Kimmerier

Jene sandte vom Ufer dem blaugeschnäbelten Schiffe
Günstigen segelschwellenden Wind zum guten Begleiter,
Kirke, die schöngelockte, die hehre melodisdie Göttin.
Eilig brachten wir jetzt die Geräte des Schiffes in Ordnung,
Saßen dann still und ließen vom Wind und Steuer uns lenken.
Und wir durchschifften den Tag mit vollem Segel die Wasser,
Und die Sonne sank, und Dunkel umhüllte die Pfade.

Jetzo erreichten wir des tiefen Ozeans Ende.
Allda liegt das Land und die Stadt der kimmerischen Männer,
Diese tappen beständig in Nacht und Nebel; und niemals
Schauet strahlend auf sie der Gott der leuchtenden Sonne,
Weder wenn er die Bahn des sternichten Himmels hinansteigt,
Noch wenn er wieder hinab vom Himmel zur Erde sich wendet:
Sondern schreckliche Nacht umhüllt die elenden Menschen.

- Homer, Odyssee   (Übs. Johann Heinrich Voß)

Kimmerier (2) Die Kimmerier gehen auf die Jagd, ernten Früchte und bebauen Felder; und wir wissen, daß die Pflanzen, die dabei wachsen, wie die Tiere, von denen sie sich nähren, nicht welk und kärglich sind, nicht unter dem Sonnenmangel leiden, sondern nur Formen und Farben annehmen, die uns seltsam und abstoßend erscheinen: grün die Eingeweide der Tiere, grau das Laub, rot wie altes Blut das Gras. Trotzdem sind Tiere und Gras für uns nicht giftig, aber ihr Geschmack widert uns an oder vielleicht hat, wenn ich so sagen darf, dieses Anwidernde genau das, was wir unter Geschmack verstehen, doch als geschmacklos und somit als gleichgültig kann man sie nicht bezeichnen. Was man von den Menschen weiß, erscheint nun schon vollständig, besonders wenn man die wenigen und zweitrangigen Aufzeichnungen überprüft haben wird, die im folgenden zu lesen sind. Von ihrer Unfähigkeit, sich dem Leben in Gegenden wie den unseren anzupassen, wußte man bereits; wenn sie mit der Sonne in Berührung kommen, werden sie welk und erkranken in kurzer Zeit an einer Seuche, die wir nicht zu heilen vermögen, und sterben. Ihre Augen sind unvollkommen oder eher geeignet, unter Bedingungen besser zu leben, die uns unnatürlich erscheinen; anderswo sind sie zu nichts nütze. Ihre spitzen, beweglichen Ohren sind fein ausgebildet; aber mit dem Gehörsinn verbunden ist bei jenen Wesen eine Art geheime, ununterbrochene Alarmbereitschaft; beinahe als wären sie es gewohnt, in einer Welt voll verborgener Herausforderungen zu leben; obwohl sie, von uns befragt, erwiderten, in ihrem Land hausten weder wilde noch hinterlistige Tiere; diese fortwährende Beunruhigung, die allerdings ziemlich friedlich und still ist, schreiben wir ihrer vollkommen nächtlichen Lebenslage zu.  - Giorgio Manganelli, Kometinnen und andere Abschweifungen. Berlin 1997 (zuerst 1996)

Völkerschaften, exotische Land-kimmerisches

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VB
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