Peitsche  Hauteufel,  Regierung - (gau)

 Peitsche (2)  

 

- (forn)

Peitsche (3) Nunmehr aber habe ich, als den unverantwortlichsten und schändlichsten Lerm, das wahrhaft infernale Peitschenklatschen, in den hallenden Gassen der Städte, zu denunciren, welches dem Leben alle Ruhe und alle Sinnigkeit benimmt. Nichts giebt mir vom Stumpfsinn und der Gedankenlosigkeit der Menschen einen so deutlichen Begriff, wie das Erlaubtseyn des Peitschenklatschens. Dieser plötzliche, scharfe, hirnlähmende, alle Besinnung zerschneidende und gedankenmörderische Knall muß von Jedem, der nur irgend etwas, einem Gedanken Aehnliches im Kopfe herumträgt, schmerzlich empfunden werden: jeder solcher Knall muß daher Hunderte in ihrer geistigen Thätigkeit, so niedriger Gattung sie auch immer seyn mag, stören: dem Denker aber fährt er durch seine Meditationen so schmerzlich und verderblich, wie das Richtschwerdt zwischen Kopf und Rumpf. Kein Ton durchschneidet so scharf das Gehirn, wie dieses vermaledeite Peitschenklatschen: man fühlt geradezu die Spitze der Peitschenschnur im Gehirn, und es wirkt auf dieses wie die Berührung auf die mimosa pudica [Mimose]; auch eben so nachhaltig. Bei allem Respekt vor der hochheiligen Nützlichkeit sehe ich doch nicht ein, daß ein Kerl, der eine Fuhr Sand oder Mist von der Stelle schafft, dadurch das Privilegium erlangen soll, jeden etwan aufsteigenden Gedanken, in successive zehn Tausend Köpfen (eine halbe Stunde Stadtweg) im Keime zu ersticken. Hammerschläge, Hundegebell und Kindergeschrei sind entsetzlich; aber der rechte Gedankenmörder ist allein der Peitschenknall. - (schop)

Peitsche (4)  Der Korporal kam mit einer Tscherkessenpeitsche zurück, ein Strang aus geschmeidiger, schwarzer Lederhaut, sich verjüngend von dem etwa daumendicken, silberbeschlagenen Griff bis zu einer harten, etwa bleistiftstarken Spitze.

Als der Korporal mich erschauern sah (was meiner Ansicht nach teils von der Kälte kam), ließ er mir die Peitsche um die Ohren pfeifen und rief höhnisch, ich würde noch vor dem zehnten Schlag um Gnade heulen und beim zwanzigsten um die Zärtlichkeiten des Bejs betteln; und dann begann er wie verrückt kreuz und quer aus aller Kraft auf mich loszupeitschen. Ich biß die Zähne zusammen, um das zu ertragen, was wie ein glühender Draht über meinen Körper leckte.

Um mich in der Gewalt zu behalten, zählte ich die Schläge, aber nach dem zwanzigsten konnte ich nicht mehr weiterzählen. Ich fühlte nur noch den Druck eines ungeheuren, aber nicht bestimmbaren Schmerzes; es war nicht, als ob scharfe Klauen mir die Haut aufrissen (worauf ich gefaßt gewesen war), sondern wie ein allmähliches Auseinanderbersten meines ganzen Ichs durch eine übermächtige Kraft, deren Wogen mein Rückgrat hinaufwallten, bis mein Hirn sie als einen furchtbaren Zusammenprall wahrnahm. Irgendwo im Hause tickte laut eine billige Uhr; es störte mich, daß ich nicht im Rhythmus des Tickens geschlagen wurde. Ich wand und drehte mich, wurde aber so fest gehalten, daß meine Anstrengungen zwecklos waren. Nachdem der Korporal aufgehört hatte, begannen die Soldaten sehr bedachtsam der Reihe nach mir die gleiche Anzahl Schläge zu geben. Dazwischen trat immer eine Pause ein, während der sie miteinander stritten, wer als nächster drankommen sollte, um ohne jeden Zwang auf unsagbare Art ihr Wesen mit mir zu treiben. Das wiederholte sich entsprechend oft und mochte etwa zehn Minuten dauern. Immer beim Beginn einer neuen Serie von Schlägen wurde mir der Kopf so gedreht, daß ich sehen konnte, wie eine harte, weiße Spur, gleich einem Bahngleis, die sich langsam rot färbte, bei jedem Schlage auf meiner Haut aufsprang; immer wo zwei Spuren sich kreuzten, entstand eine Blutblase. Je länger die Prozedur dauerte, desto mehr alte Striemen traf die Peitsche, und dort, wo sie getroffen hatte, wurde die Haut dunkler und feuchter, bis mein Fleisch von dem rasenden Schmerz und dem Entsetzen vor dem nächsten Schlag zitterte. Das besiegte bald meinen Entschluß, nicht zu schreien, aber da mein Wille meine Lippen noch beherrschte, schrie ich nur auf arabisch, und später beendete eine Ohnmacht mein Herausgestoße.

Als ich schließlich vollkommen erledigt war, schienen sie befriedigt. Ich fand mich neben der Bank rücklings auf dem schmutzigen Fußboden liegend, kraftlos hingestreckt, nach Atem ringend, und doch auf unbestimmte Art gestärkt. Ich hatte mich gezwungen, allen Schmerz bis in den Tod hinein kennenzulernen und, nicht mehr als Mitspieler, sondern als Zuschauer, mir vorgenommen, nicht darauf zu achten, wie mein Körper sich aufbäumte und jammerte. Bei alledem wußte ich aber oder stellte mir vor, was um mich her vorging. - T. E. Lawrence, Die sieben Säulen der Weisheit. München 1979 (dtv 1456, zuerst 1922)

Werkzeug, soziales

 

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