inder sind in vielerlei Hinsicht naiv, doch sie handeln oft aus dem elementaren Bedürfnis heraus, über die Menschen um sie herum Kontrolle zu erlangen. Kinder leiden sehr darunter, sich in der Welt der Erwachsenen machtlos zu fühlen, und sie nutzen alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel, um das zu ändern.

Wahrhaft unschuldige Menschen können dennoch um Macht kämpfen, und sie beherrschen dieses Spiel oft erschreckend gut, weil sie dabei von keinerlei Reflexion behindert werden. Einmal mehr gilt: diejenigen, die ihre Unschuld zur Schau stellen, sind die am wenigsten Unschuldigen von allen. - Richard Greene, Power.  Die 48 Gesetze der Macht. München 2001, zuerst 1998

Kind (2) Ein Zehnjähriger lebte bei seiner alten Großmutter. Als diese nach einem Sturz stirbt, sagt das Kind niemandem etwas. Als das Geschehnis schließlich entdeckt wird, gibt es an, es habe den Leichnam beseitigen wollen, aber der Kopf habe sich abgelöst. Ein Polizist und ein Arzt bestätigten, daß der Kopf der alten Frau ungefähr 80 cm von ihrem schon in Verwesung übergegangenen Rumpf entfernt aufgefunden wurde. Erst der Gerichtsarzt stellte fest, daß der Kopf nach wie vor am Rumpf haftete. - (net)

Kind (3) Ich bringe nur menschliche und nur meine eigenen Einfälle vor, einfach als menschliche Einfälle, ganz unverbunden für sich selbst betrachtet, nicht als wären sie ausgemachte und nach göttlichem Gebot festgelegte Wahrheiten, die über Zweifel und Widerrede erhaben wären; Sache des Meinens, nicht Sache des Glaubens; was ich so für mich überlege, nicht was ich nach Gottes Wort bekenne, wie Kinder ihre Versuche vorbringen: belehrbar, nicht belehrend; auf weltliche, nicht auf geistliche, aber stets auf sehr gläubige Weise. - (mon)

Kind (4) Ich hatte, als ich noch ganz klein war, immer das Gefühl, mein Vater ist zwei Personen, eine gute und eine böse. Der gute Vater geht weg, und der böse nimmt seinen Platz ein. Ich könnte mir vorstellen, daß viele Kinder diese Gefühle kennen. Was, wenn es wirklich so ware? Diese Geschichte ist ein weiteres Beispiel für die Situation, daß ein Gefühl, das eigentlich falsch ist, plötzlich irgendwie richtig wird... mit der zusätzlichen Schwierigkeit, daß man das keinem andern mitteilen kann. Zum Glück gibt es andere Kinder, denen man es sagen kann. Kinder verstehen das: Sie sind klüger als die Erwachsenen - hmmm, fast hätte ich gesagt: klüger als die Menschen. - Philip K. Dick (1976) in: Das Vater-Ding. Sämtliche Erzählungen Bd. 5. Zürich 2000

Kind (5) Die Fenster standen auf. Im Hause wohnten nur Handwerker, und tagsüber erschallte aus allen Etagen das Klopfen der Hämmer oder Gesang. Wir hielten uns seit ein Uhr hier auf. Matrjoscha saß auf einem Bänkchen in ihrer Ecke, mit dem Rücken zu mir, und hantierte mit einer Nadel. Plötzlich fing sie an, ganz leise zu singen, wie sie das zuweilen tat. Ich sah auf meine Uhr, es war zwei. Mein Herz hämmerte. Ich erhob mich und schlich mich zu ihr. An den Fenstern standen viele Geranienstöcke, und die Sonne schien grell herein. Ich setzte mich still neben sie auf den Boden. Sie erschrak zuerst unglaublich, fuhr zusammen und sprang auf. Ich nahm ihre Hand und küßte sie sanft, drückte sie wieder auf das Bänkchen und sah ihr in die Augen. Daß ich ihre Hand geküßt hatte, bereitete ihr einen kindlichen Spaß, der aber nur einen Augenblick währte, dann sprang sie wieder hastig auf in einer solchen Angst, daß ihr Gesicht zuckte. Mit vor Furcht unbeweglichen Augen starrte sie mich an, der Mund verzog sich zum Weinen, aber trotz allem schrie sie nicht. Ich küßte ihr wieder die Hand und nahm sie auf den Schoß. Sie stemmte sich gegen mich,  wollte aufstehen und lächelte wie aus Scham, aber es war ein unaufrichtiges Lächeln. Das Gesicht war schamrot. Wie betrunken flüsterte ich dauernd etwas zu ihr hin. Schließlich geschah etwas Sonderbares, das ich niemals vergessen werde und das mich in Erstaunen setzte: das Mädchen umhalste mich auf einmal und gab mir leidenschaftliche Küsse. Sein Gesicht war in Verzückung. Es fehlte nicht viel, so wäre ich aufgestanden und weggegangen — solch ein Mitleid enipfand ich plötzlich mit dem kleinen Geschöpf.

Als alles zu Ende war, war sie verwirrt. Ich versuchte es  nicht, sie zu täuschen, und liebkoste sie nicht mehr. Schüchtern lächelnd sah sie mich an. Ihr Gesicht erschien mir  plötzlich dumm. Ihre Verwirrung stieg von Augenblick zu  Augenblick. Schließlich bedeckte sie das Gesicht mit den  Händen und stellte sich unbeweglich, mit dem Gesicht zur Wand, in eine Ecke. Ich fürchtete, daß sie wieder, wie vorhin, erschrecken würde, und entfernte mich schweigend. - Dostojewski, Die Dämonen.

Kind (6) Nein, Kinder gehören nicht zu ihren Eltern. Sie wollen zuinnerst ohne ihre Eltern leben. Diese haben einem Kind nichts zu erzählen; sie sind für ein Kind nicht die richtigen. Es gibt keine Sehnsucht nach Vater oder Mutter. Die Kinder wollen die Eltern erst, wenn es diese nicht mehr gibt  - (bleist)

Kinder (7)  beginnen unter sich mit der Volksherrschaft, jeder ist Herr und Meister; aber sie kommen, wie es natürlich ist, nicht lange damit zurecht und gehen zur monarchischen Form über: einer zeichnet sich aus, durch größere Lebhaftigkeit oder Körperkraft oder genauere Kenntnis der verschiedenen Spiele und kleinen Gesetze, die ein Spiel bestimmen; die andern fügen sich ihm, und so bildet sich eine unumschränkte Herrschaft, die nur um das Vergnügen kreist.  - (bru)

Kind (8)   Nirgends ist das Kind so wahrhaft kindlich, nirgends steht es für die unverdorbene Form der Schlichtheit so haargenau ein wie darin, daß es alles, selbst die komplizierten Dinge, mit schlichtem Vergnügen gewahrt. Die falsche Art von Natürlichkeit reitet ständig auf dem Unterschied zwischen dem Natürlichen und dem Künstlichen herum. Die höhere Art von Natürlichkeit weiß von dieser Unterscheidung nichts. Für das Kind sind der Baum und der Laternenpfahl einer so natürlich und so künstlich wie der andere; oder vielmehr ist keiner von beiden natürlich, sondern beide sind übernatürlich. Denn beide sind großartig und geheimnisvoll. Die Blüte, mit der Gott den einen krönt, und die Flamme, mit der Hans, der Lampenputzer, den anderen krönt, erstrahlen gleichermaßen in märchenhaftem Glanz. Mitten in der wildesten Natur spielt das bäuerlichste Kind garantiert Lokomotive. Und der einzige spirituelle oder philosophische Einwand gegen Lokomotiven besteht nicht etwa darin, daß Menschen für sie bezahlen oder an ihnen arbeiten oder sie extrem häßlich machen oder auch, daß Menschen durch sie zu Tode kommen, sondern schlicht darin, daß sie kein Spielzeug für Menschen sind. Das Schlimme ist, daß die kindliche Poesie des Mechanischen nicht von Dauer ist. Der Fehler liegt nicht darin, daß Maschinen zu sehr bewundert werden, sondern darin, daß sie nicht genug bewundert werden. Die Sünde besteht nicht darin, daß Maschinen mechanisch, sondern daß die Menschen mechanistisch sind. - Gilbert Keith Chesterton, Ketzer. Eine Verteidigung der Orthodoxie gegen ihre Verächter. Frankfurt am Main 2004 (it 3023, zuerst 1905)

Kind (9)  Das Kind ist Unschuld und Vergessen, ein Wiederbeginn, ein Spiel, ein Rad, das von selbst rollt, eine erste Bewegung, die heilige Gabe, ja zu sagen. - Friedrich Nietzsche, nach: Albert Camus, Der Mensch in der Revolte. Reinbek bei Hamburg  1969 (zuerst 1951)

Kind (10)  Kinder sind trotzig, hochmütig, jähzornig, neidisch, neugierig, selbstsüchtig, träge, leichtsinnig, schüchtern, unmäßig, lügnerisch, zur Verstellung geneigt; sie lachen und weinen leicht; Kleinigkeiten versetzen sie in maßlose Freude und bittere Betrübnis; sie wollen nicht, daß man ihnen Böses antue, fügen es aber gerne andern zu: es sind eben schon Menschen.   - (bru)

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