Williams sah ihm zu. »Sei lieber vorsichtig, sonst haut dich das Zeug vom Hocker.«
»Ich will, daß es mich vom Hocker haut.«
»Was willst du wegen Simmons unternehmen?«
Crane füllte sein Wasserglas zu einem Viertel mit Absinth. Dann goß er die gleiche Menge Whisky nach. Die entstehende Mischung war dekadent grün. Er nippte versuchsweise daran, fügte einen Eiswürfel hinzu. »Was findest du besser«, fragte er, »Bourbon mit 'nem Schuß Absinth oder Absinth mit 'nem Schuß Bourbon?«
»Hör mal, willst du in der Sache das Handtuch werfen?«
Crane trank erneut, ließ sich von dem Eis an der Nase kitzeln. »Grün ist künstlerischer, aber Braun ist maskulin.« Er stellte fest, daß er Schwierigkeiten hatte, den Blick auf Williams zu konzentrieren. »Handtuch werfen? Handtuch werfen?« Er stand auf, steckte in napoleonischer Haltung eine Hand zwischen die Hemdknopfe. »Über William Crane geht die Sonne niemals unter.«
Doc Williams goß bedauernd den restlichen Bourbon und Absinth in die Badewanne.
»Wenn du was zu essen kriegst, geht's dir besser«, rief er über das Rauschen
laufenden Wassers hinweg. - Jonathan
Latimer, Wettlauf mit der Zeit. Zürich 1990 (zuerst 1935)
-
(
pep
)
Geschmacksfrage (3) Stelle dir eine Versammlung
von so vielen Liebhabern vor, als es verschiedne Nationen
unter verschiednen Himmelsstrichen gibt; was ist gewisser als daß ein jeder
den Vorzug seiner Geliebten vor den übrigen behaupten
wird? Der Europäer wird die blendende Weiße, der Mohr
die rabengleiche Schwärze der seinigen vorziehen; der Grieche wird einen kleinen
Mund, eine Brust, die mit der hohlen Hand bedeckt werden
kann, und das angenehme Ebenmaß einer feinen Gestalt; der Afrikaner die eingedrückte
Nase, die ölichte Haut, und die aufgeschwollnen Lippen; der Perser die großen
Augen und den schlanken Wuchs; der Serer die kleinen Augen, den runden Wanst
und die winzigen Füße, an der seinigen bezaubernd finden. Hat es vielleicht
mit denn Schönen im sittlichen Verstande, mit dem was sich geziemt, eine andre
Bewandtnis? Ich glaube nein. Die Spartanischen Jungfrauen scheuen sich nicht
in einem Aufzuge gesehen zu werden, wodurch in Athen die geringste öffentliche
Metze sich entehrt hielte. In Persien würde ein Frauenzimmer, das an einem öffentlichen
Orte sein Gesicht entblößte, eben so angesehen werden, als in Smyrna eine die
sich ohne alle Kleidung sehen ließe. Bei den morgenländischen Völkern erfordert
der Wohlstand eine Menge von Beugungen und untertänigen Gebärden, die man gegen
diejenigen macht die man ehren will; wir Griechen finden diese Höflichkeit eben
so schändlich und sklavenmäßig, als die Attische Urbanität zu Persepolis grob
und bäurisch scheinen würde. Bei den Griechen hat
eine Freigeborne ihre Ehre verloren, die sich den jungfräulichen Gürtel von
einem andern als ihrem Manne auflösen läßt; bei gewissen Völkern jenseits des
Ganges ist ein Mädchen desto vorzüglicher, je mehr es Liebhaber gehabt hat,
die seine Reizungen aus Erfahrung anzurühmen wissen. - Christoph Martin
Wieland, Geschichte des Agathon. München 1964 (zuerst 1766/67)
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