iebstahl   Klauerei, Spitzbüberei, Gaunerei, Unterschlagung, Listraub, Marktverkehrsform der Unmenschen, Aneignung fremden Eigentums gegen den Willen des Eigentümers und ohne Wertersatz des Entwendeten (s. Mehrwert, rauben, Markt, Plünderung). Der Staat eignet sich fortgesetzt fremdes Eigentum an, und zwar unter Androhung und Verübung von Gewalt oder durch Schwindel und List, also stets gegen den Willen des Eigentümers und ohne ihm den Wert auf irgendeine Weise wieder zurückzuerstatten. Im Gegenteil, der Staat benutzt diese Einkünfte nur, um sie und andere, noch außerhalb seiner Grenzen liegende Werte zu zerstören. Er ist also der allergierigste und allerdümmste Dieb, und sein Beispiel wirkt äußerst ansteckend. Nun hat aber dieser allerhöchste Dieb und dieser allervornehmste Räuber in seinen Grenzen den Schutz alles Eigentums an sich gerissen. Er ist der Bock, der sich selbst zum Ziergärtner gesetzt hat. Die Folge davon ist, daß er nur die kleinen Diebe hängt, die großen aber laufen lassen muß, denn sonst müßte er sich ja zuallererst selber beseitigen. Die wichtigste Versicherung gegen jeden D. ist die freie Menschheit. Denn sobald jeder Mensch in Glück und Überfluß lebt, hat keiner mehr die geringste Lust, zu stehlen, noch irgendein anderes Verbrechen (s. d., Gesetz) zu begeben (s. "Peter Voß, der Millionendieb", Roman, Verlag Ullstein, Berlin, und "Peter Voß, der Millionendieb", Komödie in fünf Akten, Drei Masken-Verlag, Berlin). - (se)

Diebstahl (2) Durchstreifen wir das Altertum, so werden wir gewahr, daß der Diebstahl in allen Republiken Griechenlands erlaubt war und belohnt wurde; Sparta begünstigte ihn öffentlich; einige andere Völker haben ihn als kriegerische Tugend angesehen; es steht fest, er erhält den Mut, die Kraft, die Geschicklichkeit, kurz alle die Tugenden, die einer republikanischen Regierung und folglich der unseren von Vorteil sind. Ich wage zu fragen, ohne Parteilichkeit jetzt, ob der Diebstahl, der eine Angleichung der Reichtümer bewirkt, in einer Regierung, deren Ziel die Gleichheit ist, ein großes Übel ist. Nein, zweifellos nicht; denn so wie er einerseits die Gleichheit aufrechterhält, regt er andererseits dazu an, sein Eigentum besser zu hüten. Es gab ein Volk, das nicht den Dieb bestrafte, sondern den, der sich bestehlen ließ, um ihn zu lehren, seine Besitztümer zu hüten. - Marquis de Sade, Die Philosophie im Boudoir. Gifkendorf 1989 (zuerst ca. 1790)

Diebstahl (3) Verzaubert stand ich und nahm mit lauschend zögernder Brust die liebliche Atmosphäre des Ortes auf, in welcher die Düfte der Schokolade und des Rauchfleisches sich mit der köstlich moderigen Ausdünstung der Trüffeln vereinigten. Märchenhafte Vorstellungen, die Erinnerung an das Schlaraffenland, an gewisse unterirdische Schatzkammern, in denen Sonntagskinder sich ungescheut die Taschen und Stiefel mit Edelsteinen gefüllt hatten, umfingen meinen Sinn. Ja, das war ein Märchen oder ein Traum! Ich sah die schwerfällige Ordnung und Gesetzlichkeit des Alltags aufgehoben, die Hindernisse und Umständlichkeiten, die im gemeinen Leben sich der Begierde entgegenstellen, auf schwebende und glückselige Weise beiseite geräumt. Die Lust, diesen strotzenden Erdenwinkel so ganz meiner einsamen Gegenwart untergeben zu sehen, ergriff mich plötzlich so stark, daß ich sie wie ein Jucken und Reißen in allen meinen Gliedern empfand. Ich mußte mir Gewalt antun, um vor heftiger Freude über so viel Neuheit und Freiheit nicht aufzujauchzen. Ich sagte »Guten Tag!« ins Leere hinein, und noch höre ich, wie der gepreßte und unnatürlich gefaßte Klang meiner Stimme sich in der Stille verlor. Niemand antwortete. Und in demselben Augenblick lief mir buchstäblich das Wasser stromweise im Munde zusammen. Mit einem raschen und lautlosen Schritt war ich an einem der mit Süßigkeiten beladenen Seitentische, tat einen herrlichen Griff in die nächste mit Pralines angefüllte Kristallschale, ließ den Inhalt meiner Faust in die Paletottasche gleiten, erreichte die Tür und war in der nächsten Sekunde um die Straßenecke gebogen.

Ohne Zweifel wird man mir entgegenhalten, daß, was ich da ausgeführt, gemeiner Diebstahl gewesen sei. Demgegenüber verstumme ich und ziehe mich zurück; denn selbstverständlich kann und werde ich niemanden hindern, dieses armselige Wort zur Anwendung zu bringen, wenn es ihn befriedigt. Aber ein anderes ist das Wort - das wohlfeile, abgenutzte und ungefähr über das Leben hinpfuschende Wort - und ein anderes die lebendige, ursprüngliche, ewig junge, ewig von Neuheit, Erstmaligkeit und Unvergleichlichkeit glänzende Tat. Nur Gewohnheit und Trägheit bereden uns, beide für ein und dasselbe zu halten, während vielmehr das Wort, insofern es Taten bezeichnen soll, einer Fliegenklatsche gleicht, die niemals trifft. Überdies ist, wo immer es sich um eine Tat handelt, in erster Linie weder an dem Was noch an dem Wie gelegen (obgleich dies letztere wichtiger ist), sondern einzig und allein an dem Wer. Was ich je getan habe, war in hervorragendem Maße meine Tat, nicht die von Krethi und Plethi, und obgleich ich es mir, namentlich auch von der bürgerlichen Gerichtsbarkeit, habe gefallen lassen müssen, daß man denselben Namen daran heftete wie an zehntausend andere, so habe ich mich doch in dem geheimnisvollen, aber unerschütterlichen Gefühl, ein Gunstkind der schaffenden Macht und geradezu von bevorzugtem Fleisch und Blut zu sein, innerlich stets gegen eine so unnatürliche Gleichstellung aufgelehnt.   - Thomas Mann, Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Frankfurt am Main 1965 (Fischer-Tb. 639, zuerst 1954)

Diebstahl (4) Prometheus wandte sich an Athene und bat sie um Einlaß zum Olymp durch eine rückwärtige Türe. Sie erfüllte seinen Wunsch. Am feurigen Wagen der Sonne entzündete er eine Fackel, brach ein Stück glühender Holzkohle ab und warf es in die Markhöhle des Stengels eines Riesenfenchels, löschte seine Fackel und stahl sich unentdeckt fort. So wurde der Menschheit das Feuer geschenkt. - (myth)

Diebstahl (5) Es ist konterrevolutionär, wenn Schwarze über andere Schwarze oder über arme Weiße herfallen. Ich sehe durchaus ein, daß für das schwarze Amerika Verbrechen eine Notwendigkeit ist. Ich verstehe, daß Schwarze, um zu überleben, stehlen müssen. Aber ich heiße das nicht gut. Ich schätze, daß die Fähigkeiten, die es braucht, um ein erfolgreicher Krimineller zu sein, für konstruktivere Zwecke genutzt werden könnten. Wenn ein Zuhälter genug drauf hat, um neun Frauen unter Kontrolle zu halten, hat er garantiert nichts in diesem Geschäft verloren. Also, wenn du schwarz bist und gezwungen bist, kriminell zu werden, dann bestiehl nicht mich. Geh rüber und stiehl von den weißen Reichen. - Iceberg Slim, nach: I.S.: Todesfluch. Reinbek bei Hamburg 1997 (zuerst 1977)

Diebstahl (6)  Perry lachte: «Sie ist eine tolle Köchin, Mrs. Meier. Du solltest mal ihren Spanischen Reis essen. Ich habe fünfzehn Pfund zugenommen, seit ich hier in der Zelle bin. Allerdings hatte ich auch kaum noch was auf den Knochen. Hatte verdammt abgenommen, als Dick und ich wie die Irren durch die Gegend gurkten - haben kaum jemals richtig gegessen, die meiste Zeit Kohldampf geschoben. Wir haben größtenteils gelebt wie die Tiere. Dick klaute immer Konserven beim Krämer. Bohnen und Spaghetti. Die machten wir im Wagen auf und fraßen das Zeug kalt. Wie die Tiere. Dick stiehlt mit Wonne. Es sitzt ihm in den Knochen - wie eine Sucht. Ich habe auch immer mal gestohlen, aber doch nur, wenn ich kein Geld hatte. Dick klaut noch ein Päckchen Kaugummi, wenn er hundert Dollar in der Tasche hat.»

Später, bei Kaffee und Zigaretten, kam Perry noch einmal auf das Thema Stehlen zurück. «Mein Freund Willie-Jay hat oft darüber gesprochen. Er sagte immer, alle Verbrechen wären nur verschiedene Formen von Diebstahl, Mord eingeschlossen. Wenn man jemand umbringt, dann stiehlt man ihm das Leben. Und danach bin ich vermutlich ein ziemlich schlimmer Dieb. Denn siehst du, Don - ich habe sie tatsächlich umgebracht. Der alte Dewey hat das da vor dem Gericht so hingestellt, als wäre es eine Verdrehung der Tatsachen - wegen Dicks Mutter. Das stimmt aber nicht. Dick hat mir geholfen. Er hielt die Taschenlampe und las die Hülsen auf. Und natürlich war das Ganze sein Plan. Aber Dick hat sie nicht erschossen, er hätte das gar nicht fertiggebracht - wenn er auch verdammt fix bei der Hand ist, wenn es darum geht, einen alten Hund totzufahren. Ich weiß selbst nicht, warum ich es gemacht habe.» Er sah düster vor sich hin, als wäre das ein völlig neues, unbegreifliches Problem für ihn, wie ein neuerdings aufgefundener Stein von überraschender, bislang nicht registrierter Farbe. «Ich weiß es wirklich nicht», sagte er, als hielte er den Stein gegen das Licht und drehte ihn einmal hierhin, einmal dorthin. «Ich hatte eine Wut auf Dick. Weil er immer den harten Mann markierte. Aber es war nicht wegen Dick. Auch nicht aus Angst, daß sie als Zeugen auftreten könnten. Das hätte ich schon riskiert. Und es hatte mit den Clutters eigentlich überhaupt nichts zu tun. Sie haben mir nie was zuleide getan. Wie die andern. All die andern, die mich mein Leben lang getriezt haben. Und vielleicht waren es eben die Clutters, die dafür büßen mußten.»

Cullivan drang in ihn, er suchte herauszubekommen, ob er bereue, und wie tief diese vermeintliche Reue sei. Sicher hatte er doch schwere Gewissensbisse, die den Wunsch in ihm erweckten, daß Gott sich seiner erbarme und ihm vergebe? Perry sagte: «Ob es mir leid tut? Wenn du das damit meinst - nein, nicht ein bißchen. Ich mache mir überhaupt keine Gedanken darüber. Mir wäre vielleicht-wohler, wenn ich das doch täte. Aber ich hab das Ganze schon fast vergessen. Eine halbe Stunde danach machte Dick schon seine dreckigen Witze, und ich lachte darüber. Vielleicht sind wir beide überhaupt keine Menschen. Immerhin bin ich Mensch genug, um mir selbst leid zu tun.»   - (cap)

Diebstahl (7)  Der Mensch hatte in seinem Urzustand eine einzige Eigenschaft, die ihn von seinen Kameraden unterscheiden konnte: die Kraft. Die Natur gab allen Menschen gleichmäßig bewohnbaren Boden, und nur durch die Ungleichheit der Kraft entstand die Ungleichheit der Verteilung. Das ist der erste Diebstahl, der von der Natur begünstigt und gestattet ist. Nun rächte sich aber der Schwächere durch Anwendung von List, und da sehen wir den Betrug als Schwester des Diebstahls und gleicherweise als Tochter der Natur. Wenn der Diebstahl die Natur beleidigen würde, hätte sie an Stärke und Charakter gleiche Menschen geschaffen. Als Gesetze entstanden und der Schwache einen Teil seiner Freiheit aufopferte, um sich vor den anderen zu schützen, war sicher das erste, was er verlangte, der ruhige Genuß des Besitzes. Man bestimmte bloß, daß jeder sein Vermögen in Frieden besitzen solle, und daß derjenige bestraft werde, der den Frieden stören wollte. Das war jedoch Menschenwerk, in dem nichts von dem Willen der Natur zu spüren ist. Von nun ab waren die Menschen in zwei Klassen geteilt. Die erste opferte ein Viertel des Besitzes, um den Rest in Frieden genießen zu können) die zweite, die aus diesem Viertel Nutzen zog und sah, daß sie auch bei ernstem Wollen den Rest sich aneignen könnte, wachte darüber, daß die Schwachen sieh nicht untereinander beraubten, damit das Recht des Raubes ihr allein verbliebe. So wurde der Diebstahl, der ein Naturgesetz ist, doch wieder nicht von der Erde vertrieben, sondern blieb, — allerdings in einer anderen Form, — bestehen: Man stahl gesetzlich. Die Richter, indem sie sich für ihre Tätigkeit, die sie freiwillig hätten ausüben sollen, bezahlen ließen, die Priester, indem sie sich für den Mittelsdienst zwischen dem Menschen und seinem Gott bezahlen ließen, der Kaufmann, indem er den Preis dessen, was seine Ware wert war, um ein Viertel erhöhte, und die Herrscher, indem sie ihren Völkern Steuern, Taxen u. s. f. auferlegten. Alle diese Diebstähle geschehen unter dem Deckmantel der Gesetzlichkeit, und man bestraft nur noch das einfachste natürliche Verfahren, das derjenige anwendet, der, wenn es ihm an Geld mangelt, mit der Pistole in der Hand dem Reichen seine Forderung vorbringt. Und man vergißt ganz, daß dieses scheinbare Verbrechen nur eine Folge des ersten Diebstahles ist, da nur durch ihn Reiche und Arme entstanden.   - (just)

Dieb Erwerb Eigentum
Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe
{?} {?}
VB
Synonyme