riorität  

baemu súti falla kúr
mostin arasíban taégna.
kiu tende vossagúr:
flagedárad ássa.

MÄRZMORGEN

Geflecktes Fell
Aus Boden und Schnee.
Es bleckt die Zähne
Die Weidenchaussee.

Rührt sich ein Leib,
Ein schlafendes Tier,
Erschauernder Erde
Begattungsbegier?

Es zuckt unterm Lichte
Die Pantherhaut.
Im Schamgesträuch
Der Nachtreif taut.

»Ich darf Sie darauf hinweisen«, schreibt Günter Eich, »daß der ibolithische Vierzeiler eine Übersetzung meines Gedichtes Märzmorgen darstellt. Die vier (?) Strophen meines Gedichtes sind, wie im Ibolithischen üblich, synoptisch in eine Strophe verkürzt...«

Mit der gewissen Unverbindlichkeit, die unsere philologische Arbeit nun einmal auszeichnet, möchten wir diese erstaunliche Behauptung nicht schlechterdings zurückweisen, geschweige denn uns dazu bekennen.

Die großartige Natursymbolik des Eich'schen Gedichts deckt sich bei flüchtigem Zusehen tatsächlich weitgehend mit der Abfolge von Stimmungswerten im ibolithischen Vierzeiler. Das farbige, aber dabei statische Tonpanorama der ersten ibolithischen Zeile entspricht der ersten Strophe Eichs, während ,arasíban taégna' das noch zögernde Sichrecken und Sichstrecken des aufwachenden Tieres Erde enthält. ,Vossagúr' ist bei Eich Begattungsbegier geworden (man sieht, wieviel dezenter und gleichzeitig eindeutiger die ibolithische Sprache in diesem Punkte ist). Der kalte Peitschenschlag der letzten ibolithischen Zeile erfährt dann freilich bei Eich eine etwas zwiespältige Entsprechung, die insbesondere vom Standpunkt des Zoologen aus erhebliche Zweifel bezüglich der sogenannten sekundären Geschlechtsmerkmale des Pantherweibchens hinterläßt. Die Eich'sche Vision des erwachenden Märzmorgens erweist sich aber bei näherem Betrachten - und darin scheint uns das entscheidende Indiz gegen den Eich'schen Prioritätsanspruch zu bestehen - als nur möglich und denkbar aus der Vogelperspektive, denn anders ist dieses Bild von der erwachenden Erde, wie es Eich uns malt, nicht zu gewinnen. Da jedoch den Ibolithen Flugzeuge, Luftschiffe und ähnliche Luftfahrzeuge nicht bekannt waren, konnten sie niemals eine solche Perspektive erlangen - sie scheidet damit aus jedem denkbaren Zusammenhang mit dem Eich'schen Märzmorgen eindeutig aus.   - Heinz Gültig und Günter Eich, nach: baemu suti oder: Das Ibolithische Vermächtnis. Hg. Heinz Gültig, Zürich 1959

Priorität (2) Die Frage betraf die Vertilgung der Yahoos vom Angesicht der Erde. Ein Parlamentsmitglied sprach dafür und führte mehrere gewichtige Gründe für seine Meinung an. Es behauptete: So wie die Yahoos die schmutzigsten, unruhigsten und häßlichsten Tiere seien, welche die Natur jemals hervorgebracht habe, so zeigten sie sich auch störrig, ungelehrig und boshaft. Im geheimen sögen sie Milch aus den Eutern der Kühe, welche den Houyhnhnms gehörten, töteten und fräßen ihre Katzen, zerträten Hafer und Gras, wenn man nicht ein genaues Auge auf sie habe, und begingen tausend andere Ausschweifungen. Der Redner führte alsdann eine allgemeine Überlieferung an:

Yahoos habe es nicht ewig in seinem Vaterlande gegeben. Vor langer Zeit seien zwei dieser Tiere auf einem Berge erschienen. Ob sie von der Hitze der Sonne aus verfaultem Morast und Schlamm oder aus dem Abfluß von dem Schaum der See entstanden seien, bleibe ungewiß; diese Yahoos hätten eine Nachkommenschaft gezeugt, die bald zo zahlreich geworden, daß sie die ganze Nation angreifen konnte; die Houyhnhnms, um das Übel loszuwerden, hätten eine allgemeine Jagd angestellt und zuletzt die ganze Herde eingeschlossen; die älteren seien getötet worden; jeder Houyhnhnm habe zwei junge in seinen Stall genommen und sie zu einem solchen Grade von Zahmheit gebracht, wie sie ein von Natur so wildes Tier nur erlangen könne, er habe sie dann zum Ziehen und Lasttragen verwandt.

Diese Tradition scheine wahr zu sein, denn jene Geschöpfe konnten nicht Ylnhniamsby (Ureinwohner) des Landes sein, wegen des heftigen Hasses, welchen die Houyhnhnms wie andere Tiere, gegen sie mit vollem Rechte hegten. Obwohl ihr schlechter Charakter solchen Haß wohl verdiene, hätte er doch nicht dieses Ausmaß erreicht, wären die Yahoos die Ureinwohner; oder sie wären wahrscheinlich längst ausgerottet worden. Die Einwohner hätten hierauf eine besondere Vorliebe für den Dienst der Yahoos gefaßt und dadurch unvorsichtigerweise die Fortpflanzung der Esel vernachlässigt, welche artige, weit ordentlichere und zahme, leicht zu bewachende Tiere seien, die auch keinen unangenehmen Geruch besäßen. Sie seien auch stark genug zur Arbeit, obgleich sie den Yahoos an Behendigkeit nachstünden; sei auch ihr Geschrei kein angenehmer Schall, so müsse man dasselbe doch dem furchtbaren Geheul der Yahoos vorziehen. - (gul)

Priorität (3) CALVINO Ihre Priorität, Herr Neander, wird Ihnen wohl niemand abstreiten können, aber es handelt sich sozusagen um eine relative Priorität: sagen wir, Sie sind der erste, der. . .

NEANDER Immer noch eher als du ...

CALVINO Einverstanden. Aber das ist doch nicht der springende Punkt. Ich wollte sagen. Sie waren der erste, der von denen, die nach Ihnen kamen, für den ersten gehalten wurde.

NEANDER Das denkst du. Erst ist da noch mein Vater...

CALVINO Nicht nur er, sondern ...

NEANDER Die Großmutter...

CALVINO Und vor ihr? Aufgepaßt, Herr Neander: die Großmutter Ihrer Großmutter...!

NEANDER Nein.

CALVINO Was heißt hier nein?

NEANDER Der Bär!

CALVINO Der Bär! Ein totemistischer Ahnherr! Wie Sie soeben gehört haben, betrachtet Herr Neander den Bären als seinen Stammesvater, und sicher ist der Bär das Totemtier, das seinen Clan, seine Familie symbolisiert!

NEANDER Deine! Zuerst ist der Bär da, dann geht der Bär hin und frißt die Großmutter ... Dann bin ich da, dann gehe ich hin und schlage den Bär tot.. . Dann esse ich ihn auf, den Bär. - Italo Calvino, Alles war schon da. Der Neandertaler. In: Unmögliche Interviews. Berlin 1996

Priorität (4) 

Priorität (5)   Uwolowu und die Menschen waren. Die Menschen sandten den Hund zu Uwolowu, damit er ihnen sage, so die Menschen sterben, möchten sie auferstehen. Der Hund ging. Unterwegs hungerte ihn. Er kam in ein Haus, worin ein Mann zauberische Kräuter kochte. Der Hund setzte sich zu ihm und dachte, er koche Speise. Auch der Frosch ging zu Uwolowu, doch ungebeten, ihm zu sagen, so die Menschen stürben, möchten sie nicht mehr auferstehen. Der Frosch überholte den Hund, der dachte, so ich gegessen habe, hole ich den Frosch ein. Der Frosch traf ein und sprach zu Uwolowu: »Wenn die Menschen sterben, mögen sie nicht auferstehen.« Nun kam auch der Hund und sagte dem Uwolowu: »Wenn die Menschen sterben, wollen sie auferstehen.« Uwolowu sprach zum Hund: »Diese zwei Worte verstehe ich nicht. Da zuerst des Frosches Rede ich gehört habe, will ich tun, wie er gesagt, und ich will nicht tun, wie du gesprochen.« Wann der Frosch stirbt, und es donnert, so aufersteht er.   - Afrikanische Märchen und Legenden. Hg. Carl Einstein. Berlin 1980 (zuerst 1925)

Priorität (6)  Djama das Chamäleon, Tanquollo der Frosch und Bidingako (die große, schwarze, übelriechende Ameise, die immer den Krieg mit den Termiten macht) stritten miteinander. Djama sagte: »Ihr müßt mich ehren, denn ich bin sehr alt. Ich war dabei, als Soko (Gott) die Erde gemacht hat.« Tanquollo sagte: »Du lügst. Ich bin älter als du, denn ich war da, ehe die Erde fertig war.« Bidingako sagte: »Ihr lügt alle beide. Ich bin der älteste von allen, denn ich war da, ehe die Erde überhaupt vorhanden war.«

Djama, Tanquollo und Bidingako stritten sich.

Edsu Edegi hörte von dem Streit. Edegi sagte: »Bringt mir alle drei hierher!« Man brachte Djama, Tanquollo und Bidingako herbei. Edsu Edegi sagte zu Djama: »Du sagst, du seist dabei gewesen, als Gott die Erde machte? Wie kannst du das beweisen?« Djama sagte: »Als meine Mutter mich geboren hatte, war die Erde noch nicht hart. Sie war noch weich. Meine Mutter sagte deswegen zu mir: »Mach keine schnellen Bewegungen, sonst könntest du im Schlamm versinken. Geh immer ruhig!« Aus dieser Zeit stammt der langsame Gang, den ihr heute noch an mir sehen könnt. Daraus siehst du, daß die Erde vor meinen Augen gemacht ist.« Edsu Edegi sagte: »Du hast recht. Setz dich!«

Edsu Edegi sagte zu Tanquollo: »Du sagst, du warst da, ehe die Welt fertig war. Wie willst du das beweisen?« Tanquollo sagte: »Als meine Mutter mich gebar, waren nur einzelne Spitzchen von Erde da. Hier eines und da eines und dazwischen war noch alles hohl. Auf einer solchen kleinen Erdspitze gebar mich meine Mutter. Als meine Mutter mich geboren hatte, sagte sie zu mir: »Die Erde ist noch nicht fertig. Es sind erst einige Häufchen. Dazwischen ist alles hohler Raum. Wenn du also deinen Platz wechseln willst, so hüte dich, daß du nicht in den hohlen Raum fällst. Spring von einem Erdhäufchen über die hohlen Räume weg zum andern!« Aus der Zeit habe ich den hüpfenden Gang behalten. Daraus siehst du, daß ich da war, ehe die Erde fertig war!« Edsu Edegi sagte: »Du hast recht, setz dich!«

Edsu Edegi sagte zu Bidingako: »Du sagtest, du wärest da gewesen, ehe die Welt überhaupt vorhanden war. Wie willst du das beweisen?« Bidingako sagte: »Als meine Mutter mich gebar, war überhaupt noch keine Erde da. Es war alles und allenthalben Wasser. Meine Mutter hat mich auf dem Wasser geboren. Nachdem meine Mutter mich geboren hatte, starb sie. Ich nahm meine tote Mutter auf den Kopf und lief überall umher, nach einem Erdplatz suchend, auf dem ich sie begraben könnte. Während zwölf Jahren suchte ich so. Inzwischen verfaulte meine Mutter auf meinem Kopf. Das ist aber der Grund, warum ich heute noch stinke. Daraus siehst du, daß ich da war, ehe die Erde fertig war.« Edsu Edegi sagte; »Du hast recht, setz dich! « - Leo Frobenius, Schwarze Sonne Afrika. München 1996

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