eschmacksfrage  Crane  nahm  einen Mundvoll Bourbon mit Absinth. Zuerst schmeckte es süß, aber als er es gegen den Gaumen schwappen ließ, wechselte der Geschmack zu Anis. Er schluckte langsam und atmete gleichzeitig durch die Nase aus, was ihm die scharfen Dünste durch die Nebenhöhlen in die Stirn steigen ließ.

Williams sah ihm zu. »Sei lieber vorsichtig, sonst haut dich das Zeug vom Hocker.«

»Ich will, daß es mich vom Hocker haut.«

»Was willst du wegen Simmons unternehmen?«

Crane füllte sein Wasserglas zu einem Viertel mit Absinth. Dann goß er die gleiche Menge Whisky nach. Die entstehende Mischung war dekadent grün. Er nippte versuchsweise daran, fügte einen Eiswürfel hinzu. »Was findest du besser«, fragte er, »Bourbon mit 'nem Schuß Absinth oder Absinth mit 'nem Schuß Bourbon?«

»Hör mal, willst du in der Sache das Handtuch werfen?«

Crane trank erneut, ließ sich von dem Eis an der Nase kitzeln. »Grün ist künstlerischer, aber Braun ist maskulin.« Er stellte fest, daß er Schwierigkeiten hatte, den Blick auf Williams zu konzentrieren. »Handtuch werfen? Handtuch werfen?« Er stand auf, steckte in napoleonischer Haltung eine Hand zwischen die Hemdknopfe. »Über William Crane geht die Sonne niemals unter.«

Doc Williams goß bedauernd den restlichen Bourbon und Absinth in die Badewanne. »Wenn du was zu essen kriegst, geht's dir besser«, rief er über das Rauschen laufenden Wassers hinweg. - Jonathan Latimer, Wettlauf mit der Zeit. Zürich 1990 (zuerst 1935)

Geschmacksfrage (2)  Auf dem Weg hatte ich Anlaß, mich mit meiner Frau sehr heftig zu überwerfen, weil ihre Seidenbänder zwei Farben hatten und schlecht zusammenpaßten, mit sehr scharfen Worten, so daß ich wie ein jähzorniger Narr sie eine Hure nannte, was mir nachher leid tat. - (pep)

Geschmacksfrage (3)  Stelle dir eine Versammlung von so vielen Liebhabern vor, als es verschiedne Nationen unter verschiednen Himmelsstrichen gibt; was ist gewisser als daß ein jeder den Vorzug seiner Geliebten vor den übrigen behaupten wird? Der Europäer wird die blendende Weiße, der Mohr die rabengleiche Schwärze der seinigen vorziehen; der Grieche wird einen kleinen Mund, eine Brust, die mit der hohlen Hand bedeckt werden kann, und das angenehme Ebenmaß einer feinen Gestalt; der Afrikaner die eingedrückte Nase, die ölichte Haut, und die aufgeschwollnen Lippen; der Perser die großen Augen und den schlanken Wuchs; der Serer die kleinen Augen, den runden Wanst und die winzigen Füße, an der seinigen bezaubernd finden. Hat es vielleicht mit denn Schönen im sittlichen Verstande, mit dem was sich geziemt, eine andre Bewandtnis? Ich glaube nein. Die Spartanischen Jungfrauen scheuen sich nicht in einem Aufzuge gesehen zu werden, wodurch in Athen die geringste öffentliche Metze sich entehrt hielte. In Persien würde ein Frauenzimmer, das an einem öffentlichen Orte sein Gesicht entblößte, eben so angesehen werden, als in Smyrna eine die sich ohne alle Kleidung sehen ließe. Bei den morgenländischen Völkern erfordert der Wohlstand eine Menge von Beugungen und untertänigen Gebärden, die man gegen diejenigen macht die man ehren will; wir Griechen finden diese Höflichkeit eben so schändlich und sklavenmäßig, als die Attische Urbanität zu Persepolis grob und bäurisch scheinen würde. Bei den Griechen hat eine Freigeborne ihre Ehre verloren, die sich den jungfräulichen Gürtel von einem andern als ihrem Manne auflösen läßt; bei gewissen Völkern jenseits des Ganges ist ein Mädchen desto vorzüglicher, je mehr es Liebhaber gehabt hat, die seine Reizungen aus Erfahrung anzurühmen wissen. - Christoph Martin Wieland, Geschichte des Agathon. München 1964 (zuerst 1766/67)
 

 

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