erstörung   Die Zerstörung ist eines der Grundgesetze der Natur, und nichts, was zerstört, kann Verbrechen sein.

Wie könnte eine Handlung, die der Natur so sehr dient, ihr zuwiderlaufen? Im übrigen ist diese Zerstörung, deren der Mensch sich rühmt, nur ein Hirngespinst.

Mord ist keine Zerstörung. Wer einen Mord begeht, wandelt nur Formen ab. Er gibt der Natur Bestandteile zurück, deren die Hand der Natur sich geschickt bedient, um andere Wesen zu ergänzen. Und da Schöpfen immer eine Lust für den Schöpfer ist, verschafft der Mörder also der Natur eine Lust. Er gibt ihr Rohstoffe, die sie sofort verwendet. Und diese Handlung, die Narren zu tadeln sich nicht entblöden, wird zum Verdienst in den Augen der allesbewegenden Kraft.

Nur unser Stolz maßt sich an, den Mord zum Verbrechen zu erheben. Da wir uns für die höchsten Geschöpfe des Universums halten, haben wir uns törichterweise eingebildet, jede Verletzung, die dieses erhabene Geschöpf erdulde, wäre notwendig ein ungeheures Verbrechen; wir haben geglaubt, die Natur gehe zugrunde, wenn unsere vortreffliche Gattung von dieser Erdkugel verschwände, während doch die völlige Vernichtung dieser Gattung der Natur das schöpferische Vermögen wiedergäbe, das sie uns überließ; sie erhielte somit eine Kraft zurück, die wir ihr nehmen, indem wir uns fortpflanzen.

Und welche Inkonsequenz, Eugenie! Was denn! Ein ehrgeiziger Herrscher mag nach Belieben und ohne die geringsten Bedenken die Feinde vernichten, die seinem Streben nach Größe im Wege stehen... Ebenso dürften grausame, willkürliche und diktatorische Gesetze in jedem Jahrhundert Millionen von Menschen umbringen, und wir schwachen und unglücklichen Individuen sollten nicht ein einziges Wesen unserer Rachsucht oder unseren Launen opfern dürfen? Gibt es etwas Unmenschlicheres und Lachhafteres, und sollten wir uns nicht unter dem Deckmantel des tiefsten Geheimnisses vollauf für diese Abgeschmacktheit rächen? - Marquis de Sade, Die Philosophie im Boudoir. Ungekürzte Studienausgabe, zur Erziehung junger Damen bestimmt. Gifkendorf 1989 (zuerst ca. 1789)r

Zerstörung (2)  Die Natur erneuert sich durch die Zerstörung, sie besteht fort durch den Tod, und eine durchaus tugendhafte Welt könnte keinen Augenblick bestehen, das ist das tiefbegründete Gleichgewicht, das den Lauf der Welt beherrscht ... Nur durch das "Böse" gelangt die Natur dazu, Gutes zu tun. - Marquis de Sade

Zerstörung (3) Im dichten Gestrüpp hinter der Düne, inmitten üppiger Schilfgürtel, erbeutete ich auf meinem gewöhnlichen Gange ein Bild: das große Blatt einer Zitterpappel, in ein die kreisrundes Loch gebrochen war. Vom Rande dieses Ausschnittes schien ein dunkelgrüner Fransensaum herabzuhängen, der sich bei näherer Betrachtung als ein aus einer Reihe von winzigen Raupen bestehendes Gebilde entpuppte, die sich mit ihren Kiefern an das Blattmark klammerten. Es mußte hier vor kurzem ein Schmetterlingsgelege ausgekrochen sein; die junge Brut hatte sich wie ein Feuerbrand auf ihrem Nährboden ausgedehnt.

Das Seltene dieses Anblickes bestand in der Schmerzlosigkeit der Zerstörung, die er vorspiegelte. So machten die Fransen den Eindruck herabhängender Fasern des Blattes selbst, dem gar nichts an Substanz verlorengegangen schien. Hier war so augenscheinlich, wie die doppelte Buchführurig des Lebens sich abgleicht; ich mußte an den Trost Condés denken, den er dem über die sechstausend Gefallenen der Schlacht bei Freiburg weinenden Mazarin spendete: »Bah, eine einzige Nacht in Paris gibt mehr Menschen das Leben, als diese Aktion gekostet hat.« Diese Haltung der Schlachtenführer, die hinter der Verbrennung die Veränderung sieht hat mich von jeher ergriffen, als Zeichen hoher Lebensgesundheit, die den blutigen Schnitt nicht scheut. So empfinde ich Vergnügen bei dem Gedanken an das für Chateaubriand so ärgerliche Wort von der consomption forte, vom starken Verzehr, das Napoleon zuweilen in jenen für den Feldherrn untätigen Augenblicken der Schlacht zu murmeln pflegte, in denen alle Reserven auf dem Marsche sind, während die Front unter dem Angriff von Reitergeschwadern und dem Beschuß der vorgezogenen Artillerie wie unter einer Brandung von Stahl und Feuer zerschmilzt.

Das sind Worte, die man nicht missen möchte, Fetzen von Selbstgesprächen an Schmelzöfen, die glühen und zittern, während im rauchenden Blute der Geist in die Essenz eines neuen Jahrhunderts überdestilliert.

Dieser Sprache liegt Vertrauen auf das Leben zugrunde, das leere Räume nicht kennt. Der Anblick seiner Fülle läßt uns das geheime Zeichen des Schmerzes vergessen, das die beiden Seiten der Gleichung trennt - wie hier die nagende Arbeit der Kiefern Raupe und Blatt. - (ej2)

Zerstörung (4)  Stundenlang ging ich am Stadtrand entlang, von einem »terrain vague« zum anderen. Selbst die Dinge da waren verlassen. Dann kam ich zu einer Telefonzelle, so einsam und zugleich so anheimelnd, daß ich von ihr aus sofort jemanden anrufen wollte. Neben der Zelle stand ein aufgegebenes Auto, an dessen Antenne noch in Fetzen die rosa Hochzeitsschleifen hingen, und endlich einmal hatte ich eine klare politische Vorstellung: die Zerstörung der Welt, die endgültige Zerstörung, als Lösung (aber Vorsicht: das kann wohl manchmal ein Ausruf sein, nie aber ein Aufruf) - (bleist)

Zerstörung (5)  Wenn in Europa eine Stadt modernisiert wird, bleiben doch noch Merkmale ihrer Vergangenheit zurück. In Amerika werden solche Reste vom Neuen ausgemerzt, aus dem Bewußtsein gefegt, zertrampelt, ausgerottet und zunichte gemacht. Das Neue frißt sich wie eine Motte von Tag zu Tag weiter in das Gewebe des Lebens und läßt nichts als ein großes Loch zurück. Stanley und ich wanderten durch dieses entsetzliche Loch. Nicht einmal ein Krieg verursacht eine solche Verwüstung und Zerstörung. Ein Krieg kann eine Stadt in Schutt und Asche legen und die ganze Bevölkerung ausrotten, und doch ähnelt, was nachher wieder entsteht, dem Alten. Der Tod ist fruchtbringend, sowohl für den Boden wie für den Geist. In Amerika ist die Zerstörung vollkommen, vernichtend. Es gibt keine Wiedergeburt, nur ein krebsartiges Wachstum, Schicht um Schicht eines neuen, giftigen Gewebes, eine häßlicher als die andere. - Henry Miller, Wendekreis des Steinbocks. Reinbek bei Hamburg 1972 (zuerst 1939)

Zerstörung (6)  

Völlige Zerstörung

Es war ein eisiger Tag.
Wir begruben die Katze
nahmen dann ihren Korb
und hielten das Zündholz dran im Hinterhof.
Was an Flöhen entkam
der Erde und dem Feuer
starb an der Kälte.

- William Carlos Williams, nach (mus)

Zerstörung (7)  

"Destruction"

- Carlos Schwabe, Illustration zu Baudelaires "Blumen des Bösen"

Geschehen Gewalt Verschwinden
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Unterbegriffe
? {?}
VB
Todesart
Synonyme