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Hahn (2) Wer gibt die Weisheit ins verborgene Herz des Menschen, wer giebt dem Hahnen
den Verstand? Gleichwie der Hahn den Tag verkündet und den Menschen vom
Schlaf erweckt, so verkünden fromme Lehrer das Licht der Wahrheit in die Nacht
der Welt und sprechen: "die Nacht ist vergangen, der Tag ist gekommen,
lasset uns ablegen die Werke der Finsterniß und anlegen die Waffen des Lichtes."
Wie lieblich und nützlich ist das Krähen des Hahnen; dieser treue Hausgenosse
erwecket den Schlafenden, ermahnet den Sorgenden, tröstet den Wanderer, meldet
die Stunde der Nacht und verscheuchet den Dieb und erfreuet den Schiffer
auf einsamem Meere, denn er verkündet den Morgen, da
die Stürme sich legen. Die Frommen weckt er zum Gebet und den Gelehrten
ruft er, seine Bücher bei Licht zu suchen. Den Sünder ermahnet er zur
Reue, wie Petrum. Sein Geschrei ermuthiget das Herz des Kranken. Zwar
spricht der weise Mann: "Dreierlei haben einen feinen Gang und das Vierte
geht wohl, der Löwe mächtig unter den Thieren, er fürchtet Niemand -- ein Hahn
mit kraftgegürteten Lenden, ein Widder und ein König, gegen den sich Keiner
erheben darf"--aber dennoch fürchtet der Löwe, der Niemanden fürchtet,
den Hahn und fliehet vor seinem Anblick und Geschrei; denn der Feind, der umhergeht
wie ein brüllender Löwe und suchet, wie er uns verschlinge, fliehet vor dem
Rufe des Wächters, der das Gewissen erwecket, auf daß wir uns rüsten zum Kampf.
Darum auch ward kein Thier so erhöhet; die weisesten Männer setzen sein
goldenes Bild hoch auf die Spitzen der Thürme über das Kreuz, daß bei dem Wächter
wohne der Warner und Wächter. So auch steht des Hahnen Bild auf
dem Deckel des ABC-Buchs, die Schüler zu mahnen, daß sie früh aufstehen sollen,
zu lernen. O wie löblich ist das Beispiel des Hahnen! Ehe er kräht,
die Menschen vom Schlafe zu wecken, schlägt er sich selbst ermunternd mit den
Flügeln in die Seite, anzeigend, wie ein Lehrer der Wahrheit sich selbst der
Tugend bestreben soll, ehe er sie anderen lehret. Stolz ist der Hahn,
der Sterne kundig, und richtet oft seine Blicke zum Himmel; sein Schrei ist
prophetisch, er kündet das Wetter und die Zeit. Ein Vogel der Wachsamkeit,
ein Kämpfer, ein Sieger wird er von den Kriegsleuten auf den Rüstwagen gesetzt,
daß sie sich zurufen und ablösen zu gemessener Zeit. So es dämmert und
der Hahn mit den Hühnern zu ruhen sich auf die Stange setzt, stellen sie die
Nachtwache aus. Drei Stunden vor Mitternacht regt sich der Hahn, und die
Wache wird gewechselt; um die Mitternacht beginnt er zu krähen, sie stellen
die dritte Wache aus, und drei Stunden gen Morgen rufet sein tagverkündender
Schrei die vierte Wache auf ihre Stelle. Ein Ritter ist der Hahn, sein
Haupt ist geziert mit Busch und rother Helmdecke und ein purpurnes Ordensband
schimmert an seinem Halse; stark ist seine Brust wie ein Harnisch im Streit,
und sein Fuß ist bespornt. Keine Kränkung seiner Damen duldet er, kämpft
gegen den eindringenden Fremdling auf Tod und Leben und selbst blutend verkündet
er seinen Sieg stolz emporgerichtet gleich einem Herold mit lautem Trompetenstoß.
Wunderbar ist der Hahn; schreitet er durch ein Thor, wo ein Reiter hindurch
könnte, bücket er doch das Haupt, seinen Kamm nicht anzustoßen, denn er fühlt
seine innere Hoheit. Wie liebet der Hahn seine Familie! Dem legenden
Huhn singt er liebliche Arien: "bei Hühnern, welche Liebe fühlen, fehlt
auch ein gutes Herze nicht, die süßen Triebe mit zu fühlen, ist auch der Hahnen
erste Pflicht;" -- stirbt ihm die brütende Freundin, so vollendet er die
Brut und führet die Hühnlein, doch ohne zu krähen, um allein Mütterliches zu
thun. -- O welch erhabenes Geschöpf ist der Hahn! Phidias setzte sein
Bild auf den Helm der Minerva, Idomeneus auf sein Schild. Er war der Sonne,
dem Mars, dem Mercur, dem Aesculap geweiht. O wie geistreich ist der Hahn!
Wer kann es den morgenländischen Kabbalisten
verdenken, daß sie sich Alektryo's bemächtigen wollten, da sie an die Seelenwanderung
glaubten und der Hahn des Mycillus sich seinem Herrn selbst als die Seele des
Pythagoras vorstellte, die inkognito krähte. Ja
wie mehr als ein Hahn ist ein Hahn, da sogar ein gerupfter Hahn noch den Menschen
des Plato vorstellen konnte! - Clemens
Brentano, Gockel, Hinkel und Gackeleia
Hahn (3) Der Löwe fürchtet
sich vor dem Hahn. Auch der Basilisk, heißt es, schaudert vor ihm, zittert bei
seinem Anblick, und bei seinem Krähen verfällt er in Krämpfe und stirbt. Die
Kaufleute, die durch Libyen reisen, wo besagter Basilisk lebt, den sie fürchten,
nehmen als hilfreichen Reisebegleiter einen Hahn mit. Der hält ihnen diese Gefahr
fern. - (
ael2
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Hahn (4) Der Hahn hat seinen Namen vom Kastrieren.
Denn allein diesem von allen übrigen Vögeln werden die Hoden abgeschnitten,
und bei den Alten wurden Verschnittene als Hähne (galli) bezeichnet. Wie dem
Namen Löwe Löwin entspricht, dem Namen Drache Drachin, so entspricht dem Namen
Hahn Henne (gallus - gallina). Man sagt, daß seine Glieder, wenn man sie mit
flüssigem Gold vermischt, davon aufgezehrt werden. Der Gesang des Hahnes ist
angenehm in der Nacht, und nicht nur angenehm, sondern auch nützlich; denn als
guter Mitbewohner weckt er den Schlafenden, spricht dem Besorgten Mut zu, tröstet
den Wanderer, indem er das Fortschreiten der Nacht mit dem Zeichen seiner hellen
Stimme verkündet. Bei seinem Ton verläßt der Räuber seinen Hinterhalt, selbst
der Morgenstern wird aufgeweckt und erleuchtet den Himmel; wenn er kräht, wird
der zitternde Seemann seine Angst los, Ungewitter und Sturm, die oft durch abendliche
Winde erregt werden, klingen ab. Durch den Hahnenschrei stellt sich andächtige
Stimmung zum Beten ein, auch das Lesen wird wieder möglich. Als der Hahn endlich
fromm krähte, reinigte sich auch der Fels der Kirche von seiner Schuld, die
er sich durch seine Leugnung zugezogen hatte, noch bevor der Hahn krähte. Durch
seinen Gesang kehrt für alle die Hoffnung wieder, das Ungemach der Leidenden
wird erleichtert, die Hitze des Fiebers gemildert, Gefallene bekommen wieder
Vertrauen, Jesus sieht auf die Wankenden und führt die Irrenden auf den rechten
Weg; schließlich sah er den Petrus an und auf der Stelle war jeder Irrtum verschwunden,
die Leugnung abgetan, das reuige Bekenntnis gesichert. - Bestiarium, nach dem Ms. Ashmole 1511, Hg. Franz Unterkircher.
Graz 1986
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