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chinesische
Architekt Ming Tseu: «Ich will einige Unannehmlichkeiten
nicht leugnen. Das Ärgerlichste war, daß die Nachbarn sich gegenseitig in die
Wohnungen sehen konnten. Die traditionelle Vertraulichkeit
der häuslichen vier Wände war sicher gefährdet, und jeder Mensch mußte sich
in der eigenen Wohnung so benehmen, als befände er sich auf offener Straße.
Daran kann man sich nicht so leicht gewöhnen, das gebe ich zu. Doch es war so
vorgesehen, und auch die kaiserlichen Minister hatten die Idee der durchsiclv
tigen Mauern mit Begeisterung aufgenommen und mir mit ungewöhnlicher Großzügigkeit
die Mittel für die Verwirklichung meines Vorhabens zur Verfügung gestellt. Man
dachte, eine Stadt aus transparenten Häusern würde dazu beitragen, die Sitten
der Einwohner moralisch zu verbessern. Leider konnten nicht nur die Nachbarn,
sondern auch die zufälligen Passanten beobachten, was in den Häusern geschah.
Um die Menschen an eine solche Lebensweise zu gewöhnen, sind viele Jahre nötig,
das haben die kaiserlichen Beamten nicht begriffen. Es war sehr naiv anzunehmen,
die Einwohner könnten von heute auf morgen ihre Gewohnheiten ändern. Und natürlich
kamen, als sich die Nachricht von den durchsichtigen Häusern verbreitete, Neugierige
aus allen Ecken und Enden des Reichs. Jeden Abend waren die Straßen der Stadt
voll von liederlichen jungen Männer und vulgären Händlern. Und da begannen
die Proteste. Hinter der Befürchtung, daß der Wind ihre Häuser forttragen könnte,
verbargen sich in Wirklichkeit ganz andere Sorgen. Das zeigt die Zahl der Neugeborenen
im Jahr nach der Erbauung meiner Stadt: Es waren weniger als halb so viele wie
im Jahr davor. Was bedeutet das! Daß selbst die ordnungsgemäß verheirateten
Paare in der Befriedigung ihrer legitimsten Bedürfnisse gehemmt waren. Und noch
schlimmer war es für die unverheirateten Paare, auch wenn sich niemand Gedanken
darüber machte. - (gesp)
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