Schlafzimmer Wenn ihr des Abends die Fensterläden in eurer Dame Schlafzimmer zumachet: so lasset die Fenster selbst offen, um frische Luft herein zu bringen, damit es gegen Morgen nicht so sauer in der Kammer rieche. - (swi)

Schlafzimmer (2) Schweigen antwortete mir. Im dunklen Schlafzimmer sah ich nichts. War er vielleicht eingeschlafen?

Ich tastete nach dem elektrischen Schalter und drehte ihn um. Das Aufblitzen des Lichts floß zusammen mit einem Schreckensschrei aus meiner Brust.

Auf dem in die Mitte des Zimmers gerückten Stuhl erblickte ich eine gallertartige Menschenfigur, die in Gestalt und Gesichtskonturen an Stoslawski erinnerte. Er war durchsichtig; ich sah, wie sich die Möbel im Zimmer deutlich durch ihn hindurch abzeichneten ...

Meinen Augen nicht trauend, berührte ich ihn. Meine Hand stieß auf etwas, das nachgab wie eine dicke Flüssigkeit. Schnell zog ich meine Hand zurück; von meinen Fingern löste sich eine klebrige Masse wie Gelatine und tropfte träge auf den Fußboden.

Plötzlich wankte die Figur, die schleimartige Gestalt kippte auf merkwürdige Weise zur Seite und zerfiel. Aus der durchsichtigen Masse lösten sich einzelne Streifen wie nebelhafte Ringe, die emporstiegen, eine Zeitlang hin- und herschwangen und dann irgendwo im Raum verschwanden. Nach einigen Minuten war nichts übrig geblieben - der Stuhl war leer: Stoslawski hatte sich in nichts aufgelöst. - Stefan Grabinski, Das Abstellgleis. Frankfurt am Main 1971 (Insel, Bibliothek des Hauses Usher, zuerst 1953)

Schlafzimmer (3)  Im Schlafzimmer war mäßiges Licht und eine einzige der Mägde und die mehr und mehr erschreckte Agrippina, weil niemand vom Sohn und nicht einmal Agermus: Denn das Aussehen einer angenehmen Angelegenheit wäre ein anderes;  Nun gäbe es Einsamkeit und plötzlichen Lärm und Anzeichen von überaus Schlechtem.  Daraufhin, als die Magd wegging, sagte sie: "Auch du verläßt mich?" und blickte zu Anicetus, begleitet durch den Marineoffizier Herculeius und den Flottenkommandanten Obaritus. Und, falls er zum Sehen gekommen sei, solle er verkünden, daß sie erholt sei, wenn er gekommen sei, um eine Schandtat zu verüben, vermute sie nichts vom Sohn;   Muttermord wurde nicht befohlen.  Die Mörder umgaben das Bett und der Flottenkommandant schlug zuerst mit dem Beil auf ihren Kopf.  Schon dem Todesstoß das Eisen ziehenden Hauptmann den Bauch vorstreckend rief sie "Triff den Bauch!" und wurde durch viele Wunden niedergestreckt. - Tacitus, Annalen

Schlafzimmer (4)  »Es geht zu Ende. Vielleicht dauert es noch zwei bis drei Minuten. Wenn ich mich nicht sehr täusche, ist er mit Strychnin vergiftet worden.«

Er öffnete das Fenster, weil der Sterbende kaum noch Luft bekam. Und man sah - wie ein unwirkliches Bild - die Sonne, den Hafen, die Fischerboote mit ihren schlaffen Segeln und die Fischer, die aus Körben glänzende Fische schütteten.

Dagegen wirkte Joris' Gesicht noch gelber oder grüner. Die Farbe war schwer zu bestimmen.

Seine Glieder verkrampften sich. Trotzdem blieb sein Gesicht ruhig, und er starrte auf die Wand ihm gegenüber.

Der Arzt hielt eines seiner Handgelenke, um das Nachlassen des Pulses zu verfolgen. Nach einer kurzen Weile sagte sein Gesichtsausdruck Maigret:

»Es ist soweit...«

Und da geschah etwas Unerwartetes und Rührendes. War der Unglückliche wieder bei Verstand? Man sah nur ein lebloses Gesicht.

Aber dieses Gesicht belebte sich. Die Züge entspannten sich wie im Gesicht eines Kindes, das gleich in Tränen ausbricht. Der schmerzliche Ausdruck eines sehr unglücklichen Menschen, der nicht mehr kann.

Und zwei dicke Tränen rannen über die Wangen.

Fast im gleichen Augenblick sagte der Arzt mit matter Stimme:

»Es ist zu Ende.« - Georges Simenon, Maigret und der geheimnisvolle Kapitän. München 1971 (Heyne Simenon-Kriminalromane 97, zuerst 1931)

Schlafzimmer (5)  Wegen der schwachen Beheizung ist das ganze Leben im Hause auf mein Schlafzimmer konzentriert: die Meerkatze auf dem Heizkörper, die Hündin Miss auf ihrem Sofa; auf ihr liegen zwei oder drei Katzen. Der Hund Toto liegt am Fußende meines Bettes, drei oder vier Katzen liegen mit mir im Bett, ein oder zwei andere darauf, die Hündin Barbette ist in der Nebenkammer, deren Tür mit einem Gitter versperrt ist. Wenn irgendwelche Leute das sähen, würden sie - allen voran Marie Dormoy - rufen: «Daß man so leben kann!» Aber es ist wunderbar, es ist köstlich; ein ständiges Vergnügen: das Einvernehmen zwischen Katzen und Hunden, die Gesichter, die die Meerkatze macht, wenn sie das Treiben der einen und der anderen beobachtet und mit ihren kleinen Schreien auf sie einredet; manchmal nimmt sie die eine oder die andere Katze neben sich auf dem Heizkörper auf. - (leau)

Schlafzimmer (6)  Nach dem großen Salon durchquere ich weitere menschenleere Säle. Man könnte glauben, daß selbst die Domestiken verschwunden sind; und ich steige allein die Staatstreppe hinauf bis zu dem Zimmer, in dem die Hausherrin sich aufhält. Sie liegt in ihrem großen Säulenbett, betreut von nur einer eurasischen Dienerin, die neben ihr steht und sich bei meinem Eintritt lautlos entfernt. Ich frage Eva, wie lange sie geschlafen habe, ob sie sich heute abend besser fühle und was der Arzt meinte. Sie antwortet mir mit einem abwesenden Lächeln ihrer grauen Lippen. Dann wendet sie die Augen ab. Wir verharren so längere Zeit, ohne noch etwas zu sagen, sie hat die Augen auf den Plafond geheftet, ich bleibe am Kopfende des Betts stehen und versuche vergebens, den Blick von ihrem abgemagerten Gesicht zu wenden, von den Falten, die sich bilden, von dem weiß gewordenen Haar. Nach einiger Zeit - einer sehr langen Zeit wohl - fängt sie zu sprechen an, sagt, daß sie in Belleville, in der Nähe der Kirche geboren worden sei, daß sie weder Ava noch Eva heiße, sondern Jacqueline, daß sie keinen englischen Lord geheiratet habe, daß sie nie in China gewesen sei; das Luxusbordell in Hongkong sei nur eine Geschichte, die man ihr erzählt habe. Übrigens frage sie sich nun, ob es nicht vielmehr in Shanghai gewesen ist, ein riesiger Barockpalast mit Spielsälen, Prostituierten aller Art, Feinschmeckerrestaurants, Theatern zur Vorführung exotischer Stücke und Opiumhöhlen. Es hieß »Die große Welt« oder so ähnlich... Ihr Gesicht ist so leer, ihr Blick ist so abwesend, daß ich mich frage, ob sie noch voll bei Bewußtsein ist oder schon zu delirieren anfängt. Sie hat den Kopf in meine Richtung gedreht, und plötzlich scheint sie mich zum erstenmal zu bemerken; ihre Augen verweilen mißbilligend auf mir; ihr Gesicht drückt jetzt Strenge aus, so als ob sie mich mit Schrecken oder ungläubig oder mit Erstaunen entdeckte oder einen skandalösen Gegenstand in mir sähe. Doch ihre Augen beginnen unmerklich abzugleiten auf den Plafond zu, den sie nun wieder fixieren. Man hat ihr auch erzählt, daß es dort unten so wenig Fleisch und so viele Kinder gebe, daß man die kleinen Mädchen äße, die nicht schnell genug einen Beschützer oder einen Mann fänden. Aber Lady Ava glaubt nicht, daß diese Behauptungen wahr sind. »Das alles«, sagt sie, »sind Erfindungen von Reisenden.« - Alain Robbe-Grillet, Die blaue Villa in Hongkong. München 1969 (dtv 548, zuerst 1965)

Schlafzimmer (7)  „Na, Mado?" sagte ich.

Es war wirklich das Schlafzimmer. Hübsch, behaglich. An den Wänden eine Seidentapete, in der Luft ein teures Parfüm. Sehr erotisch. Vor den Fenstern hingen schwere rote Samtvorhänge. Eine Stehlampe in der Ecke und eine Nachttischlampe verbreiteten ein warmes Licht.

Ich hatte mich nicht geirrt. Vierzig Jahre oder nicht, sie war eine schöne Frau. Gewesen. Sie lag schräg auf dem Bett. Ihre gesamte Bekleidung bestand aus einem Uhrenarmband und einem bernsteinfarbenen Nylonstrumpf. Das Armband trug sie am Handgelenk, den Strumpf um den Hals. Wie der Wachmann eben machte der Sekundenzeiger auf dem Zifferblatt seine Runden. Das war aber auch das einzige, was sich an der Frau bewegte. -  Léo Malet, Wie steht mir Tod? Reinbek 1991 (rororo 12891, zuerst 1956)

Schlafzimmer (8)  Luanes Schlafzimmer erstreckte sich über die gesamte Vorderfront des Hauses, von wo man die Stadt überblicken konnte. Durch das riesige Aussichtsfenster konnte sie fast alles sehen, was sich in Manduwoc abspielte. Und den Gerüchten nach, die ich gehört - und sie in die Welt gesetzt - hatte, sah sie nicht nur alles, was vorging, sondern noch eine ganze Menge mehr, was nicht passierte.

Ihre Zimmertür stand offen. Ich ging hinein, setzte mich und versuchte, angesichts des ungelüfteten Zimmers die Nase nicht zu rümpfen - es stank nach kaltem Schweiß, Massagealkohol, Talkumpuder und Desinfektionsmitteln. In diesem Zimmer konnte Ralph nichts ausrichten. Luane hatte es Gott weiß wie lange nicht verlassen, und es war so vollgestopft, daß man sich kaum bewegen konnte.

An einer Wand stand ein riesiger Fernsehapparat. Gegenüber befand sich ein großes Radio, daneben eine ausgeklügelte Hi-Fi-Anlage. Sie wurden mittels eines Fernbedienungsgeräts auf dem Nachttisch gesteuert. Das Bett war fast ganz von Tischen und Ablagen umgeben, die unter der Last von zahllosen Illustrierten, Büchern, Pralinenschachteln, Zigarettenschachteln, Karaffen, einem Toaster, einer Kaffeekanne, Warmhaltegeschirr sowie vielen Kartons und Büchsen voller Lebensmittel fast zusammenbrachen. Weil sich Luane so mit allem Erdenklichen in Reichweite versorgt hatte, konnte sie sich während der vielen Stunden, die Ralph außerhalb des Hauses verbrachte, selbst versorgen. Ehrlich gesagt, war sie dazu ohnehin in der Lage - denn ihr fehlte absolut nichts. Das hatte ihr Hausarzt gesagt. Und der Spezialist aus der nächsten Großstadt, den ich ihr besorgt hatte, war der gleichen Meinung. Ihr Hausarzt »behandelte« sie nur, weil sie darauf bestand. Sie war kerngesund, abgesehen von ihrem Selbstmitleid und Egoismus, ihrer Bösartigkeit und ihrer Furcht. - (thom)

  Zimmer Schlafen
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