Europa (2)
- N.N.,
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(?)
Europa
(3) Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das, was die denaturierten
europäischen Gehirne in ihren Berufsübungen, Interessenverbänden, Sippenzusammenrottungen,
Sommerausflügen und sogenannten Festen an Lebensinhalt realisieren, das Platteste
an Konvention und Verbrauchtheit darstellt, das die geschichtliche Überlieferung
kennt, die wenigen elementaren Verbrechen, die ein Jahrzehnt etwa mit sich bringt,
genügen nicht, um den Glauben an einen moralischen Besitz der Rasse wachzuerhalten.
- Gottfried Benn, Provoziertes Leben (entst. 1943)
Europa (4)
Europa
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Europa
(6) Die sorglose Unterhaltung wandte sich zunächst
den Leiden der Welt zu. Eigentlich war es keine Sorglosigkeit, vielmehr
ein Wegschieben der Verantwortung, denn die jahrhundelange Sendung
Europas war vergangen, und diese Diplomierten von Nanterre und von der
École Superieure begriffen das besser als ihre Landsleute. Europa hatte
die Krise nur wirtschaftlich überstanden. Die Prosperity war
zurückgekehrt, aber ohne ein gutes Selbstgefühl. Es handelte sich hier
nicht um die Angst des am Krebs Operierten vor den Metastasen, sondern
um das Wissen, daß der Geist der Geschichte fortgegangen sei, und wenn
er wiederkäme, dann gewiß nicht hierher. Frankreich vermochte nichts,
darum konnten sie sich ungezwungen mit den Leiden der Welt beschäftigen,
sie waren ja von der Bühne in den Zuschauerraum gestiegen. MacLuhans
Prophezeihungen erfüllen sich, aber umgekehrt, wie das mit
Prophezeihungen zu sein pflegt. Es entsteht sein globales Dorf, aber
halbiert. Die ärmere Hälfte leidet, die reichere aber importiert diese
Leiden durch das Fernsehen und bemitleidet die andere von ferne. Man
weiß schon, daß es so nicht weitergehen kann, aber es ist immer noch
so. - Stanislaw Lem, Der Schnupfen. Frankfurt am Main 1979
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