ernichtung  Weiter durch diese erstaunlichen Landschaften. In den Dörfern und Städten rauchte kein Herd, kreuzte kein Kind, kein lebendes Wesen unsere Bahn. Oft drückte ich mein Gesicht gegen die Fensterscheiben und sah dann in den Zimmern gedeckte Tafeln mit Tellern und Gläsern, doch keine Gäste - den Anblick jäh unterbrochener Mahlzeiten, In den Kirchen standen noch die silbernen und goldenen Geräte auf den Altären, und in den Palästen schien das Leben entschlafen wie in Dornröschens Schloß, tot,tot, tot. Sehr merkwürdig war, daß in den Orten lange Reihen von Stühlen den Bordstein säumten, vom einfachen Küchenschemel bis zum prunkvollen Sessel in Rot und Gold - aber alle leer, als säßen Geister darauf. Übrigens fragte ich den einzigen Einwohner, den ich antraf, nach den Vorgängen — er erzählte mir, daß Militär mit Lastwagen erschienen sei, zur Durchführung der Räumung in kürzester Frist. Der Maire sei betrunken gewesen und die Unordnung außerordentlich. Das tröstete mich ein wenig, denn ich erkannte, daß die Bilder, die mich bedrücken, in der Natur der Sache liegen und nicht auf uns allein zurückzuführen sind. Die Dinge sind so beschaffen, daß aus dem Haus, das aufgegeben wird, der Nomos schwindet; die Laren und Penaten bleiben nicht zurück. Auf alle Fälle lernt man aus solchem Anblick die mächtige, fast unsichtbare Arbeit würdigen, die durch die Familie geleistet wird.

Das Ganze ist ein ungeheures Foyer des Todes, dessen Durchschreitung mich gewaltig erschütterte. In einem früheren Abschnitt meiner geistigen Entwicklung versenkte ich mich oftmals in Visionen einer völlig ausgestorbenen und menschenleeren Welt und ich will nicht bestreiten, daß diese dunklen Träumereien mir Genuß bereiteten. Hier sehe ich die Idee verwirklicht und möchte glauben, daß, wenn auch die Soldaten fehlten, der Geist sehr bald gestört sein wurde — ich fühlte schon in diesen beiden Tagen, wie der Anblick der Vernichtung an seinen Angeln hob. - Ernst Jünger, Gärten und Straßen (27. Mai 1940)

Vernichtung (2) Sooft die Ciugui ihre Notdurft verrichten müssen, gehen sie an den Strand, ans Meeresufer und setzen ihren Kot in den Sand, nahe dem Wasser. Danach säubern sie sich mit Wasser. Wenn sie sich gewaschen haben, nehmen sie einen Stecken oder eine Rute und zerkleinern und verstreuen ihren Stuhl überall im Sand, bis nichts mehr davon zu sehen ist. Auf die Frage, warum sie das tun, antworten sie: »Im Kot könnten Würmer entstehen, denen er als Nahrung dienen würde. Doch die Sonne würde den Unrat zersetzen, und das Gewürm müßte zugrunde gehen. Da nun aber der Stuhl Stoff aus unserem Körper ist - denn ohne Essen ist es nicht möglich zu leben -, wären wir schuld am Tod so vieler Seelen, die aus unserem Stoff entstanden sind. Das ist der Grund, warum wir unsern Unrat vernichten. Keine Made soll sich darin bilden, sich davon ernähren und danach wegen eines Versäumnisses unsererseits Hungers sterben.« - (polo)

Vernichtung (3)  Ja, die Vernichtung weist viele Formen auf. Alle Elemente, alle Temperaturen können ihr dienstbar sein. Die schnelle Verbrennung durch die Flamme ist reinlicher als die langsamere, die die Verwesung vollzieht. Dennoch zieht der unheroische Mensch, der Bürger, die Verwesung vor, weil sie ihm weniger schmerzhaft scheint. - Ernst Jünger, Die andere Seite (ca. 1920)

Vernichtung (4)   NIHILISTISCHE RECHTFERTIGUNG DER KUNST  Folgendes hat mir Seneca heute gesagt:

Ich nehme an, daß das Ziel die vollständige Vernichtung der Welt ist, der menschlichen Wohnstatt, der Städte und Felder, der Berge und des Meeres.

Man denkt gleich an Feuer und nennt die Konservativen »Feuerwehr«. Man wirft ihnen vor, das heilige Feuer der Zerstörung zu löschen.

Um nun zu versuchen, ihre Anstrengungen zunichtezumachen, bedient man sich, wenn man unbedingten Geistes ist, ihres »Mittels«: man versucht, das Wasser, das Meer in Brand zu stecken.

Man muß noch tückischer sein. Man muß seine eigenen Mittel verraten können. Das Feuer aufgeben, das nur ein glänzendes, aber gegen das Wasser unwirksames Instrument ist. Gütig bei der Feuerwehr eintreten. Und, unter dem Vorwand, ihr beim Löschen irgendeines zerstörerischen Feuers zu helfen, alles durch eine Wasserkatastrophe zerstören. Alles überschwemmen.

Das Ziel der Vernichtung wird erreicht sein, und die Feuerwehr ertränkt durch sich selbst.

Machen wir also die Worte durch die Katastrophe lächerlich, — durch einfachen Mißbrauch der Worte.   - (lyr)

Vernichtung (7) Die Außenpolitik der Nazis war an Einfallslosigkeit nicht zu überbieten. Als Erstes wollten sie den Italienern das Turiner Grabtuch stehlen, um daraus das Gesicht des Führers herauslesen zu können, dann wollten sie Coco Chanel auf ihre Seite kriegen, damit die Frauen nicht immer nur in Doppelripp-Unterhemden oder Dirndl herumlaufen mussten, und als das alles nicht richtig gelang, außer bei Coco Chanel, die sich aus eingefleischtem Opportunismus für die Nazis begeisterte, bedauerlicherweise jedoch ihre besten Schaffensjahre schon hinter sich hatte, als sie überlief, da wollten sie eben alles andere niedermachen und vernichten, um genügend Raum für die eigene Einfallslosigkeit zu haben, die sich über die ganze Welt verbreiten sollte und im Grunde nur der einen Idee folgte, eben noch mehr Raum zu haben für ein einziges Volk. Es ist schade, dass man die Nazis nicht wie in einem ihrer eigenen Labors einer Langzeituntersuchung hat unterziehen können, denn schon bald wäre herausgekommen, dass ihre einzige Idee darin bestand, anderes vernichten zu wollen. Und wenn man darauf aus ist, anderes zu vernichten, muss man am Ende logisch erweise sich selbst vernichten, weil der Blick auf das andere so geschärft ist, dass man das andere schließlich in sich selbst erkennt, spätestens dann, wenn alles andere nicht mehr da ist. Und so war es dann auch am Schluss. Hitler ließ noch schnell den Schwager von Eva Braun hinrichten, enterbte Himmler und Göring, heiratete Eva Braun und brachte sich anschließend um.  - (raf)

Zerstörung
Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe
Verwandte Begriffe
Nichts
Synonyme