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Zwei rußüberzogene Yetis traten
von hinten an mich heran und packten mich bei den Schultern.
»Du bist ein Bär?« sagte einer von ihnen. Ich nickte.
»Dann kommst du in die Ofenhölle.«
Die Ofenhölle, das war das rotglühende Herz inmitten der Moloch.
Ein Maschinensaal mit über tausend Kohle- und Holzöfen, für jeden Schlot
des Schiffes einen. An jedem Ofen arbeitete ein Trupp von Schwarzbären,
schweigsame entfernte Verwandte von mir, mit leeren, traurigen, interesselosen
Augen. Ununterbrochen schippten sie Kohle in die Öfen oder warfen Baumstämme
nach. Einem dieser Trupps wurde ich zugeordnet. Ein Yeti drückte mir eine
Schaufel in die Hand und forderte mich auf, den Ofen zu beheizen. Immer
noch betäubt von den letzten Ereignissen, fing ich an, Kohle zu schippen.
- (
zam
)
Bär (2) Nicht entheimatet,
nicht displaced, nicht gespalten, aber zerrissen ist der Angehörige
des Grenzlandes. Je öfter sich die Grenzen in Europa verschieben, desto
mehr solcher Grenzländer wird es geben. REINHOLD SCHNEIDER hat es am elsässischen
Grenzländer und Verleger JOSEPH ROSSE deutlich gemacht, wie tragisch das
Schicksal dessen ist, der in die Landschaft
des Verrats hineingeboren ist und in ihrer Verstrickung
hängen bleibt. ‹Ich komme auf einen heftig umstrittenen Mann zu sprechen,
einen Freund. Das politische Zwielicht, in
dem zu leben er verdammt war, kann ich nicht zerstreuen; ich habe nicht
zu urteilen, sondern zu bekennen. Wie der Akzent auf seinem Namen — ROSSE
oder Rossé — da war und schwand und wiederkam, so wird die politische Bewertung
schwanken. An dem, was uns verband, ändert das nichts. JOSEPH ROSSE kann
morgen ein Held sein, übermorgen wieder ein Verräter.
Mich kümmert das nicht. Unter allen Umständen müssen wir der Politisierung
des Menschlichen widerstehen... Zum 50. Geburtstag erhielt ROSSE das goldene
Parteiabzeichen. Hätte er es abweisen können? Auf der Straße machte er
die Andeutung einer Handerhebung, dann rückte er mit einem französischen
Gruß den Hut ... In der Krypta der uralten Kirche zu Andlau steht ein steinerner
Bär. Ein Sagenforscher erklärte uns, daß der Bär das Tier der Grenzlande
sei; scheu, unstet, auf der Flucht hin und her
wechselnd. So war ROSSE, wenn er, die Hände in den Manteltaschen vergraben,
vorgeneigt, eilig die Straßen kreuzte ... Ich glaube nicht, daß die Geschichte
verheilt. Geschähe es aber doch, so nicht ohne die Segenskraft des Landes
und Vermächtnisses, für das JOSEPH ROSSE gelebt hat und, in seiner dritten
Gefangenschaft, unter bitteren Leiden und Ängsten, getröstet von Gott,
wie ein Auserwählter gestorben ist.› - (
bov
)
Bär (3) auf ginge es, zur gondel,
davor schon mein urso tapffer wacht hielt, ein ausgeschlaffener
herr in braunem morgenrock, gewaschen, geschneutzt und gestrählt wie ein
wärschaffter Wächter der alten zeit. Also wüntschte ich ihme einen recht
fröhlichen buns dies, welchen er mir in seiner alt-fränckischen weis auffs
beste zuruck gabe, meinend, es seie während seiner vigilia nichts sonderbares
vorgefallen, hätte ihm zwar ein wandersmann aus Guzerate um feur für seinen
ausgegangenen cigarro angegangen, sich aber gleich drauf, ohne viel vermeldens,
wieder übers feld begeben, er wolle noch diesen oder jenen ort zu christlicher
zeit erreichen, und wären der strauchreutter und gangsters nicht wenige
Zugange. Ja, sagte ich, aber da du so trefflich unsere gondel bewacht hast,
sind ihnen wohl die grausbirnen im maule auffgestiegen, ein bär in feldmarschmäßiger
montierung vor einer montgolphiere wirfft dem couragiertesten bandolero
das hertz ins beinkleid. Vor denen, meinte mein urso, hätte er sich weniger
befürchtet, denn um den tau auff den gräslein, der jetzo in der sonne glimmerte
und schimmerte, allein ein trugbild seie ihm so gegen mitternacht
vor augen gestiegen, das ist eine nocturne fata morgana, darinnen sich
allerlei unsinniges gezeigt, wie braune weiber, plattnasicht und nackend,
wie sie ihr hauptgötze erschaffen, und hatte jede seifentopf, rasierpinsel
und schabmesser in den händen; da habe er gedacht, sie wollten ihme ans
fell. Ob das böses bedeute, oder gutes ? Redlicher Rufus, versetzte ich,
ich habe denen traumdeuttern noch nie ein wort
geglaubt, ihnen über den weg zu springen, deucht mir schlimmer, dann die
unzierlichsten träume oder schlaffbilder, so einem in einsiedlerischen
schwartznächten durchs hirn fahren. Wird schon so sein, meinte mein bar
und schickte sich an, über die kleine stehleiter in den corb zu steigen.
Ich warff ihm meine tasche hoch und kletterte selbst nach. In der gondel
drinnen steckte ich mir meine tyroler knasterpfeiffe an, der toback, ein
heuriger holländer, mischte sich fein mit den gerüchen und parfumes von
frischem klee, morgendlicher erde, dem der honigvorräte meines braunen
und meinen eigenen rauchwürsten, die mir zu häupten baumelten. Es versprach
ein guter tag zu werden, und wir stiegen auf wie der rauch der schönen
saaten, der hier überall aus der noch nassen erden hervorquolle. -
H.C.Artmann
, Der aeronautische
Sindtbart oder Seltsame Luftreise von Niedercalifornien nach Crain. Ein
fragment von dem Autore selbst aus dem yukatekischen anno 1958 ins teutsche
gebracht sowie edirt & annotirt durch Klaus Reichert. München
1975 (dtv 1067, zuerst 1958)
Bär (4) Die Erwähnung der
Wölfe ließ Johnson an andere reißende Tiere denken, und während
Sir Joshua Reynolds und Bennet Langton sich angelegentlich über
etwas anderes unterhielten, fiel ihnen Johnson plötzlich in die Rede, mit
den Worten: «Pennant sagt von den Bären —» (was es war, habe ich vergessen).
Die beiden sprachen weiter, was ihm infolge seiner Schwerhörigkeit entging,
oder falls er es innewurde, kehrte er sich jedenfalls nicht daran, sondern
fuhr seinerseits mit lauter Stimme in seinen Bemerkungen fort; das Wort
«Bär» war zwischenhinein immer wieder zu vernehmen (wie ein Kehrreim, meinte
Beauclerk), was bei Johnson natürlich sehr komisch wirkte, wurde er doch
von denen, die ihn nicht näher kannten, oft mit diesem Tier verglichen,
so daß wir uns damals nur mit Mühe das Lachen verbeißen konnten. Nachdem
schließlich eine Stille eingetreten war, hörte man ihn sagen: « Es heißt,
der schwarze Bär sei harmlos, aber ich würde
ihm doch nicht über den Weg trauen.» Edward Gibbon knurrte leise
vor sich hin: «Ich Ihnen auch nicht.» - (
johns
)
Bär (5) Ich glaube nicht, daß wir die Sprache der frühen Menschen mit Bezug auf die Tiere schon richtig deuten können, weil wir selbst die Tiere nur noch ganz außerordentlich schlecht kennen. Trotzdem kann man kaum über das Tier in Religion und Ritus ungefähr Richtiges annehmen, wenn man nicht die Sprache der Frühzeit zu verstehen gesucht hat. Aus reichlichem Material kann ich hier nur einige kurze Andeutungen geben, weil diese sprachliche Untersuchungsweise noch keine Mitarbeiter hat.
DER BÄR. Ich möchte drei Sprachgruppen unterscheiden:
Bär, Boar, Björn. — Hierzu Boreas, Hyperboreer etc.
Ursus, Ours, Span. Oso, Osso. Sanskr.: Arth, armen. Arisch, bask. Artza, os-set. Ars.
Zu der ersten Reihe ist zu bemerken, daß Björn, Born etc. in engster Verwandtschaft zu schwed. Barn, dem Kinde schlechthin steht. Da der Nordpol als Ausgangspunkt des Lebens in solchen Fällen bezeichnet und gedacht ist, so ist der Nordpol auch der Mutterpunkt, und das erste Tier, das daraus hervorgeht, kann wohl als Kind bezeichnet worden sein, wenn dabei die Beziehung zu dem Wortstamm Bar erhalten blieb. Der Stamm Bar geht nun auf Af-ra zurück. Af-ra oder Ab-ra bedeutet Off-ra, also fortgegangene Sonne. Af als Negation ist in vielen Worten erhalten (Fleisch) und Ra und Af-ra sind die klaren Bezeichnungen der Gegenpole. Af-ra ist identisch mit No-ra, Narr, etc., sowie auch mit Re-nard, Ra-nord, über das ich in anderem Zusammenhang schon sprach. Af-ra ist also für viele Begriffe ein Wortstamm geworden. Af-ra ergibt Far, das ist engl. fern, also fortgegangen. Af-ra ist auch Fyr, das heißt Feuer, wegen der untergehend verbrennenden Sonne. Der Bär ist also der Antipode wiederum des Löwen, und so kann man auch verstehen, daß diese beiden Tiere einander einmal in irgendeiner mittleren Zone begegnet sind und schwer miteinander gerungen haben. Bär ist aber auch Ab-ra, nämlich abwesende Sonne, und somit Norden. Ich halte es auch nicht für ausgeschlossen, daß ein Name, wie der der Brahmanen auf Bra, Bar- Norden zurückzuführen wäre, also auch das Brahma auf das einpolige Ausgangsprinzip, das man im Norden gesehen hat. Urs, Ours, Ars, Arth, Arisch, Artzia gehören einer zweiten Reihe an, und ich denke, daß span. Oso irgendwie ein R verloren haben muß. Diese Reihe hat zwei wesentliche Beziehungen: Erstens zu einer Wortreihe Ard-Erde und zweitens zu einer Reihe: Erz, Archi, Arzi, etc., mit dem wir etwas Uraltes bezeichnen, einen Ausgangspunkt, etc. Daß Erz (Metallerde) und Erde selbst gleiche Worte sind, möchte ich vorausschicken. Nun kann man aber gleichfalls erkennen, daß das deutsche Wort Erst, das im griech. Aristo mit etwas verschobener Bedeutung lautet, mit Erz vollkommen identisch ist, und da wiederum wie bei dem Begriffe Barn - Kind der Nord als Ausgangspunkt gedacht war, kann man nicht zweifelhaft sein, daß auch der Bär als »Der Erste« in mehreren Hinsichten betrachtet wurde, und eben nicht nur wegen seines nördlichen Lebenspunktes, sondern auch wegen seiner Kraft etc. Der Bär ist auch Herr der Erzschätze.
Ob die Wortreihe Erde ebenfalls hierher gehört, möchte ich offen lassen,
weil die Untersuchung hier zu weit führen würde.
- Ernst Fuhrmann, Das Tier in der Religion. München 1922
Bär (6)
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