ahn  Dem Hahn (Gallus) anderseits werden europaweit hervorstechende männliche Eigenschaften zuerkannt: die scharfen Sporen, der stolze Gang, das prächtige Gefieder, das hoch erhobene Haupt, die frühmorgendliche Pünktlichkeit, die Gewalt des Wortes, der schwellende Zorn, die väterliche Herrschaft über das ganze Haus, die Kampfeslust, die Heldenbrust. Selbst der Löwe, behauptet Plinius (X, 24), habe Angst vor ihm. - (schen)

Hahn (2) Wer gibt die Weisheit ins verborgene Herz des Menschen, wer giebt dem Hahnen den Verstand?  Gleichwie der Hahn den Tag verkündet und den Menschen vom Schlaf erweckt, so verkünden fromme Lehrer das Licht der Wahrheit in die Nacht der Welt und sprechen: "die Nacht ist vergangen, der Tag ist gekommen, lasset uns ablegen die Werke der Finsterniß und anlegen die Waffen des Lichtes."  Wie lieblich und nützlich ist das Krähen des Hahnen; dieser treue Hausgenosse erwecket den Schlafenden, ermahnet den Sorgenden, tröstet den Wanderer, meldet die Stunde der Nacht und verscheuchet den Dieb und erfreuet den Schiffer auf einsamem Meere, denn er verkündet den Morgen, da die Stürme sich legen.  Die Frommen weckt er zum Gebet und den Gelehrten ruft er, seine Bücher bei Licht zu suchen.  Den Sünder ermahnet er zur Reue, wie Petrum.  Sein Geschrei ermuthiget das Herz des Kranken. Zwar spricht der weise Mann: "Dreierlei haben einen feinen Gang und das Vierte geht wohl, der Löwe mächtig unter den Thieren, er fürchtet Niemand -- ein Hahn mit kraftgegürteten Lenden, ein Widder und ein König, gegen den sich Keiner erheben darf"--aber dennoch fürchtet der Löwe, der Niemanden fürchtet, den Hahn und fliehet vor seinem Anblick und Geschrei; denn der Feind, der umhergeht wie ein brüllender Löwe und suchet, wie er uns verschlinge, fliehet vor dem Rufe des Wächters, der das Gewissen erwecket, auf daß wir uns rüsten zum Kampf.  Darum auch ward kein Thier so erhöhet; die weisesten Männer setzen sein goldenes Bild hoch auf die Spitzen der Thürme über das Kreuz, daß bei dem Wächter  wohne der Warner und Wächter.  So auch steht des Hahnen Bild auf dem Deckel des ABC-Buchs, die Schüler zu mahnen, daß sie früh aufstehen sollen, zu lernen.  O wie löblich ist das Beispiel des Hahnen!  Ehe er kräht, die Menschen vom Schlafe zu wecken, schlägt er sich selbst ermunternd mit den Flügeln in die Seite, anzeigend, wie ein Lehrer der Wahrheit sich selbst der Tugend bestreben soll, ehe er sie anderen lehret.  Stolz ist der Hahn, der Sterne kundig, und richtet oft seine Blicke zum Himmel; sein Schrei ist prophetisch, er kündet das Wetter und die Zeit.  Ein Vogel der Wachsamkeit, ein Kämpfer, ein Sieger wird er von den Kriegsleuten auf den Rüstwagen gesetzt, daß sie sich zurufen und ablösen zu gemessener Zeit.  So es dämmert und der Hahn mit den Hühnern zu ruhen sich auf die Stange setzt, stellen sie die Nachtwache aus.  Drei Stunden vor Mitternacht regt sich der Hahn, und die Wache wird gewechselt; um die Mitternacht beginnt er zu krähen, sie stellen die dritte Wache aus, und drei Stunden gen Morgen rufet sein tagverkündender Schrei die vierte Wache auf ihre Stelle.  Ein Ritter ist der Hahn, sein Haupt ist geziert mit Busch und rother Helmdecke und ein purpurnes Ordensband schimmert an seinem Halse; stark ist seine Brust wie ein Harnisch im Streit, und sein Fuß ist bespornt.  Keine Kränkung seiner Damen duldet er, kämpft gegen den eindringenden Fremdling auf Tod und Leben und selbst blutend verkündet er seinen Sieg stolz emporgerichtet gleich einem Herold mit lautem Trompetenstoß.  Wunderbar ist der Hahn; schreitet er durch ein Thor, wo ein Reiter hindurch könnte, bücket er doch das Haupt, seinen Kamm nicht anzustoßen, denn er fühlt seine innere Hoheit.  Wie liebet der Hahn seine Familie!  Dem legenden Huhn singt er liebliche Arien: "bei Hühnern, welche Liebe fühlen, fehlt auch ein gutes Herze nicht, die süßen Triebe mit zu fühlen, ist auch der Hahnen erste Pflicht;" -- stirbt ihm die brütende Freundin, so vollendet er die Brut und führet die Hühnlein, doch ohne zu krähen, um allein Mütterliches zu thun. -- O welch erhabenes Geschöpf ist der Hahn!  Phidias setzte sein Bild auf den Helm der Minerva, Idomeneus auf sein Schild.  Er war der Sonne, dem Mars, dem Mercur, dem Aesculap geweiht.  O wie geistreich ist der Hahn!  Wer kann es den morgenländischen Kabbalisten verdenken, daß sie sich Alektryo's bemächtigen wollten, da sie an die Seelenwanderung glaubten und der Hahn des Mycillus sich seinem Herrn selbst als die Seele des Pythagoras vorstellte, die inkognito krähte.  Ja wie mehr als ein Hahn ist ein Hahn, da sogar ein gerupfter Hahn noch den Menschen des Plato vorstellen konnte!  - Clemens Brentano, Gockel, Hinkel und Gackeleia

Hahn (3)  Der Löwe fürchtet sich vor dem Hahn. Auch der Basilisk, heißt es, schaudert vor ihm, zittert bei seinem Anblick, und bei seinem Krähen verfällt er in Krämpfe und stirbt. Die Kaufleute, die durch Libyen reisen, wo besagter Basilisk lebt, den sie fürchten, nehmen als hilfreichen Reisebegleiter einen Hahn mit. Der hält ihnen diese Gefahr fern. - (ael2)

Hahn (4)   Der Hahn hat seinen Namen vom Kastrieren. Denn allein diesem von allen übrigen Vögeln werden die Hoden abgeschnitten, und bei den Alten wurden Verschnittene als Hähne (galli) bezeichnet. Wie dem Namen Löwe Löwin entspricht, dem Namen Drache Drachin, so entspricht dem Namen Hahn Henne (gallus - gallina). Man sagt, daß seine Glieder, wenn man sie mit flüssigem Gold vermischt, davon aufgezehrt werden. Der Gesang des Hahnes ist angenehm in der Nacht, und nicht nur angenehm, sondern auch nützlich; denn als guter Mitbewohner weckt er den Schlafenden, spricht dem Besorgten Mut zu, tröstet den Wanderer, indem er das Fortschreiten der Nacht mit dem Zeichen seiner hellen Stimme verkündet. Bei seinem Ton verläßt der Räuber seinen Hinterhalt, selbst der Morgenstern wird aufgeweckt und erleuchtet den Himmel; wenn er kräht, wird der zitternde Seemann seine Angst los, Ungewitter und Sturm, die oft durch abendliche Winde erregt werden, klingen ab. Durch den Hahnenschrei stellt sich andächtige Stimmung zum Beten ein, auch das Lesen wird wieder möglich. Als der Hahn endlich fromm krähte, reinigte sich auch der Fels der Kirche von seiner Schuld, die er sich durch seine Leugnung zugezogen hatte, noch bevor der Hahn krähte. Durch seinen Gesang kehrt für alle die Hoffnung wieder, das Ungemach der Leidenden wird erleichtert, die Hitze des Fiebers gemildert, Gefallene bekommen wieder Vertrauen, Jesus sieht auf die Wankenden und führt die Irrenden auf den rechten Weg; schließlich sah er den Petrus an und auf der Stelle war jeder Irrtum verschwunden, die Leugnung abgetan, das reuige Bekenntnis gesichert.  - Bestiarium, nach dem Ms. Ashmole 1511, Hg. Franz Unterkircher.  Graz 1986

Huhn

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Aufgeblasener Hahn Hahnenfiedrigkeit
Verwandte Begriffe

Synonyme