chwimmen   Er schwamm in dem bis auf die Knochen kalten Fluß, erst gegen die starken Wellen, und ließ sich dann treiben, ziemlich genau in der Flußgrenze, wo auch die Grenze zu Deutschland verlief. Ungeheuer schnell, wie im Galopp, zogen die Uferbüsche vorbei. Er tauchte mit dem Kopf so tief unters Wasser, daß ihm die kleinen Kiesel, am Flußgrund treibend, in die Ohrmuschel gerieten, wo sie eine schöne Zeitlang aufeinanderschlugen, knirschten und klirrten. Es war ihm, als könne er immer so unter Wasser bleiben, ohne zu atmen, und das wäre ab jetzt sein Leben. - Peter Handke, In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus. Frankfurt am Main 1999 (st 2946, zuerst 1997)

Schwimmen (2) Die Wasser sind metallisch und der Himmel zänkisch, böse - über Uruguay haben die Wolken ihr Haar gelöst, und die Regenschauer reichen bis zur Erde. Wehmut.

Das Wasser wächst, schwillt, und vor uns hat eine Wolke den Horizont verkorkt. Der Strom wächst durch die Dunkelheit, die Wolke wälzt Stürze von Dunkelheit aus sich hervor, Dunkelheit dampft aus den um mehrere Kilometer entfernten Ufern. Wir schwimmen.

Zwei Uhr nachts. - Vor einer Weile bin ich erwacht, und gleich vergegenwärtigte mir ein leichtes Zittern, durchdrungen von kaum merklichem Schaukeln, wo ich mich befinde. Ich war auf dem Schiff, in der Kajüte. Aber wo war das Schiff? Ich begriff, daß ich nicht wußte, was mit dem Schiff geschieht, und das war, als wenn ich nicht wüßte, was mit mir geschieht. Die Vibrationen verkündeten, daß wir schwimmen, aber . . . wo schwimmen wir, wie schwimmen wir? . . . Und daher, nachdem ich mich eilig angezogen hatte, ging ich an Deck. Es geschah - Regen. Rauschen des Regens und seine unversehens in die Wangen peitschenden Tropfen, sowie nasse Planken, tropfende Dächlein, Geländer und Leinen. Aber wir schwammen. Nicht ein einziges Licht auf dem Schiff, dessen Dunkelheit sich in die Dunkelheit bohrte, aber diese beiden Dunkelheiten vereinigten sich nicht miteinander, jede war für sich, und Wasser war nicht zu sehen, überhaupt war ringsum nichts zu sehen, als ob jemand alles konfisziert hätte - und nur der Regen, der das Schwimmen in zweifacher Dunkelheit anfüllte. Wir schwammen nach Nordwesten, und infolge der allumfassenden Nacht wurde unser Schwimmen zusammen mit dem Regen zur einzigen höchsten Idee, zum Zenit aller Dinge.

Ich ging in die Kajüte zurück und zog mich aus. Nachdem ich mich ausgezogen hatte, legte ich mich hin und schlief ein; wir schwammen. - (gom)

Schwimmen (3)
 

Vom Schwinmmen in Seen und Flüssen

1

Im bleichen Sommer, wenn die Winde oben
Nur in dem Laub der großen Bäume sausen
Muß man in Flüssen liegen oder Teichen
Wie die Gewächse, worin Hechte hausen.
Der Leib wird leicht im Wasser.
Wenn der Arm Leicht aus dem Wasser in den Himmel fällt
Wiegt ihn der kleine Wind vergessen
Weil er ihn wohl für braunes Astwerk hält.

 2

Der Himmel bietet mittags große Stille.
Man macht die Augen zu, wenn Schwalben kommen.
Der Schlamm ist warm. Wenn kühle Blasen quellen
Weiß man: ein Fisch ist jetzt durch uns geschwommen.
Mein Leib, die Schenkel und der stille Arm
Wir liegen still im Wasser, ganz geeint
Nur wenn die kühlen Fische durch uns schwimmen
Fühl ich, daß Sonne überm Tümpel scheint.

3

Wenn man am Abend von dem langen Liegen
Sehr faul wird, so, daß alle Glieder beißen
Muß man das alles, ohne Rücksicht, klatschend
in blaue Flüsse schmeißen, die sehr reißen.
Am besten ist's, man hält's bis Abend aus.
Weil dann der bleiche Haifischhimmel kommt
Bös und gefräßig über Fluß und Sträuchern
Und alle Dinge sind, wie's ihnen frommt.

4

Natürlich muß man auf dem Rücken liegen
So wie gewöhnlich. Und sich treiben lassen.
Man muß nicht schwimmen, nein, nur so tun, als
Gehöre man einfach zu Schottermassen.
Man soll den Himmel anschaun und so tun
Als ob einen ein Weib trägt, und es stimmt.
Ganz ohne großen Umtrieb, wie der liebe Gott tut
Wenn er am Abend noch in seinen Flüssen schwimmt.

- Bertolt Brecht, Hauspostille. Frankfurt am Main 1963 (BS 3, zuerst 1927)

Schwimmen (4)  Ich glaube mich wiederzuerkennen, wenn ich in dieses allumfassende Wasser tauche. Ich habe nichts mit der Ernte zu tun, mit dem Pflügen; in den Georgica findet sich nichts für mich.

Aber sich regen in der Bewegung, tätig sein bis in die Zehen hinunter, sich wenden in dieser reinen und tiefen Masse, bitteres Wasser trinken und ausstoßen, das frisch und wild an der Oberfläche ist, ruhig in der Tiefe! dies ist für mich das göttliche Spiel voller Zeichen und Kräfte, wo mein ganzer Körper sich hingibt, sich begreift, sich erschöpfen würde. Ich umfasse das Wasser mit vollen Armen, ich liebe es, ich besitze es, ich erzeuge mit ihm tausend seltsame Gedanken. Dann/In ihm/ bin ich der Mann, der ich sein will. Durch das Wasser wird mein Körper das unmittelbare Instrument des Geistes, und er bildet meinen Geist. Ich erleuchte mich auf diese Weise. Ich verstehe auf wunderbare Art, was die Liebe bei mir hätte werden können, wenn es die Götter gewollt hätten. Übermaß an Wirklichkeit. Meine Liebkosungen sind Erkenntnis. Meine Akte. — Ich besitze nie genug.

Schwimme denn, lege dich auf den Rücken, wirf dich kopfüber in diese Welle, die über dich rollt, mit dir zerbricht und dich zerbricht. —

Dann gehe ich auf dem ungeheuren Strand, den Wind trinkend. Es ist ein Süd-West-Wind, der die Wogen seitwärts anfaßt, sie zerknüllt und mit Schuppen bedeckt, mit Ziegeln, mit Nebensystemen, mit netzartigen Wellen, die sie forttragen, vom Horizont bis zur Zerreißgrenze — Schaumgrenze... — Welches Labsal für die nackten Füße, ich gehe auf dem Spiegel, der unaufhörlich von der dünnen Wasserschicht neu geglättet wird, die sich von neuem zusammenzieht. Ich bin ich selber und mein System! Der riesige Himmel niest in mir — Meine Reflexe berauschen mich.   - (pval2)

Bewegung Wasser
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