and  Brody. Hotel Odessa. Ich sitze und höre zu, wie sie kopulieren. Erneute Kopulation. Er ist aus der Versorgungs-Einheit, sie von einem Verpflegungspunkt. Ihre Unterhaltung. — Sie hat eine heisere Stimme. — Flauschwäsche aus Kaserne. — Sind schmutzig. — Dialog? — Sie flucht wie ein Kutscher, trinkt Vodka, beide in Männerkleidern, ich denke, es sind beides Männer. — Sie — die Brüder, diese Scheiß . ..

Beginn — wie langweilig, wie peinigend und lange Russen kopulieren. — Darüber könnte man einen ganzen Traktat schreiben. — Als Halbwüchsiger habe ich auf Korridoren gestanden, gelauscht, Kichern, Frauen finden Wörter, die einem die Seele im Leibe herumdrehn, und heute . . . Schildkröten drei Jahre, so auch diese hier . . . Die soziale Seite dieser Kopulationen . . . Sie erzählt von Scherereien in Büros, in den Kanzleien, sie schlafen in fauligem Stroh ... Er — und wieder starrt mich das Totengesicht an. — Widerwärtige Kopul[ation] . . . Sie sind aus der Versorgungsorganisation — diese Nachfolger der Intendanturen — ihre soziale Struktur. —

Sie raucht angewidert eine Selbstgedrehte. — Beide liegen sie — wie Tote und draußen Alarm, trübe Nacht. — Sie — trinken wir . . . Beide trinken, wie zwei Männer, aus Zahnputzgläsern. — Ihre hochgereckten Beine mit den Knöcheln. — Sie in Männerhosen aus Segeltuch. — Rybockin. — Beginn, Nacht, Alarm. Hauptsache — die Nacht ist in Brody, vor diesem Hintergrund der Nacht — das Paar . . . - Isaak Babel, Notizen zu: Die Reiterarmee. Berlin 1994 (Friedenauer Presse, neu übs. von Peter Urban, zuerst 1926)

Wand (2) Eben wollte er wieder zu dem bett, um sich niederzusetzen, als er in der wand ein eigenartig rieselndes geräusch vernahm. Es kam von der stelle, wo das kohlenbecken stand, dessen flammen sich flakkernd hoben und wieder, fast wie verlöschend, senkten. Er pochte mit einem fingerknöchel an die weiße mauer . ..

"Ja, herr Kilgoorley?" Es war die sanfte frauenstimme, die ihn so zu fall gebracht hatte. "Wo, zum teufel, stecken sie?" Kilgoorley war mehr verärgert als verwundert. Er war ein eher mutiger mann, sohn eines roten reiters aus Manitoba . . .

"Wenn sie nichts dagegen haben: in der wand vor ihren augen!"

Kilgoorley starrte an die wand, die sich nun wie eine weiße bettdecke bewegte, unter der ein bis über den kopf vergrabener schläfer die ersten bewegungen seines erwachens durchexerziert. Dieser seltsame anblick allerdings verblüffte ihn so sehr, daß er plötzlich nichts mehr von seinen schmerzenden gliedern, nichts mehr von dem übelkeitsgefühl in der magengrube, denn ein solches hatte er in reichlichem maße genossen, verspürte. Er legte seine rechte handfläche an die leicht wogende weiße wand — sie bewegte sich tatsächlich, es war keine Sinnestäuschung!

"O Gott", flüsterte er, "sollte ich verrückt geworden sein?"

"Lassen sie bitte diesen verrosteten alten herrn aus dem spiel, Kilgoorley — er hat hier alles andere als zutritt. . .", sagte die bleiche nonne, die wie ein zweiter dibbuk aus der wachsweichen wand herausschwamm und, etwa einen kopf kleiner als er, vor ihm stand.

"Wo bin ich — und wer sind sie?" entrang es sich heiser den lippen des kanadiers. Er war zurückgetreten, rücklings an die bettstelle, und hatte sich niedergesetzt.

"Sie sind in meiner gemütlichen zelle, Kilgoorley", sagte die bleiche mit ihrer warmen, fraulichen stimme, "und ich heiße Sophia, einfach Sophia . . ." Sie hielt die hände in die flammen des kohlenbeckens und begann sie darin zu waschen. - (flag)

Wand (3)  Da fing es sich an zu regen und zu rollen in dem Gestein, und auseinander tat sich die moosige Wand, daß man tief hinein sehn konnte in einen langen, steilabschüssigen, sehr engen Gang. Lichtlein gaukelten, bald wie mutwillig, bald wie scheu, die Mauern entlängst, über die verfallenen Stufen hinab. - »Da kann wohl Eurer Mutter Ahnung erfüllt werden«, sagte Arinbiörn zu Otto, »und sich ein Grab auftun für einen unter uns. Das ganze Wesen hier sieht recht aus, wie ein Grab.« - »Nun«, rief Heerdegen, »die ganze Welt sieht nicht viel anders aus, für einen, der den Blick aufs Ziel zu richten versteht. Wenn man auf ehrlichen Wegen hineingelangt, kann man sich nichts Beßres wünschen, und auf ehrlichen Wegen sind wir ja. Was ist da noch zu bedenken und zu zögern?« — »Wer sagt, daß ich mich bedenke oder zögre?« sprach der Seekönig mit edelstolzem Unwillen, und schritt rasch in die Wölbung hinein, Otto ihm nach, einen Blick noch auf die lichte Mondscheibe zurückwerfend, die jetzt eben wieder aus den Wolken heraustrat, und ihm vorkam, wie sein liebes Mütterlein; dann folgte Heerdegen, ein altes Lied von Berggeistern vor sich hin summend. Der Falke schmiegte sich scheu an Ottos Brust, wohl fühlend, daß er zwischen diesen engen Wänden seinen kühnen Flug nicht entfalten dürfe. Bald aber ward es etwas geräumiger. Der edle Wunsch, keiner Gefahr später, als der Waffenbruder, zu begegnen, trieb Otto und Heerdegen an des Seekönigs Seite vor, und nebeneinander gereiht, schritten die drei Genossen mitsammen fürder, ihre langen, blitzenden Schwerter wie Fühlhörner in die Dunkelheit voraus streckend.  - Friedrich de la Motte Fouqué, Der Zauberring. München 1984 (zuerst 1813)

Wand (4)   Jch wil einen Windwürbel reissen lassen in meinem grim / vnd einen Platzregen in meinem zorn / vnd grosse Hagelsteine im grim / die sollens alles vmbstossen. Also wil ich die Wand vmbwerffen / die jr mit losem Kalck getüncht habt / vnd wil sie zuboden stossen / das man jren Grund sehen sol das sie da lige / Vnd jr solt drinnen auch vmbkomen / vnd erfaren / das ich der HERR sey. Also wil ich meinen grim volenden an der Wand / vnd an denen / die sie mit losem Kalck tünchen / vnd zu euch sagen / Hie ist weder Wand noch Tüncher.  - Hesekiel 13

Wand (5)  Als die Geräusche auch nach einiger Zeit nicht aufhörten, begann ich, die Wand zur Linken genauer zu untersuchen.

Binnen kurzem kam ich zu der Überzeugung, sie müsse innen hohl sein, da sie unter meinen Schlägen dumpf dröhnte.

Diese Vermutung wurde durch eine Einzelheit gestützt, die ich in der Folgezeit von außen her feststellte. Als ich den linken Flügel genauer anschaute, bemerkte ich erstmalig und zu meiner nicht geringen Verwunderung, daß die Entfernung der äußeren Hausecke vom letzten Fenster volle vier Meter betrug; da die linke Wand meines Zimmers, die vermeintliche Außenwand des Hauses, von diesem Fenster höchstens einen Meter entfernt war, mußte die Wand etwa drei Meter stark, also für ein gewöhnliches Wohnhaus unnatürlich dick sein. Hinter meinem Zimmer gab es mithin noch einen blinden, zugemauerten Raum ohne Tür und Fenster, ohne Eingang. Von daher kam das merkwürdige Geräusch. Das lag auf der Hand.

Verwundert durch diese Entdeckung, verließ ich für längere Zeit meine Wohnung fast gar nicht, sondern widmete ganze Stunden der Konzentration. Das machte mir jedoch jetzt viel mehr Mühe, weil ich mich allzu schnell von der eigenen Person löste und den Stimmen der Leere zuwandte. Da ich begriff, daß ich auf diese Weise mein Ziel nicht erreichen würde, konzentrierte ich mich mit ganzer Kraft auf mich und lauschte erst, wenn ich die starke Spannung der wiedergewonnenen Eigenpersönlichkeit spürte, auf die Geräusche, die aus dem blinden Zimmer herüberdrangen.

Nach einiger Zeit bemerkte ich, daß es ganz deutliche Schattierungen oder Abstufungen gab. Je weiter ich vordrang im Prozeß meiner geistigen Befreiung, je mehr ich mich von den fremden Überlagerungen reinigte, desto deutlicher wurde das Geräusch; etwas unruhiges trieb sich in dem geschlossenen Raum herum, drückte sich in die Ecken, streifte wie in wütender Hilflosigkeit an den Wänden entlang.

Wenn ich mehr im Zustand der unglücklichen Zwiefältigkeit verharrte, wenn ich durch die Mitexistenz des fremden Elements stärker gefesselt war, wurde die Stimme hinter der Wand leiser und erstarb gewissermaßen besänftigt.

Darin war etwas Rätselhaftes, etwas die Neugier in höchstem Grade Anregendes, und zugleich rief es kalte, zähneklappemde Angst hervor.

Ich hatte das Gefühl, als würde, während ich hier mit dem verhaßten Feind rang und ihn aus meinem unseligen Ich zu vertreiben suchte, dort hinter der Wand ein Wesen geboren, etwas geschaffen. - Stefan Grabinski, Das Abstellgleis. Frankfurt am Main 1971 (Insel, Bibliothek des Hauses Usher, zuerst 1953)

Wand (6)  Es liegt ein Dorf, Gript mit Namen, zwischen Niort und Fors und gehört dem Herrn von Fors. Eines Tages begab es sich, daß zwei Franziskaner, die von Niort kamen, spät in der Nacht in das Dörfchen Gript gelangten und im Hause eines Schlächters Unterkunft fanden.

Da sich zwischen ihrer Kammer und dem Zimmer des Wirts nur eine dünne, schlecht gefügte Bretterwand befand, gelüstete es sie zu lauschen, was wohl der Mann zu seiner Frau sage, wenn sie zusammen im Bette lägen. Sie hielten also ihre Ohren an die Wand, gerade da, wo das Kopfende des Bettes war, in dem der Mann lag. Der hatte keine Ahnung, daß seine Gäste horchen könnten, und sprach vertraulich mit seiner Frau über allerlei Hausgeschäfte und sagte: »Liebste, morgen muß ich zeitig aufstehen und nach unsern zwei Barfüßern schauen, denn einer ist schön feist, der muß geschlachtet werden. Dann pökeln wir ihn auf der Stelle ein und können ihn mit großem Gewinst verkaufen.«

Obwohl er damit seine beiden Schweine meinte, die er spaßeshalber »Barfüßer« nannte, so glaubten die beiden armen Mönchlein, als sie diese Abrede hörten, ganz gewiß, es sei von ihnen die Rede, und erwarteten zitternd das Morgengrauen.  - Margarete von Navarra, Das Heptameron. München  1960 (zuerst 1558)

Wand (7)

Der Visionarr

Lampe blöck nicht.
Aus der Wand fuhr ein dünner Frauenarm.
Er war bleich und blau geädert.
Die Finger waren mit kostbaren Ringen bepatzt.
Als ich die Hand küsste, erschrak ich:
Sie war lebendig und warm.
Das Gesicht wurde mir zerkratzt.
Ich nahm ein Küchenmesser und zerschnitt ein paar Adern.
Eine große Katze kam
und leckte zierlich das Blut vom Boden auf.
Ein Mann indes kroch mit gesträubten Haaren
einen schräg an die Wand gelegten Besenstiel hinauf.

- Jakob van Hoddis

Wand (8)  Das war doch nicht möglich! So sprechen die Menschen nicht, und schon gar nicht ein Ehepaar, auch nicht in einem Schlafzimmer.

»Laß mal sehen, ob Spuren da sind? Hat sie dich gebissen?«

»Sie kann nicht anders. Und du?«

»Er war da.«

»Wann?«

»Wie immer um drei.«

»Hat er gemeckert?«

»In seinem Alter ändert man sich nur zum Schlechteren. Er blieb ewig. Ich fürchtete schon, Walter käme dazu.«

»Glaubst du, daß er was ahnt?«

»Wie soll man das bei ihm wissen. Du scheinst es ja nicht eilig zu haben.«

»Gib mir die Zeit, meine Batterien neu zu laden.«

Fast jedes Wort war eine Beleidigung für Jovis' Erziehung, seine Grundsätze gewesen. Anfangs hätte er es am liebsten gar nicht gehört. Er hatte auch Angst, daß seine Frau aufwachen und es ebenfalls hören könnte.

»Komm her, damit ich ...«

Es war nicht möglich! Er hatte sich geweigert, es zu glauben. Diese Leute benutzten die unflätigsten Worte, die eindeutigsten, vielsagendsten; sie schienen sich daran zu ergötzen, jede ihrer Gesten zu kommentieren, vor allem die Frau. .

»Hat sie das mit dir gemacht?«

»Ja.«

»Und so?«

»Ja.«

»Lump, ich werde dir zeigen ...«

Er hatte sich bemüht, sich die Szene und die Positionen vorzustellen.

Sie mußte noch ziemlich jung sein, nach ihrem Herumtoben zu urteilen. Aber es waren weder Jungverheiratete noch Verliebte, die sich erst einen Tag kannten. Sie waren schon lange aneinander gewöhnt, das merkte man an ihren Antworten, die ihnen wie ein auswendig gelernter Text über die Lippen kamen, ein Text, so obszön wie das Gekritzel an den Wänden mancher Pissoirs, das man errötend liest.

»Warte! Rühr dich nicht mehr! Ich werde ...«

»Du tust mir weh«, protestierte der Mann.

»Und sie? Hat sie dir nicht weh getan, die Hure? Wenn du dich wenigstens mit Irene begnügtest, die ein braves Mädchen ist. Erinnerst du dich noch an die Nacht, wo wir's zu dritt trieben und wo ich ...«

Er versuchte, die Worte, die er gehört hatte, und die Bilder, die sie heraufbeschworen hatten und die ihm wieder einfielen, zu vergessen.

»Nein. Noch nicht!«

Es waren noch andere Bemerkungen gefallen, von geradezu anatomischer Präzision. Dann hatte die Frau wie im Delirium gesprochen. Sie war keine Frau mehr, wie er sie kannte, wie die, denen man auf der Straße begegnet, sie war ein entfesseltes Tier gewesen. - Georges Simenon, Der Umzug. München 1971 (Simenon-Romane  117, zuerst 1957)

Ich suchte den Rabbi auf, um mir bei ihm Rat zu holen. »Es steht geschrieben«, sagte er, »man solle lieber das ganze Leben ein Narr als eine Stunde lang schlecht sein. Du bist kein Narr. Die anderen sind die Narren. Denn jeder, der seinen Nächsten in Beschämung stürzt, schließt sich selbst vom Paradiese aus.« Trotzdem legte die Tochter des Rabbi mich wieder herein. Als ich das Haus des Rabbiners verließ, sagte sie: »Hast du die Wand schon geküßt?« - »Nein, wozu?« Sie erwiderte: »Das Gesetz will es so, nach jedem Besuch hast du die Wand zu küssen.« Nun, das konnte wenigstens nicht weiter schaden. Und sie brach in Gelächter aus. Es war ein ganz schöner Streich, den sie mir da gespielt hatte.

Wand (9)  Ich suchte den Rabbi auf, um mir bei ihm Rat zu holen. »Es steht geschrieben«, sagte er, »man solle lieber das ganze Leben ein Narr als eine Stunde lang schlecht sein. Du bist kein Narr. Die anderen sind die Narren. Denn jeder, der seinen Nächsten in Beschämung stürzt, schließt sich selbst vom Paradiese aus.« Trotzdem legte die Tochter des Rabbi mich wieder herein. Als ich das Haus des Rabbiners verließ, sagte sie: »Hast du die Wand schon geküßt?« - »Nein, wozu?« Sie erwiderte: »Das Gesetz will es so, nach jedem Besuch hast du die Wand zu küssen.« Nun, das konnte wenigstens nicht weiter schaden. Und sie brach in Gelächter aus. Es war ein ganz schöner Streich, den sie mir da gespielt hatte. - Isaac Bashevis Singer, nach (narr)

Wand (10)   Rings um mich waren die Wände mit einem Geräusch belebt, das mich zum Erbrechen reizte — das ungezieferhafte Geschlüpfe gefräßiger, riesenhafter Ratten. Ich vermochte den Zustand der Gobelins nicht zu erkennen - der Raum war stockdunkel, kein rötliches Schimmern wie gestern! Ich bezwang meine Furcht und drehte das Licht an. Als die Birnen aufflammten, sah ich eine gräßliche Bewegung durch die Gobelins gehen, das die sonderbaren Figuren, die darauf waren, einen einzigartigen Totentanz aufführen ließ. Dieses grausige Schütteln verschwand fast sofort, und mit ihm das Geräusch. Ich sprang aus dem Bett und stocherte mit dem langen Stiel einer Wärmepfanne, die in der Nähe lag, in den Wandbehang und hob ein Stück davon hoch, um zu sehen, was darunterlag. Da war nichts als die reparierte Steinmauer, und sogar der Kater hatte das intensive Gefühl abnormaler Gegenwärtigkeiten verloren. Als ich die im Zimmer aufgerichtete runde Falle überprüfte, fand ich alle Öffnungen zugeschnappt, obgleich keine Spur darauf hinwies, was in sie hineingegangen und wieder entwischt war.

Weiterschlafen war ausgeschlossen. Ich zündete deshalb eine Kerze an, öffnete die Tür und ging hinaus auf die Galerie und der alten Steintreppe zu, die zu meinem Arbeitszimmer führte, Nigger-Man, der Kater,  auf den Fersen. Bevor wir aber noch die Treppe erreichten, schoß der Kater vor und hastete die Stufen hinunter. Als ich dann selbst folgte, gewahrte ich plötzlich ein Rumoren im großen Zimmer unten - Geräusche, deren Natur nicht mißzuverstehen waren.

Die eichengetäfelten Wände waren vor Ratten schier lebendig geworden, sie rappelten und huschten wie toll, während Nigger-Man wütend wie ein gefoppter Jäger hin und her raste. Unten angelangt machte ich Licht, was diesmal das Geräusch jedoch nicht zum Stillstand brachte. Die Ratten setzten ihren Tumult fort, ja sie tobten und quiekten so laut, daß ich schließlich sogar die Richtung ihres Zuges feststellen konnte. Diese Biester bewegten sich in einer nicht enden wollenden Wanderung von oben nach unten in irgendeine faßliche oder unfaßliche Tiefe der Erde. - H. P. Lovecraft, Die Ratten im Gemäuer. In: Cthulhu. Geistergeschichten. Übs. H. C. Artmann. Frankfurt am Main 1972 (st 29, zuerst 1928)

Wand (11)   Mitten in der Tempelhalle war ein Tonstandbild des Dschi-gung aufgestellt. An beiden Wänden waren wundervolle Bilder, deren Figuren und Gegenstände so gemalt waren, daß sie lebendig zu sein schienen. Auf der Ostwand waren Blumen streuende Frauen aus den Götterwelten abgebildet. Darunter war eine, der die Haare in Büscheln herabhingen, wie dies die Sitte für jungfräuliche Mädchen vorschreibt. Sie zupfte Blumen und kicherte leise, und ihr Kirschenmund schien sich zu bewegen, während ihre Augen blitzten und glitzerten wie Sonnenstrahlen, die mit den Wellen spielen.

Dschu blickte sie lange unverwandt an, und unmerklich schwanden ihm Sinne und Gedanken. Als er so bezaubert und ganz versunken dastand, hatte er das Gefühl, als könne er wie ein Luftgeist auf Nebelschwaden reiten - und schon befand er sich in der Wand. Er stand in eirer mächtigen Tempelhalle, außerhalb der Menschenwelt. Ein alter Buddhapriester saß auf dem Priestersitze; viele zuhörende Mönche umgaben ihn.

Dschu mischte sich unter die Menge. Er hatte noch nicht lange zugehört, da war ihm, als berühre jemand den Überschlag seines Rockes. Als er sich umwandte, stand die junge Göttin vor ihm, lächelte ihn an und entfernte sich. Er ging und folgte ihr. - (pu-s)

Wand (12)  

 - Katakomben von Paris

Wand (13)  

- N.N.

Wand (14)   Am Boden lag, genau an der Stelle, wo ich sie beim erstenmal, als ich hier eingedrungen war, hatte fallen lassen, die Eisenstange, die ich zum Ausstemmen des Mauerwerks benutzt hatte. >Kein Schade, daß niemand sie gesehen hat<, dachte ich, in erschütternder Verkennung meiner Lage, >man hätte sie sonst weggebracht, ohne mich davon in Kenntnis zu setzen.< Wieder legte ich das Ohr an diese Wand, mit der alles zu Ende zu sein schien. Im Vertrauen auf die herrschende Stille suchte ich nach der Stelle, an der ich die Wand durchbrochen hatte, und begann auf sie einzuschlagen (weil ich wähnte, es würde mir schwerer fallen, sie an der Stelle zu durchstoßen, wo die Mörtelschicht alt war). Ich versetzte ihr viele Schläge; die Verzweiflung wuchs. Das Porzellan war auf der inneren Seite unverwundbar. Die stärksten, die ermüdendsten Schläge prallten dröhnend von seiner Härte ab und hinterließen nicht den oberflächlichsten Kratzer, entrissen seinem himmelblauen Schmelz nicht den kleinsten Splitter.

Ich nahm meine Nerven zusammen. Ruhte mich aus. Bestürmte die Wand von neuem an anderer Stelle. Die Glasur splitterte ab, und als dicke Mörtelbrocken herabfielen, schlug ich weiter drauflos, mit umflortem Bück und einer zu der Schwere des Eisens in keinem Verhältnis stehenden Dringlichkeit, bis der Widerstand der Mauer, der sich keineswegs der Anzahl und der Wucht der geführten Schläge entsprechend verringerte, mich vor kläglicher Ermattung zu Boden schleuderte. Was ich zuerst sah, waren die Mörtelbrocken; ieh faßte sie an und fand sie auf der einen Seite poliert, auf der anderen rauh und erdig; dann erblickten meine Augen in einer Vision von solcher Schärfe und Deutlichkeit, daß es ans Blitzhafte und Übernatürliche grenzte, die himmelblaue Gleichmäßigkeit des Porzellans, die unversehrte Wand ringsum, den abgeschlossenen Raum. Ich begann von neuem zu klopfen. An einigen Stellen sprangen Stücke aus der Wand, die jedoch nicht die geringste Höhlung, ob hell oder dunkel, zum Vorschein brachten, Stücke, die sich rascher, als mein Blick zu folgen vermochte, wieder zusammenschlössen und dabei jene unversehrbare Härte bekamen, die ich bereits an der Stelle, wo die Öffnung gewesen war, angetroffen hatte.   - Adolfo Bioy Casares, Morels Erfindung. München 1965 (zuerst 1940)

Haus Nachbar
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