Der Wasserfrosch dagegen, wenn er aus dem Wasser kommt und die Sonne ihn faßt, taucht er wieder in das Wasser ein.
Gleich sind die wackeren Glieder der Gemeinde dem Landfrosch; denn sie ertragen den Brand der Versuchungen, wenn sie jedoch der heftige Regen erfaßt, nämlich die Verfolgung um der Gerechtigkeit willen, dann sterben sie. Die Weltkinder aber sind die Wasserfrösche; denn wenn auch nur ein bißchen von der Wärme der Versuchung und Begierde sie packt, dann halten sie dieser nicht stand, sondern tauchen wieder hinein in die Geilheit der Sinnenwollust.
Wohlgesprochen hat also der Physiologus über den Frosch. - (phys)
Frosch
(2)
Dieser
alte Herr aus LaRoche
war befreundet mit einem Frosch.
Er lernte zu quaken
und
lebte von Schnaken, der gelehrige Herr aus LaRoche.
- (lea
)
Frosch
(3) Der gelblich grüne Quacker /
der nichts kann als koachsen / mag trinken wann er will. Die Mutter ist der
Schlamm / der Vater ist die Sonne / er findet auf dem Feld und in dem Wasser
Wonne / springt in den grünen Klee / in dem er schnaufft nach Lufft /
hört man ihn aus dem See / schaut er ein Fackellicht / so höret man ihn nicht.
Der
Frosch hat die Deutung des unnöthigen / unzeitigen Geschwätzes. - (
hrs
)
Frosch
(3) Die ägyptischen Frösche sind
ein kluges Völkchen, und sie übertreffen die anderen Frösche auch bei weitem.
Trifft nämlich so ein Frosch auf eine Wasserschlange, wie sie im Nil leben,
dann beißt er ein Stück Rohr ab, nimmt es quer in sein Maul, hält es mit aller
Kraft fest und läßt es nicht los. Die Wasserschlange aber kann nicht den Frosch
mitsamt dem Rohr verschlucken, da sie ihr Maul nicht so breit öffnen kann, wie
das Rohr lang ist. So sind die Frösche durch ihre Klugheit der Kraft der Wasserschlangen
überlegen. - (
ael
)
Frosch
(4)
Schon auf lyrischem Grund, in Chimaeras Heimat — es sengte Und es geschieht, was die Göttin gewünscht:
Sie leben im Wasser, |
- (
ov
)
Frosch
(5) Frösche kündigen Gaukler
und Possenreißer an, sind aber Leuten, die von der großen Menge leben, günstig.
Ich kenne einen Haussklaven, der träumte, er überhäufe Frösche mit Ohrfeigen;
er übernahm die Hausverwaltung seines Herrn und kommandierte das Gesinde im
Haus; der Teich bedeutete das Haus, die Frösche das
Gesinde, das Ohrfeigen aber das Aufseheramt. - (
art
)
Frosch
(6) Einer der Diener,
deren Aufgabe es war, meinen Trog mit frischem Wasser zu füllen, war so nachlässig,
einen großen Frosch, den er nicht bemerkte, aus seinem Eimer schlüpfen zu lassen.
Der Frosch hielt sich verborgen, bis ich in mein Boot gesetzt wurde; da er dann
aber einen Ruheplatz erblickte, stieg er herauf und verursachte auf diese Weise,
daß es sich so sehr auf eine Seite neigte, daß ich mit meinem ganzen Körper
das Gleichgewicht auf der anderen halten mußte, um zu verhindern, daß es umschlug.
Als der Frosch hereingekommen war, hüpfte er mit einem Satz halb so weit, wie
das Boot lang war, und dann vorwärts und rückwärts über meinen Kopf, wobei er
mir Gesicht und Kleider mit seinem ekelhaften Schleim besudelte.
- (
gul
)
Frosch
(7) Eines Tages,
als ich in der Schlange wartete, habe ich ihr Gesicht angesehen und gedacht:
Sie sieht aus wie ein Frosch. Sie sieht dick aus, ist aber eher aufgedunsen:
Ihr Fleisch ist weder schwer noch fest, es ist, als wäre eine Krankheit in ihren
Körper gekrochen und hätte dessen Volumen unnatürlich aufgeblasen. Man weiß
nicht recht, wo ihre Augen hinsehen. Sie trägt eine häßliche Brille mit dicker
Fassung. Ihre Haare sind fade braune Locken, die nie wirklich gekämmt aussehen,
auch wenn sie manchmal, um sie zurückzuhalten, Haarreifen aufsetzt wie die,
die meine Schwester als Kind trug: aus Stoff, mit einem Kern aus Eisendraht
und aufgenähten Blümchen aus Straß. Sie trägt immer unförmige Kleider, oder
vielleicht werden sie an ihr so unförmig. Wahrscheinlich hat sie niemanden in
ihrer Nähe, der imstande wäre, ihr Ratschläge zu geben und ihr Kleider zu empfehlen,
die ihr Gebrechen wenigstens nicht so laut hinausschreien.
Nicht, daß es mir richtig erschiene, Gebrechen zu verstecken. Ich merke,
daß viele Leute Gebrechen als etwas ansehen, was vor der Welt versteckt werden
muß und kein Recht hat zu existieren, und sie schämen sich nicht, ihre Unduldsamkeit
offen zu zeigen. Auf einen Menschen, der durch Kleidung oder Verhalten seine
Gebrechen beinahe betonen zu scheint, reagieren diese Leute mit einer Grausamkeit,
die deshalb, weil sie unbewußt ist, und vielleicht auch unverschuldet, nicht
weniger schrecklich ist. Vor dieser so leichtfertigen Grausamkeit sollten kranke
Menschen vielleicht durch ein Minimum an Verhüllung, fast eine Art Verschleierung,
geschützt werden. Es ist nicht gesagt, daß ich nicht auch Fehler mache. Eines
Tages, als ich in der Schlange stand, hatten mir die Angestellten durch halbe
Andeutungen und fortwährendes Zwinkern zu verstehen gegeben, daß ich Vanessa
ein Kompliment für ihr neues Kleid machen müsse. Es war ein Kleid aus roter,
mit weißen Blümchen bedruckter Baumwolle, das einer schlanken, hübschen Sechzehnjährigen
sehr gut gestanden hätte. An Vanessa sah es so absurd aus, daß mir das Kompliment,
bevor ich es verhindern konnte, als zweideutige Bemerkung
entschlüpfte. Ich schäme mich heute noch so sehr dafür, daß ich mich nicht einmal
daran erinnern kann (mein Gedächtnis ist in solchen Dingen sehr gewissenhaft).
Ich bemerkte zu spät, was ich angerichtet hatte, weil die Angestellten mir einerseits
böse Blicke zuwarfen, sich aber andererseits das Lachen nicht verbeißen konnten.
Keiner wollte Vanessa weh tun. Vanessa hatte die Zweideutigkeit nicht begriffen,
sie hatte nur das Kompliment entgegengenommen und schenkte mir eines ihrer blöden
Lächeln, mit halboffenem Mund. - Giulio Mozzi, Vanessa, in: Italia fantastica! Berlin 1997 (WAT 280)
Frosch
(8) Uwolowu heiratete zwei
Frauen. Die eine war Frosch, die andere Eisvogel. Er liebte Frosch mehr als
Eisvogel. Alle schönen Dinge gab er jener. Eines Tages gedachte Uwolowu beide
zu prüfen; gab einer jeden von ihnen sieben Töpfe und verstellte sich tot. Sie
sollten in die Töpfe weinen. Frosch weinte zuerst. Krofia tiwe Krowui kro.
Da ihre Tränen niederfielen, leckte die Ameise sie auf. Auch Eisvogel weinte,
und ihre Tränen füllten sieben Töpfe. Frosch weinte wieder, doch die Ameise
leckte wieder alle Tränen auf; Uwolowu erstand wieder und sprach: »Die ich nicht
liebte, sie weinte sieben Töpfe voller Tränen; die ich liebte, hat nicht viel
geweint.« Drum sandte er den Vogel in die Luft, damit er sich immer freue; Frosch
gab er einen Tritt und verwies ihn in schlammiges Flußufer. - Afrikanische Märchen
und Legenden. Hg. Carl Einstein. Berlin 1980 (zuerst 1925)
Frosch
(9) In der Bibliothek Sainte-Geneviève
zog ich ein Wörterbuch zu Rate und erfuhr, daß die
Axolotl mit Kiemen ausgestattete Larvenformen
einer Spezies von Fröschen der Gattung Amblistonia sind. Daß sie Mexikaner waren,
wußte ich bereits von ihnen selbst, durch ihre kleinen rosigen Aztekengesichter
und das oben am Aquarium angebrachte Schild. Ich las,
daß sich in Afrika Exemplare gefunden haben, die fähig sind, in Dürreperioden
auf dem Land zu leben, und die ihr Leben im Wasser fortsetzen, wenn die Regenzeit
anbricht. Ich fand ihren spanischen Namen, ajolote, den Hinweis, daß
sie eßbar sind und daß ihr Öl wie Lebertran verwendet wurde (was wohl besagte,
daß man es nicht mehr verwendet). - Julio
Cortazar, Die Nacht auf dem Rücken. Die Erzählungen Bd. 1. Frankfurt am Main
1998
Frosch
(10) »Was nützen
uns«, heißt es etwa in einem heiligen Text, der Maitrāya
Upanisad, »die Vergnügungen und Wonnen in diesem Leib, der nur eine
dreckige Ansammlung von Knochen, Haut, Sehnen, Mark, Fleisch, Samen, Blut, Schleim,
Tränen ist, eine Masse von Kot, Urin, Fürzen, Galle und anderen Säften,
übelriechend und kraftlos? Erfahren wir nicht, daß göttliche
und dämonische Wesen sterben, daß Ozeane austrocknen und Berge eingeebnet
werden, und daß die Erde eines Tages aufhören wird zu existieren?
Was nützen uns die Vergnügen in einem samsāra
dieser Art, in das ein Mensch, der zu ihm Zuflucht nimmt, immer wieder zurückkehren
muß? Ich bin in diesem samsāra wie ein Frosch in einem verschlossenen
Brunnen.« - Hans Peter Duerr, Sedna oder Die Liebe zum Leben. Frankfurt
am Main 1984
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