Dazu kommt, daß Mutter Natur in die Urelemente
|
- (
luk
)
Unzerstörbarkeit (2) Die
Pflanze und das Insekt sterben am Ende des Sommers, das Thier,
der Mensch, nach wenig Jahren: der Tod mäht unermüdlich. Desungeachtet
aber, ja, als ob dem ganz und gar nicht so wäre, ist jederzeit
Alles da und an Ort und Stelle, eben als wenn Alles unvergänglich
wäre. Jederzeit grünt und blüht die Pflanze, schwirrt das Insekt,
steht Thier und Mensch in unverwüstlicher Jugend da, und die
schon tausend Mal genossenen Kirschen haben wir jeden Sommer
wieder vor uns. Auch die Völker stehn da, als unsterbliche Individuen;
wenn sie gleich bisweilen die Namen wechseln: sogar ist ihr Thun,
Treiben und Leiden allezeit das selbe; wenn gleich die Geschichte
stets etwas Anderes zu erzählen vorgiebt: denn diese ist wie
das Kaleidoskop, welches bei jeder Wendung eine neue Konfiguration
zeigt, während wir eigentlich immer das Selbe vor Augen haben.
Was also dringt sich unwiderstehlicher auf, als der Gedanke,
daß jenes Entstehn und Vergehn nicht das eigentliche Wesen der
Dinge treffe, sondern dieses davon unberührt bleibe, also unvergänglich
sei, daher denn Alles und Jedes, was daseyn will, wirklich fortwährend
und ohne Ende daist. Demgemäß sind in jedem gegebenen Zeitpunkt
alle Thiergeschlechter, von der Mücke
bis zum Elephanten, vollzählig beisammen.
Sie haben sich bereits viel Tausend Mal erneuert und sind dabei
die selben geblieben. Sie wissen nicht von Andern ihres Gleichen,
die vor ihnen gelebt, oder nach ihnen leben werden: die Gattung
ist es, die allezeit lebt, und, im Bewußtseyn der Unvergänglichkeit
derselben und ihrer Identität mit ihr, sind die Individuen da
und wohlgemuth. Der Wille zum Leben erscheint sich in endloser
Gegenwart; weil diese die Form des Lebens der Gattung ist, welche
daher nicht altert, sondern immer jung bleibt. Der Tod ist für
sie, was der Schlaf für das Individuum, oder was für das Auge
das Winken ist, an dessen Abwesenheit die Indischen Götter erkannt
werden, wenn sie in Menschengestalt erscheinen. Wie durch den
Eintritt der Nacht die Welt verschwindet, dabei jedoch keinen
Augenblick zu seyn aufhört; eben so scheinbar vergeht Mensch
und Thier durch den Tod, und eben so ungestört besteht dabei
ihr wahres Wesen fort. Nun denke man sich jenen Wechsel von Tod
und Geburt in unendlich schnellen Vibrationen,
und man hat die beharrliche Objektivation des Willens, die bleibenden
Ideen der Wesen vor sich, fest stehend, wie der Regenbogen auf
dem Wasserfall. Dies ist die zeitliche Unsterblichkeit. -
(
wv
)
Unzerstörbarkeit (3) Der Literaturprofessor
hatte mich gelehrt, daß der Mensch geistig wie physisch unzerstörbar sei, er
verwandle sich nur, mache Metamorphosen durch. Einmal
hatten er und Marcela ein Gedicht analysiert, Sandburg
hieß der Dichter, ein Gedicht über die Frage, woraus der Mensch bestehe,
er enthalte so viel Phosphor, daß man zehn Schachteln Streichhölzer daraus machen
könne, er enthalte so viel Eisen, daß man einen Nagel daraus schmieden könne,
um sich daran aufzuhängen, und er enthalte so viel Wasser, daß sich damit zehn
Liter Kuttelflecksuppe kochen ließen... Alles das erzählte ich den Dörflern,
und diese fürchteten sich, selbst vor mir fürchteten sie sich und zogen Grimassen
bei dem Gedanken an das, was ihnen bevorstand. -
Bohumil Hrabal, Ich habe den englischen König bedient. Frankfurt am Main 1990
Unzerstörbarkeit (4) Geld
wird selten vernichtet, meistens hat es jemand anderer.
- 3sat, 23. März 2011, 21:43
|
|