied
einer Menge von Liebhabern preis geben dürfen! Sollten sie denn wohl erwarten,
daß Mädchen, welche den Trieben der Natur Gehör und freyen Lauf gegeben,
bessere Weiber würden als die unschuldigen und eingezogenem? Doch es ist
umsonst, für die willkürlichen Grillen der Menschen vernünftige Gründe
aufsuchen zu wollen, vornemlich in Betracht des andern Geschlechts, wegen
dessen man zu allen Zeiten und in allen Ländern so sehr verschiedner Meynung
gewesen ist! In einigen Gegenden von Indien wird kein Mann von Stande eine
Jungfer heirathen; in Europa hingegen ist eine
'verunglückte Jungfer fast ohne Hoffnung, je wieder zu Ehren zu
kommen. -
(for)
Propädeutik (2)
- Helen Eisenbach
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