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Als »The Roast Beef of Old England« ertönte, erfuhr ich, was
Jevon zwischen dem ersten Tanz und meiner Begegnung mit ihm am Büfett getrieben
hatte. Nachdem Frau Deemes ihn abgeschüttelt hatte, scheint er den Weg
auf die Galerie gefunden und sich erboten zu haben, das Orchester zu dirigieren
oder jedes Instrument, ganz wie es der Kapellmeister wünsche, zu spielen.
Als der Kapellmeister es ablehnte, sagte Jevon, man würdige ihn nicht, und er sehne sich nach Sympathie. So torkelte er wieder die Treppe hinunter und saß dann während vier Tänzen mit vier Mädchen zusammen, dreien von ihnen machte er einen Heiratsantrag. Nebenbei gesagt, war eins dieser Mädchen eine verheiratete Frau. Dann ging er ins Whistzimmer, fiel der Länge nach hin und weinte auf dem Teppich vor dem Kamin, weil er in eine Spielhölle geraten wäre, und seine Mama hätte ihn immer vor schlechter Gesellschaft gewarnt. Er hatte noch viel mehr verbrochen und zwei Liter der verschiedensten Schnäpse getrunken. Und dabei noch von mir in der skandalösesten Art gesprochen!
Alle Damen wünschten, daß er hinausgeworfen würde, und alle Herren wünschten, ihn mit Fußtritten zu regalieren. Das Schlimmste war, daß jeder sagte, ich hätte die Schuld. Nun frage ich einen geneigten Leser, wie in aller Welt konnte ich wissen, daß dieser unschuldige, flaumbärtige Reiseonkel auf diese ekelhafte Weise über die Stränge schlagen würde? Er war fast um die ganze Erde gereist, daher war sein Schatz an Schimpfwörtern kosmopolitisch, allerdings besonders reich an japanischen, die er in Hakodate in einem Teehause geringer Sorte aufgeschnappt hatte. Es horte sich an wie Pfeifen. Während ich nacheinander alle möglichen Leute anhörte, die mir von Jevons schamlosem Benehmen erzählten und sein Blut von mir forderten, konnte ich mir gar nicht erklären, wo er steckte. Ich war bereit, ihn der Gesellschaft auf der Stelle zu opfern.
Aber Jevon war weg, und in der äußersten Ecke des Speisesaales saß mein lieber guter Leutnant und aß, etwas erhitzt, Salat. Ich ging zu ihm und sagte: »Wo ist Jevon?« »In der Garderobe«, sagte der Leutnant. »Da bleibt er, bis die Damen fort sind. Kümmern Sie sich nicht um meinen Gefangenen.« Ich hatte keine Lust, mich um ihn zu kümmern, aber ich guckte in die Garderobe und fand meinen Gast auf einige zusammengerollte Teppiche gebettet, sehr bequem, mit offenem Kragen und einem nassen Lappen auf dem Kopf.
Den Rest des Abends verbrachte ich mit schüchternen Versuchen, Frau Deemes und drei oder vier andern Damen alles zu erklären und meinen Charakter - denn ich bin ein anständiger Mensch - von dem schändlichen Schmutz, mit dem mein Gast mich beworfen hatte, zu reinigen. Verleumdung ist noch gar kein Wort für das, was er getan hatte.
Wenn ich nicht gerade mit diesen Versuchen beschäftigt war, lief ich in die Garderobe, um zu sehen, ob Jevon auch nicht am Schlag gestorben war. Er sollte doch nicht unter meinen Händen sterben. Er war doch immerhin mein Gast!
Endlich ging dieser schauderhafte Ball zu Ende, ohne daß ich im geringsten Frau Deemes' Gunst wiedererlangt hätte. Als die Damen gegangen waren und jemand beim zweiten Essen Lieder gesungen haben wollte, befahl der Engel von Leutnant dem Kansamah, den Sahib aus der Garderobe hereinzubringen und das eine Ende des Eßtisches abzuräumen. Während dies geschah, bildeten wir ein Strafgericht mit dem Doktor als Vorsitzendem. Jevon wurde auf den Schultern von vier Männern hereingetragen und wie ein Leichnam im Seziersaal auf den Tisch gelegt, der Doktor hielt dabei eine Vorlesung über das Verwerfliche der Unmäßigkeit, und Jevon schnarchte. Dann machten wir uns an die Arbeit.
Mit angebranntem Kork schwärzten wir ihm das ganze Gesicht. Ins Haar schmierten wir ihm Meringue-Cream, bis es aussah wie eine weiße Perücke. Um es bis zum Eintrocknen zu schützen, klebte einer vom Landesvermessungsamt, der die Sache verstand, Jevon eine große blaue Papierkappe aus einem Knallbonbon mit Cream tief in die Stirn. Das Ganze war ja eine Bestrafung und kein Scherz. Wir nahmen Gelatine von Knallbonbons und klebten ihm davon blaue Stückchen auf die Nase, gelbe aufs Kinn, grüne und rote auf die Backen und drückten jedes Stückchen so lange fest, bis es hielt wie Schaumgold. Wir legten ihm die Schinkenkrause um den Hals und banden sie vorn zur Schleife. Er nickte wie ein Mandarin.
Wir klebten ihm außen Gelatine auf die Hände, innen schwärzten wir sie mit Kork, legten kleine Kotelettkrausen um die Handgelenke, die wir mit einem Strick zusammenbanden. Die Enden seines Schnurrbartes machten wir mit Fischleim steif. Er sah sehr martialisch aus.
Dann drehten wir ihn um, steckten seine Rockschöße mit Nadeln hoch - zwischen den Schultern - und befestigten da eine Rosette aus Kotelettkrausen. Wir nahmen den roten Läufer, der vom Tanzsaal bis zum Speisesaal führt, und wickelten ihn darin ein. Sechzig Fuß lang war der rote Läufer und sechs Fuß breit, und er war zu einem großen dicken Bündel darin eingewickelt, aus dem nichts als der wunderbare Kopf heraussah.
Zuletzt banden wir noch, was vom Tuch übrigblieb, unter seinen Füßen mit Kokosfaser, so fest wie nur konnten, zusammen. Wir waren so böse, daß wir kaum lachten.
Gerade als wir fertig waren, hörten wir das Rumpeln von Ochsenkarren, die Stühle und anderes, das die Frau General zum Ball geliehen hatte, fortbringen sollten. Da hoben wir Jevon wie einen aufgerollten Teppich auf einen der Karren, und die Karren fuhren fort.
Das Allersonderbarste an dieser Geschichte ist nun aber, daß ich niemals
wieder etwas von Jevon, dem Reiseonkel, weder gesehen noch gehört habe.
Er ist spurlos verschwunden. Er ist nicht
beim Hause des Generals mit den Teppichen abgegeben worden. Er war einfach
in der schwarzen Finsternis gegen Ende der Nacht
verschwunden und von ihr aufgesogen worden. Vielleicht ist er gestorben
und man hat ihn in den Fluß geworfen. - Rudyard
Kipling, Der Freund meines Freundes, nach (
ki
)
Gast (2) Du hast mich gekratzt, Katze,
sagte der Gast zu der Katze, als sie ihn zum Dank für eine dargereichte
Wurstscheibe vor 21 boshaften Mitzechern kratzte; ich verurteile dich zur
Aufschneidung deines Bauchfellchens mit einer Schneidfeder, zur Abtragung
deiner Ohren mit einer Laubsäge; zur Schließung deiner
Augen durch den Lötkolben, zur Kappung deines Schwanzes
in der Kreissäge; zur Verschlechterung deines Geruches im Kachelherd. Aber
er tat nichts dergleichen. Beim Fortgehen, auf dem Weg zum WC, schnappte
der Gutmütige die Katze dann doch, an einer Fellfalte nahe den Ohren, legte
sie sich unter die Füße und zertrat sie. Im wilden Klee reinigte er sich
die Schuhe. -
(oko)
Gast (3) Die Tür wurde leise
geöffnet. In das Zimmer trat ein kleiner, dürrer Herr,
der mit einem tiefen Bückling die Klinke hinter sich ins Schloß drückte.
Er trug einen schwarzen Rock, der ihm etwas zu weit war und über der mageren,
knochigen Figur mehr hing als saß. Im linken Knopfloch steckte eine weiße
Nelke. Die Krawatte, welche den dünnen Halswirbel umschloß, war tadellos.
Dem Kopf dagegen fehlte die unter Menschen nun einmal
übliche Bekleidung von Fleisch, Haut und Muskeln: es war ein elfenbeinglatter,
grinsender Totenschädel, der etwas schräg vornüber hing und den Eindruck
machte, als ob sein Besitzer fortwährend bemüht wäre, sich das Lachen
zu verbeißen. - Karl von Schlözer, Studiosus Keck von Keckenstein.
Danse macabre. In: Jenseits der Träume. Seltsame Geschichten vom Anfang
des Jahrhunderts. Hg. Robert N. Bloch. Fankfurt am Main 1990 (st 1595)
Gast (4) «Gäste sind wie Hunde»,
sagt der Chef de Service. «Zeigt man Angst, beissen
sie zu.» – «Wenn du nicht aufpasst», sagt seine Kollegin, «bist du in zwei
Sekunden tot.» Die Kellnerin in einem Trendlokal hat festgestellt: «Der
Gast will dich destabilisieren. Weil du schön bist, weil du nicht schön
bist. Weil du blond bist, weil du schwarzhaarig
bist.» - Bruno Ziauddin, Weltwoche,
Ausgabe
18/05
: Das jüngste Gericht
Gast (5) Ich weiß, daß Edinburgh im 18. Jahrhundert
beinahe aufgefressen worden wäre, zwar nicht gerade durch Ratten,
wohl aber durch Wanzen. Man mußte zwei Drittel der Stadt
abreißen, um das letzte Drittel zu retten. So kann eine Stadt sehr wohl auch
durch Ratten zerstört werden, wie in Afrika eine ganze Reihe von Siedlungen
durch Heuschrecken. Allerdings würde ich lieber von Heuschrecken gefressen werden,
statt von Ratten oder gar Wanzen, wenn ich mir meine ›Gäste‹ auswählen könnte.
Immerhin wäre es eine schöne Kapitelüberschrift für einen Roman: ›Wie über Nacht
ein ganzes Viertel von Paris durch die Ratten gefressen wurde.‹ - Balzac, nach: Léon Gozlan, Balzac in Pantoffeln. München 1969 (dtv
602, zuerst ca. 1860)
Gast (6) Er sagte: «Komm noch näher, alter Mann, und ich blase dich weg. Du hast Olivia gegen mich aufgehetzt, oder ? Du hast meine Familie weggeschickt, wohin ?»
Bellini sagte: « Aufgehetzt ? Weggeschickt ?... Olivia hat mich hier als Hausgast untergebracht, bis sie und Petey von ihrem kleinen Ausflug zurück sind.»
Lächelnd streckte er Collucci seine offenen Hände entgegen. « Siehst du, Giacomo, ein Hausgast bewaffnet sich nicht», sagte er und glitt vorwärts.
Seine Arme erhoben und jetzt wie hammerartige Rammböcke auf Collucci gerichtet. Er müßte einen halben Meter näher dran sein, überlegte er, bevor er beide Fäuste nach vorne schleudern und ihm die Kehle zerquetschen oder ihn zusammenschlagen und dann erdrosseln konnte. Er wollte sich in Schlagweite vorschmeicheln.
Während Bellini kaum wahrnehmbar zehn Zentimeter näher an sein Ziel heranschlich, schmalzte er: « Angelita hat dich geliebt und dir vertraut, Giacomo.»
Er lächelte traurig. « Deinen Namen hatte sie als letzten auf den sterbenden Lippen. Aus Respekt vor Angelita, leg die Waffe weg.»
Colluccis Hirn funkte dem Abzugsfinger die Botschaft in dem Moment, als er sah, wie Bellini seine Hämmer nach vorne und an seine Kehle schnellen ließ. Doch sein Finger lag starr am Abzug. Paralysiert! Collucci stand wie angewurzelt und starrte Bellini noch einen winzigen Moment in die abgedrehten Augen, bevor er abdrückte.
Er trat zur Seite. Bellinis toter Körper kippte vorbei. Colluccis Magen wallte
auf wegen der zerfetzten Knochen- und Hirnmasse, die das weggeschossene Gesicht
freigab. -
Iceberg Slim, Todesfluch. Reinbek bei Hamburg 1997 (zuerst 1977)
Gast (7)
Der Poussierte Gast 5 Ihr Gummihammer trifft das Meer Mit den Gezeiten gelbgestreift, Sie heben dann das Gruppenbild Sie färben sich mit Wäscheblau |
- Hans Arp, nach: Hans Richter, in: Dada - Kunst und Anti-Kunst.
Köln 1964
Gäste (8) Unsere Gäste sind alle
verschieden: Einer zum Beispiel hat eine Backe, wie man sie sich nicht schlimmer
vorstellen kann. Und dann kommt immer eine Dame, die sieht vielleicht aus, lächerlich,
überhaupt zu sagen wonach. Und es kommt auch ein Dichter:
ganz behaart und immer über sonstwas aufgebracht. Umwerfend! Und ein Ingenieur
kommt, der hat mal in unserm Tee irgendein Zeug gefunden. Und wenn unsere Gäste
zu lange bleiben, werfe ich sie einfach raus. Damit hat sich's. - (
charms
)
Gäste (9) Frau Nietken tanzte zu aller Erstaunen, als wollte sie die Beine sich ausschlenkern, rutschte dann auf den Knieen, klatschte an ihr Fleisch, bis alle in ein entsetzliches Gelächter ausbrachen und sie schwur, daß ihr alle Knochen im Leibe zerbrochen wären, und daß sie ein Glas spanischen Wein trinken müsse.
Nun sah sie erst beim Wein die übrigen an. Als sie Bella erblickte, sagte
sie zu Braka: »Laß mir die, die soll mir zur Hand gehen; was hast du für Schlechtigkeit
mit der im Sinn, soll dir die Geld verdienen?« - Braka versicherte ihr mit recht
ehrerbietiger Stimme, dies sei ihre Herrschaft. - »Wer ist denn die Kröte da?«
fragte Frau Nietken weiter und wies auf Cornelius. - »Ich bin der Feldmarschall
Cornelius«, antwortete der Alraun, »hab Sie mehr Achtung
gegen mich, alter Hahnenkamm!« - »Nun«, fuhr sie fort, »der muß wohl Feldmarschall
bei den Unterirdischen sein; wer aber bist denn du alter Zeiselbär, hast ja
eine Livrei, die ich kennen sollte; Ei ja, ich hab sie dem Herren von Floris
für eine neue gebracht, die er seinem alten Bedienten im Grabe nicht gönnte.
Am Ende ist die zum Stehlen auch nicht zu schlecht gewesen; Hast du sie aus
dem Grabe geholt, du siehst darnach aus!« - Der Bämhäuter,
den sie also anredete, ohne ihr zu antworten, reichte ihr eine derbe Maulschelle,
worauf das alte Weib sogleich ganz nüchtern wurde, und fragte, was sie beföhlen.
- Achim von Arnim, Isabella
von Ägypten
Gäste (10) Unsere Gäste sind alle
verschieden: Einer zum Beispiel hat eine Backe, wie man sie sich nicht
schlimmer vorstellen kann. Und dann kommt immer eine Dame, die sieht
vielleicht aus, lächerlich, überhaupt zu sagen wonach. Und es kommt auch
ein Dichter: ganz behaart und immer über sonstwas aufgebracht.
Umwerfend! Und ein Ingenieur kommt, der hat mal in unserm Tee irgendein
Zeug gefunden. Und wenn unsere Gäste zu lange bleiben, werfe ich sie
einfach raus. Damit hat sich's.
-
(charms)
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