estandteil   ES BILDEN DAS SYSTEM zuallererst die FEUER, sie besetzen, durcheilen und kennzeichnen zu zweit bis zu siebent den Raum in der Mitte; weswegen sie auch ESSENZEN genannt werden. Die FEUER oder ESSENZEN sind nicht an zwangsläufige Bewegungen gebunden; sie bewegen sich daher bald auf regelmäßige bald auf unregelmäßige Weise, nicht selten im Kreise, häufig stehen sie vollkommen still. Die ESSENZEN haben keine festgelegte oder genau definierte Gestalt; ihr geistiges Vorbild scheint die Kugel zu sein, aber keine nimmt diese Gestalt an: sie entfernen sich davon in den verschiedensten Launen, deswegen gibt es längliche ESSENZEN, runde mit gezacktem Rand oder mit abgeplatteten Polen, sogar dermaßen entstellte, daß man annehmen könnte, sie würden an einer Krankheit leiden. Man bedenke dazu: welche Gestalt auch immer eine ESSENZ in einem beliebigen Augenblick annehmen mag, sie bleibt durchaus stets veränderlich; manchmal ergibt sich so etwas wie Handelsgeschäfte, da zwei oder mehr ESSENZEN miteinander um Gestalten feilschen. In jedem beliebigen System geschieht es nicht selten, daß sich die ESSENZEN zusammenballen, aneinander reihen und sich verdichten, so daß zwei oder drei oder auch sieben, wenn so viele überhaupt da sind, auch etwas bilden können, das wie ein einziges Feuer aussieht. Dieser extreme Zustand, wo alle FEUER sich zusammentun, um eine einzige ESSENZ zu bilden, ist beinahe eine Rarität und deutet vielleicht auf eine nicht ausmerzbare Krankheit des gesamten Systems hin. Sobald nämlich alle FEUER zu einem einzigen zusammenschmelzen, verschwindet jener muntere Zwist der FEUER, kraft dessen sie imstande sind, zahllose, wedhselvolle Formen zu zeichnen und untereinander Zwiegespräche zu führen. Keine ESSENZ gleicht nämlich der anderen, sie sind einander sogar unerträglich; sobald sie scheinbar zu einer ESSENZ zusammenschmelzen, entstehen daher widersprüchliche LICHTER; unter LICHTERN verstehe ich die wie auch immer gearteten Botschaften, welche die ESSENZEN in alle Richtungen aussenden. Der zusammengesetzte Zustand ist also nicht selten angstvoll, stets beschwerlich, nur nach außen hin voll Liebe. Zuinnerst jedoch voll Zorn und Empörung. Wenn dieses Zwangskonkubinat auseinanderfällt, sich völlig auflöst, niegen die FEUER weit auseinander, mitunter so weit, daß eine Zeitlang keine Unterhaltung von FEUER zu FEUER mehr möglich ist, bis schließlich die beklemmende Enge des häuslichen Widerspruchs vergessen ist. Und da die FEUER anscheinend eine gewisse Grenze nicht überschreiten können, nehmen sie nach einiger Zeit zwangsläufig ihre sogenannte Unterhaltung wieder auf. Die Gespräche der ESSENZEN sind die meiste Zeit langsam, umsichtig, kostbar und vorsichtig, aber nicht selten haben sie einen Hang zum Feindlichen oder zumindest zum Gehässigen, gewalttätig aber werden sie nie. Sie sprechen miteinander, indem sie, wo es geht, ihre Gestalt verändern und die LICHTER auf Umwege schicken. Kranke oder sonstwie heruntergekommene ESSENZEN können ihre Gestalt nicht verändern, sie sind an eine einzige gefesselt, was niederdrückend für sie ist; an die Stelle der LICHTER treten dann die SEUFZER. - Giorgio Manganelli, System. In: (irrt)

Bestandteil (2)  Rasmussen fragt den Eskimo, woraus der Mensch bestehe. Die Antwort lautet: Aus dem Körper, den du siehst; dem Namen, der von einem Toten geerbt ist; und dann noch aus etwas, einer geheimnisvollen Kraft, der Seele, die allem, was lebt, Leben, Form und Erscheinung gibt.

Das Leben der Menschen ist brüchig, weil sie alle Dinge durcheinandermischen; schwächlich, weil sie nichts ganz tun können. Ein großer Jäger dürfte kein großer Liebhaber der Frauen sein. Aber niemand kann das ändern. Die Tiere sind ebenso unergründlich in ihrer Natur; und das legt uns, die wir von ihnen leben, die Pflicht auf, behutsam mit ihnen umzugehen.

Die Menschen aber suchen sich mit Amuletten aufzuhelfen und werden einsam in ihrem Mangel an Kraft. In jedem Dorf sollte es so viele verschiedene Amulette wie möglich geben. Einförmigkeit zersplittert die Kräfte; Gleichheit führt zur Wertlosigkeit.  - Hans-Jürg Braun, Das Jenseits - Die Vorstellungen der Menschheit über das Leben nach dem Tod. Frankfurt am Main 2000 (it 2616, zuerst 1996)

Bestandteil (3)  Uns allen geht es wie den meisten Pariserinnen: Sie lieben gutes Essen und wissen nicht, woraus die köstlichen Gerichte bestehen; ebenso beschäftigen wir uns eifrig mit den Körpern und wissen nicht, woraus sie sich zusammensetzen. Woraus besteht ein Körper? Aus Teilen, und diese Teile lösen sich in andere Teile auf. Und was sind diese letzteren Teile? Immer wieder Körper. Wir teilen unaufhörlich und kommen nie voran. Schließlich entdeckte ein scharfsinniger Philosoph, daß ein Gemälde aus Ingredienzien besteht, von denen keines ein Gemälde ist, und ein Haus aus Materialien, von denen keines ein Haus ist, und kam so auf den Gedanken, daß die Körper aus unendlich vielen kleinen Wesen bestehen, die keine Körper sind; man nennt das Monaden. Dieses System hat manches für sich, und wenn es geoffenbart wäre, würde ich wahrscheinlich daran glauben. Alle diese kleinen Wesen wären mathematische Punkte, eine Art Seelen, die nur auf ein Gewand warteten, um hineinzuschlüpfen: Das ganze wäre eine ständige Metempsychose. Dieses System ist nicht schlechter als manches andere; mir ist es ebenso lieb wie die Abweichung der Atome, die substantiellen Formen, die veränderliche Gnade und die Vampire Dom Calmets. - Voltaire, Philosophisches Wörterbuch. Frankfurt am Main 1967 (Sammlung Insel 32, zuerst 1764)

Bestandteil (4)  Es bestehen nun die Lebewesen, sowohl alle übrigen als auch der Mensch, aus 2weierlei - in der Wirkung zwar verschieden, dem Nutzen nach aber gleichartig - nämlich: aus Feuer und Wasser. Diese beiden zusammen sind vollkommen genügend, sowohl gegenüber allem übrigen als auch einander (selbst), getrennt dagegen genügen beide weder sich selbst noch irgend etwas anderem. Jedes von diesen beiden hat folgende Wirkungskraft: das Feuer kann fortwährend alles in Bewegung bringen, das Wasser kann fortwährend alles ernähren.

Abwechselnd erlangt das eine die Oberhand über das andere, bzw. es wird das eine von dem anderen beherrscht, bis zum höchsten und niedrigsten Grad, soweit es möglich ist. Keines von beiden kann nämlich die Herrschaft über das andere ganz erlangen aus folgendem Grund: Wenn das Feuer bis an den letzten Rand des Wassers vordringt, so geht die Nahrung aus, es wendet sich folglich ab und an die Stelle hin, von der aus es ernährt werden kann. Wenn andererseits das Wasser bis zum letzten Rest des Feuers vordringt, so hört seine Bewegung auf, folglich bleibt es an dieser Stelle stehen. Wenn es aber stehen bleibt, so hat es keine Kraft mehr, sondern es wird alsbald zur Speisung für das einfallende Feuer verbraucht. Keines von beiden kann deshalb die Oberherrschaft ganz erlangen.   - Hippokrates, nach (lte)

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