ergnügen
Vor den Zugängen der Grenouillère wandelten Spaziergänger
die Menge unter den riesigen Bäumen, die diesen Teil der Insel zum köstlichsten
Park der Welt machen. Frauen, Dirnen mit blondierten Haaren, unmäßig ausladenden
Brüsten, überhöhtem Steiß, mit gipsern geschminktem
Teint, schwarz gepinselten Augen, blutroten Lippen, geschnürt, in ausgefallene
Kleider gezwängt, schleiften den üblen Marktschreiergeschmack ihrer Toiletten
über den jungen Rasen, während junge Leute wie auf Modekupfern ausstaffiert
neben ihnen herschwänzelten, mit hellen Handschuhen, Lackstiefeln, fadendünnen
Spazierstöckchen und Monokeln, die der Dummheit ihres Lächelns den Punkt aufsetzten.
Die Insel ist genau an der Grenouillère ziemlich schmal, und auf der andern Seite, wo auch eine Fähre geht, die ohne Unterlaß die Leute von Croissy übersetzt, fließt der schnelle Arm voller Strudel, Gegenströmungen und Schaum wie ein reißender Strom. Eine Abteilung Pioniere in Artillerieuniform hat auf jenem Ufer ihr Lager, und die Soldaten saßen auf einem Balken in langer Reihe und schauten dem Wasser zu.
In dem schwimmenden Restaurant herrschte ein hitziges, lautstarkes Gewühle. Die Holztische, wo verschüttete Getränke dünne klebrige Bäche bildeten, waren mit halbleeren Gläsern vollgestellt und von halb betrunkenen Gästen besetzt. Alles schrie, sang, krakeelte. Die Männer, den Hut im Nacken, mit gerötetem Gesicht und funkelnden Säuferaugen, fuchtelten und grölten aus dem animalischen Bedürfnis, Krach zu machen. Die Frauen, auf eine Beute für den Abend lauernd, ließen sich einstweilen zu trinken spendieren, und in dem freien Raum zwischen den Tischen überwog das übliche Publikum des Ortes, ein Bataillon radaulustiger Ruderer mit ihren Mädchen in kurzem Flanellrock.
Einer davon tobte sich am Piano aus und schien mit Händen und Füßen zu spielen; vier Paare hopsten eine Quadrille; und junge Leute schauten ihnen zu, elegante, korrekte Gestalten, untadelig scheinbar, hätte der Pferdefuß nicht hervorgesehen.
Denn dort riecht man mit vollen Nüstern den ganzen Abschaum der Welt, das ganze distinguierte Pack, den ganzen Schimmel der Pariser Gesellschaft: eine Mischung aus Modehändlern, Schmierenschauspielern, drittrangigen Journalisten, Adligen unter Kuratel, undurchsichtigen Börsenspekulanten, anrüchigen Boulevardiers, verkommenen alten Lebemännern; ein verdächtiges Sammelsurium aller schrägen Existenzen, halb bekannt, halb verloren, halb geachtet, halb entehrt, Gauner, Schufte, Zuhälter, Glücksritter mit würdiger Haltung, großtuerischer Miene, die zu sagen scheint: Den ersten, der mich Lump nennt, erschlage ich.
Dieser Ort schwitzt Dummheit
aus, stinkt nach Gemeinheit
und feiler Galanterie. Männchen und Weibchen
sind einander wert. Es kursiert ein Geruch von Liebe, und man schlägt sich wegen
nichts, um einen wurmstichigen Ruf aufrechtzuerhalten, der unter Säbelhieben
und Pistolenkugeln zu Bruch geht. - (
nov
)
Vergnügen (2) Das Vergnügen, das der
Wein bewirkt, steigt immer schnell an, führt zur Krisis
und nimmt dann genauso schnell wieder ab, während das vom Opium bewirkte Vergnügen,
wenn es einmal erzeugt ist, acht oder zehn Stunden lang stetig bleibt; um eine
in der Medizin übliche Unterscheidung zu verwenden, ist das erste Vergnügen
akuter, das zweite chronischer Natur; ist das eine eine flackernde Flamme, das
andere ein beständiges und gleichmäßiges Glühen. Doch der Hauptunterschied liegt
im folgenden: Während Wein die geistigen Fähigkeiten in Unordnung bringt, stellt
Opium (wenn es in richtiger Weise genommen wird) dagegen die hervorragendste
Ordnung, Gesetzgebung und Harmonie unter ihnen her.
Wein beraubt den Menschen seiner Selbstbeherrschung; Opium erhält und verstärkt
sie. Wein vermindert die Urteilsfähigkeit und verleiht der Verachtung und der
Bewunderung, der Liebe und dem Haß des Trinkers einen übernatürlichen Glanz
und eine lebhafte Begeisterung; Opium vermittelt dagegen allen Fähigkeiten,
seien sie aktiv oder passiv, Gelassenheit und Gleichgewicht; und was das Temperament
und die moralischen Gefühle allgemein anbetrifft, so bewirkt es einfach jene
lebendige Wärme, die durch den Verstand bestätigt wird und die wahrscheinlich
immer eine körperliche Konstitution von urzeitlicher oder vorsintflutlicher
Gesundheit begleitet hätte. - Thomas de Quincey, Bekenntnisse eines
englischen Opiumessers. Leipzig 1981 (Gustav Kiepenheuer Bücherei 32, zuerst
1822)
Vergnügen (3) die Japaner kraxeln
auf die heurigentische schwenken krüge mit schlechtem bier
und denken an das hofbräuhaus in monaco di baviera das ist lausig lausiger am
lausigsten aber vielleicht ist das so weil ich eben kein grinzinger bin sondern
breitenseer und zwischen diesen beiden dörfern liegen
etwa sieben berge und das ist zu fuß ein ungeheurer hatscher und aus diesem
grund war ich auch erst mit vierzig zum erstenmal beim heurigen gefallen hats
mir nicht besonders und auf dem heimweg kotzte ich durch das schnell heruntergekurbelte
taxifenster der taxler war nicht sehr glücklich darüber aber ich sagte ihm seins
froh daß ich net in das taxi gespieben hab und er sagte daß ich da eigentlich
recht habe aber andrerseits müßte ein jeder erwachsene mensch wissen wann er
genug hat und da hatte ich auch genug und stieg vor der zeit aus und ging ins
café auf dem yppenmarkt das um vier uhr morgens aufsperrt und trank einen espresso
und ein paar kontuszowka und ließ mir vom harmonikaspieler goodbye johnny vorspielen
und inzwischen war die sonne über der josefstadt aufgestiegen und ich hatte
kein geld mehr und mußte in einer affenhitze via thaliastraße panikengasse über
die schmelz nach breitensee wie man aus dieser blöden geschichte ersehen kann
habe ich mit dieser art wiener vergnügen schon von allem anbeginn keine glückliche
hand gehabt es endete stets mit schädelweh verknitterten kleidern und einem
geschmack im mund als hätte einem die micky maus ihre große not hineinverrichtet
und wer nicht wissen sollte was die große not ist dem sage ich dazu daß das
südsteirisch ist und soviel bedeutet wie na sie wissen schon was
- H.
C. Artmann, Nachrichten aus Nord und Süd. München 1981 (dtv 6317, zuerst
1978)
Vergnügen (4) Die Traumstädter siedelten nach und nach auf die freien Grundstücke über. Auf den Tomassevicfeldern, den großen Bauplätzen beim Friedhof, kampierten die besseren Leute. Hier war ein Zeltlager errichtet, welches sich bis gegen das Flußufer erstreckte. Gewiß, in den stickigen Nebeln und auf dem feuchten Lehmboden war es schlecht zu nächtigen, aber man verlor nicht gleich seine Laune deshalb, und abends hei den Feuern ging es oft recht vergnügt zu.
Es wurde getanzt, geplaudert, manche fingen Fische. Diese mußten
meist halb roh verschlungen werden, weil sie gleich nach dem Töten einen Fäulnisgeschmack
bekamen. In der Stadt blieb des Nachts nur Gesindel, das seine Beute suchte.
Der Verkehr am Tage in den Straßen war mit größter Vorsicht noch möglich, es
wurden aber viele Menschen von zusammenbrechenden Mauem verletzt. - Alfred Kubin,
Die Andere Seite. München 1975 (zuerst 1909)
Vergnügen (5) Mit der Sinnlichkeit
wuchsen in ihm Grausamkeit, Zerstörungslust und jede feindselige Gewalt, und
kam noch gekränkte Eitelkeit hinzu, konnte er sich dann so bösartig benehmen
wie jenem armen Mädchen gegenüber, das ihn, um einen begüterten Mann zu heiraten,
verlassen und in der Ehe kein Glück gefunden hatte; obgleich er sie zu einer
Zeit wiedersah, wo er selbst das schönste Liebesglück seines Lebens genoß, ruhte
er nicht, bis er ihr die Größe ihres Elends recht zum Bewußtsein gebracht hatte
und sie in Tränen ausbrach, worauf er sich zufrieden und so recht im Innern
vergnügt zurückzog. - Ricarda Huch, Die Romantik. Tübingen 1951 (zuerst 1902)
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