lut Die
Schicht von torfähnlicher Braunkohle, deren Abbau sich nicht gelohnt hatte,
war schon bald von der glimmenden Asche in Brand gesetzt
worden; in ganzer Breite wurde der Restflöz von der Glut aufgefressen und langsam
verascht. Vom oberen Rand der Halde aus konnte man sehen, wie weit die Glut
fortgeschritten war: der beinahe schwarze Boden wurde in unregelmäßiger Linie
abgelöst von den hellgrauen, fast weißen Feldern der Asche, die sich immer weiter
voranschoben. Der Boden wurde nach und nach pulverisiert ... doch unter der
dünnen Decke der erkalteten Asche hielten sich noch breite Strecken von Glut;
Anfang oder Ende dieses tief hinabreichenden Höllenfeuers
waren nicht auszukundschaften, wollte man sich nicht in Lebensgefahr begeben.
Das Feuer war durch nichts zu löschen, unaufhaltsam
kroch es auf das Wasser zu: ich stellte mir vor, wie
sich eines nicht mehr fernen Tages auch das flache Wasser des Tagebaus in eine
explosionsartige, schmutzig weiße Dampfwolke verwandeln würde. Schon kochten
schmale Ausläufer des Wassers, schon jetzt war der kleine See so ungewöhnlich
warm, daß man glauben mochte, er werde von seinem Grund her aufgeheizt. Und
wenn sich Gewitterregen in die Senke stürzten, war die ganze umliegende Gegend
augenblicklich von den sich hoch auftürmenden Fontänen des Wasserdampfs erfüllt,
der, je nach der Windrichtung, meinem Großvater in seinem Kleingarten die Brille
beschlug und der ihn veranlaßte, sich in seiner Laube einzuschließen, bis der
Nebel, der die schmalen Wege des Gartens unsichtbar
machte, vorbei war und als brandig riechender Tau vom Blattwerk der Obstbäume
tropfte. -
Wolfgang Hilbig, Ort der Gewitter. In: W.H., Der Schlaf der Gerechten.
Frankfurt am Main 2003
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