rwachen Es
war nicht das erstemal, daß er bei einem Selbstmörder dieses entsetzliche Erwachen
mitansah, die jähe Erkenntnis einer unsinnigen, jämmerlichen Tat, die nicht
mehr gutzumachen war. Er dachte an jene arme Näherin, die vor drei Wochen in
seinem Spital an Phosphorvergiftung gestorben war, - bis zum Schluß trotz ihres
bitteren Lebens, das sie ungeschickt und qualvoll beendigen wollte, mit allen
Gedanken auf Genesung hoffend. Und doch hätte dies Gesundwerden nichts anderes
für sie bedeutet, als ein Weiterschreiten auf ihrem Leidenswege, doppelt schwer
zu ertragen um des kleinen, krüppelhaften und namenlosen Geschöpfes willen,
das sie, verlassen wie ein Tier auf der Heide, in ihrer frostigen Dachkammer
zur Welt gebracht hatte. - Paul Busson, Die Kleinodien des Tormento.
In: Das unsichtbare Auge. Eine Sammlung von Phantomen und anderen unheimlichen
Erscheinungen. Hg. Kalju Kirde. Frankfurt am Main 1979 (st 477, zuerst 1862)
Erwachen (2) DES SEXUS In einer jener Straßen, die ich später auf Wanderungen,
die kein Ende nahmen, nachts durchstreifte, überraschte mich, als es an
der Zeit war, das Erwachen des Geschlechtstriebs unter sonderbaren Umständen.
Es war am jüdischen Neujahrstage und die Eltern hatten Anstalten getroffen,
in irgendeiner gottesdienstlichen Feier mich unterzubringen. Wahrscheinlich
handelte es sich um die Reformgemeinde, der meine Mutter aus Familientradition
einige Sympathie entgegenbrachte. Man hatte mich für diesen Feiertag einem
entfernteren Verwandten anbefohlen, den ich abholen sollte. Aber sei es,
daß ich dessen Adresse vergessen hatte, sei es, daß ich mich in der Gegend
nicht zurechtfand — es wurde später und später und mein Umherirren immer
aussichtsloser. Selbständig in die Synagoge mich zu trauen, konnte nicht
in Frage kommen, denn mein Beschützer hatte die Einlaßkarten. An meinem
Mißgeschicke trug die Hauptschuld Abneigung gegen den fast Unbekannten,
auf den ich angewiesen war, und Argwohn gegen die religiösen Zeremonien,
die nur Verlegenheit in Aussicht stellten. Da überkam mich mitten in meiner
Ratlosigkeit mit einem Male eine heiße Welle der Angst
— »zu spät, die Synagoge ist verpaßt« — genau im gleichen Augenblick aber,
noch ehe sie verebbt war, eine zweite vollkommener Gewissenlosigkeit — »das
alles mag laufen wie es will, mich geht‘s nichts an«. Und beide Wellen
schlugen unaufhaltsam im ersten großen Lustgefühl
zusammen, in dem die Schändung des Feiertags sich mit dem Kupplerischen
der Straße mischte, die mich hier zuerst die Dienste ahnen ließ, welche
sie den erwachten Trieben leisten sollte. - (
ben2
)
Erwachen (3) Unangenehm ist das
Erwachen kurz vor der Erholung, etwa zwei Stunden nach Mitternacht.
Die Spanne ist besonders nüchtern; sie gleicht dem toten Punkt vorm neuen
Pendelschlag. Napoleon lobt daher den Zwei-Uhr-Morgens-Mut. Gefürchtet
war diese Stunde auch in den Klöstern und Einsiedeleien
der Thebais; es drohten in ihr gewisse Formen der Schwermut besonders stark.
Mit Recht galt diese Art der Traurigkeit als Sünde,
da sie den bösen Mächten den Weg erschloß. Darin liegt überhaupt das Übel
der Melancholien; sie schaffen Stellen gleich
Siegfrieds Lindenblatt. Im Stande hoher Kraft sind wir fast unverletzlich;
selbst die Geschosse finden gleichsam nur durch Kanäle den Weg zu uns.
In Island tasteten die Mütter den Körper der Krieger vorm Treffen ab und
fühlten, wo eine ungefeite Stelle war. - Ernst Jünger, Gärten
und Straßen (5. Oktober 1939) Reinbek bei Hamburg 1962 (zuerst 1942)
Erwachen (4) Jemand sagte mir — ich
kann mich nicht mehr erinnern, wer es gewesen ist —, daß es doch wunderbar
sei, daß man, wenn man früh erwacht, wenigstens im allgemeinen alles unverrückt
an der gleichen Stelle findet, wie es am Abend gewesen ist. Man ist doch
im Schlaf und im Traum wenigstens scheinbar in einem vom Wachen wesentlich
verschiedenen Zustand gewesen, und es gehört, wie jener Mann ganz richtig
sagte, eine unendliche Geistesgegenwart oder besser Schlagfertigkeit dazu,
um mit dem Augenblick alles, was da ist, gewissermaßen
an der gleichen Stelle zu fassen, an der man es am Abend losgelassen hat.
Darum sei auch der Augenblick des Erwachens der riskanteste Augenblick
im Tag; sei er einmal überstanden, ohne daß man irgendwohin von seinem
Platze fortgezogen wurde, so könne man den ganzen Tag
über getrost sein. - Franz Kafka, Der Prozeß
Erwachen (5) Wir wohnten auf dem Graben
in der Nähe des Café Continental. Aus der Herrengasse bog ein Regiment
ein, in die Richtung zum Staatsbahnhof. Mein Vater:
»So etwas muß man sehn, solange man dazu imstande ist« und schwingt sich
(im braunen Schlafrock des Felix, die ganze Gestalt war eine Vermischung
beider) auf das Fenster und spreizt sich draußen mit aus-gestreckten Armen
auf der sehr breiten, stark abfallenden Fensterbrüstung. Ich packe ihn
und halte ihn an den beiden Kettchen, durch welche die Schlafrockschnur
gezogen ist. Aus Bosheit streckt er sich noch weiter hinaus, ich spanne
meine Kräfte auf das äußerste an, um ihn zu halten. Ich denke daran, wie
gut es wäre, wenn ich meine Füße mit Stricken an irgend etwas Festem anbinden
könnte, um nicht vom Vater mitgezogen zu werden. Allerdings müßte ich,
um das zu bewerkstelligen, den Vater wenigstens ein Weilchen lang loslassen
und das ist unmöglich. Diese ganze Spannung erträgt der Schlaf — und gar
mein Schlaf — nicht und ich erwache. - Franz Kafka, Tagebücher (19.
April 1916) Frankfurt am Main 1967
Erwachen (6) Schon zur Jugendzeit beschäftigte mich das Dornröschen. Wenn ich aufmerksam zurückdenke und mir frühe Bemühungen, Versuche wieder frisch vorstelle, so fällt mir ein, daß ich oftmals redlich bemüht war, dem holden, entzückenden Märchenkinde mit weichen oder groben, feuchten oder trockenen, üppigen oder mageren, feinen oder harten Versen einigermaßen nahezukommen. Sein wundervoller hundertjähriger Schlaf wollte mir nie aus dem Kopf gehen. Hundertjähriger tiefer Schlummer ist gewiß keine Kleinigkeit. Laß doch einmal sehen!
Mancher kühne, beherzte, verliebte Abenteurer und Ritter mußte während dieser Zeit seine Kühnheit, Waghalsigkeit, Tapferkeit und Verliebtheit mit dem Leben bezahlen. In den Dornen kamen sie um, die Herren Glücksritter, Barone, Freiherren und Grafen, edlen Jünglinge, adeligen Abkömmlinge, die mit jugendroten und frischen Wangen, mit blühenden Lippen und blonden Locken, mit heißen, blauen Augen, feuriger Einbildungskraft, heiterer, mutiger und schöner Stirne, behenden, geschmeidigen Gliedern, Schwert in der Hand, ritterlicher Feder auf dem Hut, zu Fuß oder zu Pferd, das Jünglingsherz voll Jünglingsphantasien, durch die hellen und dunkeln Länder zogen, um ihre unbändige, stürmische Sehnsucht zu befriedigen, dem Dasein seinen Reiz, dem Leben sein Glück von der geheimnisvollen Brust wegzureißen. Mancher Liebenswürdige und Schöne, mancher Gute, Mutige und Brave mußte in der mitleidlosen Umklammerung unbarmherzigen Gestrüppes, wegen des süßen schlummernden Mädchens, von dessen Schönheit die Gegenden redeten, ersticken und frühen Tod sterben.
Einmal und so kam, heißt es in der holden, anmutigen Geschichte, aus weiter Ferne ein Königssohn daher, dem es beschieden war, hindurchzudringen. Mit verwegenem Ungestüm, wilder, unbändiger, löwengleicher Kraft, alle Gefahren als Vergnügen, Abwechslung und Kinderspiel betrachtend, mit dem Anblick des drohenden Todes, Unterganges, Verderbens tändelnd und scherzend, als handle es sich für ihn nur um eine Kahnfahrt auf heiterem See oder um ein lächelndes Ballspiel auf grüner, lieblicher Wiese, brach er sich durch die wirre Wildnis der Domen, die neben seinem königlichen Willen, durchzubrechen, leicht zusammensanken, freie Bahn und drang in unwiderstehlicher Sturmeslust, alle Hemmnisse, Hindernisse besiegend, in den Zauberpalast, in den Domröschenpalast hinein, stieg die Treppe empor, die in den bekannten Turm hinaufführte, wo die rätselhafte Holde schlummerte, und küßte sie, als er sie sah, und vom Kuß erwachte Dornröschen, und von da an gehörte sie ihm als Braut und Frau an und war sein; denn das Märchen zaudert und fackelt da nicht lang, und es hat auch recht, daß es nicht lange und breite Umstände macht.
Das ganze altersgraue Königsschloß erwachte, König und Königin, das Gefolge und die königliche Regierung, die Minister und geheimen Räte, die Kammerherren und Kammerdiener, die Edelleute und Hofdamen, die Pagen, Kammerzofen, Jäger, Läufer und Heiducken, der Koch und der Küchenjunge, Bediente und Mägde und die Kutscher in den herrlichen Livreen.
Ein alter, hingesunkener Traum wurde wieder lebendig, eine düstere, verdrießliche, müde Schauermär verwandelte sich in freundliches, entzückendes, lebendiges Leben. Bildung und Wissenschaft, Geselligkeit, Geschmack und die übermütigen Künste fingen wieder an sich frei zu entfalten, und das ganze umliegende Land erwachte wie aus langer, langer Trauer. Eine Welt war befreit! Im Park sangen und trällerten wieder die Vögel. Der Druck war gehoben, und die Fessel lag am Boden. Dichtung, Musik und Malerei und das Handwerk reichten sich Sinn, Geist und Hand, um das gesellige Leben am wiedererwachten königlichen Hof zu vergolden und zu verschönen. Der Himmel lachte wieder blau; majestätische Alpengipfel waren entschleiert. Der graue Vorhang hatte sich aufgelöst; finsternisverbreitende Wolken verschwanden; Bäume grünten und blühten; Handel und Wandel ergossen sich mit gefälliger Manier durch das weite, belebte Land.
Alles war in schönster Ordnung, alles war
gut, glücklich und schön; aber am allerschönsten und allerglücklichsten
war das hohe Hochzeitspaar, der edle Prinz und das liebe, süße, zarte Dornröschen.
- Robert Walser, Poetenleben. Frankfurt am Main 1978 (st 388, zuerst 1917)
Erwachen (7) Jeden Morgen betritt der Hausherr, mein Wirt, auf Zehenspitzen mein Zimmer, ich höre seine Schritte. Das Zimmer ist so lang, daß es sich lohnen würde, von der Tür bis zu meinem Bett mit dem Fahrrad zu fahren. Mein Wirt neigt sich über mich, dann blickt er zur Tür, gibt ein Zeichen und sagt:
»Herr Kafka ist da.«
Und er sticht dreimal mit dem Finger in die Luft und geht dann langsam wieder zur Tür zurück, wo ihm jemand — wohl die Wirtin - ein Blechtablett mit einem Kipfel und einem Töpfchen Kaffee reicht, und mein Wirt bringt es mir, und weil seine Hände zittern, klappert das Töpfchen auf dem Tablett. Manchmal denke ich bei so einem Wecken, was wäre, wenn mein Wirt unverhofft verkünden würde, ich sei nicht da. Ich würde einen fürchterlichen Schrecken kriegen, denn sie verfahren schon seit einigen Jahren so, eingedenk der ersten Woche, als sie mir jeden Tag das Frühstück brachten, ich aber nicht im Bett war.
Damals regnete es wie im Tertiär. Der Fluß schleppte das Wasser immer im gleichen Rhythmus, und ich stand in dem unaufhörlichen Regen und wußte nicht, ob ich anklopfen oder gehen sollte. Das Generalslaub schwatzte in den Baumkronen, einige Lampen versuchten durchs Gezweig zu dringen, und in der halb geöffneten Zimmertür entkleidete sich ein Körper zum Schlafen oder Lieben. Das Nachttischlämpchen jagte den Schatten auf der emaillackierten Tür. Und ich fragte mich, ob die Ursache des Schattens allein war oder mit jemandem zusammen. Ich zitterte, weil nachts der Regen kalt ist und die Fußstapfen sich im schmutzigen Guß verlieren. Doch es ist gut, in der Bangigkeit zu wohnen und vor Angst seine Zähne zu hören, es ist gut, das Leben ins Verderben zu führen und am Morgen neu zu beginnen. Gut ist es auch, für immer Abschied zu nehmen und das Unglück zu preisen wie der schlaue Hiob. Damals jedoch stand ich in dem unaufhörlichen Regen und wußte nicht, ob ich anklopfen oder weggehen sollte, weil ich nicht den Mut hatte, mir im Hirn das eifersüchtige Auge auszustechen. Ich betete, Regennacht, laß mich nicht hier stehen, oh, Regennacht, liefere mich nicht hier auf Gnade und Ungnade den banalen Schönheiten aus, laß mich wenigstens im Schmutz knien und das versperrte Haus betrachten. Am Morgen fragte ich dann: »Poldi, haben Sie mich noch gern?« Sie antwortete: »Haben Sie mich noch gern?« Einmal, wenn ich aufwache, werde ich fragen:
»Papst, schläfst du?« Und eines Tages dann wird der Taschenspiegel,
den ich ihr vor den Mund halte, nicht mehr beschlagen. - Bohumil
Hrabal, Reise nach Sondervorschrift, Zuglauf überwacht. Neue Geschichten.
Frankfurt am Main 1968 (es 256, zuerst 1965)
Erwachen (8) Auf unserer Rückreise
nach dem Osten, in einem der scheußlichen Hotels, wo Kongresse abgehalten
werden und mit Namensschildchen besteckte Marzipanschweinchen umhertaumeln,
die sich beim Vornamen anreden, Geschäfte machen und sich besaufen, fanden
die liebe Rita und ich beim Aufwachen um die Mittagszeit einen Dritten
in unserem Zimmer, einen blonden, fast albinohaften jungen Burschen mit
weißen Wimpern und großen transparenten Ohren, den, soweit wir uns erinnern
konnten, weder sie noch ich im Verlauf unseres traurigen Lebens je gesehen
hatten. In dickem, schmutzigem Unterzeug und alten Soldatenstiefeln lag
er schwitzend und schnarchend auf dem Doppelbett hinter meiner keuschen
Rita. Einer seiner Vorderzähne fehlte, bernsteingelbe Pickel wuchsen ihm
auf der Stirn. Ritotschka wickelte ihre geschmeidige Nacktheit in meinen
Regenmantel - das erste, was zur Hand war; ich schlüpfte in eine bonbongestreifte
Unterhose; und wir machten eine Inventur der Lage. Fünf Gläser waren benutzt
worden, was ein embarras de richesse an Indizien war. Die Tür war nicht
richtig geschlossen. Auf dem Boden lagen ein Pullover und ein Paar formloser
Uniformhosen. Wir rüttelten so lange an ihrem Besitzer, bis der Unglückliche
wdeder zu Bewußtsein kam. Er hatte total das Gedächtnis verloren. Mit einem
Akzent, den Rita als reines Brooklyn-Amerikanisch identifizierte, behauptete
er beleidigt, wir hätten ihm irgendwie seine (wertlose) Identität entwendet.
Wir halfen ihm eilig in seine Sachen und gaben ihn im nächsten Krankenhaus
ab. - (
lo
)
Erwachen (9) Nachdeme ich nun
corb und ballon so recht inspiziert hatte, kehrte ich gleich in mein zimmer
zurück, um ein anständiges morgenbrod, bestehend
aus café, magerem geselchten, indianischem branntewein und einem halben
kümmelwecken, einzunehmen. Gesättigt legte ich mich auf mein zugemachtes
Feldbett und schlief gut und fest bis in den frühen nachmittag, als mich
die abfeuerung einer feldhaubitze aus meiner traumlosigkeit weckte. Ich
ging zum fenster und sahe über der blauen linie, die der eingeweihte als
bucht von Nieder-californien erkennt, einen kohlschwartzen streiften im
winde treiben. Ha, creutzlaudon! wer feuert um diese zeit durch die friedliche
gegend? Welche sonderbare Weckeruhr wartet man mir da auf? Wie kömmt man
in dieser friedens statt dazu, solchene mörderpistolen zu führen? Nach
sieben stunden schlaff ist so ein artilleristenschertz ein wenig noch zu
frühe! -
H.C. Artmann
,
Der aeronautische Sindtbart oder Seltsame Luftreise von Niedercalifornien
nach Crain. Ein fragment von dem Autore selbst aus dem yukatekischen anno
1958 ins teutsche gebracht sowie edirt & annotirt durch Klaus Reichert. München
1975 (dtv 1067, zuerst 1958)
Erwachen (10) Er träumte, der
hartnäckige Schmerz im Unterleib, den er verdrängte, damit er nicht die
anderen Schmerzen verstärke, die ihn nicht quälten, höre auf, ihm zuzusetzen.
Ohne Widerstand schwand der Schmerz. Er träumte, die Köchin Eustolia (ach,
er hatte sie von seiner Mutter geerbt, die Alte war zickig) beabsichtige,
bei einer Nichte zu wohnen, und endlich sei es ihm erlaubt, zu essen, wie
es Gott gefallt. Das Haus hörte auf, nach Knoblauch zu riechen. Er träumte
von seiner Wiederbegegnung mit Lavinia, seiner unvergessenen, zu guter
Stunde freien Lavinia. Die Hochzeit wurde im vertrautesten Kreise gefeiert.
Er träumte, er stelle eine umfangreiche Anthologie über die Nutzlosigkeit
der literarischen Apologie zusammen. Das Lob der Kritiker war einhellig.
Er träumte, den Treffer der Weihnachtslotterie gezogen zu haben. Es kostete
ihn Mühe, sie zu finden, doch sein Glück war gesichert. Er träumte Gewinner
aller Rennen der nächsten Veranstaltung im Hippodrom von Palermo zu sein.
Aber er haßte Rennen, ein Onkel von ihm hatte Selbstmord begangen, und
so weiter. Er träumte, er erwache. Doch er erwachte nicht. Seit einigen
Minuten war er tot. - Eliseo Diaz, Notas sobre et azar (1956), nach
(
bo3
)
Erwachen (11) Scheiße, dachte
Herr Lehmann, ich muß aufwachen. Und das tat er dann auch. Wenn er nachmittags
schlief, hatte er immer wilde Träume, und meistens gefiel ihm das ganz
gut, es ist besser als Fernsehen, dachte er oft, zumal er keinen Fernseher
mehr hatte, seit sein kleines Schwarzweißgerät nicht mehr funktionierte
und er Fernsehen am Nachmittag sowieso immer deprimierend gefunden hatte.
Aber das hier war zu hart gewesen. Als er aufwachte, war er am ganzen Körper
schweißnaß, was nicht nur von der drückenden Hitze kam, die über der ganzen
Stadt lag, in der es, wie er schätzte, etwa gegen fünf Uhr am Nachmittag
war. In seinem Traum war es Nacht gewesen, eine Nacht der finsteren Sorte,
und er war durch die Manteuffelstraße gelaufen, bis er in einem Hochhaus
angekommen war, das gedroht hatte einzustürzen, sofern nicht bald die Hunde
kämen, er hatte auf dem Balkon auf sie gewartet, weil er nicht hatte hinuntergehen
können, denn auf der Treppe waren die Männer von der Bierlieferung gewesen
und hatten alles blockiert. Es ist sicher der Alkohol, dachte er und verrieb
beim Aufstehen den Schweiß auf seiner nackten Brust. - Sven Regener,
Herr Lehmann. Ein Roman. München 2003 (zuerst 2001)
Erwachen (12) Eine Fliege mittlerer Größe war in die Nase des Gehilfen des Staatsanwalts, Hofrat Gagins, gekrochen. War es Neugier, die sie dazu getrieben hatte, oderwar sie vielleicht aus Leichtfertigkeit hineingelangt oder am Ende gar nur wegen der rings herrschenden Finsternis; die Nase jedoch konnte die Anwesenheit des Fremdkörpers nicht ertragen und gab das Signal zum Niesen. Gagin nieste, er nieste voller Gefühl und mit einem so durchdringenden Pfeifen und so laut, daß das ganze Bett erbebte und den Ton einer aufgestörten Sprungfeder von sich gab. Auch Gagins Gemahlin, Marja Michailowna, eine große, volle Blondine, fuhr zusammen und erwachte. Sie blickte im Finstem umher, seufzte und drehte sich auf die andere Seite. Allein schon fünf Minuten darauf drehte sie sich noch einmal um und schloß die Augen fester, aber der Schlaf wollte nicht mehr zu ihr zurückkehren. Nach einigem Seufzen und einigem vergeblichen Wenden erhob sie sich, kletterte vorsichtig über ihren Gatten hinweg, schlüpfte in ihre Pantoffeln und trat ans Fenster. Draußen war es dunkel. Man sah nur die Silhouetten der Bäume und die dunklen Dächer der Scheunen. Im Osten dämmerte es bereits ein wenig, heranziehende Wolken schickten sich jedoch an, dieses Zwielicht mit ihrem Schatten zu verdecken. Die von Finsternis gesättigte Luft war vollkommen regungslos. Auch der Villenwächter schwieg, obgleich er dafür bezahlt wurde, die nächtliche Stille durch sein Pochen zu unterbrechen; es schwieg auch der Wachtelkönig - der einzige Raubvogel, der die Nachbarschaft mit den großstädtischen Villenbewohnern nicht scheut.
Marja Michailowna unterbrach die Stille. Während sie noch so am Fenster stand und hinaussah, schrie sie plötzlich auf. Es kam ihr vor, als schleiche eine dunkle Gestalt durch das kleine Gärtchen, an der hageren, beschnittenen Pappel vorbei, auf das Haus zu. Sie dachte anfangs, es sei vielleicht eine Kuh oder ein Pferd, nachdem sie sich aber die Augen gerieben, konnte sie mit aller Bestimmtheit die Umrisse eines Menschen erkennen.
Gleich daraufwar ihr, als nähere sich die dunkle Gestalt dem Küchenfenster,
halte unschlüssig einige Zeit davor inne, setze aber dann den Fuß auf den
Mauervorsprung und ... verschwinde in der dunklen Fensteröffnung. Ein Dieb!
schoß es ihr sogleich durch den Kopf, und eine tödliche Blässe überzog
ihr Antlitz. Und im gleichen Augenblick malte ihre Phantasie sich jenes
Bild aus, das alle Villenbewohner so sehr fürchteten: der Dieb schlich
in die Küche, aus der Küche ins Speisezimmer... im Schrank ist das Silber
... darauf in das Schlafzimmer ... ein Beil... ein Räubergesicht... die
Goldsachen... Ihre Knie zitterten, über ihren Rücken lief eine Gänsehaut.
- (
tsch
)
Erwachen (13) Dienstag, 9.
Februar 1909 Gestern nacht erwachte ich in einem solchen nervösen Stumpfsinn,
daß ich dachte, ich werde verrückt. Mein Kopf
als runde Schattenkugel an der Wand. Ich erschrak
und dachte, nun müsse ich bald, unter Zwang, mit dem Kopf gegen diesen
Schatten und die Wand rennen. - Oskar Loerke, Tagebücher 1903 - 1939.
Frankfurt am Main 1986 (st 1242
Erwachen (14) Nach unserem Zusammensein
verschwand sie flugs, ohne Abschied. Niedergeschlagen
schlief ich ein und erwachte am nächsten Sommermorgen als der ganz andere,
den schon »ich« als Kind, und da ebenso in der Regel beim Aufwachen, bestaunt
hatte: namenlos froh, durchwirkt von Süßigkeit, verbunden mit draußen,
unbändig. - Peter Handke, Mein Jahr in der Niemandsbucht. Frankfurt
am Main 1994
Erwachen (15) Endlich erwachte ich; die Sonne brannte auf meine Lider - nur mit Mühe öffnete ich sie. Ich erblickte den Himmel. Ich sah, daß ich mich im Freien befand. Doch der Schlummer drückte noch auf meine Augen. Ich schlief nicht mehr, war aber auch noch nicht wach. Bilder von Martern und Qualen lösten einander ab. Ich erschrak darüber. Ich fuhr mit einem Ruck hoch und richtete mich auf.
Woher soll ich Worte nehmen, um den Schrecken auszudrücken, der mich nun ergriff? Ich lag unter dem Galgen von Los Hermanos. Die Leichen der beiden Brüder Zotos hingen nicht oben, sondern lagen links und rechts neben mir. Ich hatte offenbar die Nacht mit ihnen verbracht. Ich lag auf Fetzen von Stricken, Resten von Folterwerkzeugen und menschlichen Gerippen und auf abscheulichen Lumpen, die die Fäulnis von ihnen abgerissen hatte.
Ich glaubte, ich wäre noch nicht erwacht und hätte einen schrecklichen
Traum. Ich schloß wieder die Augen und suchte in meinem Gedächtnis, wo
ich am Abend vorher gewesen war... Dann spürte ich, wie Krallen in meine
Seite schlugen. Ich sah, daß ein Geier sich auf mir niedergelassen hatte
und an einem meiner Nachtgefährten fraß. Der Schmerz, den mir seine Krallen
bereiteten, machte mich vollends wach. - (
sar
)
Erwachen (16) Bichette fühlte, als sie erwachte, daß Fec vor dem Bett stand, und stellte sich schlafend, nachdem sie, vorsichtig blinzelnd, seiner Anwesenheit sich vergewissert hatte.
Fec, der es erriet, setzte sich langsam auf den Bettrand, streichelte sachte ihre Haare und lispelte, fast gegen seinen Willen:
»Meine süße, süße Bichon... Du festes schweres Tier... Du dunkles dampfendes Weib... Du bist die harte Kette, an der ich mich halte, um nicht hinabzustürzen, wohin hinabzustürzen ich beinahe schon... Und ich weiß nicht einmal, woran diese Kette hängt... Und wüßte ich es, ich würde...« Da aber packte ihn eine boshafte Lust. »... ich würde es dir sagen, obwohl ich weiß, daß du nicht schläfst und mich hörst.«
Bichette schnellte, das Gesicht verzerrt, empor. »Schnock!«
»Eh ben.«
»Fec, das war... O...«
Fec warf sich lachend über sie, preßte sie mit seinem ganzen Körpergewicht ins Bett zurück und flüsterte vor ihren wutnassen Augen: »Und du? Hast du dich nicht schlafend gestellt, um mir... Hättest du nicht geschwiegen und...«
»Und...« keuchte Bichette.
»... und es geglaubt?«
Bichette verharrte sekundenlang regungslos, die Augen fest geschlossen. Dann näßte sie die Lippen und atmete schwer und ruckweise.
Erst jetzt gab Fec sie frei. Dabei schnalzte er dreimal hell mit der
Zunge. - Walter Serner, Die Tigerin. Eine absonderliche Liebesgeschichte.
München 1982 (dtv 10054, zuerst 1925)
Erwachen (17) Peter pflegte alltäglich gegen drei Uhr nachmittags sich darüber zu ärgern, daß er erwacht war. Diesmal dachte er, es sei doch wirklich schamlos, daß man nach acht Uhr morgens dem Tag nicht mehr entgehen könne.
Dann spuckte er elfmal. Da er die Decke der Mansarde nicht treffen konnte, beschloß er, so lange emporzuspucken, bis er den Speichel, wenigstens einmal, so kerzengerade hochgeschleudert hätte, daß er in den Mund zurückfiele.
Endlich begann seine Zunge dick zu werden und matt. Er besaß noch so viel Kraft, den Polster umzuwenden und sein Haupt für den Schlaf trocken zu legen.
Abends träumte er, daß jemand, vielleicht eine Kreuzspinne, mit einer Kanone auf sein linkes Ohr schösse.
Fifis Füßchen verschwand in einem Hemd, das auf der Innern Türschwelle einen graugelblichen Haufen bildete. Sie sagte deshalb sehr laut: „So ein Schwein!"
In Peters Hirn langte mit breitem Knall eine große Kugel an und bewirkte,
daß sein Kopf aus dem Bett rutschte und so lange durch die Diele wollte,
bis der hinterherdrängende Körper ihn auf die Seite legte. - Walter
Serner, Mansardeskes. In: W.S., Zum blauer Affen. Dreiunddreißig Kriminalgeschichten.
München 1983 (dtv 10176, zuerst 1921)
Erwachen (18) Da erwachte das
Kind. Es erwachte zuerst mit der Nase. Die winzige
Nase bewegte sich, sie zog sich nach oben und schnupperte. Sie sog die
Luft ein und schnaubte sie in kurzen Stößen aus, wie bei einem unvollkommenen
Niesen. Dann rümpfte sich die Nase, und das Kind tat die Augen
auf. Die Augen waren von unbestimmter Farbe, zwischen austerngrau und Opal-weiß-cremig,
von einer Art schleimigem Schleier überzogen und offenbar noch nicht sehr
gut zum Sehen geeignet. Terrier hatte den Eindruck, daß sie ihn gar nicht
gewahrten. Anders die Nase. Während die matten Augen des Kindes ins Unbestimmte
schielten, schien die Nase ein bestimmtes Ziel zu fixieren, und Terrier
hatte das sehr sonderbare Gefühl, als sei dieses Ziel er, seine Person,
Terrier selbst. Die winzigen Nasenflügel um die zwei winzigen Löcher mitten
im Gesicht des Kindes blähten sich wie eine aufgehende Blüte. Oder eher
wie die Näpfe jener kleinen fleischfressenden Pflanzen, die man im botanischen
Garten des Königs hielt. Und wie von diesen schien ein unheimlicher Sog
von ihnen auszugehen. Es war Terrier, als sehe ihn das Kind mit seinen
Nüstern, als sehe es ihn scharf und prüfend an, durchdringender, als man
es mit Augen könnte, als verschlänge es etwas mit seiner Nase, das von
ihm, Terrier, ausging, und das er nicht zurückhalten und nicht verbergen
konnte... Das geruchlose Kind roch ihn schamlos ab, so war es! Es witterte
ihn aus! Und er kam sich mit einem Mal stinkend vor, nach Schweiß und Essig,
nach Sauerkraut und ungewaschenen Kleidern. Er kam sich nackt und häßlich
vor, wie begafft von jemandem, der seinerseits nichts von sich preisgab.
Selbst durch seine Haut schien es hindurchzuriechen,
in sein Innerstes hinein. Die zartesten Gefühle, die schmutzigsten Gedanken
lagen bloß vor dieser gierigen kleinen Nase, die
noch gar keine rechte Nase war, sondern nur ein Stups, ein sich ständig
kräuselndes und blähendes und bebendes winziges löchriges Organ. Terrier
schauderte. Er ekelte sich. Er verzog nun seinerseits die Nase wie vor
etwas Übelriechendem, mit dem er nichts zu tun haben wollte.
- Patrick Süskind, Das Parfüm. Die Geschichte eines Mörders. Zürich 1985
Erwachen (19) Es war eines Morgens kurz nach acht Uhr, als Herr Eugen Eidemüller aus einem tiefen und erquickenden Schlaf langsam erwachte. Er streckte sich in wohligem Behagen und blinzelte mit den Augen, denn er war noch nicht fähig, irgend einen klaren Gedanken zu fassen. Die Schleier der Nacht hingen noch über ihm. Diese Schleier sind aus einem sehr feinen und kitzlichen Gewebe und Herrn Eidemüller juckte davon die Nase. Als er sich deshalb kratzen wollte, siehe, da spürte er nicht etwa seine Hand, sondern etwas Warmes, Weiches, das ganz eigentümlich zuckte und krabbelte.
Mit einem jähen Ruck riß er die Augendeckel empor. Man kann sich sein
Erstaunen vorstellen, als er in seiner Hand einen grünen Schmetterling
bemerkte, fast so groß, als die Hand selbst, mit dickem Leib und riesigen
Flügeln. Er hatte große Fühlhörner, war über und über behaart und vollkommen
grün. — Da machte Herr Eidemüller auf einmal »Aha!«, als ob ihm etwas einfiele
und faßte fest aber vorsichtig zu. Mit einem Satz war er aus dem Bette
und holte die goldene Pendule unter dem Glassturz hervor. Statt ihrer setzte
er den großen Schmetterling darunter und legte sich dann rasch wieder ins
Bett. - Hermann Esswein, Der grüne Schmetterling. In:
Jenseits der Träume. Seltsame Geschichten vom Anfang des Jahrhunderts.
Hg. Robert N. Bloch. Fankfurt am Main 1990 (st 1595)
Erwachen (20) Als die Nacht
mich freigab, war ich ein namenloses Etwas, ein unpersönliches Wesen, das
die Begriffe «Vergangenheit» und «Zukunft» nicht kannte. Ich lag, vielleicht
viele Stunden lang, vielleicht auch nur den Bruchteil einer Sekunde hindurch,
in einer Art Starrheit, und sie ging dann in einen Zustand über, den ich
jetzt nicht mehr beschreiben kann. Wenn ich ihn ein schattenhaftes, mit
dem Gefühl einer völligen Bestimmungslosigkeit gepaartes Bewußtsein meiner
selbst nenne, so habe ich das Besondere und Eigenartige an ihm nur unzureichend
wiedergegeben. Es wäre leicht, zu sagen: Ich schwebte im Leeren — aber
diese Worte besagen nichts. Ich wußte nur, daß irgend etwas existierte,
aber daß dieses «Irgend etwas» ich selbst war, das wußte ich nicht.
- Leo Perutz, St. Petri Schnee. Reinbek bei Hamburg 1989 (rororo 12283,
zuerst 1933)
Erwachen (21) Ich erwachte ganz plötzlich aus einem Traum von seltsamen Tieren. Ich lag auf dem Rücken. Jeder kennt ja wohl dieses schwere, aufgeregte Träumen, aus dem man zwar munter, aber seltsam niedergedrückt erwacht. Ich hatte einen sonderbaren Geschmack im Mund, ein müdes Gefühl in den Gliedern und fühlte mich am ganzen Körper unglücklich. Ich ließ meinen Kopf regungslos auf dem Kissen liegen und hoffte, daß dieses Gefühl von Fremdheit und Entsetzen bald wieder verschwinden und ich wieder einschlafen würde. Statt dessen nahm das unheimliche Empfinden nur immer zu. Anfangs bemerkte ich nicht, daß in meiner Umgebung etwas nicht stimmte. Im Zimmer war ein schwaches Licht, so schwach, daß es sich kaum vom Dunkel unterschied, und die Möbel hoben sich als verschwommene Kleckse völligen Dunkels davon ab. Ich spähte, halb unter der Bettdecke verborgen, um mich.
Erst kam mir der Gedanke, es sei jemand ins Zimmer gedrungen, um mir meine Rolle Geld zu stehlen; aber nachdem ich ein paar Minuten still dagelegen hatte, regelmäßig atmend, um Schlaf zu simulieren, erkannte ich, daß das bloße Einbildung war. Trotzdem ließ mich die unbehagliche Überzeugung nicht los, daß irgend etwas nicht stimmte. Mit Anstrengung hob ich den Kopf vom Kissen und blickte um mich ins Dunkel. Was es war, das begriff ich nicht. Ich sah die undeutlichen Formen um mich an, die größeren und kleineren Finsternisse, die Vorhänge, Tisch, Kamin, Bücherständer und all das bezeichneten. Dann fing ich an, etwas Fremdes in diesen Formen der Dunkelheit zu entdecken. Hatte das Bett sich umgedreht? Dort drüben mußten doch die Bücherständer stehen; und etwas Verhülltes, Fahles erhob sich da, etwas, das unmöglich ein Bücherständer sein konnte, mochte ich es ansehen, wie ich wollte. Mein über einen Stuhl geworfenes Hemd konnte es nicht sein; dazu war es viel zu groß.
Ich überwand ein fast kindisches Grausen, warf die Decke zurück und
fuhr mit dem einen Bein aus dem Bett, doch anstatt
von meinem Feldbett auf den Boden zu kommen, merkte ich, daß mein Fuß kaum
den Rand der Matratze erreichte. Ich machte sozusagen einen zweiten Schritt
und setzte mich am Rand des Bettes auf. Neben meinem Bett mußte auf dem
wackeligen Stuhl die Kerze mit den Streichhölzern stehen. Ich streckte
die Hand aus — nichts! - Herbert George Wells, Die Geschichte
des verstorbenen Mr. Elvesham. In: H.G.W., Die Tür in der Mauer. Stuttgart
1983. Die Bibliothek von Babel Bd. 29, Hg. Jorge Luis Borges
Erwachen (22) Ich habe gesagt, daß ich außerordentlich gern in der wohligen Wärme meines Bettes nachdenke und daß seine angenehme Farbe sehr viel zu dem Vergnügen daran beiträgt.
Um mir dieses Vergnügen zu verschaffen, hat mein Diener Befehl erhalten, eine halbe Stunde, bevor ich aufstehen will, in mein Zimmer zu kommen. Ich höre ihn leise gehen und vorsichtig in meinem Zimmer herumhantieren, und dieses Geräusch gewährt mir die Annehmlichkeit, zu empfinden, wie ich schlummere: ein herrliches und vielen Leuten unbekanntes Vergnügen.
Man ist dann wach genug, um gewahr zu werden, daß man noch nicht völlig wach ist, und um dämmerig zu berechnen, daß die Stunde der Geschäfte und der Langeweile noch in der Sanduhr der Zeit weilt. Unmerklich macht mein Diener mehr Lärm; es ist so schwer, sich zu bezwingen! Und dann weiß er, daß der unglückselige Augenblick herankommt. Er sieht auf meine Uhr und läßt das Gehänge klingeln, um mich aufmerksam zu machen; aber ich stelle mich taub, und um diese köstliche Stunde noch zu verlängern, gibt es keine Tricks, die ich nicht gegen diesen armen Unglücklichen anwendete. Hundert Befehle habe ich ihm vorher noch zu geben, um Zeit zu gewinnen. Dabei weiß er ganz gut, daß diese Befehle, die ich ihm in ziemlich schlechter Laune gebe, nur ein Vorwand sind, um noch im Bett bleiben zu können, ohne daß ich diesen Wunsch eingestehen will. Er tut, als merkte er davon nichts, und dafür bin ich ihm wahrhaft dankbar.
Habe ich endlich alle meine Mittel erschöpft, so geht er in die Mitte des Zimmers und pflanzt sich dort mit gekreuzten Armen in vollkommenster Unbeweglichkeit auf.
Unmöglich kann man, wie man zugeben wird, meinen Plan mit mehr Geist
und Verstand mißbilligen. Auch widerstehe ich dieser stillschweigenden
Aufforderung nie; ich strecke meine Arme aus, um ihm zu zeigen, daß ich
ihn verstanden habe - und ich sitze aufrecht. - Xavier de Maistre,
Reise um mein Zimmer. In: Ders., Zwei Reisen um mein Zimmer. München 1968
(Winkler, Die Fundgrube 39, zuerst 1795)
Erwachen (23) Heute sahen wir
die letzten Albatrosse, unsere ständigen Begleiter um Kap Hoorn. Nach früheren
Beschreibungen hatte ich für diese Vögel großes Interesse. Ein oder zwei
hatten wir mit der Angel gefangen. Ihre langen schlagenden Flügel, die
langen Beine und die großen starren Augen geben
ihnen ein sonderbares Aussehen. Im Fluge sehen
sie herrlich aus. Nur selten bewegen sie die langen, schmalen Flügel, es
ist als ob sie segeln. Ich entsinne mich eines sehr schönen Anblicks. Es
war querab von Kap Hoorn, Windstille mit hoher See. Auf dem Wasser
saß schlafend ein schneeweißer
Albatros, den Kopf unter den Flügeln verborgen. Langsam stieg er mit den
Wellen auf und nieder. Erst durch das Rauschen unserer Bugwelle wurde er
aufgeschreckt und starrte uns einen Augenblick
überrascht an. Dann breitete er die Flügel
und flog davon. -
(dana)
Erwachen (24) Erwachen, das heißt
auch, die Augenlider kippen lassen, nicht nachgeben,
nicht den Kopf ins Kissen drehen wie für immer. Die Augen müssen gezwungen
werden, das Zimmer zu mustern. Das ist Deine hochgelegene Kajüte, Du bist
im Gästehaus, das Licht so schräg, schon mit dem Stich Altgold, Du bist
erwacht aus der Narkose, woran wurdest Du operiert? Verbiete Dir sofort,
daran zu denken. Die Engramme von gestern bluten, sobald Du sie berührst.
Weg-weg-weg damit, spül lieber den Mund oder schlaf weiter, wach nicht
auf, Du mußt aufwachen, abreisen, aber wie abreisen, ohne das Zimmer zu
verlassen? und dieses Zimmer kannst Du nicht verlassen, draußen schwirrt
scharfes schneidendes Glas in der Luft, Splitter kreisen, rasende Scherben,
die ihre Schneidearbeit erledigt haben und weiterkreisen auf der Suche
nach frischen Halsschlagadern. - Martin Walser, Das Einhorn.
Frankfurt am Main 1966
Erwachen (25) Stellen Sie sich einmal
vor, wie ganze Regimenter von dicken Ratten in Paris
einziehen, durch sieben oder acht Stadttore; wie sie die Zollbeamten umrennen
und sich über zwanzig noch schlummernde Stadtviertel verbreiten! Wäre das ein
Erwachen! Die Händler verrammeln geschwind ihre Läden, die sie gerade öffnen
wollten; die Droschkenkutscher rasen mit ihren durchgehenden Pferden der Seine
zu, um den Fluß zwischen sich und jene Attila-Horden zu bringen; die Pförtner
stehen entgeistert auf der Schwelle ihrer Häuser, deren Sockel bereits unter
dieser anbrandenden lebenden Dünung verschwunden sind. Malen Sie sich das Quartier
de l'Opera aus, wenn diese Attacke kommt. Ich kann mir das erstaunte Gesicht
jener Damen aus der Rue de la Victoire, der Rue de Provence, der Rue du Helder
und der Rue Saint-Lazare so recht vorstellen, wenn ihre Kammerfrauen mit dem
erschrockenen Ruf herbeistürzen: ›Retten wir uns, retten wir uns! › - ›Aber
was gibt's denn? Kommt die Polizei? Oder sind es zudringliche Gerichtsboten
?› - ›Das nicht - aber das Haus wimmelt von Ratten !› - ›Was, Ratten ?› - ›
Jawohl, Madame, Ratten! Sie haben schon den Pförtner verschlungen und drei Klaviere
zernagt; jetzt sind sie im Vorzimmer; hören Sie sie nicht ?› - ›Oh, oh, fliehen
wir! Wo ist meine Perücke ?› - ›Gefressen, Madame.
› - ›Springen wir zum Fenster hinaus. › ›Zu spät! Die ganze Straße ist mit Ratten
gepflastert !‹ - Balzac, nach: Léon Gozlan, Balzac in Pantoffeln. München 1969 (dtv
602, zuerst ca. 1860)
Erwachen (26)
Erwachen (27) Am Dienstag erwachte ich zu
jener seelenlosen und unwesentlichen Zeit, da die Nacht eigentlich schon zu
Ende ist und die Morgendämmerung noch nicht recht begonnen hat. Plötzlich wach
geworden, wollte ich mit einer Taxe zum Bahnhof jagen, da mir schien, daß ich
verreise - erst in der folgenden Minute machte ich mir mühsam klar, daß gar
kein Zug für mich auf dem Bahnhof stand, gar keine Stunde gekommen war. Ich
lag in trübem Lichte da, und mein Körper fürchtete sich unerträglich, bedrängte
mit seiner Angst meinen Geist, der Geist bedrängte den Körper, und jede kleinste
Fiber krampfte sich in der Erwartung, daß nichts geschehen, nichts sich verändern,
nichts jemals erfolgen werde, und was man auch immer unternehmen würde, nichts
und nichts beginnen werde. Es war die Angst vor dem Nichtvorhandensein, die
Furcht vor dem Nichtsein, die Unruhe des Nichtlebens, die Befürchtung der Unwirklichkeit,
der biologische Schrei aller meiner Zellen gegen inneres Zerreißen, Zerpulvern
und Zerstäuben. Die Angst unanständiger Kleinheit und Winzigkeit, der Schrecken
der Entkonzentrierung, die Panik auf dem Grunde eines Bruchteils, das Entsetzen
vor der Vergewaltigung, die ich in mir hatte, und vor der, die von außen drohte
- und das Wichtigste war: fortwährend begleitete mich, nicht einen Schritt von
mir weichend, etwas, das ich als das Selbstgefühl eines inneren, zwischenzelligen
Nachäffens und Verspottens, eines Selbstverlachens der unbändigen Teile meines
Körpers und der analogen Teile meines Geistes nennen könnte. -
(
fer
)
Erwachen (28) Er konnte das Sonnenlicht auf seinem Gesicht spüren, aber er machte die Augen nicht auf, denn er hatte Angst, daß der Schock ihn umbrächte. Er hatte mit offenem Mund auf dem Rücken gelegen, und seine Kehle fühlte sich an wie frisch getrocknetes Rohleder. Er versuchte zu schlucken, und die zitternde Bewegung seiner Halsmuskeln ließ seinen Kopf fürchterlich pochen. Er gab den Gedanken, sich zu räuspern, auf und versuchte, wieder einzuschlafen. Das gelang ihm zwar nicht, aber er entdeckte, daß sein Kopf nicht weh tat, solange er reglos liegenblieb.
Ja, er entdeckte, daß er, indem er sich nicht rührte, in sich selbst eine bemerkenswerte Art von Dualität, eine wunderbare Trennung von Körper und Geist, erreichen konnte. Es war fast so, als existiere sein Körper nicht - von ein paar geringfügigen Atemschwierigkeiten abgesehen - und er sei nichts als Verstand, der in einem absoluten Vakuum reibungslos und glänzend funktionierte. Er sann eine Weile über diesen vollkommenen Zustand der Unfleischlichkeit nach und dachte, wie unnötig die langen Fastenkuren, die Selbstgeißelungen, das Auf-Säulen-Sitzen und In-Höhlen-Hausen waren, durch die die alten Heiligen zur Überwindung des Fleisches gelangt waren, wo sie doch wie er ihr Ziel ganz rasch durch den Konsum von Bourbon, Absinth und Gin hätten erreichen können.
Von der Kontemplation der Heiligen wandte er seine Gedanken sich selbst zu. Sein erstes Problem bestand darin zu bestimmen, wer er war. Das wäre leicht gewesen, wenn er sich getraut hätte, die Augen aufzumachen, aber so dumm war er nicht. Statt dessen lag er auf dem Rücken und dachte und dachte, und plötzlich erinnerte er sich, daß er William Crane hieß und Detektiv war. Daraufhin richtete er seinen präzisen, wie eine Maschine arbeitenden Verstand auf den Fall Westland.
Etwa eine Stunde später kam Miss Hogan ins Zimmer und sagte: »He! Wollen Sie den ganzen Tag schlafen?«
Crane wußte, was passieren würde, wenn er die Augen aufmachte, und es passierte. Sobald das Sonnenlicht auf sie traf, schien es, als hätte man ihm eine Million Nadeln in den Schädel getrieben. Nicht nur der Teil seines Gehirns unmittelbar hinter den Augäpfeln tat weh, weh tat auch seine Schädeldecke. Der Schmerz zog sich sogar bis in den Nacken hinunter.
»Mein Gott! Sie sehen gräßlich aus«, sagte Miss Hogan. - Jonathan
Latimer, Wettlauf mit der Zeit. Zürich 1990 (zuerst 1935)
Erwachen (29) »Nein?« Sie riß sein Hemd auf. »Nein?« Mit ihren Fingernägeln fuhr sie ihm quer über die Brust. Es tat höllisch weh. Er sah zu, wie aus den vier parallelen, waagrechten Kratzwunden langsam das Blut sickerte.
»Du Luder!« zischte er. »Du süßes, kleines Luder!« Er stieß sie ins Zimmer zurück und schloß die Tür. »Ich weiß es noch immer nicht, aber ich werd's verdammt nochmal herausfinden!«
Er lag im Bett, als er aufwachte. Zunächst wußte er nicht, in welchem Bett, bis er den Körper der Frau neben sich spürte. Er berührte ihre Schulter, doch sie reagierte nicht. Ihre Haut fühlte sich weich und kühl an. Er zog das seidene Laken hoch.
Er setzte sich auf; wieder fiel ihm der intensive Sandelholzduft auf. Imago Paraguay! Er lächelte in die Dunkelheit. Er war hundemüde, aber alles in allem war es ein einmaliger Abend gewesen. Was sie wohl darüber dachte? Vielleicht konnte er sie wach bekommen? Er kitzelte sie hinter dem Ohr, doch sie rührte sich nicht. Er erinnerte sich, daß sie Schlaftabletten genommen hatte. Er hätte zu gern einen Drink gehabt.
Ihm fiel die Whiskyflasche ein, die er auf dem Bett gesehen hatte, und knipste die Lampe am Kopfende des Bettes an. Das warme, gelbe Licht fiel auf die Tänzerin, auf ihre nackte Schulter, ihr zierlich gebogenes Schlüsselbein, das geheimnisvolle, dunkle Schattenlöcher warf. Andeutungsweise konnte er die Rundungen ihrer Brüste unter dem Laken erkennen. Ihr Gesicht lag im Schatten; das Licht störte sie nicht.
Vorsichtig, um sie nicht zu wecken, stieg er aus dem Bett und goß sich einen Drink ein. Er sah sich im Zimmer um. Sein Hemd, seine Socken und seine Unterwäsche lagen über einem Stuhl am Fenster. Images schwarze Mähne floß über das Kissen; sie sah aus wie eine Rußspur im Schnee. Der elektrische Wecker neben dem Bett zeigte zwanzig nach vier. Imagos Körper war eine Augenweide.
Er goß sich einen zweiten Drink ein, und seine Blicke kehrten zu der Tänzerin zurück. Sie lag da wie hingegossen. Ihre Schultern waren wunderschön. Er war verdammt fit und überlegte, ob sie wohl sehr tief schlief. War es schwer, jemanden wach zu kriegen, der Schlaftabletten genommen hatte? Wie würde sie reagieren?
Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Er nahm den letzten Schluck
Scotch und ging zum Bett. Er setzte sich neben sie und wartete. Sie rührte sich
nicht. Er beugte sich zu ihr und küßte ihre Schulter. »Hey, Baby«, flüsterte
er rauh. Sie reagierte nicht, und er drehte die Nachttischlampe, so daß ihr
das Licht ins Gesicht fiel. Ihr Kopf lag auf der Seite; ihre Schlehenaugen waren
weit geöffnet. Ihre Gesichtshaut war eine Spur zu rot. Erschrocken packte er
sie an der Schulter und schüttelte sie heftig. Es half nichts. Sie war tot.
- Jonathan Latimer,
Eine Leiche im Paradies. München 1983, zuerst 1937
Erwachen (30) Ich öffnete die Augen im gedämpften Licht der Morgensonne, das durch die zugezogenen Vorhänge drang.
Ich lag im Eßzimmer auf dem Boden, mit dem Gesicht nach unten und dem Kopf auf dem linken Unterarm. Mein rechter Arm war gerade ausgestreckt. Meine rechte Hand hielt den runden, blauweißen Griff von Dinah Brands Eispfriem. Sein nadelspitzer Spieß von sechs Zoll Länge stak in Dinah Brands linker Brust.
Sie lag auf dem Rücken, tot. Ihre langen, muskulösen Beine waren zur Küchentür hin ausgestreckt. Ihr linker Strumpf hatte vorn eine Laufmasche.
Langsam, sanft, so als könnte ich sie aufwecken, ließ ich den Eispfriem los, zog meinen Arm an und stand auf.
Mir brannten die Augen. Meine Kehle und mein Mund waren heiß, trocken. Ich ging in die Küche, fand eine Flasche Gin, kippte sie mir gegen den Mund und hielt sie so, bis ich Atem holen mußte. Auf der Küchenuhr war es sieben-einundvierzig.
Mit dem Gin in mir ging ich ins Eßzimmer zurück, knipste die Lichter an und besah das tote Mädchen.
Viel Blut war nicht zu sehen: ein Fleck von der Größe eines Silberdollars rund ums Loch, das der Pfriem in ihr blaues Seidenkleid gebohrt hatte. An der rechten Wange, direkt unterm Jochbein, hatte sie eine Quetschung. Eine weitere blaue Stelle, von Fingern hinterlassen, befand sich an ihrem rechten Handgelenk. Ihre Hände waren leer. Ich bewegte sie ein klein wenig und sah, daß nichts unter ihr lag.
Ich untersuchte das Zimmer. Soweit ich erkennen konnte, hatte sich nichts in ihm verändert. Ich ging zur Küche zurück und fand auch dort keine sichtbaren Veränderungen.
Das Schnappschloß an der Hintertür war zu und bot keinerlei Anzeichen, daß jemand damit herumgespielt hatte. Ich ging zur Vordertür und bemerkte auch an ihr keine Spur. Ich ging durchs Haus, von oben bis unten, und entdeckte nichts. Die Fenster waren in Ordnung. Der Schmuck des Mädchens befand sich (bis auf die zwei Diamantringe an ihren Fingern) unangetastet auf ihrem Toilettentisch, auf einem Stuhl im Schlafzimmer lag ihre Handtasche mit vierhundert und noch etwas Dollar.
Wieder im Eßzimmer, kniete ich mich neben das tote Mädchen und wischte mit meinem Taschentuch säuberlich alle Abdrücke vom Griff des Eispfriems, die meine Finger hinterlassen hatten. Das gleiche machte ich mit Gläsern, Flaschen, Türen, Lichtschaltern und Möbelstücken, die ich angefaßt hatte oder angefaßt haben konnte.
Dann wusch ich mir die Hände, untersuchte meine
Kleidung auf Blutspuren, vergewisserte mich, daß ich nichts liegengelassen hatte,
und ging zur Vordertür. Ich machte sie auf, wischte innen den Griff ab, zog
sie hinter mir zu, wischte den Außengriff blank und ging fort. - Dashiell
Hammett, Rote Ernte. Zürich 1976 (detebe 69/II, zuerst 1928)
Erwachen (31)
Erwachen (32) Kaum war er aufgewacht, als er auch schon die Absicht faßte, aufzustehen, sich zu waschen, und wenn er seinen Tee getrunken habe, gründlich nachzudenken, dies und das zu überlegen, Notizen zu machen und sich überhaupt ordentlich mit der Sache zu befassen.
So lag er etwa eine halbe Stunde, quälte sich mit dieser Absicht, überlegte dann aber, daß er dies alles auch nach dem Tee machen könne; den Tee wollte er aber, wie gewöhnlich, im Bett trinken, um so mehr, als einen ja nichts daran hindert, auch im Liegen zu denken. Das tat er denn auch. Nach dem Tee setzte er sich in seinem Bett auf und wäre beinahe aufgestanden; als er einen Blick auf seine Pantoffeln warf, begann er sogar das eine Bein zum Bett hinauszustrecken, zog es aber wieder zurück.
Oblomow begann zu denken.
Doch war er in Verlegenheit, woran er denken sollte: ob an den Brief des Ältesten, ob an die neue Wohnung, oder ob er sich daran machen sollte, die Rechnungen durchzugehen? Er verlor sich in der Flut der Alltagssorgen und blieb immer noch liegen, wobei er sich von der einen Seite auf die andere kehrte. Nur dann und wann waren spontane Ausrufe zu hören: »O mein Gott! Das Leben greift zu; überall packt es an.«
Unbekannt, wie lange er noch in dieser Unentschlossenheit verharrt hätte, allein - im Vorhaus wurde die Klingel gezogen.
»Schon jemand da!« sagte Oblomow und wickelte sich in seinen Chalat. Und
immer noch liegen bleibend, blickte er neugierig nach
der Tür. - Ivan Gontscharov, Oblomov.
Frankfurt am Main 1961 (EC 25, zuerst 1859)
Erwachen (33) Er erwachte am Morgen
zu einer Zeit, die ihm täglich wieder zutiefst unmenschlich erschien, und bemerkte,
daß in seinem Zimmer Licht war (die Jalousie war heruntergelassen) ... er trug
einen völlig verschwitzten Schlafanzug, bedeckt hatte er sich nur mit einem
Laken, meist aber auch dieses noch abgestreift, es lag zerknüllt zu seinen Füßen.
Als die erste Auflehnung gegen das erzwungene Erwachen gewichen war, bemerkte
er Kaffeeduft im Zimmer und wußte Frau Falbe irgendwo in unmittelbarer Nähe.
Im nächsten Moment spürte er seinen heftigen, fast schmerzhaften Blasendruck
(von dem Bier, das er am Abend getrunken hatte, um einschlafen zu können), und
wußte einen exponierten Gegenstand an seinem Unterleib, der den Stoff der Hose
spannte und auf einen Blick sichtbar sein mußte; er versuchte ein müdes Lächeln
und drehte sich vom offenen Zimmer weg gegen die Wand; er hörte das halblaute
Sprechen einer weiblichen Stimme, die Augen fielen ihm sofort wieder zu, und
in der Dunkelheit, die in seinen Kopf zurückkehrte, versuchte er ein krampfhaftes
Stechen unter seiner Schädeldecke zu überwinden. Frau Falbe aber ließ ihn nicht
wieder einschlafen, sie faßte ihn an Schulter und Hüfte und drehte ihn mit sanfter
Gewalt - wobei sie unablässig vor sich hin murmelte - wieder auf den Rücken,
so daß er die Augen erneut öffnen mußte; wieder stand das schmerzende Organ
an seinem Unterleib in das offene Licht. Frau Falbe murmelte etwas von ihrem
Vormieter Harry, der sei in solchen Fällen vernünftig genug gewesen, gleich
bei ihr oben zu schlafen, - sonst wäre das Drama noch schlimmer gewesen, an
den Tagen, wo er sich melden mußte ... Endlich stellte W. die Füße auf den Boden.
Der Schmerz im Unterleib ließ ihn nur zusammengekrümmt sitzen, so verharrte
er, bis sich die Frau einige Sekunden abwandte, um Kaffee einzugießen,- er ging
zur Toilette, die sich draußen im Hausflur befand. -
(ich)
Erwachen (34) Um die Mittagszeit erwachte er im Doppelbett von Frau Falbe. Durch das große Fenster auf der linken Seite des Zimmers strömte gleißendes Sonnenlicht herein ... er hatte mit dem Rücken zur Betthälfte Frau Falbes geschlafen, auf der Seite liegend - wie immer mit angezogenen Beinen und mit den Fäusten im Schoß -, voller Unruhe und wie im Krampf, doch um so tiefer hatte ihn das traumlose Nichts hinabgezogen. Sofort nach dem Erwachen spürte er den dumpfen, wie entfernt bohrenden Schmerz im Hinterkopf, jene ihm wohlbekannte Nachwirkung einer Überdosis minderwertigen Alkohols ... er war natürlich viel zu lange in der Kneipe sitzen geblieben, und schließlich war das Trinken zu einer bloßen Probe auf sein Durchhaltevermögen geworden. Nun hatte er den bekannten galligen Geschmack in der ausgetrockneten Mundhöhle, das Gaumenzäpfchen in seinem Rachen schmerzte und war fühlbar angeschwollen, so daß es ihm Brechreiz verursachte: er mußte es durch unbändiges Schnarchen malträtiert haben. In seinen Nasenlöchern steckte steinhart verfestigter Schleim, und seiner Lunge entwich in rhythmischen Abständen ein leise pfeifender Ton ... es war nicht das ertüchtigte und gereinigte Aufwachen, wie es in James-Bond-Filmen zu bewundern war ... es war bekannt, daß der Alkohol jenseits des eisernen Vorhangs besser war.
Und eine Folge des minderwertigen Alkohols in einer billigen Ostberliner
Kneipe war auch, daß er auf dem Rückweg noch einmal bei Frau Falbe geklingelt
hatte. Nun lag er hier im Bett ihres vor Jahren verschwundenen Mannes und mußte
sich die Gedanken mühsam zwischen den Schmerzwindungen aus dem Gehirn hervorziehen. -
(ich)
Erwachen (35) Voll ausgewachsen und
doch ohne Erinnerung, so warteten die Roboter. In
waldgrüner Kleidung, in frosch- und farnfarbener Seide warteten sie. Sie hatten
sonnengelbes oder sandgelbes Haar und warteten. Geölt lagen sie da, mit Knochen
aus bronzenen Röhren, in Gallerte gebettet. In Särgen für die Nicht-Toten und
die Nicht-Lebenden, in Bretterkisten warteten die Metronome auf ihr Startzeichen.
Es roch nach Schmiermitteln und geschliffenem Messing. Es war still wie auf
einem Friedhof. In Geschlechter aufgeteilt, aber geschlechtslos — Roboter. Mit
Namen versehen, doch namenlos, mit allen inneren und äußeren Eigenschaften des
Menschen außer der Menschlichkeit, so starrten die Roboter zu den genagelten
Deckeln ihrer FOB-Kisten auf und verharrten in einer Totenstarre, die kein richtiger
Tod war, da sie nie ein Leben gekannt hatten. Und plötzlich war überall das
Knirschen herausgezogener Nägel zu hören. Deckel wurden angehoben. Schatten
lagen über den Kisten, und eine Hand drückte Schmieröl aus einer Kanne. Nun
wurde eine Uhr in Gang gesetzt, ein schwaches Ticken. Es folgten eine zweite
und eine dritte, bis der ganze Raum ein gewaltiger surrender Uhrenladen geworden
war. Murmelaugen wurden gerollt, Gummilider öffneten sich, Nasenflügel zitterten.
Die Roboter, die das Fell von Affen trugen und den weißen Pelz von Kaninchen,
erhoben sich: Tweedledum folgte Tweedledee. Mockturtle, Haselmaus, die Gestalten
Ertrunkener, aus Salz und Tünche bestehend, schwankend; Erhenkte mit blauen
Hälsen und hochgerollten Augen wie Muschelfleisch, Wesen aus Eis und schimmerndem
Flitterwerk, Tonzwerge und agile Elfen. Tick-tack-Ruggedo, der Nikolaus mit
selbstgemachtem Schneehauch, Blaubart mit flammendem Backenbart, Schwefelwölken,
aus denen grüne Feuerspitzen hervorstachen; schließlich kam eine gewaltige schuppige
Schlange, ein Drache mit einem Hochofen in seinem Bauch, durch die Tür gerollt
und schrie und tickte und bellte und schwieg und blies und erzeugte einen seltsamen
Hauch. Zehntausend Kistendeckel fielen zu. - Ray Bradbury, Die Mars-Chroniken.
München 1974 (Heyne 3410, zuerst 1950)
Erwachen (36) Da wurde man am Morgen, um fünf Uhr, zu nachtschlafender Zeit also, durch das Schrillen des Telephons geweckt. Der kantonale Polizeidirektor war am Apparat, und pflichtgemäß meldete man sich: Wachtmeister Studer. Man lag noch im Bett, selbstverständlich, man hatte noch mindestens zwei Stunden Schlaf zugut. Aber da wurde einem eine Geschichte mitgeteilt, die nur schwer mit einem halbwachen Gehirn verstanden werden konnte. So kam es, daß man die Erzählung des hohen Vorgesetzten von Zeit zu Zeit unterbrechen mußte mit Wie? und mit Was? — und daß man schließlich zu hören bekam, man sei ein Tubel und man solle besser lose! . .. Das war nicht allzu schlimm. Der kantonale Polizeidirektor liebte kräftige Ausdrücke und schließlich: Tubel . .. B'hüetis! . .. Schlimmer war schon, daß man gar nicht recht nachkam, was man nun eigentlich machen sollte. In einer halben Stunde werde man von einem gewissen Dr. Ernst Laduner abgeholt, so hatte es geheißen, der einen in die Heil- und Pflegeanstalt Randlingen führen werde, wo ein Patient namens Pieterlen — ja: P wie Peter, I wie Ida, E wie Erich ... — kurz, ein Patient Pieterlen ausgebrochen war . . .
Das kam vor . .. Und zu gleicher Zeit, das heißt in der gleichen Nacht, sei
auch der Direktor der Spinnwinde — so drückte sich der hohe Vorgesetzte aus,
der nicht gut auf die Psychiater zu sprechen war — verschwunden. Alles Nähere
werde man von Dr. Laduner erfahren, der gedeckt sein wolle, gedeckt von der
Behörde. Und über das Wort »gedeckt« hatte der kantonale Polizeidirektor noch
einen Witz gemacht, der ziemlich faul war und nach Kuhstall
roch. - Friedrich Glauser, Matto regiert. In: Ders., Kriminalromane.
Berlin 1990 (zuerst ca. 1935)
Erwachen (37) Als ich heute früh aufwachte, glaubte ich, nicht mehr zu Hause zu sein, sondern an einem grauenhaften, unbekannten Ort; ich hatte den Eindruck . . . ich zögere, es auszusprechen . . . der vom Fenster eingerahmte Himmel sei nicht frei und sauber, sondern wie angekreuzt und aufgeteilt von einem unheimlichen schwarzen Schatten . . . Gott! Ein Gitter?
Und warum fehlen in diesem Zimmer alle Einrichtungsgegenstände? Warum ist das Bett, aus dem ich eben gestiegen bin, nur eine Pritsche? Warum, warum nur erscheinen mir die blassen Wände ... O Gott, bewahre mich vor dem Grauen . . . erscheinen sie mir wie gepolstert? Warum, warum, warum kann ich Arme und Hände nicht bewegen, als seien sie über Kreuz an meine Brust gebunden?
Durch das Guckloch in der Tür beobachtet mich ein hämisches Gesicht; oder ein mitleidiges, das ist einerlei. Ich schwöre, wäre es für mich erreichbar, dann würde es in alle Ewigkeit keinen mehr verlachen oder bemitleiden . . . Oder ist das gar Enrichettas Gesicht, die gekommen ist, um ihren neuen Triumph auszukosten? . . .
Und über allem, alles beherrschend und alles bewirkend, diese Labrena . . .
Schon wieder: wie ist sie in dieses Zimmer gekommen, in das niemand, nicht einmal meine Frau kommt? . . . Und wie sich vor ihr schützen, in meinem Zustand?
Sie blickt mich mit runden, hervorstehenden, glänzenden Augen
an; spannt nur auf den Augenblick, sich mir entgegenstellen zu können, von Angesicht
zu Angesicht. . . blickt mich mit runden, hervorstehenden, glänzenden Augen
an; spannt nur auf den Augenblick, sich mir entgegenstellen zu können, von Angesicht
zu Angesicht . . . Sie weiß um ihren Blick, um ihre
grenzenlose Macht . . . - Tommaso Landolfi, Die Labrenas, nach (
land
)
Erwachen (38) Ein Wecker klingelt,
Feindseligkeiten brechen aus. Äußerst mühsames Aufwachen ... Der Mensch, bereits
versunken in der unwirklichen, lauwarmen Verwirrung
der Träume, gleich einer altersschwachen Nagelschere
im letzten Winkel einer Schublade, sieht sich zurückgeschleudert in eine Welt,
die von den Verfechtern von Ursache und Wirkung regiert wird... er wacht auf
und bemerkt, daß er verheiratet ist, Familienvater, Katholik, dem Tode geweiht
und schweißgebadet. Er pfeift darauf, überläßt sich einem sinnlosen Toben und
Wüten und bedeckt mit erbärmlichem Sarkasmus die Brüste
seiner Gemahlin, die nach zwanzig Jahren immer liebloserer Behandlung blankpoliert
glänzen wie Türklinken. - (
man
)
Erwachen (39)
Aber jetzt, da sie erwacht ist, weiß sie nicht mehr, wie sie in dieses Zimmer geraten ist. Aber die Treppe, denkt sie, war baufällig und verwinkelt. Überall riecht es nach Flieder. Aber sie kennt diese weißen Vorhänge, die sich bauschen, bauschen. Derselbe Nachtfalter sitzt auf dem verschlissenen Sessel. Er zittert, seine Flügel schimmern, mehlig und weich. Biochemie. Sie hat Biochemie studiert. Aber wo ist der Lichtschalter? Wo ist ihr Kugelschreiber geblieben, die alte Tasche, der Autoschlüssel? Das ist doch Wahnsinn. Sie horcht. Sie reißt das Fenster auf. Sie ist nackt, sie schaudert, zuckt, dehnt ihre kühlen Zehen. Sie denkt: Aber dieser Nachtfalter, dieses vage Verlangen, die weißen Kerzen der Kastanien über dem Zaun - das alles ist unerklärlich. Kein Güterzug klirrt und rumpelt vorbei, nicht einmal eine Uhr tickt hier. Aber ohne Geschichte, denkt sie, ohne Zeitungen, Präparate, bin ich verloren. Zum Verrücktwerden, daß das alles stirbt und wiederkehrt: die nackte Haut, das Mondlicht, der Falter mit seinen weißen Fühlern, die suchen, suchen, und der Geruch des Flieders in diesem hohen Zimmer. Aber alles ist da, genau wie vor hundert Jahren. |
- H. M. Enzensberger: Gedichte 1950-1985. Frankfurt am Main 1986,
nach
dalank.de
Erwachen (40) Ich öffnete die Augen.
Ich lag flach auf dem Bauch, das Gesicht auf dem Teppich, die Arme nach vorne
gestreckt. Als ich meinen Kopf drehte, sah ich zuerst Glassplitter, eine kaputte
Schallplatte und eine intakte Injektionsspritze. Etwas weiter weg, neben dem
umgekippten Schallplattenapparat, lagen meine Kleider auf einem
Haufen. Allem Anschein nach war ich nackt wie ein Wurm. Meine Arme waren wie
taub. Ich bewegte meine Finger. Meine linke Hand umklammerte eine Brust von
Marion, die andere ein Stück Leder. Marion war ebenfalls fast nackt, aber weniger
als das letzte Mal. Über ihrem Strumpfhalter lag ein breiter Gürtel aus gelbem
Leder um ihre Taille, gespickt mit langen Stacheln. Als Schmuck trug sie, außer
einer Halskette, an Hand- und Fußgelenken Eisenfesseln, die durch Ketten verbunden
waren. Ich kannte diese Aufmachung. „Tantalus", das Programm für Masochisten.
Aus dem Katalog einer Firma, die vor dem Krieg Reizwäsche und andere erotische
Artikel geführt hatte. So ausstaffiert, lag Marion auf dem Rücken, das Gesicht
durch ihr zerzaustes Haar verdeckt, die Beine in den Nylonstrümpfen unanständig
gespreizt. Wozu sollte das gut sein? Sie würde in Zukunft niemand mehr erregen.
Die Angestellten des Leichenschauhauses sind trotz ihres Berufes nicht nekrophil.
Immer noch hielt ich ihre kalte Brust in meiner linken Hand. Ich zog meinen
Arm zurück, was ein metallenes Geklapper hervorrief. Um mein Handgelenk schloß
sich ein Eisenring, der durch eine Kette mit einer von Marions Handschellen
verbunden war. Mein anderer Arm war frei. Es kostete mich jedoch große Anstrengung,
meine starren Finger von dem Stück Leder loszureißen, das sie umklammerten.
Es diente als Griff einer Stahlklinge, die ganz tief im Herzen des unglücklichen
Mädchens steckte. - Léo Malet, Stoff für viele Leichen. Reinbek bei Hamburg
1989 (zuerst 1982)
Erwachen (41) Ich war mitten
unter meinen Landsleuten ein völlig Fremder geworden. Mir kamen sie verrückt
vor mit ihren frisch gebräunten Gesichtern, ihren Flanellhosen und Ringelsocken.
Sie hatten wie ich gebadet, weil das eine angenehme, gesunde Erholung war, und
jetzt waren sie wie ich voller Sonne und Nahrung und ein bißchen schwer vor
Müdigkeit. Bis diese Einsamkeit mich überfiel, war auch ich ein bißchen müde,
aber plötzlich, als ich völlig von der Welt abgeschlossen dastand, erwachte
ich mit einem Ruck. Ich wurde so elektrifiziert, daß ich mich nicht zu bewegen
wagte aus Furcht, ich würde wie ein Bulle losbrechen und eine Häuserwand hochklettern
oder tanzen und schreien. Plötzlich wurde mir bewußt, daß das alles so war,
weil ich tatsächlich ein Bruder Dostojewskis und vielleicht der einzige in ganz
Amerika war, der wußte, was er mit seinen Büchern sagen wollte. Nicht nur das,
sondern ich fühlte alle Bücher, die ich eines Tages selbst schreiben würde,
in mir keimen: Sie platzten in mir wie ausgereifte Kokons. Und da ich bis zu
dieser Zeit nichts anderes geschrieben hatte als teuflisch lange Briefe über
alles und nichts, war es schwierig für mich, zu erkennen, daß eine Zeit kommen
mußte, in der ich den Anfang machen, in der ich das erste Wort, das erste
wirkliche Wort niederschreiben sollte. Und diese Zeit war nun da! Das ging
mir auf. - (wendek)
Erwachen (42) Ein Schnaufen
erhob sich und ging in starkes Schnarchen über,
ich suchte es in mehrfach erprobter Weise durch ein scharfes Zischen
zu unterbinden, hatte aber keinen Erfolg. Ich sah schon eine schlaflose Nacht
auf mich zukommen und richtete mich besorgt auf. Das Schnarchen steigerte sich
zu wildem Gurgeln und drang von allen Seiten auf mich ein. Meine Gefährten waren
unschuldig, der Kurdel war bei der Verdauungsarbeit. Es geht ihm im Bauche rum,
dachte ich und war beruhigt. Der Schlaf wollte dennoch nicht kommen. Ich wälzte
mich von einer Seite auf die andere, und wie die Perlen eines Rosenkranzes ließ
ich alle früheren Reisen an mir vorüberziehen. So viele waren es schon gewesen.
So manche hatte sich als Traum erwiesen. Ich erinnerte mich an das Erwachen
nach dem Futurologischen Kongreß, und plötzlich kam mir der Gedanke, ich könnte
ja auch jetzt nur träumen: Die Schlaflosigkeit setzt
einem nirgends so nachdrücklich zu, als wenn man im Schlafe liegt, denn man
kann ja nicht einschlafen, wenn man schon schläft. In solch einer Lage fällt
es leichter, wach zu werden. Führe ich jetzt aus dem Schlaf, ersparte ich mir
einen Haufen überflüssiger Strapazen. Das wäre wahrhaftig eine achtbare Überraschung.
Ich sammelte also alle meine Kräfte für die geistige Auseinandersetzung mit
den Banden, in die man vom Traum so fest geschlagen ist, ich wollte ihn zerreißen
und von mir werfen wie ein finsteres Gespinst. Ich zwang mich zur äußersten
Anstrengung, aber es half nichts. Ich wachte nicht auf. Es gab nur diese eine
Wirklichkeit. - Stanislaw Lem, Lokaltermin. Berlin 1985 (zuerst 1982)
Erwachen (43) Es kreischten Schlüssel in den Schlössern, Türen wurden geschletzt, schwere Tritte hallten wider. Das Wartepersonal hielt draußen seinen Einzug.
Die mittlere Wachsaaltüre ging auf, eine Stimme sagte, gequetscht, hüpfend und freundlich: »Guete Morge mitenand!«
Es war der Oberpfleger Weyrauch, mit ungestrählten Haaren, ohne Brille ... Er sah aus wie ein verfetteter Kakadu.
»Isch guet gange, Bohnebluescht?« fragte er.
Und dann, ohne auf Antwort zu warten:
»Eh, dr Herr Wachtmeischter Studer! Au scho uuf? Gott grüess-ech wohl . . .«
Studer brummte Undeutliches.
»Geit mr das Rapportheft, Bohnebluescht!« Und Oberpfleger Weyrauch rollte zur Tür hinaus . ..
Das Bild des erwachenden Wachsaals blieb noch lange in Studers Augen: die
Leute, die aus den Betten krochen, zu den Wasserhahnen pilgerten an der Breitseite
des Wachsaales, sich mit einem feuchten Handtuch übers Gesicht fuhren, die gähnten
und nach den Fenstern schielten, weil sie es schier nicht begreifen konnten,
daß sie nun noch einmal einen Tag totschlagen mußten, den sie eigentlich gerade
so gut hätten leben können. - Friedrich
Glauser, Matto regiert. In: F. G.: Kriminalromane. Berlin 1990 (zuerst
ca. 1936)
Erwachen (44) Auf einen Teller
war mit einer Feder, in Siegelwachs getaucht, eine Anleitung für leichtes und
schnelles Aufwachen geschrieben: Damit ein Mensch erwacht, genügt es, daß er
irgendein beliebiges Wort aufschreibt, und sofort wird
er hellwach sein, so sehr ist das Schreiben als
solches eine übernatürliche, göttliche und nicht menschliche Tätigkeit. -
(
pav
)
Erwachen (45) Der Winterschlaf
fesselt die Siebenschläfer, die Krokodile und die
meisten Schlangen den ganzen Winter hindurch in einem
so todähnlichen Schlafe, daß sie kaum durch die Hitze des Feuers zum Bewußtsein
gebracht werden können. Ich habe öfters einen Siebenschläfer beim Zerschneiden
unbeweglich bleiben sehen, wie tot, bis er gekocht wurde, und dann erst im heißen
Wasser zeigten die zerschnittenen Glieder Lebensregungen. - (nett)
Erwachen (46) Eines Tages wirst du
erwachen, sage ich mir, und umgeben sein von einer Wüste,
Betroffenheit ohne Hoffnung. Man hat sich ein Leben lang verschwendet, wird
sich vermutlich noch eine Weile weiter verschwenden, kann sein daß, man hält
zuletzt doch ein wenig zurück. Kann sein daß, man wird ungeduldiger, kann sein
daß, man wird einsichtsvoller, immer noch ungeduldiger, immer noch einsichtsvoller.
Kann sein daß, man nimmt alles vorweg, die Schmach und das Siechtum, die Verlorenheit
und die Verlassenheit, das Sterben und den Augenblick des Todes, den Terror
der Todessekunde. Zwischen zwei und drei liegt man wach, das ist die Stunde
des Todes, das Fluchen als Morgen- und Abendgebet.
Man erfleht vielleicht noch zwei drei Frühlinge, man will seinen Platz noch
nicht räumen, man ist schreckhafter geworden, immer noch schreckhafter, man
wird geschüttelt von Angst, von Zweifeln, ungültigen Emotionen. Man wird endlich
wie ein Dreckskerl armer Hund in eine schwarze Kiste
geworfen, die Bestattung Palmen und Rosen, der Verwesung nicht beizukommen.
Man läßt die Welt Welt sein, man kommt vollkommen herunter, kann sein daß, die
Tränen strömen beim Anblick des pfauenfarbenen Himmels, man ist unausgeglichen,
hellhöriger denn je, immer noch unausgeglichener, immer noch hellhöriger, tausend
Blitze (Blitzzettelchen) im Kopf. Sekundenweis Glücksgefühle. Gleich darauf
wieder niedergerungen, niedergezwungen. Allerorten und neu geniert. Also Verkommenheit,
Falschspielerei, von Anfang an, immer noch Eitelei, und kein Ende. Der Tranquilizer
(Flaneur) nimmt mich in seine Arme, die Tröstung tritt auf der Stelle ein. Kann
sein daß, man blickt aus dem Fenster, es ist ein Regen, sagt jemand, mit dem
man noch immer eins und verbunden ist, Fluten des Sessels. Kann sein daß, die
Psyche wird in das Alter hineingerissen. - Friederike Mayröcker,
Magische Blätter III. Frankfurt am Main 1991 (es 1646)
Erwachen (47) Der Kollegienassessor
Kowalew erwachte ziemlich früh, gab ein lautes »Brrr!« von sich, was er immer
tat, wenn er aufwachte, obwohl er sich selbst nicht erklären konnte warum. Kowalew
reckte und streckte sich und ließ sich einen kleinen Spiegel reichen, der auf
dem Tisch stand. Er wollte den Pickel betrachten, der ihm gestern abend auf
der Nase aufgesprungen war: doch zu seiner größten Verblüffung gewahrte er,
daß er statt der Nase eine völlig glatte Fläche hatte! Kowalew erschrak, ließ
sich Wasser bringen und rieb sich mit dem Handtuch die Augen: wahrhaftig, die
Nase fehlte! Er betastete die Stelle mit der Hand, um sich zu vergewissern,
ob er nicht schlafe ... nein, er schlief nicht. Der Kollegienassessor Kowalew
sprang aus dem Bett und schüttelte sich: die Nase fehlte!
Er ließ sich sofort seine Kleider bringen und stürzte spornstreichs zum Oberpolizeimeister.
- Nikolaj Gogol, Die Nase. In: N.G., Sämtliche Erzählungen. Stuttgart
u. Hamburg 1961
Erwachen (48) Als ich aufwachte, war es Morgen, und ich lag auf dem grünen Gehsteig der Stadt der Wunderbaren Menschen; ein schrecklicher Kater quälte mich.
Ich setzte mich nach und nach auf, zitterte und fror am ganzen Leib. Ich rieb mir die Augen, staunte, ja, wunderte mich sogar über das ganz und gar nicht Wunderbare der Situation. Denn es steht geschrieben, daß ich morgens unweigerlich einen Kater habe, so wie es unweigerlich Morgen ist, wenn ich aufwache; und gleichermaßen - um diese Kette des Nicht-Wunderbaren zum Abschluß zu bringen - wache ich unweigerlich in der Stadt der Wunderbaren Menschen auf.
»Zum Teufel«, dachte ich (mit Nachdruck), »heute wieder, gestern auch und - autsch!«
Letzteres fuhr mir laut heraus, und ich fügte noch einen Stoßseufzer hinzu,
denn das Sonnenlicht stach mir in die Augen, bohrte sich wild wie eine Dornenkrone
in meinen Kopf. -
(
thom
)
Erwachen (49) Anna zieht Toots die Schuhe, Strümpfe und das Höschen aus ... sie legt sich auf den Bauch und schaut aufmerksam in die gespaltene Feige. Das sieht wie ein seitlich gedrehter Mund aus, sagt sie, um den ein gekräuselter Bart wächst... Sie gleitet mit ihrer Zunge an Toots' Schenkel entlang und in ihren Busch ... sie leckt über die Härchen und berührt die Möse mit der Zungenspitze. Sie gleitet hinein ...
So unerwartet, daß sogar ich hochfahre, wacht Toots auf. Bums ... einfach so, ohne Warnung. Sie setzt sich auf und starrt auf Anna hinunter, die keine Zeit mehr hatte, sich zu bewegen. Sie blickt einmal herum, schaut mich dann an, um den Zusammenhang zu verstehen. Dann packt sie Anna beim Schopf und zieht ihren Kopf von ihrer Möse weg.
«Du dreckige Hure!» brüllt sie. «Kein Wunder, daß ich solche Träume hatte!
Perverses Weib! Schau dir deinen Mund an! Uh, mein Gott, wisch dir dein dreckiges
Kinn ab!»
- (
opus
)
Erwachen (50) Ich hatte die
klare Empfindung, meine Augen nicht öffnen zu können; ich sah durch ein Wasserbecken.
Es war ein langer und schmerzvoller Zustand voller Furcht, nicht aufwachen zu
können und doch wach zu sein. Dann wurde die Welt langsam klar und schärfer.
Mein Gesichtsfeld wurde wieder sehr rund und weit, und damit verband sich ein
ungewöhnlicher Bewußtseinsakt, mich umzudrehen und dieses wunderbare Wesen zu
suchen. An diesem Punkt begegnete ich dem schwierigsten Übergangsstadium. Der
Übergang zu meinem normalen Zustand hatte sich, fast ohne daß ich es gemerkt
hatte, vollzogen: Ich war wach; meine Gedanken und Empfindungen waren eine natürliche
Folge dieses Wachseins; und der Übergang war sanft und klar. Aber diese zweite
Veränderung, das Erwachen zu ernstem, nüchternem Bewußtsein, war wirklich erschreckend.
Ich hatte vergessen, daß ich ein Mensch war! Die Traurigkeit einer solch ungewohnten
Situation war so stark, daß ich weinte. -
Carlos Castaneda, Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens. Frankfurt
am Main 1980
Erwachen (51) Es kam ein Zeitpunkt - wie er schon oft zuvor gekommen war - da tauchte ich aus totaler Bewußtlosigkeit ins erste schwache und unbestimmte Daseinsempfinden auf. Langsam - wie eine Schildkröte kriechend - nahte sich mir das blaßgraue Dämmern des seelischen Tags. Ein stumpfes Unbehagen. Ein apathisches Dulden dumpfer Pein. Kein Wollen - kein Hoffen - kein Bemühn. Dann, erst nach langer Zeit, ein Klingen in den Ohren; dann, nach noch längerer, ein prickelndes oder kribbelndes Gefühl in den Extremitäten; dann, scheinbar ewig dauernd, angenehme Ruhe, während welcher die erwachenden Empfindungen mit Macht dem Gedanken zustreben; dann wieder kurzes Versinken in das Nicht-Sein; dann plötzliches Genesen. Schließlich das leichte Erzittern eines Augenlids, und unmittelbar darauf ein elektrischer Schock des Entsetzens, tödlich und unbestimmt, welcher das Blut in Strömen von den Schläfen zum Herzen treibt. Und nun die erste entschiedne Anstrengung, zu denken. Und nun das erste Bemühn, sich zu erinnern. Und nun ein teilweiser, nurmehr erst winzig flüchtiger Erfolg. Und nun hat das Gedächtnis seine Herrschaft so weit wiedergewonnen, daß ich in einigem Maße meines Zustands inne werde. Ich fühle, daß ich nicht aus gewöhnlichem Schlafe erwache. Ich entsinne mich, ich hatte einen Anfall von Katalepsie. Und nun endlich wird mein schaudernder Geist, wie von einem heranschäumenden Ozean, von der einen gräßlichen Gefahr überwältigt - von dem einen gespenstischen und alles beherrschenden Gedanken.
Minutenlang, nachdem diese Vorstellung von mir Besitz ergriffen, blieb ich ohne Bewegung. Und warum? Ich konnte einfach den Mut dazu nicht aufbringen. Ich wagte's nicht, die Anstrengung zu unternehmen, welche mir Klarheit über mein Schicksal bringen sollte, - und doch gab es ein Etwas in meinem Herzen, welches mir zuflüsterte, es sei gewiß. Verzweiflung - von einem Ausmaß, wie keine andre Art des Elends sie je ins Leben rufen kann - Verzweiflung allein drängte mich, nach langer Unschlüssigkeit, die schweren Lider meiner Augen zu heben. Ich tat's. Es war dunkel - alles dunkel. Ich wußte, daß der Anfall vorüber war. Ich wußte, daß ich die Krisis meines Übels lange schon hinter mir hatte. Ich wußte, daß ich mein Sehvermögen jetzt vollständig wiederbesaß - und doch war es dunkel - war alles ringsum dunkel - herrschte die tiefe, schwarze, strahlenlose Nacht, die da auf immer währet.
Ich mühte mich zu schreien; und meine Lippen und meine ausgedörrte Zunge bewegten sich konvulsivisch bei dem Versuch - doch kein Stimmlaut entkam den höhligen Lungen, welche, wie unter dem Druck eines auf ihnen lastenden Berges, bei jedem Atemholen, jedem Nach-Atem-Ringen, keuchten und mit dem Herzen zuckend klopften.
Die Bewegung der Kinnbacken, die dieser Versuch, laut aufzuschreien, mit
sich brachte, zeigte mir, daß sie hochgebunden worden waren, wie es bei den
Toten üblich ist. Auch fühlte ich, daß ich auf irgend etwas Hartem lag; und
daß auch meine Seiten ein Ähnliches eng zusammenpreßte. Bis hierher hatte ich
noch nicht gewagt, auch nur ein Glied zu regen, - doch jetzt warf ich mit einer
heftigen Bewegung die Arme in die Höhe, die mit gekreuzten Gelenken lang ausgestreckt
gelegen hatten. Sie trafen auf festes Holz, welches in einer Höhe von nicht
mehr denn sechs Zoll über meinem Gesichte dahinlief. Ich konnte nicht länger
zweifeln, daß ich in einem Sarge ruhte. -
Edgar Allan Poe, Das vorzeitige Begräbnis, in (
poe
)
Erwachen (52) ))) Und wieder einmal
hochfahren.)) Und die Wimmerlalle rütteln - : ! (Ich bin ja sofort da; wenn
nachts nur 1 Schtecknadel fällt ! - die wurde immer lauter - / : »Hertha.
- : Hertha ! !« — (Ganz brutal. Und mit der Freien=Linkn schon immer die Taschenlampe
tasten und erknipsen; daß Sie gleich Licht sieht. Aber ja nich etwa direckt
an=leuchtn ... : »Heh=Hertha !« -Schreckhaft geweiteten Antlitzes. Die weißen
Zähne klappten ihr in dem blassen Mund : der jappte. / Und ich rüttelte. — /
Bis sie endlich ihren Arm mit der andern schlappen Foote zu befreien versuchte
- also Beginn einer Er=Orientierung. / Ich machte sie vorsichtshalber gleich
noch aufschtehen; und sie schwankte zur Nachtkanne,
von Kälte und ausgeschtandener Furcht ganz verunschtaltet; und zischte unten
hinein; und obm soviel Gram in 1 weißen Gesicht; (und forzte zum Schluß
hell & schluchzend; und süß ist jeder Schall süßer Dein Ruf : doch jeder
Schal ist süß) : in den ich Dich hiermit windle, ungeschtümer Hant. Sie raakte,
zottelhändich, die erschöpftn Gesichtszüge hingen ihr schall in der Nacht herum.
-
Arno Schmidt, Kaff auch Mare Crisium. Zürich 1987 (zuerst 1960)
Erwachen (53) Hätte man Stjopa Lichodejew an diesem Morgen gesagt: »Stjopa, wenn du nicht sofort aufstehst, wirst du erschossen!«, so hätte er matt und kaum hörbar geantwortet: »Erschießt mich, macht mit mir, was ihr wollt, ich steh nicht auf.«
Nicht nur das, ihn dünkte sogar, daß er nicht einmal die Augen öffnen konnte, weil dann sofort ein Blitz aufzucken und seinen Kopf in Stücke reißen würde. In diesem Kopf dröhnte schweres Geläut, zwischen den Augäpfeln und den geschlossenen Lidern schwammen braune Flecke mit feuriggrünen Rändern, und zu allem Überfluß war ihm speiübel, wobei ihm schien, daß diese Übelkeit etwas mit den Tönen eines aufdringlichen Grammophons zu tun hatte.
Stjopa strengte sein Erinnerungsvermögen an, aber nur eines fiel ihm ein, daß er nämlich gestern irgendwo mit einer Serviette in der Hand gestanden und versucht hatte, eine Dame zu küssen, wobei er ihr versprach, sie am nächsten Tag Punkt zwölf zu besuchen. Die Dame hatte das abgelehnt und gesagt: »Nein, nein, ich werde nicht zu Hause sein!«, aber Stjopa hatte eigensinnig beharrt: »Und ich komme doch!«
Was für eine Dame das war, wie spät es jetzt war, welcher Tag heute war und
welcher Monat, das alles wußte Stjopa entschieden nicht, und noch schlimmer,
er hatte keine Ahnung, wo er sich befand. Um wenigstens dies zu erkunden, zwang
er die verklebten Lider des linken Auges auseinander. Im Halbdunkel gewahrte
er ein trübes Blinken. Endlieh erkannte er den großen Spiegel und begriff, daß
ei rücklings auf seinem Bett lag, das heißt auf dem ehemaligen Juwelierswitwenbett
im Schlafzimmer. Danach brummte ihm derart der
Schädel, daß er stöhnend das Auge schloß. - (
meist
)
Erwachen (54) des Sexus Fischer spielte hingegeben Geige. Mil ihm kam ich auch zum erstenmal in Gespräche über Erotik. Er hatte eine auffallend hübsche Schwester. Ich lobte sie und ihre Kleider vor ihm. Er lobte meine Schwester und deren Kleider, sodann schwärmten wir von Damenwäsche und sprachen uns derart allmählich immer intimer aus.
Mein Vater beschlagnahmte eine Sammlung von Ansichtskarten, die ich mir angelegt
hatte, und auf denen halbnackte Mädchen zu sehen waren. Er beschlagnahmte auch
ein sehr aufregendes Buch, das ich von einem Freund eingetauscht hatte, und
das den Titel trug «Der Frauenhandel in Wisconsin». Nie habe ich das Buch wiedergesehen
und suche es noch heute.
-
Joachim Ringelnatz, Mein Leben bis zum Kriege. Reinbek bei Hamburg 1972 (zuerst
1931)
Erwachen (55) Wir erwachten zur gleichen
Zeit — unsere Blicke, schlafeszahm u frohgemut, trafen=zusammen, entdeckten
ein=ander.— Ich stupste gegen Sophias Hüfte -: ?:- :!: -Gestatten, mein Name
ist Stife, Sir Stife. - Aus dem Schlaf zurückkehrend sogleich Die Frau: —Ange=nehm.
Sehr steif. — Sagte sie, durchtrieben lächelnd, und griff zu. —Vom Geschlecht
Derer von Primola, nehme ich an, Earl of Morning Wood. — Und, beidsam wach,
sprachen wir ein=ander zungenfertig an. - (jir)
Erwachen (56) Am Nachmittag wachte er wieder auf:
es war zu vermuten, daß es später Nachmittag war. - Der Himmel, in den er blickte,
als er sich auf den Rücken wälzte - denn er hatte zusammengekrümmt auf der Seite
geschlafen; sitzend gleichsam, als sei er noch immer in dem Eisenbahnabteil
- dieser Himmel war im Zenith unverändert hellgrau, beinahe weiß, undurchsichtig
und reglos. Jeder Faden, den er am Leib hatte, war, so schien ihm, von Schweiß
durchtränkt worden, wieder getrocknet, noch einmal durchtränkt, der Kleiderstoff
war an einigen Stellen steif geworden und durchsetzt mit dem Salz, das seine
Poren abgesondert hatten. Es war ihm, als habe er ein Fieber überwunden, sein
Kopf war so klar und nüchtern wie seit Tagen nicht mehr. Vielleicht aber war
es um Mittag herum nur ungewöhnlich heiß gewesen, die Sonne - er erinnerte sich
an die Heftigkeit ihrer plötzlichen Durchbrüche aus der Kindheit - war vielleicht
durch den Dunst gebrochen und hatte sich entblößt ... jetzt war das Firmament
wieder bedeckt; es schien auf den Abend zuzugehen. - Es habe ihm, so bildete
er sich ein, als er auf der Seite liegend die Augen aufschlug, ein Tier ins
Gesicht gestarrt, irgendein Waldkaninchen, ein dürres räudiges Ungeheuer mit
schmutzigem Fell und blöden, dunkelbraunen Sumpfaugen, ein offenbar krankes
Tier, das ihm aus Lethargie so nahe gekommen war. -
Wolfgang Hilbig, Grünes grünes Grab. Frankfurt am Main
1993
Erwachen (57) Er lauschte. Von irgendwoher scholl der überirdisch schöne Gesang einer Frauenstimme an sein Ohr. Gleich darauf sah er eine wunderholde Fee hinter einem Hügel zum Vorschein kommen und sacht auf ihn zuschweben. Grüßend hob Baoyu die Hände in Brusthöhe und sprach, sich verneigend, zu ihr: "Schwester Fee, ich habe mich verirrt. Möchtest du so lieb sein, mich zu führen und mir zu sagen, wer du bist?" Die Fee erwiderte: "Ich bin die Fee des schreckhaften Erwachens. Ich wohne nicht weit von hier, im 'Wahnreich der großen Leere', in der 'Sphäre des verbannten Leids' hinter dem 'Meer des netzenden Kummers', auf den 'Höhen des befreiten Lenzes', in den 'Grotten des unvergänglichen Duftes'. Ich richte über den 'Wind- und Wolkenverkehr' zwischen den Menschen und regle die unbeglichenen Liebesschulden zwischen unglücklichen Mädchen und schmachtenden Jünglingen. Nicht Zufall, sondern Vorbestimmung führt mich heute mit dir zusammen. Ich will dich in mein Reich führen und dich in meinem Palast mit einer Schale selbstgepflücktem Göttertee und einem Becher selbstgebrauten Wunderweins bewirten. Meine Mägde sollen dich mit ihrem Zauberreigen unterhalten und dir die zwölf Geistersänge vom 'Traum der roten Kammer' vorsingen. Willst du mir folgen? "Ich will", bejahte Baoyu freudig und folgte der Fee. Es währte nicht lange, da führte sie ihn durch einen hohen Steinbogen, über dessen Wölbung er die Aufschrift las: 'Wahnreich der großen Leere'. Rechts und links an den Pfeilern stand geschrieben:
"Sein wird Schein, und Schein wird Sein,
Eins wird Keins, und Keins wird Eins."
- Der Traum der roten Kammer. Frankfurt am Main 1885 (zuerst
ca. 1735)
Erwachen (58) Ich lag einmal an einem Sommerabende
vor der Sonne auf einem Berge und entschlief. Da träumte mir, ich erwachte auf
dem Gottesacker. Die abrollenden Räder der Turmuhr,
die eilf Uhr schlug, hatten mich erweckt. Ich suchte im ausgeleerten Nachthimmel
die Sonne, weil ich glaubte, eine Sonnenfinsternis verhülle sie mit dem Mond.
Alle Gräber waren aufgetan, und die eisernen Türen des Gebeinhauses gingen unter
unsichtbaren Händen auf und zu. An den Mauern flogen Schatten, die niemand warf,
und andere Schatten gingen aufrecht in der bloßen Luft. In den offenen Särgen
schlief nichts mehr als die Kinder. Am Himmel hing in großen Falten bloß ein
grauer schwüler Nebel, den ein Riesenschatte wie ein Netz immer näher, enger
und heißer herein zog. Über mir hört' ich den fernen Fall der Lau-winen, unter
mir den ersten Tritt eines unermeßlichen Erdbebens. Die Kirche schwankte auf
und nieder von zwei unaufhörlichen Mißtönen, die in ihr miteinander kämpften
und vergeblich zu einem Wohllaut zusammenfließen wollten. Zuweilen hüpfte an
ihren Fenstern ein grauer Schimmer hinan, und unter dem Schimmer lief das Blei
und Eisen zerschmolzen nieder. Das Netz des Nebels und die schwankende Erde
rückten mich in den Tempel, vor dessen Tore in zwei Gift-Hecken zwei Basilisken
funkelnd brüteten. Ich ging durch unbekannte Schatten, denen alte Jahrhunderte
aufgedrückt waren. - Alle Schatten standen um den Altar, und allen zitterte
und schlug statt des Herzens die Brust. Nur ein Toter, der erst in die Kirche
begraben worden, lag noch auf seinen Kissen ohne eine zitternde Brust, und auf
seinem lächelnden Angesicht stand ein glücklicher Traum. Aber da ein Lebendiger
hineintrat, erwachte er und lächelte nicht mehr, er schlug mühsam ziehend das
schwere Augenlid auf, aber innen lag kein Auge, und in der schlagenden Brust
war statt des Herzens eine Wunde. Er hob die Hände empor und faltete sie zu
einem Gebete; aber die Arme verlängerten sich und löseten sich ab, und die Hände
fielen gefaltet hinweg. Oben am Kirchengewölbe stand das Zifferblatt der Ewigkeit,
auf dem keine Zahl erschien und das sein eigner Zeiger war; nur ein schwarzer
Finger zeigte darauf, und die Toten wollten die Zeit darauf sehen. -
Jean Paul, Siebenkäs
Erwachen (59) Eines Morgens war er nicht in seiner Kammer
erwacht, wo seine Hosen und Kittel hingen. Er lag in einem langgestreckten grünen
Gemach, mit Tapeten, die waren wie ein dichtes grünes Laubgeflecht. Diesen Ort
durchflutete ein sanftes, mildes Licht, von dem man meinte, man könne es auf
der Zunge spüren. Beim vordersten Fenster saß ein junges Mädchen und nähte.
Es hatte ihm den Rücken zugewandt und schien zu warten, bis er aufwachte...
Er hatte nicht die Kraft, aus seinem Bett zu schlüpfen und in diesem verzauberten
Raum umherzugehen. Dann war er wieder eingeschlafen... Das nächste Mal aber
werde er bestimmt aufstehn, so hatte er sich fest vorgenommen. - Henri Alain-Fournier, Der große Meaulnes.
Zürich 2003 (zuerst 1913)
Erwachen (60) Plötzlich sah er den roten Stein,
glänzend von Blut, das troff, und das sinnlose Baumeln
der Füße des Geopferten, den sie fortschleiften, um ihn über die Treppen im
Norden hinunterrollen zu lassen. Da war seine letzte Hoffnung, daß er die Augenlider
fest zusammenkniff und stöhnte, um wach zu werden. Eine Sekunde lang glaubte
er, es würde ihm gelingen, denn abermals lag er unbeweglich im Bett, abgesehen
von dem Kopf, der nach unten hing und schwankte. Aber er roch den Tod, und als
er die Augen öffnete, sah er die blutbefleckte Gestalt des Opferpriesters, der
mit dem Messer aus Stein in der Hand auf ihn zukam. Es gelang ihm, abermals
die Lider zu schließen, obwohl er nun wußte, daß er nicht mehr erwachen würde,
daß er wach war, daß der wunderbare Traum der andere
gewesen war, absurd wie alle Träume; ein Traum, in welchem er über sonderbare
Avenuen einer Stadt gefahren war, mit grünen und roten Lichtern, die ohne Flamme
und Rauch brannten, mit einem gewaltigen Metallinsekt, das unter seinen Beinen
summte. - Julio
Cortazar, Die Nacht auf dem Rücken. Die Erzählungen Bd. 1. Frankfurt am Main
1998
Erwachen (61)
Erwachen (62)
Erwachen (63) Ich weiß nicht, was mich durchfuhr. Ich rannte in mein Zimmer. Das Morgenlicht wurde ganz weiß auf meinem Leichnam, als ich mich am Fußende des Bettes niederkauerte. Ich glaubte schon ein Geräusch im Gang zu hören. Großmutter! Ich stürzte mich auf mich selbst, packte diese marmornen Schultern, schüttelte mich -wie ein Verrückter, drückte den Mund auf meine lächelnden Lippen, suchte diese völlige Reglosigkeit wiederzubeleben. Ich preßte mich an meinen Körper, wollte ihm mit meinen Klauen die Arme brechen, sog verzweifelt an seinem störrischen Mund, besiegte, Stirn gegen Stirn, mein Grauen, bis meine Augen nicht mehr sahen, blind wurden, und das andere Gesicht sich in einem bleichen Nebel verlor und nur ein zitternder Schleier blieb, ein Keuchen und Vernichtung...
Ich öffnete die Augen. Die Sonne schien mir ins Gesicht. Ich atmete schwer; ich fühlte mich beengt, als hätte jemand mir mit aller Kraft die Brust zusammengepreßt. Das Vogelgezwitscher brachte mich ganz in die Wirklichkeit zurück.
Blitzartig erinnerte ich mich an alles. Ich betrachtete meine Füße.
Ich lag auf dem Rücken im Bett. Alles war unverändert, nur war da dieses
ungewohnte Schweregefühl, diese unendliche Müdigkeit... -
Julio Cortázar, Die Nacht auf dem Rücken. Die Erzählungen Bd. 1. Frankfurt
am Main 1998
Erwachen (64)
Erwachen (65) Als ich wieder zu mir kam, saß ich auf einem der Küchenstühle mit der schmalen Lehne. Die hatten sie an die niedrige Zwischenwand zur Küche gestellt und mir die Hände fest auf den Rücken gebunden. Mir tat der Nacken weh, aber es war erträglich. Der Täter kannte die Wirkung seines Totschlägers. Er hatte weder zu stark noch zu schwach zugeschlagen, gerade kräftig genug, um mich außer Gefecht zu setzen. Das waren Profis, das erschreckte mich, mein Herz schlug unregelmäßig. Die drei Männer waren Ende Dreißig. Noch mehr erschreckte mich, daß sie nicht maskiert waren. Zwei von ihnen waren von mittlerer Große und wie kleine kompakte Rugbyspieler gebaut. Der dritte war etwas stattlicher und größer. Sie trugen Jeans und Hemden ohne Schlips. Die zwei Kleinen hatten kurze aufgeknöpfte Lederjacken an, der Große war in Hemdsärmeln. Er hatte den Totschläger in der Hand, eine kleine dicke Gummiwurst, die er beinahe zärtlich gegen seine Handfläche schlug. Er hatte ein schmales, listiges Gesicht unter einer hohen, fliehenden Stirn, gespickt mit Aknenarben. Die anderen beiden standen mir gegenüber, etwas links von unserem Eßtisch. Der eine hatte einen schmalen Oberlippenbart und zurückgekämmtes fettiges Haar, der andere war blond und trug einen Bürstenhaarschnitt, den die Mode wohl gerade vorschrieb. Sie überraschten mich damit, daß sie englisch mit deutlich irischem Akzent sprachen.
»Well, mate. Willkommen wieder unter den Lebenden«, sagte der Große mit dem
Totschläger. - Leif Davidsen, Der Augenblick der Wahrheit. München 2006
(SZ Kriminalbibliothek)
Erwachen (66) Es wurde heftig geklopft und ein bißchen gebrüllt. Ich weiß nicht, ob es das Klopfen oder das Geschrei war, was mich aus tiefem, ruhigem Schlaf erwachen ließ, aber ich erwachte, und in großen, roten, flimmernden Druckbuchstaben stand auf der Oberfläche meines wiederkehrenden Bewußtseins das Wort für Harry Jordan: VERSAGER. Aus irgendeinem Grunde war ich nicht überrascht. Harry Jordan versagte bei allem, was er anfing. Sogar beim Selbstmord.
Das scharfe, dünne Geklopfe hämmerte noch immer an der Tür, und ich hörte Mrs. McQuade in bangem Ton rufen: »Mr. Jordan! Mr. Jordan! Machen Sie die Tür auf.«
»Ja, schon gut!« rief ich vom Bett aus. »Warten Sie einen Augenblick.«
Mühsam stand ich auf, ging zum Fenster, entriegelte es und stieß es auf. Die kalte, feuchte Luft, die vom Hofgang hereinströmte, roch wie alte Wäsche. Das Gas zischte weiter aus den beiden offenen Brennern; ich drehte es ab. Wieder das Geklopfe und Gerufe von Mrs. McQuade: »Aufmachen!«
»Gleich!« antwortete ich. Das beharrliche Klopfen und Rufen ärgerte mich. Ich schlüpfte in meine Cordhose und schnallte mir den Gürtel zu, während ich das Zimmer durchquerte, die Tür aufschloß und öffnete. Mrs. McQuade und ihre beiden Starmieter, Yoshi Endo und Miss Foxhall, standen draußen, eingerahmt von der Tür. Eine Komposition von Paul Klee, dachte ich.
Für mich war Mrs. McQuade immer eine nörgelnde alte Lady mit ausgestreckter Hand gewesen, aber jetzt übernahm sie das Kommando wie ein Fernsehregisseur.
»Ich habe das Gas gerochen«, sagte sie leise. »Ist alles in Ordnung?«
»Ich denke ja.«
»Stellen Sie sich ans Fenster, und atmen Sie ein wenig frische Luft.«
»Das sollte ich vielleicht lieber tun.« Ich ging zum Fenster und
atmete ein paarmal tief ein und aus. Davon mußte ich husten. Nach dem Hustenanfall war mir schwindliger als zuvor. Ich drehte mich um und sah Endo und Miss Foxhall an. »Wollen Sie nicht eintreten?« fragte ich blöde.
Der kleine Endo, dessen dunkle Augen in seinem flachen Asiatengesicht krötenhaft
vorquollen, starrte mit ernster Miene Helens nackte Gestalt auf dem Bett an.
Miss Foxhall hatte beide Hände vor das Gesicht geschlagen und spähte durch das
Gitter ihrer Finger. Mrs. McQuade untersuchte Heien kurz auf dem Bett; dann
zog sie das Laken über Körper und Gesicht. Sie schürzte die Lippen, drehte sich
um und traf nüchtern und ruhig eine Feststellung: »Sie ist tot.« - Charles Willeford,
Sperrstunde. Berlin Frankfurt am Main 1992
Erwachen (67) GESTERN erwachte Rottenkopf und mochte
noch nicht erwachen. Aber seine Kinder lärmten schon. Im Berliner Zimmer wurde
sauber gemacht. Er sagte guten Morgen, sodaß die Frau, die hier sauber machte,
ihn darauf hinweisen konnte, daß es bereits Mittag war. Später beobachtete er
seine Frau sowie die Kinder und die Frau, die immer sauber machte, beim Kaffee
trinken und Marmeladebrote essen. Er fragte, ob es heute Mittagessen gebe und
frühstückte lieber, ehe er sich aufs Mittagessen verließ. Dann holte er Heizöl
und Briketts aus dem Keller. Er ging sechsundneunzig Stufen hinauf und wieder
hinunter. Im Keller gab es kein Licht, er benutzte deshalb eine Taschenlampe.
Nachdem er geheizt hatte, las er Zeitungen und beschwerte sich über den geringen
Posteingang. Dann gab es Bouletten, Pellkartoffeln und gemischtes Gemüse. Nach
dem Essen bat er um Kaffee. Er sah, daß die Reinemachefrau, die Frau Goethe
hieß, auch beim Abwaschen behilflich war. -
(baer)
Erwachen (68) Es mußte Nacht sein denn hinter der Alabasterschale, die an drei Ketten von de Decke hing, brannte Licht. Die Schale hatte am Rand kleine farbige Knoten, abwechselnd orange und blau. Während ich sie betrachtete, öffneten sie sich wie kleine Bullaugen, und Köpfe ragten daraus heraus, winzige Köpfe wie Puppenköpfe, aber lebendige Köpfe. Einer gehörte einem Mann mit einer Seglermütze und ein anderer einer großen fülligen Blondine und ein dritter einem hageren Mann mit einem schiefsitzenden Querbinder, der dauernd fragte; »Wünschen Sie Ihr Steak roh oder mittel, mein Herr?«
Ich packte einen Zipfel des rauhen Lakens und wischte mir den Schweiß aus dem Gesicht. Ich setzte mich auf, stellte die Füße auf den Boden. Sie waren nackt. Ich trug einen Schlafanzug aus leichtem Baumwollflanell. Meine Füße waren gefühllos, als ich sie auf den Boden setzte. Nach einer Weile begannen sie zu prickeln, und dann waren sie voller Spitzen und Nadeln. Dann konnte ich den Boden spüren. Ich stützte mich auf die Kante des Bettes, stand auf und ging ein paar Schritte.
Eine Stimme, wahrscheinlich war es meine eigene, sagte zu mir: »Du hast Delirium tremens... du hast Delirium tre-mens ... du hast Delirium tremens . ..«
Auf einem kleinen weißen Tisch zwisdien den Fenstern sah ich eine Flasche Whisky. Ich ging darauf zu. Es war eine Johnny-Walker-Flasche, halb voll. Ich setzte sie an den Mund, nahm einen großen Schluck daraus, Ich stellte die Flasche wieder hin. Der Whisky hatte einen komischen Geschmack. Während mir bewußt wurde, daß er einen komischen Geschmack hatte, bemerkte ich das Waschbecken in der Ecke. Ich erreichte es gerade noch, bevor ich mich übergab.
Ich wankte zum Bett zurück und legte mich wieder hin. Das Übergeben hatte
mich sehr geschwächt, aber das Zimmer erschien mir jetzt etwas wirklicher, etwas
weniger phantastisch. Ich konnte die Gitter hinter den beiden Fenstern erkennen,
einen schweren hölzernen Stuhl, sonst keine Möbel, außer dem kleinen Tisch mit
dem mit einem Betäubungsmittel versetzten Whisky darauf. Außerdem war noch die
Tür zu einem Wandschrank da; zu, wahrscheinlich abgeschlossen. Das Bett war
ein Krankenhausbett mit Lederriemen an beiden Seiten, etwa an der Stelle, wo
die Handgelenke liegen würden, wenn man sich ausstreckte. - Raymond Chandler,
Mord bei Regen. Frankfurt am Main und Berlin 1968
Erwachen (69) Ich erwache, es ist noch Nacht. Angestrengt lausche ich und vernehme, was gerade geschieht. Kein Zweifel, der Gast ist weggegangen. Wer er auch sein mag, er ist der einzige, der ungestraft durch den Regen gehen kann, es braucht nur ein spärlicher, stiller Regen zu sein. Mein Sohn - oder meine Tochter - ist kaum noch da und meine Frau schrumpft langsam weg. Wenn ich die Geräusche mit grausamer Aufmerksamkeit entziffern müßte, würde ich erkennen, daß nun von meiner Frau nicht mehr bleibt als ein Haarschopf, ein Auge, ein Häufchen Finger. Der Regen geht nämlich zu Ende. Das Bettzeug ist nicht mehr bei der Sache. Die Pendeluhr ist unerträglich langsam. Ich denke, eigentlich müßte ich meine Koffer packen, aber erstens hat wahrscheinlich schon meine Frau dafür gesorgt und außerdem sind sie wahrscheinlich unberührt geblieben, da alle wohl wissen, daß die Rast feierlich, aber nicht von langer Dauer ist, und schließlich glaube ich selbst zu wissen, daß es gar keine Koffer gibt und auch keine geben wird; also werde ich mir wegen des Morgengrauens keine Sorgen machen und erzähle mir jetzt schon von seiner grauen Kühle, den großen, regenglänzenden Steinen und dem gereizten und ungreifbaren Geruch der wachen, nun nicht mehr träumenden Gräser. Ich gönne mir noch einen kurzen, traumlosen Schlaf. Ich weiß, daß ich in jenen scheinbar unbevölkerten Träumen ohne Unterlaß an der Aufgabe arbeite, der bevorstehenden Wegstrecke nicht unwürdig zu sein; trotzdem habe ich den Eindruck, ich überschätze meine Pflichten, mit einem keineswegs feindseligen Lächeln sage ich zu mir, daß ich mein eigener Familienvorstand bin.
Als ich aufstehe, habe ich weder Frau noch Kinder; ich entdecke keinerlei
Gestalt in den Geräuschen; eigentlich interessiere ich mich auch nicht dafür.
Meine Gesten sind zwar rasch und flüchtig, trotzdem habe ich es aber nicht eilig.
Ich habe mich gefragt, ob »meine Familie« wohl in diesem Haus bleibt und auf
einen weiteren Reisenden, auf ein anderes Ich von mir wartet; zum Haus gehört
sie jedoch nicht, denn sonst würde sie nicht aufhören dazusein, sobald der Augenblick
meiner Abreise naht. Sicherlich gehört sie zu der Raststelle, aber es kümmert
mich nicht auf welche Weise. Ich esse im Stehen, das Haus soll begreifen, und
ohne mich von jemandem zu verabschieden, mache ich mich wieder auf den Weg.
- Giorgio Manganelli, Reisenotizen.
In: (
irrt
)
Erwachen (70) Das Nervensystem war vom Wahnsinn bis zum äußersten geladen und wartete gespannt auf die kleinste Regung, der Gefangenschaft entflohn, das Gift auszugießen - ich fühlte nur, daß meine inneren Regungen, ihr funkelnder Wirbel, plötzlich versiegten. Das Bewußtsein klärte sich auf. Eine Unmenge von Assoziationen, die sich mit dem Begriff ›Diebstahl‹ in all seiner irdischen Abhängigkeit verbanden, bis hin zu Überlegungen über den Nutzen von Besserungsanstalten, ergriff sofort von meinem Gehirn Besitz, geriet in Streit mit den großen Geheimnissen des Amiwelech, löschte sie prosaisch aus, und ich, der ich noch immer mit der Stange in den müden Händen auf dem Draht stand, wurde trotz der Hitze von einem heftigen Schüttelfrost heimgesucht. Benommen kehrte ich in die Wirklichkeit zurück. Die Phantasiebilder verblaßten gnadenlos, rollten sich wie die zauberhaften Landschaften auf Theatervorhängen ein, und hinter ihnen begegnete ich mir selbst - einem Mondsüchtigen, der auf einem Dachsims geweckt wurde, ich — der Beamte der Handelskammer, Weniamin Voss, über der drohend wartenden Leere im Kostüm des Seiltänzers, mit Schwindelgefühl und voller Verzweiflung.
Lange schon ließ mir die beharrliche Kälte (der Zeitbegriff ist in dem Fall
sehr relativ) des ekelhaften Wunsches, der sich über die Menschenmenge gebreitet
hatte, tödliche Botschaften zukommen. Die Anziehungskraft dieses menschlichen
Wunsches wurde immer größer. Man wollte mich einfach tot sehen. - Alexander
Grin, Das Seil.
In: Phantastische Zeiten. Hg. Franz Rottensteiner. Frankfurt am Main 1986 (zuerst
1922. Phantastische
Bibliothek 185)
Erwachen (71) Ich spielte dieses letzte Spiel vor den Orangen und dem Kaffee und dem frischen Wasser, ein Spiel aus der Kindheit, das darin besteht, daß man sich das Laken über den Kopf zieht, in diese dickflüssige Luft eintaucht und dann, auf dem Rücken liegend, langsam die Beine anzieht und mit den Knien das Laken hebt, bis sich ein Zelt bildet, und im Zelt sein Reich gründet und sich dort dann ausmalt, die ganze Welt sei nur das, außerhalb des Zeltes gebe es nichts, das Reich sei nur das Reich, und man fühle sich wohl im Reich und sonst brauche man nichts. Du botest mir schlafend den Rücken dar, aber wenn ich sage, daß du ihn mir darbotest, sage ich damit sehr viel mehr, als die bloßen Worte sagen können, denn dein Rücken badete im gleißenden Licht des Aquariums, das die Sonne durch die durchscheinende Kuppel des Lakens sickern ließ, ein Laken mit zarten grünen, gelben, blauen und roten Streifen, die sich in Lichtstaub auflösten, schwebendes Gold, in das dein Körper sein dunkleres Gold einbettete, Bronze und Quecksilber, Zonen blauen Schattens, Senken und Täler.
Nie zuvor hatte ich dich so begehrt, nie hatte das Licht so auf deiner Haut
geschillert. Du warst Lilith, du warst Kypris, aus der Nacht des Rastplatzes
wurdest du der Sonne neu geboren, wie das Raunen, das draußen anschwoll, die
Motoren, die nacheinander ansprangen, das Rauschen der Autobahn, das durch den
Zustrom von den aus dem Schlaf erwachten Rastplätzen immer lauter wurde. Ich
schaute dich so lange an und wußte, daß du nach dem Aufwachen verstört und erstaunt
sein würdest wie immer, daß du nichts begreifen würdest, weder das geheime Zelt
noch meine Art und Weise, dich anzuschauen, und daß wir beide den Tag wie immer
beginnen würden, uns anlächelnd und »Orangensaft!«, uns anschauend und »Kaffee,
Kaffee, haufenweise Kaffee!« -
Julio Cortázar, Carol Dunlop: Die Autonauten auf der Kosmobahn. Frankfurt am
Main 2014 (BS 2481, zuerst 1983)
Erwachen (72)
Erwachen (73)
Erwachen (74)
Erwachen (75)
Erwachen (76) Eines Morgens - er hatte sie seit gut
vierzehn Tagen nicht mehr gesehen - erwachte er in seiner Mönchszelle in der
«Weißen Visitation» mit einem Ständer,
kribbelnden Augenlidern und einem langen, fahlbraunen Haar zwischen den Zähnen.
Das Haar war keins von seinen. Niemand anderem konnte es gehören als Jessica.
Aber das war unmöglich- er hatte sie ja nicht gesehen! Er zog ein paarmal die
Nase hoch, nieste. Draußen vor dem Fenster wuchs der Morgen. Sein rechter Eckzahn
schmerzte. Er dröselte das Haar heraus, an dem noch Speicheltröpfchen hingen,
Flocken von Zahnstein und Zungenpelz, und starrte es an. Haar vom Schatz am
falschen Platz - unheimlich. Wie war es wohl hergekommen? Ein Fall von Je ne
sais quoi de sinistre, na schön. Jetzt mußte er pissen.
Ins Bad schlurfend, das ergrauende, staatseigene Unterhemd locker in den Bund
der Pyjamahose gestopft, fiel es ihm ein: wie, wenn das so eine blaßblaue Viktorianische
Gespenstergeschichte wäre, Rache aus dem Jenseits, das mysteriöse Haar eine
erste Warnung ... Oh, Paranoia? Ihr hättet ihn sehen
sollen, wie er die Kombinationen durchspielte, während er zwischen den stolpernden,
furzenden, rasiermesserschärfenden, hustenden, niesenden, rotzverklebten Internen
der Psi-Sektion seiner morgendlichen Latrinenroutine nachging. - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei
Hamburg 1981
Erwachen (77) Ich hörte nicht
auf mit dem Nachschenken bei dem neuen süßen Gast, verwöhnte sie auch mit den
leckersten Bissen, bis meine Geliebte, innerlich schon ganz eifersüchtig, mich
zum Schein fragte: ‹Ist sie nicht noch schöner als ich?› Worauf ich nicht lange
überlegen mußte: Ja, bei Allah !› ‹Dann wünsche ich, daß du heute nacht mit
ihr schläfst; denn ich bin deine Geliebte, sie aber
unser Ehrengast›. ‹So soll es sein, so wahr ich
Augen im Kopf habe.› Da stand sie auf und bereitete das Lager, und ich nahm
das süße Kind und schlief mit ihr bis zum Morgen, bis ich ganz naß, wohl vom
Schweiß, aufwachte. Ich setzte mich auf und versuchte, das Mädchen zu wecken;
aber als ich sie an den Schultern rüttelte, war meine Hand auf einmal rot vom
Blut, und ihr Kopf rollte vom Kissen. Da schwanden mir die Sinne vor Grauen,
ich konnte noch ausrufen, ‹Allmächtiger Beschützer hilf›, sah noch, daß ihr
der Kopf vom Rumpf geschlagen war. -
Erzählung des jüdischen Arztes. Nach: Tausendundeine Nacht nach Burton (Die
Bibliothek von Babel 26, Hg. J. L. Borges) Stuttgart 1984
Erwachen (78) Die junge Frau erwachte gegen sechs
Uhr früh. Sie machte sofort Bauchatmung: in langen Zügen Sauerstoff in den Bauch
ziehen und gründlich ausatmen. Die Hände hatte sie an den Seiten des Bauches
liegen. Nach einer Weile fühlte sie die Bewegungen des Kindes, das gegen die
Grenzen stieß, in denen es lag. Sie konnte spüren, wie es heftig herumstiel?,
ebenfalls erwacht an diesem Montagmorgen. Sie meinte, daß dieses gemeinsame
Wecken morgens früh für das ganze spätere Leben dieses Ungeborenen einen festen
Rhythmus schüfe, im Sinne von »Anfang«, »Produktionsbeginn«, »Aufbau«, eine
Art Frühlingserwachen. Es sollte ein waches Kind werden, ziemlich frech, das
sich nichts gefallen ließe und morgens mit der Mehrheit der produzierenden Menschen
aufsteht, sich auf Wochenanfänge, Anbruch einer neuen Zeit jeweils freut. -
(klu)
Erwachen (79)
Erwachen (80) Morgens,
wenn ich ganz fröhlich aufwache, frage ich mich als Erstes: Wo mögen sie heute
Nacht hingezogen sein, meine lieben Pickel? Haben
sie sich vielleicht bis an die äußerste Spitze des Vorgebirges gewagt? Hängen
sie weit draußen vom Bug herab und zieren die Nase
mit einer rüstigen Galionsfigur? Oder haben
sie sich womöglich in eine Nasenfalte verzogen? - Tiziano Scarpa, Körper. Berlin 2005
Erwachen (81)
When I woke When I woke, the town spoke. Every morning I make, |
Als ich erwachte Als ich erwachte, sprach die Stadt. Jeden Morgen schöpfe ich, |
Erwachen (82)
Frühe Stunde Ich schlafe noch, Nach und nach, ohne Eile, Zwischen den Gegenständen dämmern Entfernungen, Doch Vorsicht, Vorsicht, Vorsicht, Darüber sollte ich staunen, tue es aber selten. |
- Wislawa Szymborska, Der Augenblick. Frankfurt am Main 2002
Erwachen (83)
Er erwacht immer mit einem Gefühl der Desorientierung.
Die Desorientierung rührt nicht vom Zweifel über den Ort her, an dem er sich
befindet, sondern von der absoluten Gewißheit darüber. Er befindet sich in seiner
Wohnung, in der er seit vielen Jahren lebt. Die Tatsache, daß er dort aufwacht,
an einem Ort, den er bereits als gleichgültig erfahren hat, langweilt ihn und
stört ihn ein wenig, gleich einer Miniaturverzweiflung, wie sie für ein Insekt
anwendbar wäre. In der Nacht hat er nicht das Glück erfahren, sondern die Beziehung
zu etwas Zentralem. Er hat geträumt, und auch wenn seine Träume, wie er sie
jetzt erinnert, ihm sinnlos erscheinen - im Augenblick als er sie träumte, waren
sie zentral; das Zentrum liegt also - vom Blickpunkt des Wachenden her - in
der Sinnabwesenheit. Er denkt an seine Träume, an die unvorhersehbaren Zwischenfälle,
an die Figuren, die er auftauchen und verschwinden sieht in einem prächtigen
und undurchdringlichen Stoff. Wiederum hat er das Empfinden, daß die Bedeutung
in der halluzinierten Nacht liegt und daß die Welt, in die er jeden Morgen zurückkehrt,
schlicht die Sinnabwesenheit ist. Die Sinnabwesenheit ist kohärent und vorhersehbar,
das Sinnvolle dagegen rätselhaft und abweisend. Wo man nichts versteht, ist
man nahe dem Zentrum; wo man etwas versteht, ist man an der äußersten Peripherie,
ist man draußen. - (pill)
Erwachen (84) Ich erwache am äußersten Rand der Dunkelheit; eine unendlich lange Nacht geht mir voraus, und von der Finsternis trennt mich ein schwächlicher Dämmerschein. Ich bin gerade geboren; theoretisch verwahre ich in mir alle Möglichkeiten, die das langsame Anwachsen der Dämmerung zur Dimension des Tages mit sich bringt; aber im Moment verlangt mein Schicksal, daß ich mich allmählich aus der Nacht herausschäle, daß ich geduldig die klebrige Abwesenheit des Lichts von mir abtrenne, aus der ich auftauche. Obwohl ich noch nichts sehe, weil meinem Körper, dieser Kurzlebigkeit aus Fleisch, die sich nie von ihrer Geburt aus der Nacht wird reinwaschen können, jegliche Feinheit fehlt, weiß ich doch, daß ich von mir wohlgesinnten, aufgeregten erwachsenen Formen umgeben bin, die ich aber noch nicht und wohl noch lange nicht von der Nacht zu unterscheiden vermag. Ich liege auf einem unermeßlich großen Bett, an dessen Grenzen ich mich nicht wage, und das vielleicht gar keine Grenzen hat; es ist ein Bett aus Dunkelheit, aus dem fadenförmige Dunkelheiten auftauchen; mit Grauen bemerke ich, daß eine nächtliche Hand meinen Körper absucht. Ich weiß auch, daß ich in meiner äußersten Schwäche eine ebenso große wie vergebliche Kraft in mir habe, denn mein ganzer Groll gilt dem nicht durchschreitbaren, aber wegsamen Nichtkörper der Nacht.
Ich wälze mich in dem großen Bett hin und her und keuche, ich Tier, Raubtier,
Modergeruch und Kralle; ich zerreiße die weißen Laken, brülle, heule, winsle,
zische; ergreife mit meinen Krallen die Gestalt, die mir am nächsten ist, und
zerreiße sie, ich mache mir Verzierungen aus Blut, an meinen Krallen
hängen Eingeweide. - Giorgio Manganelli, Kometinnen
und andere Abschweifungen. Berlin 1997
Erwachen (85)
Erwachen (86) Meister Manente hatte die Nacht
und den folgenden Tag ununterbrochen geschlafen und wußte, als er sich bei seinem
Erwachen im Bett und im Dunkeln wiederfand, sich nicht zu besinnen, wo er sei,
zu Hause oder anderswo. Er dachte angestrengt nach und erinnerte sich endlich,
wie er im Wirtshaus zu den Affen zuletzt mit Burchiello, Succia und dem Makler
Biondo getrunken hatte, darauf eingeschlafen und nach seiner Empfindung nach
Hause gebracht worden war. Er sprang daher aus dem Bett, tastete sich dorthin,
wo er ein Fenster vermutete, fand aber keins und machte sich nun umhertappend
auf die Suche, bis er auf eine Abtrittstür stieß.
Dort schlug er sein Wasser ab, denn sein Drang wurde sehr stark, und verrichtete
auch seine Notdurft, irrte dann wieder in dem Gemach umher und kehrte endlich
voller Unruhe und Verwunderung ins Bett zurück; denn er wußte gar nicht, wo
in aller Welt er sich befand. - Antonfrancesco
Grazzini, Feuer auf dem Arno. Berlin 1988 (zuerst ca. 1550)
Erwachen (87)