Nach dieser Wiedergeburt erwachte der Schamane in seiner Behausung.
- Alfred Stolz, Schamanen. Ekstase
und Jenseitssymbolik. Köln 1988 (dumont Taschenbücher 210)
Wiedergeburt
(2)
Meine
Wiedergeburt Wissen Sie, ich habe mir das immer so schön gedacht, und
da dürfen Sie nicht sagen, es ginge nicht. Es kommt sicherlich so, und
Sie können mich heute schon »Fräulein« nennen. Sehen Sie, früher, da bin
ich sicherlich einmal ein Hund gewesen, denn heute
noch habe ich für alle Hunde die regste Sympathie. Ich liebe sie, wie sie
in ihrer ganzen Gesinnung anständig sind, moralisch, offen, treu, ohne
Rachsucht, eben durchaus Charakter. Sehen
Sie, so war ich. Und wenn ich Hunde sehe, kann ich sie nicht in Ruhe lassen,
ich muß sie freundlich anbellen, meine alten Kollegen. Und da habe ich
mir einen Bell angewöhnt, den alle Hunde täuschend finden. Jeder bellt
entrüstet wieder, und manchmal wollen sie mich sogar in die Hose beißen.
Sehen Sie, und nun wurde ich Mensch, ja sogar Journalist. Das ist eine
ganz bösartige Sorte von Menschen ohne jede Spur von Charakter. Zwar sind
sie moralisch, aber nur in ihren Schriften, denn wir Journalisten kennen
auch das sogenannte Leben von der Schattenseite, besonders nachts, wenn
es keine Schatten mehr gibt. Dahingegen sind wir offen bis zur Gemeinheit,
wenn es gilt, die Untugenden der anderen bloßzustellen. Aber beruhigen
Sie sich, mein Herr, im Grunde schreiben wir Journalisten ja doch nur für
uns selbst. Das sind alles unsere eigenen abscheulichen Untugenden, die
wir geißeln. Und treu sind wir der Partei, die wir machen. Wenn einer von
uns bloß einmal einen Artikel schreibt, so gründet sich um ihn schon eine
Partei. Jawohl, wir kennen unseren inneren Wert als wie ich zum Beispiel.
Und rachsüchtig? Nein, das kommt bei uns nicht in Frage, überhaupt nicht
in Frage. Sehen Sie, wir sind wohl kritisch und unterscheiden da gut und
böse ohne persönliche Einstellung zu den Dingen. Und so bin ich schon auf
dem besten Wege zu engelreinem Wesen, und ich weiß
es ganz genau, das nächste Mal werde ich als Fräulein zur Welt kommen.
Dann sollen Sie aber erst was erleben! Und nun habe ich mir das schon so
schön gedacht, so furchtbar nett, daß ich fast keine Lust mehr habe, als
Journalist weiterzuleben. - Kurt Schwitters
(1926)
Wiedergeburt
(3) Während
die Tür geschlossen wurde, hörte ich die Studentin noch reden. »Winterschlaf!«
— sagte sie. »Vitrifizieren! Das ist ja eine Zeitreise, wie romantisch!«
Ich war anderer Meinung, aber was half das? Ich mußte die fiktive Außenwelt
gewähren lassen. Gegen Abend des nächsten Tages führten mich zwei Wärter
in den Operationssaal. Dort stand ein Glasbecken, woraus so eisige Dämpfe
aufstiegen, daß der Atem stockte. Ich bekam Unmengen von Spritzen, dann
wurde ich auf den Operationstisch gelegt und durch ein Röhrchen mit süßlicher
klarer Flüssigkeit vollgetränkt; das sei Glyzerin, erklärte mir der Oberwärter.
Er war nett zu mir. Ich nannte ihn Halluzius, Als ich schon hinwegdämmerte,
beugte er sich über mich und rief mir noch ins Ohr: »Frohes Erwachen!«
Ich konnte nicht antworten und nicht einmal einen Finger bewegen. Die ganze Zeit hindurch — wochenlang! — hatte ich befürchtet, die Leute könnten zu hastig sein und mich schon vor dem Eintritt der Bewußtlosigkeit ins Becken werfen. Sie übereilten sich offenbar wirklich. Denn als letzter Laut aus dieser Welt drang an meine Ohren der Platsch beim Eintauchen meines Körpers in den Flüssigstickstoff. Ein garstiger Laut.
Nichts.
Nichts.
Nichts. Schlechterdings gar nichts!
Fast hätte ich gemeint: etwas. Ja denkste! Nichts.
Es gibt nichts. Mich auch nicht.
Wie lange noch? Nichts.
Etwas, wie mich deucht. Allerdings nicht gewiß. Ich muß mich konzentrieren.
Etwas. Aber sehr, sehr wenig. In anderen Verhältnissen würde ich sagen: nichts.
Gletscher, Weiße und blaue. Alles ist aus Eis gemacht. Ich auch.
Hübsch, diese Gletscher. Wenn es bloß nicht so saukalt wäre!
Eisnadeln und Schneekristalle. Arktis. Eisscholle im Maul. In den Knochen — — Mark? Wieso Mark? Nein, reines glasklares Eis. Es ist eisig und starr.
Gefriergemüse — das bin ich! Aber was heißt »ich«? Das ist die Frage.
Noch nie war es so kalt. Zum Glück weiß ich nicht, wem. Mir? Was heißt »mir«? Wem? Dem Gletscher? Ob Eisberge Löcher haben?
Ich bin ein Winterblumenkohl im Sonnenschein. Frühling! Schon taut alles auf. Insbesondere ich. Im Mund steckt ein Eiszapfen oder aber eine Zunge.
Also doch die Zunge. Sie martern mich, wälzend, knickend, reibend und, wie mir scheint, sogar hauend. Ich liege unter einer Kunststoffplane. Über mir — Lampen. Also dadurch verfiel ich auf diesen Blumenkohl im Treibhaus. Ich muß mir etwas vorgefiebert haben. Weiß ist es hier, überall weiß. Aber das ist nicht Schnee, das sind die Wände.
Die haben mich aufgetaut. Zum Dank habe ich beschlos-sen, ein Tagebuch zu schreiben, sobald ich die Feder zwischen den klammen Fingern werde halten können. In den Augen habe ich noch immer eisige Regenbogenfarben und blaues Glitzern. Teuflische Kälte. Aber nun kann ich mich schon wärmen.
27. 7. Meine Neubelebung soll drei Wochen erfordert haben. Es gab da Schwierigkeiten. Ich sitze im Bett und schreibe. Mein Zimmer ist tagsüber groß und abends klein. Junge hübsche Frauen mit Silbermasken sind meine Pflegerinnen. Manche haben keine Brüste. Ich sehe doppelt, oder aber der Chefarzt hat zwei Köpfe. Die Verpflegung ist ganz normal. Weizengrütze, Stollen, Milch, Haferflocken, Beefsteak. Die Zwiebeln leicht angebrannt. Gletscher erscheinen mir nur noch im Traum, aber dort mit gräßlicher Ausdauer. Ich friere ein, beeise und vereiszapfe mich, über und über beschneit und knirschend von spät bis früh. Wärmeflaschen und Umschläge nützen nichts. Am ehesten hilft noch Weingeist vor dem Einschlafen.
28. 7. Diese Frauen ohne Brüste, das sind die Studenten. Anders lassen sich die Geschlechter gar nicht mehr unterscheiden. Alle Leute sind groß und hübsch und lächeln immerzu. Ich bin schwach, launisch wie ein Kind, alles stört mich. Heute nach der Injektion stieß ich die Nadel ins Sitzfleisch der Oberschwester. Sie aber lächelte mich sofort wieder an. Manchmal scheine ich mit meiner Eisscholle davonzutreiben — will sagen, mit dem Bett. Auf die Zimmerdecke projizieren sie mir Häschen, Emschen, Kühchen, Würmchen und Mistkäferchen. Warum? Ich bekomme die Kinderzeitung. Aus Versehen?
29. 7. Ich ermatte rasch. Aber ich weiß schon: früher, das heißt, zu
Beginn der Neubelebung, da fieberte ich mir etwas vor. Angeblich hat das
so zu sein. Das ist normal. Die Ankömmlinge aus den fernen Jahrzehnten
werden allmählich an das neue Leben gewöhnt. Der Vorgang erinnert an die
Bergung von Tauchern, die ja aus großer Tiefd nicht jählings heraufgeholt
werden dürfen. So auch der Tauling (dies ist das erste neue Wort, da ich
lernte); schrittweise wird er auf die ihm unbekannte Welt vorbereitet.
Wir schreiben das Jahr 2039. Jetzt ist Juli. Sommer. Schönes Wetter. Meine
persönliche Pflegerin heißt Aileen Rogers. Sie ist dreiundzwanzig und hat
blaue Augen. Wiedergeboren wurde ich in einem Revitarium bei New York.
Anders gesagt — in einer Aufersteherei. So nennen das die Leute. Das ist
fast eine Stadt für sich, eine Gartenstadt. Eigene Mühlen, Bäckereien,
Druckereien. Denn anderswo gibt es kein Getreide und keine Bücher mehr.
Aber es gibt Brot, Sahne zum Kaffee und auch Käse. Nicht von der Kuh? Die
Pflegerin dachte, »Kuh« sei der Name einer Maschine. Ich kann mich nicht
verständlich machen. Wo kommt die Milch her? Vom Gras. Versteht sich, vom
Gras, aber wer frißt es, so daß es zu Milch wird. Niemand frißt es. Woher
kommt also die Milch, Aus dem Gras. Von selbst? Von selbst wird sie daraus?
Nein, nicht von selbst. Das heißt, nicht ganz von selbst. Man muß mithelfen.
Die Kuh hilft mit? Nein. Welches Tier denn sonst? Gar kein Tier. Wo kommt
also die Milch her? — Und so weiter, immer im Kreis herum. - Stanislaw
Lem, Der futurologische Kongress. Frankfurt am Main 1996 (zuerst 1972)
Wiedergeburt
(4) Andere Geschichten
erzählen, wie Menschen in Tiergestalt erscheinen. Auch hierzu findet sich
eine Geschichte, die einen Helden kennt, der zu
den 24 Begleitern Parthulons gehörte. Dieser landete als erster in Irland
und machte alle aufeinanderfolgenden Invasionen mit. Weil ein einziges
Menschenleben dazu nicht ausreicht, muß er jedesmal wiedergeboren werden.
Nacheinander lebt er als Hirsch, Eber, Falke und Lachs. In seiner letzten
Gestalt wird er gefangengenommen und gekocht. Die Gattin des irischen Königs
Carell verspeist ihn. Er wird als dessen Sohn wiedergeboren und sogar noch
von Patrick getauft. - Hans-Jürg Braun, Das Jenseits - Die Vorstellungen
der Menschheit über das Leben nach dem Tod. Frankfurt am Main 2000 (it
2616, zuerst 1996)
Wiedergeburt
(5) Die Bauern scharen
sich, ohne von der Stelle zu weichen, vor dem Stabsgebäude.
An Stricken zerren sie die widerstrebenden, vor Schwäche strauchelnden Klepper hinter sich her. Ihrer Ernährer beraubt, ohne jede Hoffnung beeilen sich die Bauern — in einem Aufwallen bitteren Muts und wissend, daß der Mut nicht lange reichen wird — Frechheiten loszulassen gegen Obrigkeit, Gott und ihr eignes bitteres Los.
Stabskommandeur Z. steht in voller Uniform auf der Treppe. Die entzündeten Lider halb geschlossen, hört er den Beschwerden der Bauern mit sichtlicher Aufmerksamkeit zu. Doch seine Aufmerksamkeit ist nicht mehr als ein Trick. Wie jeder geschulte und übererschöpfte Militär weiß er, in leeren Minuten des Daseins die Gehirntätigkeit gänzlich auszuschalten. In diesen wenigen Minuten kuhseliger Gedankenlosigkeit schüttelt der Chef unseres Stabes die abgenutzte Maschine wieder auf.
So auch diesmal mit den Bauern.
Unterm beruhigenden Accompagnement ihres zusammenhanglosen und verzweifelten Stimmengewirrs verfolgt Z., nebenbei, jene sanften Stöße im Gehirn, die Klarheit und Energie des Denkens ankündigen. Ist die nötige Pause um, fängt er die letzte Bauernträne auf, beißt im Befehlston zurück und geht zu sich in den Stab, um zu arbeiten.
Diesmal brauchte er nicht zurückzubeißen. Auf seinem feurigen englischen Araber sprengte Djakov auf die Treppe zu, ehemals Zirkus-Athlet, heute Chef der Kavallerie-Reserve — rote Fresse, grauer Schnurrbart, schwarzer Umhang und Silberlampassen an den roten Pluderhosen.
— Allen ehrlichen Schweinen den Segen des Abts! — rief er, das sich aufbäumende Pferd zum Stehen bringend, und im selben Augenblick brach, ihm vor dem Steigbügel, ein elender Gaul zusammen, einer, den die Kosaken eingewechselt hatten.
— Da, Genosse Kommandeur, — heulte ein Bauer und klopfte sich an die Hosenbeine, — da siehst du, was ihr unsereinem gebt . . . Hast dus gesehen, was sie uns geben? Und mit sowas soll man ackern . . .
— Für dieses Pferd, — begann da Djakov mit Nachdruck und gewichtig, — für dieses Pferd, verehrter Freund, kannst du von der Kavallerie-Reserve mit vollem Recht fünfzehntausend Rubel verlangen, und wenn dieses Pferd noch ein bißchen munterer wäre, in diesem Fall, guter Freund, bekämst du von der Kavallerie-Reserve sogar zwanzigtausend Rubel. Aber daß das Pferd gestürzt ist, hat nichts zu sagen. Wenn ein Pferd stürzt und wieder aufsteht, dann ist es ein Pferd, andersrum gesagt, wenn es nicht wieder aufsteht, dann ist es kein Pferd. Aber, im übrigen, diese anständige Stute, die steht mir wieder auf .. .
— Oh Gott, du meine barmherzige Mutter, — winkte der Bauer ab, — wie
soll das arme Vieh denn aufstehn . . . Es krepiert doch gleich, das Arme
.. .
— Du beleidigst das Pferd, Gevatter, — antwortete mit tiefster
Überzeugung Djakov, — du lästerst geradezu Gott, Gevatter, — und gewandt
hob er seinen stattlichen Athletenkörper aus dem Sattel. In den schönen
Beinen federnd, die um die Knie mit Riemchen geschnürt waren, hochaufgeschossen
und gewandt, wie auf der Bühne, bewegte er sich auf das verendende
Tier zu. Dieses richtete kläglich sein strenges
tiefes Auge auf Djakov, leckte von dessen himbeerroter Handfläche etwas
wie einen unsichtbaren Befehl und sofort verspürte das entkräftete Pferd
die kundige Kraft, die von diesem ergrauten blühenden und strotzenden Romeo
ausging. Schnuppernd und mit den Beinen, die immer wieder einknickten,
ausgleitend, das Kitzeln der ungeduldigen und gebieterischen Peitsche unter
dem Bauch, hob sich die Mähre langsam-aufmerksam auf die Beine. Und so
sahen wir alle, wie das schmale Handgelenk im wehenden Ärmel durch die
schmutzige Mähne fuhr und die Peitsche sich mit einem Stöhnen an die bluttriefenden
Flanken schmiegte. Am ganzen Körper zitternd, stand die Mähre auf allen
Vieren und ließ von Djakov keinen Blick ihrer ängstlichen, verliebten Hundeaugen.
— Na bitte, es ist ein Pferd, — sagte Djakov zu dem Bauern und setzte milde hinzu, — und du hast dich beschwert, guter Freund . . .
Er warf der Ordonnanz die Zügel zu, dann nahm der Chef der Kavallerie-Reserve
die vier Stufen mit einem Satz und verschwand, den Opernumhang um sich
werfend, im Stabsgebäude. - Isaak Babel, Die Reiterarmee. Berlin
1994 (Friedenauer Presse, neu übs. von Peter Urban - zuerst 1926)
Wiedergeburt
(irische) Der Held
landete als erster in Irland und machte alle aufeinanderfolgenden
Invasionen mit. Weil ein einziges Menschenleben dazu nicht ausreicht, muß
er jedesmal wiedergeboren werden. Nacheinander lebt er als Hirsch, Eber,
Falke und Lachs. In seiner letzten Gestalt wird er gefangengenommen und
gekocht. Die Gattin des irischen Königs Carell verspeist ihn. Er wird als
dessen Sohn wiedergeboren und sogar noch von Patrick getauft. - Hans-Jürg
Braun, Das Jenseits - Die Vorstellungen der Menschheit über das Leben nach
dem Tod. Frankfurt am Main 2000 (it 2616, zuerst 1996)
Wiedergeburt
(6) Das merkwürdigste
Wesen in der Gesellschaft von Frau Steindamm war die 92jährige Frau Dr.
Paulus. Es ist eine durch das Alter ganz stumpfsinnig gewordene Dame,
die sich aber für die Reinkarnation von Giordano Bruno hält und außerdem
die intimste Freundin der berühmten Theosophin Annie Besant war.
Man nennt sie in Askona die Geißel der Sittlichkeit. Sie taucht bei jeder
unsittlichen Tat auf (unsittlich sind für sie auch Alkoholtrinken, Rauchen
und Fleisch essen) und schmettert eine asketische Rede. Nebenbei ist sie
aber auch deutschnational. - (
szi
)
Wiedergeburt
(7)
Wie treulich hört ich deine Bauchaorta schlagen. Du lehrtest mich geheime Technizismen, Ich schickte klug dein Blut zur Analyse, Dich interviewten sämtliche Gemeinden |
-
Edgar Firn
,
Bibergeil
.
Pedantische
Liebeslied
er (1919)
Wiedergeburt
(6) Vorzüge, die ein Bodhisatta genießt
Er wird nicht in 18 ungünstigen Wiedergeburtsformen geboren:
als Mensch: nicht
1 blind
2 taub
3 geisteskrank
4 sabbernd
5
verkrüppelt
6 leprös
7 als Barbar
8 als Sohn einer Sklavin
9 als Anhänger einer Irrmeinung (d.h. er hat keine verkehrten Ansichten und hat Einsicht
in das Wirken von Karma)
10 immer männlichen Geschlechts (nie weiblichen Geschlechts, als Zwitter oder als Eunuch)
11
er begeht nie eine der fünf unheilsamsten Taten : Vatermord,
Muttermord, Arahantmord, tätlicher Angriff auf einen Buddha, Ordensspaltung
als Tier: (12)
wird er nie weniger als eine Wachtel oder mehr als ein
Elefant
nicht als (13) Gespenst oder als Kalakañjaka (unterste, furchterregende Klasse
der Asura)
in Höllen: nicht in (14) Avici-Hölle (schrecklichste der Höllen)
oder in Lokantaraniraya (Klasse von Höllen für sehr unheilsame Taten)
nicht (15) als Mara (m.) (personifiziertes Böses) (die personifizierte
Manipulierbarkeit der Menschen)
in Rupaloka (m.) (Welt der Form, feinkörperliche Welt): nicht (16)
als Asaññasatta (Wesen ohne Bewusstsein) oder in Suddhavasa (5 reine Gefilde, in denen
Anagami (Nichtwiederkehrer) wiedergeboren werden:
nicht (17) in Arupaloka (m.) (formlose Welten)
nicht (18) in einem anderen Weltsystem
- Nach
Alois
Payer
Wiedergeburt
(7) Poimandres sprach: Erstlich wird
in der Auflösung des stofflichen Leibes der Leib selbst der Veränderung
übergeben, und die Gestalt, die er gehabt hat, wird unsichtbar, und die
werk-losen Sitten werden dem Genio übergeben, und die Sinne des Leibes kommen
wiederum in ihren Ursprung, und wenn sie zu Teilen gemacht sind, so werden sie
wiederum in ihre Wirkung gesetzt.
Der Zorn und die Begehrlichkeit
gehen in die unvernünftige Natur, und also fährt er endlich in die Höhe durch
die Zusammenstimmung und gibt an den ersten Kreis die zu- und abnehmende Kraft,
an den zweiten, die Ausübung des Bösen und den werk-bösen Betrug.
An den dritten, ebenfalls die werk-böse begierliche Kraft.
An den vierten, die regier-böse Lust zu regieren.
An den fünften, die unheilige Kühnheit und ruchlose Verwegenheit.
An den sechsten, die böse Anreizung zu werk-bösem Reichtum.
An den siebenten Kreis, die niederliegenden Lügen.
Und alsdann, wenn er von der Wirkung der Zusammenstimmung entblösst ist, kommt er zu der achten Natur und hat seine eigene Kraft und lobet den Vater mit denjenigen, die allda sind und sich auch mit ihm über seine Ankunft erfreuen.
Und wenn er denselben ist gleichgeworden, so hört er auch die Kräfte, die über der achten Natur sind, mit ihren eigenen Stimmen GOTT loben.
Und dann steigen sie in der
Ordnung weiter zu dem Vater und begeben sich selbst unter die Kräfte, und wenn
sie Kräfte geworden sind, kommen sie in GOTT. Und das ist das gute Ende von
denjenigen, die Erkenntnis haben, nämlich, dass sie vergöttert werden.
-
Corpus
Hermeticum
Wiedergeburt
(8) Die Menschenköpfe
waren Tierleibern angewachsen. Schlangenähnlichen und vogelähnlichen.
Erschrocken griff ich nach der Herzgegend: Federn. Ich sah an mir herab: gefedert. Oder gefiedert?
Die vogelähnlichen Wesen um mich trugen dichtere Federkleider ah ich. Die Schlangen, auch geflügelt, waren nackt. Auf dem Dreifuß die Frau warf ihr Gewand mit Händen, die an auffliegende Spatzen erinnerten. Meine Freundin Chariklia aus Athen hatte solche Hände zum Theaterspielen, Inszenieren, Tanzen und Autofahren benutzt.
Die Schlangen begleiteten die Beschwörungsgesten der Frau mit Krächzen. Die Vogelwesen gaben keinen Laut. Als die Frau die gekauten Blätter ausgespuckt hatte, verstummten die Schlangen. Die Frau beugte sich über den Stein. Stille.
Dann Gemurmel. Stoßweis aus der Vermummung drang es. Monoton. Keine Rede.
Kein Gesang. Nichts, was den Geist oder die Sinne erfreuen konnte. Doch die
Schlangengesellschft lauschte gebannt. Zwei Schuppentiere krochen zum Stein.
Die Vogelwesen ordneten ihr Federkleid, scharrten im Karst, schliefen ein. Ihre
Körperform erinnerte an die Schneeule. Im Gegensatz zu dieser Tierart waren
sie jedoch wie der Uhu mit zwei Kopfbüscheln versehen. Die Federohren wuchsen
aber nicht wie beim bubo bubo über den Augen und auch nicht zwischen Schläfen
und Hinterkopf, wo die Menschenohren sitzen, sondern am Haaransatz. Dort, wo
Männer die Geheimratsecken erleiden. Ich schätzte die Flügelspannweite auf zweieinhalb
Meter, die Körperhöhe auf einen und tastete meinen Kopf ab. Ich spürte kaum
Federohren, aber Krallen. Im Flackerlicht, das aus
der Erdspalte drang, mußte ich erkennen, daß ich mit Krallenhänden und Krallenfüßen
auferstanden war. Einziger Trost: die Schwungfedern. Ich spreizte die Armschwingen
und genoß den Auftrieb, der schon von zwei Schlägen baumhoch geriet. - Irmtraud Morgner, Amanda.
Ein Hexenroman. Frankfurt am Main 1984 (SL 529, zuerst 1983)
Wiedergeburt
(9) Das Sterben
auf dem Monde ist nicht so wie das Sterben auf der Erde.
Wer auf dem Monde müde wird, fühlt bald in der dem Rumpfe naheliegenden Ballonhaut einen Schmerz. Und wer diesen Schmerz fühlt, schwebt hinab zu den Todesgrotten und läßt sich dort ein Pflaster auf den oberen Teil der Ballonhaut legen. Und das Pflaster lindert den Schmerz. Und aus der vordem schmerzenden Stelle wächst ein andrer Rumpf heraus, der anfänglich ganz klein wie ein Pilz ist — aber in Bälde Kopf und Armbildung zeigt.
Und während der alte Rumpf immer mehr zusammenschrumpft, entwickelt sich der neue Rumpf — genau in den Formen des alten; der neue hat nur anfänglich eine nicht so runzelreiche Haut.
Und der alte Kopf spricht zu seinem neuen Kopf — wie ein Vater zu seinem Kinde.
Und so geht der Geist des Vaters langsam in den des Sohnes über.
Und es ist eigentlich kein Tod — es ist nur eine Wiedergeburt.
Und es ist wundersam, zu sehen, wie das Alte in das Neue übergeht.
Und es ist wundersam, zu hören, wie das alte Ich zu seinem neuen Ich spricht und ihm alles erklärt, was es auf dem Monde wissen muß.
Und so lange spricht der alte Kopf - bis der neue genauso klug und ebenso weit ist wie der alte.
Und es ist so, als wenn sich Doppelgänger miteinander unterhalten.
Und es ist ein vollkommenes Aufgehen des Alten - im Neuen.
Und es stirbt eigentlich nur die Haut des Alten -
die schließlich vergeht - wie eine Blume vergeht.
- Paul Scheerbart, Die große Revolution. Ein Mondroman
und Jenseitsgalerie. Frankfurt am Main 1985 (st 1182, zuerst 1902)
Wiedergeburt
(10)
Wiedergeburt
(11) Ein Heiliger
stieg einstmals vom Himmel herab auf die Erde. Er reiste überall herum, ohne
etwas zu sehen, das ihm gefiel. Nur die großen Schiffe
der Menschen machten schließlich Eindruck auf ihn. Er nahm sich davon fünf und
kehrte zurück zum Himmel. Aber der Wächter am Himmelstor ließ ihn nicht herein.
»Es war nicht recht von dir«, sagte er, »heimlich den Himmel zu verlassen und
herumzulaufen. Und wozu hast du den Menschen fünf große Schiffe weggenommen
und hier heraufgebracht? In den Himmel kannst du jetzt nicht wieder herein.
Noch heute mußt du zurück zur Erde gehen und wiedergeboren werden.« Der Heilige
konnte nichts anderes tun, als zur Erde zurückzukehren. Zwischen zwei Bergen
legte er seine Heiligengestalt ab und ging auf die Suche nach einer passenden
Wiedergeburt. Er suchte und suchte lange Zeit, ohne das Richtige zu finden.
Schließlich sah er einen reichen Mann mit einer trächtigen Kuh. Er ging in den
Körper der Kuh hinein und wurde als Kälbchen wiedergeboren.
Dem reichen Mann gefiel das Kälbchen, und er verliebte sich in das Tier. Morgens
und abends ging er in den Stall, um es sich anzusehen. Er machte den Stall sogar
selber sauber, und manchmal wusch er das Kälbchen und rieb es trocken.
So ging es zwei, drei Jahre lang, und das Kälbchen wuchs heran. Eines Tages
sagte es zu seinem Herrn: »Übermorgen werden achtzehn Brüder hierher kommen.
Mach zwei Tische fertig mit Wein darauf; leg dazu noch einen Sack Reis, einen
Sack Silber und einen Sack Gold. Dann geh ihnen fünf Meilen entgegen.« - Südchinesische Märchen. Hg. Wolfram und Alide
Eberhard. Düsseldorf u. Köln 1976 (Diederichs, Märchen der
Weltliteratur)
Wiedergeburt
(12) Der Geist,
von dem man sagen kann, daß er sich in die Dinge
(die nur Nichts sind) zunächst durch ihre Betrachtung
versenkt, wird durch die Benennung ihrer Eigenschaften
wiedergeboren, so daß sie es sind, die jene an seiner Stelle äußern.
Außer meiner fälschlichen Person sind es die Gegenstände, die Dinge
der Zeit, denen ich mein Glück zuschreibe, wenn die Aufmerksamkeit, die
ich ihnen widme, sie in meinem Geist wie einen Kompost aus Eigenschaften
formt, wie Arten-sich-zu-verhalten, die jedem von ihnen eigen sind, reichlich
unerwartet und ohne irgendeine Beziehung zu unserer eigenen Art, uns ihnen
gegenüber zu verhalten. Wohlan, o Kräfte, o plötzlich mögliche Modelle,
die ich entdecken werde, an denen der Geist sich ganz neu übt und sich
selbst anbetet. - (lyr)
Wiedergeburt
(13) Der Gedanke
zerstörte die Anschauung, aber dem Prisma des
Kristalls, zu dem die feurige Flut im Vermählungskampf mit dem feindlichen Gift
gerann, entstrahlt die Anschauung neugeboren, selbst Fötus des Gedankens! -
E. T. A. Hoffmann, Prinzessin Brambilla (zuerst 1820)
Wiedergeburt
(14) Verschiedene
Lebenswege, die der Mensch nicht freiwillig in sich kreuzt, sollen vereint werden
- und wenn der Weg über einen kurzfristigen Tod führt! Was macht es der Natur
aus? Wie kann es den biologischen Gang hemmen, der keinen auch noch so geringen
Wert, der einmal entstanden ist, verlieren kann? Die Natur kennt Krieg nur mit
dem Ungehorsam der Menschen gegen ihren Befehl, der »Entwicklung« heißt.
Und ein solcher Gang der Entwicklung ist viele Male auf der Erde eingesehen
worden. Begreift man die Reife der orientalischen Wiedergeburtslehren auch nur
in diesem einen Punkt richtig, versucht man nicht nur zu glauben, sondern sich
zu beweisen, daß jede Niedrigkeit im Menschen noch wieder durch eine Folge von
Wiedergeburten wandern muß, so ergibt sich eine Einstellung von großer Perspektive.
Ganz gewiß werden die niederen Geburten nicht so bald, theoretisch sogar vielleicht
niemals aufhören, denn immer wieder wird Lebensstoff aus niederen Anfängen heraufgebaut
werden müssen. Es wäre sehr töricht, eine homogene Menschheit zu erwarten. Hat
jemals der Mensch einen Sinn darin finden können, eine homogene Tierheit für
wahrscheinlich zu halten? Man dachte nicht daran. Nicht umsonst aber haben sich
vor langen Zeiten schon die Priesterschaften aus den Kriegen selbst ausgenommen,
weil sie den Wandel durch die Wiedergeburten schon in das gegenwärtige Leben
hineinzuziehen suchten, und darin verstanden sie den biologischen Sinn des Naturwollens.
Im Grunde aber können nur Menschen Geschichte machen, die ganz im Sinn dieses
biologischen Willens der Natur stehen, und mag die Masse ihnen aus Unfähigkeit
zeitweilig Opposition entgegenstellen und eben solche Priesterschaften morden
oder vernichten - auch diese Werte kann die Natur nicht verlieren. Sie sind
unabänderliche Gewordenheiten. - Ernst Fuhrmann, Was
die Erde will - Eine Biosophie. München 1986 (zuerst 1930)
Wiedergeburt
(15)
Wiedergeburt
(16)
Wiedergeburt
(17) Beim normalen Sozialisationszyklus
des Erwachsenen erwartet man, daß auf Entfremdung und Erniedrigung ein neuer
Glaube an die Welt und eine neue Sicht des eigenen Selbst und des der anderen
folgen. Im Falle des hospitalisierten Geisteskranken gibt es zuweilen eine solche
Wiedergeburt in der Form eines starken Glaubens an die psychiatrische Perspektive
oder, zumindest kurzfristig, in Form der Hingabe an das soziale Anliegen einer
besseren Behandlung für Geisteskranke. Die moralische Karriere des Geisteskranken
ist jedoch von einmaligem Interesse; sie ist ein Beispiel für die Chance, daß
der Mensch, der den Mantel seines alten Selbst von sich geworfen hat - oder
dem er heruntergerissen wurde -, nicht mehr nach einem neuen Gewand oder nach
einem neuen Publikum, vor dem er sich verbeugen könnte, zu suchen braucht. Stattdessen
kann er, wenigstens für eine Zeit, lernen, vor allen Gruppen die amoralische
Kunst der Schamlosigkeit zu praktizieren. -
Erving Goffman, Asyle. Über die soziale Situation psychiatrisher Patienten und
anderer Insassen. Frankfurt am Main 1973