elbstgespräch   Laut vor sich hin zu reden, hatte von jeher zu Dr. Johnsons Eigenheiten gehört. Ich bin überzeugt, daß es oft fromme Sprüche waren, was er bei solcher Gelegenheit hervorstieß; Stellen aus dem Vaterunser hat man nämlich deutlich erkannt. Wenn er zum Beispiel vor sich hin brabbelte: «führe uns nicht in Versuchung», pflegte Thomas Davies seiner hübschen Frau verschmitzt zuzuraunen: «Da bist du dran schuld, meine Liebe.»  - (johns)

Selbstgespräch (2)  Mein Leiden wohnt nicht im Gehirn. Es nistet im Körper und darüber hinaus in der Gesellschaft - ich kranke an ihr. Erst wenn ich mich von ihr abgesondert habe, kann ich eingreifen. Vielleicht hilft sie dazu, indem sie mich aussondert. Möglich ist, daß man mich bald internieren wird. Noch bin ich, selbst Bertha gegenüber, vorsichtig. Ich muß auch auf meine Selbstgespräche achten - als ich neulich sagte: »Ich will aber in ein Gefängnis, nicht in ein Sanatorium«, hat sie doch einen Augenblick gestutzt.  - Ernst Jünger, Aladins Problem. Stuttgart 1983

Selbstgespräch (3)  Wenn er Selbstgespräche führt redet er nicht mit sich sondern macht sich einem imaginären Zuhörer verständlich.

Übermäßiger Sinn für Geselligkeit oder mangelnder? Er würde eher zum zweiten neigen. - (rp)

Selbstgespräch (3) Vielleicht sind die Mollusken nicht neurotisch, aber von da an aufwärts braucht man nur genau hinzusehen; ich jedenfalls habe neurotische Hennen, neurotische Würmer und ungeheuer neurotische Hunde gesehen; es gibt Bäume und Blumen, welche die Psychiatrie der Zukunft psychosomatisch behandeln wird, denn ihre Formen und Farben sind für uns schon heute echt krankhaft. Niemand wird sich da über meine Gleichgültigkeit wundern, als ich mich beim Duschen, mit sichtlichem Vergnügen an der Zurechtweisung, im Geiste sagen hörte: Now shut up, you distasteful Adbekunkus.

Während ich mich einseifte, kehrte die Ermahnung rhythmisch wieder, ohne die geringste bewußte Analyse meinerseits, fast so, als gehörte sie zum Badeschwamm. Erst zum Schluß, zwischen dem Kölnischwasser und der Unterwäsche, interessierte ich mich für mich selbst und damit für Adbekunkus, dem ich eine halbe Stunde lang derart nachdrücklich zu schweigen befohlen hatte. Einen guten Teil der Nacht lag ich schlaflos und beschäftigte mich mit dieser leicht neurotischen Manifestation, diesem harmlosen, aber hartnäckigen Refrain, der nun dem Schlaf Widerstand leistete; ich begann mich zu fragen, wo dieser Adbekunkus unablässig reden mochte, daß etwas in mir, das ihn hörte, ihn peremptorisch und auf englisch zu schweigen befahl.

Die Hypothese des Phantastischen verwarf ich als zu simpel: es gab nichts und niemand, der Adbekunkus hieß und redselig und lästig war. Daß es sich um einen Eigennamen handelte, daran zweifelte ich keinen Augenblick; es kommt vor, daß man bei manchen Klanggebilden einen großen Anfangsbuchstaben sieht. Ich weiß, daß ich ziemlich begabt bin, Worte zu erfinden, die bar jedes Sinnes zu sein scheinen oder es wirklich sind, bis ich ihnen auf meine Weise einen einhauche, aber ich glaube nicht, je einen so widerwärtigen, grotesken und unakzeptierbaren Namen wie Adbekunkus ersonnen zu haben. Der Name eines untergeordneten Teufels, eines armseligen Adlatus, einer der vielen, welche die Zauberbücher anführen; ein Name, ebenso widerwärtig wie derjenige, der ihn trägt: distasteful Adbekunkus. Aber die Analyse des bloßen Gefühlseindrucks führte zu nichts; und auch die analogische Untersuchung, die mnemonischen Echos, alle Rückgriffe auf Assoziationen brachten kein Ergebnis. Ich fand mich schließlich damit ab, daß Adbekunkus mit keinem Element des Bewußtseins in Verbindung zu bringen war; das Neurotische schien gerade darin zu liegen, daß der Satz etwas oder jemanden schweigen hieß, der eine völlige Leere war. Wie oft evoziert ein Name, der aus irgendeiner Distraktion auftaucht, am Ende das Bild eines Tiers oder eines Menschen; diesmal nicht, ich mußte Adbekunkus zum Schweigen bringen, aber er würde nie schweigen können, da er nie geredet oder geschrien hatte. Wie gegen diese Konkretion der Leere ankämpfen? Als ich einschlief, war ich ein wenig wie er, leer und abwesend.  -  Julio Cortázar, Ende der Etappe. Die Erzählungen Bd. 4. Frankfurt am Main 1998

Selbstgespräch (4)   Das Meskalin erzeugt. vor allem einen Ozean von Bewegungen . . . und auch einen Ozean von Selbstgesprächen. Es ist ganz verrückt, wie voller Selbstgespräche ich bin: Parolen, die ich mir gebe, Überlegungen für mich allein, Ermutigungen, die ich mir überreichlich spende, Pläne für die Zukunft, Kehrtwendungen, Rückblicke und ungeheuer viele kleine Erklärungen, Erläuterungen im Detail, die ich mir unaufhörlich liefere. Jede Viertelminute gebe ich mir im Selbstgespräch eine Auskunft (oder trage mir eine Schlußfolgerung vor). Nicht zum Schreiben bestimmt, nur zur Lenkung meines eigenen Verhaltens. Wie wahr das wäre, ein Theater nur für Selbstgespräche. Gegenwärtig ist es das meine. (Es kommt mir nicht gleich in den Sinn, daß ich vielleicht auch im gewöhnlichen Leben ein solcher »Mann der Monologe« bin, und daß ihre beschleunigte Folge und eine gewisse Verstärkung vielleicht den einzigen Unterschied bilden.)   - Henri Michaux, Turbulenz im Unendlichen. Die Wirkungen des Meskalins. Frankfurt am Main 1971

Selbstgespräch (5)  Mit sich sprechen. Es geschieht nicht selten, daß mit sich selbst sprechen ein Sprechen gegen einen bestimmten Anderen ist, der manchmal sogar klar ins Auge gefaßt wird. Diskussion und Kontroverse entsteht bruchstückhaft und immer ungleich.

Diese seltsame, unmittelbare Funktionsweise des Zu-sich-Sprechens ist das Zeugnis dafür, wie grob unsere Vorstellung vom Ich ist, wie unbefriedigend die »psychologischen« Notierungen sind. Wie kann ES SICH etwas sagen? Und wer ist überhaupt ICH, das des Sprechers oder des Hörers? das der Quelle oder das des Trinkenden? —Welche Beziehung zwischen diesen Gliedern des Augenblicks? Ist dies der Dialog zwischen dem Spontanen und dem Überlegten? Zwischen meinem Unvorhergesehenen und meiner Voraussicht?

Rolle der Reaktionszeit.

Da nun einmal ICH mit MIR spricht, ist es wohl so, daß ICH etwas weiß, was MIR nicht weiß. Es liegt ein Unterschied des internen Zustands vor. So geschieht es, daß MIR das vermutet, was ICH klarstellt — artikuliert. Es gibt dabei Gegensätzlichkeit und Komplementarität.

Bisweilen kommt es vor: wenn MIR wartet, bringt es im ICH sein Warten zur Sprache. Unsere inneren Personen haben jede für sich nur einen Mund und ein Ohr — jedoch mehr als eine Sprache.   - (pval2)

Selbstgespräch (6)  Elise entwirft mein Porträt: «Tag und Nacht redest du mit dir selbst, sogar vor den Leuten. Man versteht nicht immer, was du sagst, aber das ist dir gleich. Deine Lippen bewegen sich, und dein Gesicht redet mit sich selber in fast unverschämten Ausdrücken - unverschämt für die anderen, vor allem für mich, so sehr scheint dieses Beiseitesprechen uns für nichts zu achten, uns von allem Wesentlichen fernzuhalten.»  - Marcel Jouhandeau, Elise. Reinbek bei Hamburg 1968 (zuerst 1933 ff.)

Selbstbewußtsein Gespräch Selbst
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VB
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