(kü)
Hund (2)
Ausschließlich zu dem Zweck erschaffen, seinem Herrn das Leben zu retten.
Schwefel in sein Trinkwasser tun, um zu verhindern, daß er Tollwut bekommt.
Korkenhalsband bei Hündinnen, damit sie keine Milch mehr geben. Ideal vom
"Freund des Menschen". - (fla)
Hund (3)
A dog reflects the family life. Whoever saw a
frisky dog in a gloomy family, or a sad dog in a happy one? Snarling people
have snarling dogs, dangerous people have dangerous ones. - Sherlock
Holmes
Hund (4)
Hund (5) Auf die Frage, was
er denn tue, daß man ihn »Hund« nenne, antwortete Diogenes: »Die mich beschenken,
umwedle ich, die mir nichts geben, belle ich an, und die Schufte beiße
ich.« - (
diog
)
Hund (6) Ich hörte dann ein metallisches Klirren, wie von einem Laufenden mit gezogener Waffe. Ein Grollen kam dazu, eher ein fernes Raunen im Luftraum, und fast zugleich empfand ich hautnah ein Gebrüll: den bösesten aller Laute, Todes- und Kriegsschrei zugleich, ohne Ansatz das Herz anspringend, das sich in der Phantasie kurz als Katze buckelte. Ende der Farben und Formen in der Landschaft: Nur noch ein Gebißweiß, und dahinter bläuliches Fleischpurpur.
Ja, vor mir, hinter dem Zaun, stand ein großer Hund — eine Doggenart —, in dem ich sofort meinen Feind wiedererkannte. Und schon kamen auch die anderen von überall auf dem Hof herbeigelaufen, mit am Beton kratzenden Krallen; blieben aber im Abstand zu mir und dem ersten, der in Haltung und Stimme der Leithund zu sein schien.
Sein Körper wirkte bunt, während Kopf und Gesicht tiefschwarz waren. »Sieh dir das Böse an«, dachte ich. Der Schädel des Hundes war breit und erschien trotz der hängenden Lefzen verkürzt; die Dreiecksohren gezückt wie kleine Dolche. Ich suchte die Augen und traf auf ein Glimmen, In einer Brüllpause, während er um Atem rang, geschah nur das lautlose Tropfen von Geifer. Dafür bellten die übrigen, was sich freilich eher temperamentlos und rhetorisch anhörte. Sein Leib war kurzhaarig, glatt und gelbgestromt; der After markiert von einem papierbleichen Kreis; die Rute fahnenlos, Als der böse Lärm wieder einsetzte, verschwand die Landschaft in einem einzigen Strudel aus Bombentrichtern und Granatlöchern.
Im Blick zurück auf den Hund sah ich, daß ich gehaßt wurde. — Doch zu sehen war auch die Qual des Tiers, in dem sich gleichsam etwas Verdammtes umtrieb. Es gab am ganzen Leib keinen Teil, der ruhig halten konnte. Nur einmal, wie von mir gelangweilt, hielt er ein, blinzelte heuchlerisch zur Seite, spielte sogar gönnerisch mit seinen Kumpanen (die er ebensogut hätte totbeißen können) — und sprang im nächsten Moment filmreif den Zaun an, so hoch, daß ich tatsächlich zurückwich.
Danach stand er still drohend und las aufmerksam und lange in meinem Gesicht, doch einzig nach Zeichen der Angst und der Schwäche. Ich begriff:
Er meinte gar nicht mich-im-besonderen, sondern sein Blutdurst war hier auf dem Territorium der Fremdenlegion, wo nur mehr das Kriegsrecht galt, auf jeden dressiert, der, unbewaffnet und ohne Uniform, bloß war, der er war. (Wenigstens einen müßte es doch geben, der unbewaffnet bliebe, schrieb diesbezüglich einmal solch ein bloßes Ich.) Er, der Wachhund, im Gelände; und ich im Gefilde (für das er naturgemäß keine Augen hatte, weil das Wirkliche für ihn einzig sein Sperrgebiet war); und der Stacheldraht zwischen uns, wie im alten Gedicht, wieder als ewiger, vermaledeiter, kalter, schwerer Regen, durch den hindurch ich, geistesgegenwärtig und tagträumend zugleich, den Feind betrachtete, wie er in seiner von dem Getto vielleicht noch verstärkten Mordlust jedes Rassenmerkmal verlor und nur noch im Volk der Henker das Prachtexemplar war.
Ein Weg mit dem Großvater fiel mir da ein, wo er mir gezeigt hatte, wie man sich beim Gehen im Freien die Hunde vom Leib hält: auch wenn kein Stein zur Hand war, bückte er sich wie nach einem, und jedesmal wichen die Tiere dann tatsächlich zurück. Einem warf er sogar einmal Erde ins Maul; und der Hund schluckte sie und ließ uns vorbei.
Ähnliches versuchte ich mit der Dogge von Puyloubier, die darauf aber nur aus einem vervielfachten Maul zurückbrüllte. Beim Bücken war mir eine gelbe Pariser Métrofahrkarte, gebraucht und auf der Rückseite mit Notizen bedeckt, aus dem Rock gefallen: diese warf ich jetzt, in einem Moment des Übermuts, durch den Zaun — und der Hund verwandelte sich auf der Stelle in einen Marder, die bekanntlich Allesfresser sind, und schlang mein Papier hinunter: die Gier und zugleich die Unlust in Person.
Im Phantasiebild fielen sofort die Würmer, die in seinem Innern von ihm lebten, in einem finsteren Nachgetümmel über den Fahrschein her — und schon schied die Dogge auch tatsächlich ein verdrehtes, wie ihre Dolchohren spitzes Türmchen aus; worauf ich erst bemerkte, daß sie rundum auf dem Beton mit vergleichbaren, vertrockneten und ausgebleichten Gebilden, die auch in Häufen gesammelt erschienen (insgesamt eine großspurige Krakelschrift), sich sozusagen einen öffentlichen Machtbereich abgesteckt hatte.
Undenkbar, vor solch bewußtlosem Willen zum Bösen, ein gutes Zureden (überhaupt jedes Reden); so hockte ich mich entschlossen hin, und die Dogge der Fremdenlegion verstummte. (Es war eher ein bloßes Stutzen.) Dann kamen unsere Gesichter einander ganz nah und verschwanden wie in einer gemeinsamen Wolke. Der Blick des Hundes verlor sein Glimmen, und der dunkle Kopf nahm ein zusätzliches Florschwarz an. Unsere Augen trafen sich — jedoch nur ein einzelnes Auge das andere: einäugig, sah ich ihm in das eine Auge; und dann wußten wir voneinander, wer wir waren, und konnten nur noch auf ewig Todfeinde sein; und zugleich erkannte ich, daß das Tier schon seit langem wahnsinnig war.
Der nächste Laut des Hundes war kein Gebell, sondern ein inständiges
Hecheln, das immer heftiger wurde und schließlich wie das Geräusch von
ihm gerade anwachsenden Flügeln war, mit denen er gleich über den Zaun
setzen würde; begleitet von einem allgemeinen Geheul der Meute, das nicht
mehr mir allein galt, sondern dem Weiß der Bergkette dahinter, oder allem
jenseits des Tierbereichs: ja, jetzt trachtete er mir nach dem Leben; und
auch ich wollte mit einem Machtwort ihn tot und weg haben. —
Peter Handke, Die Lehre der Sainte-Victoire. Frankfurt am Main 1984 (zuerst
1980)
Hund (7) Das Abenteuer, das Pinocchio jetzt zustößt, ist zugleich beängstigend, klärend und abstoßend; was in wenigen Zeilen gesagt wird, ist grenzenlos, aufreibend und unfaßbar.
Es ist Nacht, eine kalte Nacht, Regen liegt in der Luft; und Pinocchio hört »ein Gewisper und Geflüster seltsamer Stimmchen«, das an das Geräusch der »heranschleichenden Schritte« des Besitzers erinnert: kleinlicher Hinterhalt. Nun kommen die »Steinmarder«, »die wie Katzen aussahen«. In Anbetracht ihrer gewohnten Nahrung - »Eier und junge Hühnchen« - stehen die Marder, so meine ich, in Pinocchios Bestiarium zwischen dem Kater und den schwarzen Kaninchen der »kleinen Bahre«. Die Steinmarder sprechen ihn an: sie wissen noch nicht, daß der alte Wachhund, Melampo, gestorben ist. Pinocchio kann mit den Tieren sprechen, und nach der Ansicht der Steinmarder sieht er »auch nicht gerade wie ein bärbeißiger Hund« aus. Aus dem Gespräch erfahren wir, daß Melampo mit den Steinmardern ein Abkommen hatte; und sie schlagen Pinocchio dieselben Bedingungen vor: für ihn »ein schön gerupftes Huhn« in der Woche, sieben für die Marder. Also hatte sich der schikanöse und mißtrauische Besitzer einen untreuen Wachhund ausgesucht, einen hinterlistigen »Dummen Kauz«. Melampo stand auf der Seite der Marder: dem Tod nahe, ohne Hoffnung oder Lust auf eine Karriere, war er nicht erpreßbar: nur bestechlich. Selbstverständlich liebte er seinen Herrn nicht, er war unabhängig, da zwielichtig.
Pinocchio zeigt sich mit ihren Vorschlägen einverstanden und bereitet seine Falle vor. Kaum sind die Marder im Hühnerstall, schließt Pinocchio den Einschlupf hinter ihnen und stützt ihn mit einem großen Stein ab. Dann bellt er.
Es ist uns zumute, als ginge Pinocchio ein äußerstes moralisches und psychologisches, ein tödliches Risiko ein; er spielt seine Rolle mit solcher Sachkenntnis, daß er dabei ist, ein »Hund« zu werden; und zwar ein guter Hund im Gegensatz zu Melampo, einem miesen Beispiel gesellschaftlicher Laxheit. Sein angelerntes Gebell ist ein Zeugnis dafür, daß er dem Herrn treu ergeben ist; er ist bereit, die Marder oder, wie er sagt, »die Diebe« auszuliefern. Bei Feuerfresser war er heroisch, bei den Mördern listig und beharrlich, aber in welcher Gestalt erscheint er uns hier? Ist er ein feiger Schuft?
Pinocchio ist eine vielschichtige Gestalt, nicht nur auf den ersten Blick, sondern auch auf lange Sicht: eine geheime, vielgestaltige Zukunft beherrscht ihn. Er gehört nur zum Teil der Welt der Marder an, er spricht mit den Tieren, er wird aufgenommen in die Welt der Fee und hat einen - noch peripheren - Platz in der Welt der Menschen. Da er mit allen Schichten des Daseins zusammenhängt, wird er ständig zur Untreue und zum Verrat an einem dieser moralischen Orte gedrängt. Die Verderbtheit gehört zu seiner Struktur, ist eine Tugend, auf die er nicht verzichten kann.
Als er die Steinmarder einsperrt und sein Herrchen ruft, scheint er sich aus der wilden und schlauen Welt der kleinen Fleischfresser auszuschließen und sich für eine mittlere, vom Menschlichen schmarotzende tierische Kategorie zu entscheiden. Heute ist Pinocchio der »Hund«, den wir schon als »Gendarm« im Land Dummenfang und als Kutscher am Hof der Fee kennen. Er kann sich nicht von den Mardern bestechen lassen, ohne dadurch nicht endgültig als Hund empfinden zu müssen; indem er sie verrät und sich gegen die beutegierige
Unschuld des Waldes versündigt, befreit er sich aus der Lage des Knechtes, der auf den Tod wartet, und in seiner Eigenschaft als Mörder, ja als gedungener Mörder, zeichnet er sein künftiges Menschsein vor. Er tötet nicht für sich selbst - wie die Marder -, sondern für Dritte: für einen Menschen und eine moralische Ordnung.
Der Besitzer nimmt sich vor, die eingefangenen Marder dem Wirt des nächsten
Dorfes zu bringen, der sie dann »als zarten und herzhaften Hasenbraten«
anrichten wird. Dieser Wirt ist verwandt mit dem Wirt Zum roten Krebs,
dem Helfershelfer der Gauner, und dem Lumpenverkäufer, der seinerzeit die
Fibel erwarb. Für dieses »Herrchen«, einen sadistischen Hohlredner, ist
Pinocchio zum Hund geworden. Und trotzdem ist es gerade entscheidend, daß
es keinerlei mildernde Umstände für ihn gibt, daß er für den Menschen,
für dessen Brutalität zum Hund wird; indem er seine erbärmliche Aufgabe
erfüllt und einer Kanaille kleinmütig die Treue hält, hat Pinocchio eine
weitere Stufe zu seiner Menschwerdung überwunden; er ist gleichzeitig abgestiegen
und vorwärtsgekommen. Zum Knecht abgesunken, kann er befreit werden. Nun,
da er das Bild des »Hundes« gelernt hat, kann man ihm das Halsband abnehmen.
Als er frei ist, kann er erklären, er werde »unehrlichen Leuten nie Handlangerdienste
leisten«. Eine doppeldeutige Erklärung, denn der Besitzer, der Komplize
des Wirts, hat seine Unredlichkeit offen bekannt; aber der Besitzer ist
die Gesellschaft und kann sich selbst nicht kennen. - Giorgio Manganelli,
Pinocchio. Ein Parallel-Buch. Frankfurt am
Main 1993 (it 1517, zuerst 1977)
Hund (8)
Es führte ihn so sein Verhängnis. |
- (
ov
)
Hund (9)
Die Hunde Elegie Es waren einmal zwei Hunde,Wie war das Herz ihnen schwer! Sie liefen wohl eine Stunde Hintereinander her. Sie hofften, in liebendem Bunde Das ist die soziale Misere, Die Hündinnen werden ja häufig Man läßt sie aus ihrem Kerker Lisettchen starrt in die Zeilen Wallt man im Familienvereine Hier rücken heran die Studenten, In einem Rudel Hunde Das Auge, angstvoll, trübe, Der kleine Fritz ging vorüber Papa entgegnet: Das nennt man, |
Hund (10) Es gibt Menschen, die zur Welt kommen, um wie ein Hund behandelt zu werden.
Geboren als jüngerer Bruder, wurde er von den älteren wie ein Hund behandelt;
wenn sie gefehlt hatten, beschuldigten sie ihn, und er kriegte Schläge. Dann,
mit fünf Jahren, verfluchte er die Stunde seiner Geburt und wollte sterben.
Aber er ging zuerst in die Küche und beklagte sich der Köchin gegenüber, die
er für seine Freundin hielt. Sie verriet ihn sofort und erzählte den Eltern,
das Kind habe sein Geständnis zurückgenommen, das ihm eben unter Martern abgerungen
worden war. Das angebliche Verbrechen bestand darin, daß er, der Fünfjährige,
vom Portwein der Alten getrunken habe! Ein fünfjähriges Kind sollte so viel
Portwein getrunken haben, aus einer angebrochenen Flasche, daß es zu merken
war, aber dem Kind kein Rausch anzumerken! Das ging den Eltern ein! Da wurde
er wieder gemartert, und gezwungen zu bekennen, erstens, daß er vom Portwein
getrunken, zweitens, daß er eben gelogen habe, als er es leugnete. Darauf mußte
er um Verzeihung bitten, sowohl dafür, daß er vom Wein getrunken, wie dafür,
daß er gelogen hatte. Daß er danach nicht ein Lügner für das ganze Leben wurde,
zeigt wohl, daß es nicht seine Natur war. - (
blau
)
Hund (11) Fremde Hunde, die einen
anwedeln, bedeuten Anschläge und Hinterhältigkeiten von nichtswürdigen Kerlen
oder Weibern und, wenn sie beißen oder bellen, Gewalt- und Übeltaten; des näheren
prophezeien die weißen Hunde offene, die schwarzen heimliche, die rötlichen
nicht ganz offene, die gefleckten ziemlich schlimme Gewaltakte. Sie ähneln nämlich
ganz und gar nicht adligen oder freien, sondern gewalttätigen und unverschämten
Menschen; denn so sind die Hunde geartet. - (
art
)
Hund (12) Gewahrt man viele
Hunde, hat man viele Feinde abzuwehren. - (
byz
)
Hund (13) » Ja«, sagte Father Brown, »ich mag jeden Hund, solange er nicht rückwärts buchstabiert wird.«
Schnelle Sprecher sind nicht immer schnelle Zuhörer. Manchmal bringt gerade ihre Brillanz eine Art von Dummheit hervor. Father Browns Freund und Begleiter war ein junger Mann, der von Ideen und Geschichten überströmte, ein enthusiastischer junger Mann namens Fiennes, mit eifrigen blauen Augen und blondem Haar, das nicht lediglich von einer Haarbürste zurückgebürstet erschien, sondern vielmehr von den Winden der Welt, wie er sie durchstürmte. Doch hielt er im Strom seiner Rede in einer augenblicklichen Verwirrung inne, ehe er des Priesters sehr einfache Meinung begriff.
»Sie meinen also, daß sich die Leute zu viel aus ihnen machen?« sagte er.
»Nun, ich weiß nicht. Es sind wunderbare Geschöpfe. Manchmal glaube ich, daß
sie sehr viel mehr wissen als wir.« - G. K. Chesterton, Das Orakel des
Hundes. In: G.K.C.: Father Browns Ungläubigkeit. Zürich 1991 (zuerst 1926)
Hund (14) Strenggenommen,
war so gut wie alles gleichgültig. ›Die Menschen nur
Hunde, die sich herumbeißen‹, stand bei Marc Aurel, und deshalb erschien
es ihm wichtig, daß er an den Holunderbusch im Garten dachte und wie der bald
wieder blühen würde. - Hermann Lenz, Seltsamer Abschied. Frankfurt
am Main 1990
Hund (15) Schau, ein Hund. Schau: Hunti. Dort hinten. Robert, geh weg dort. Horst du nicht? Wo willst denn hingehn? Papa ist blöd, Papa ist blöd, bu! bu!
Hundige Familien.
Ein häßlicher grauweißer kleiner Wachthund bellt woch! woch!
Der beste Freund des Menschen ist der deutsche Schäferhund — Treu bis in den Tod. (Titel-Layout einer deutschen Illustrierten.)
Wen« ich ein bissei eine größere Wohnung hält, einen Hund möcht ich schon. Ein Hund ist so was Treues!
Ein Hund bellt wuwu!
Ein Hund bellt o-ut, o-ut!
Schlafende Hunde sind hautig. Ihr latentes Lachen. Unvermittelt fahren sie aus dem Schlaf und beißen das Kind, denn das Kind ist schlimm und will mit einem feuerstinkenden Eisenrohr gebrannt werden. Die Wunde klafft, der Hund kläfft. Seine Fangzähne trenzen.
Einem Hund die Schnauze abschneiden. Nun sieht er aus wie eine Gasmaske.
Der Durchschnitts-Hundefreund ist ein Durchschnitts-Pferdefreund, Durchschnitts-Katzenfeind und neigt zu Autorität und Standessymbolik. Katzenfreunde aber lieben Liberté, Egalité und nicht nur Fraternité sondern auch Sororité; unerzwungene Freundschaft, das Ungarantierte, das Fallweise, das Grazile.
Koeduzierte Hunde + Katzen + Ratten schonen einander, vielleicht gelingt es durch Koedukation, Hunde zu erzielen, die nichtunterwürfig und schön wie Katzen sind.
Ein Hund beutelt die Hundekäfer ab, schmückt sich mit Hundeblumen und hat
Hundesehnsucht. -
(oko)
Hund (16)
Der Hund trottet frei durch die Straße und xieht die Wirklichkeit und die Dinge die er sieht sind größer als er selbst und die Dinge die er sieht sind seine Wirklichkeit Betrunkene in Hauseingängen Monde auf Bäumen Der Hund trottet frei auf der Straße umher und die Dinge die er sieht sind kleiner als er selbst Fische auf Zeitungspapier Ameisen in Löchern Hühner in Chinatown-Fenstern Ihre Köpfe einen Häuserblock weg Der Hund trottet frei durch die Straße und die Dinge die er riecht riechen etwas wie er selbst Der Hund trottet frei durch die Straße an Pfützen vorbei und an Babies Katzen und Zigarren Billiardsälen und Polizisten Er hat nichts gegen Bullen Er hat bloß keine Verwendung für sie und er geht an ihnen vorbei und an den toten Kälbern die im Stück vorm San Franzisko-Fleischmarkt aufgehängt sind Er würde eher ein zartes Kalb als einen zähen Polizisten fressen obwohl sies beide täten Und er geht vorbei an der Romeo Ravioli-Fabrik und an Coit's Tower und am Kongressmitglied Herrn Doyle Er hat Angst vor Coit's Tower aber er hat keine Angst vorm Kongressmitglied Doyle obwohl was er hört recht entmutigend ist recht deprimierend recht absurd für einen jungen Hund wie er es ist für einen Hund der ernst und traurig ist wie er Aber er hat zum Leben seine eigene freie Welt zum Fressen seine eigenen Flöhe Er wird keinen Maulkorb bekommen Kongressmann Doyle ist nur ein Feuerhydrant mehr für ihn Der Hund trottet frei durch die Straße und hat sein eignes Hundlebcn zu leben und darüber nachzudenken und darüber zu reflektieren und alles zu betasten und beschnüffeln und probieren und alles zu untersuchen ohne den Nutzen des Meineids ein echter Realist mit einer echten Story zu erzählen und einem echten Schwanz die Story zu erzählen ein echter lebendiger bellender demokratischer Hund der engagiert ist für freies Unternehmertum der etwas zu sagen hat über Ontologie etwas zu sagen hat über die Wirklichkeit und wie sie anzusehen sei und anzuhörn mit seinem seitwärts erhobenen Haupt an Straßenecken als war er grad dabei sein Bild geknipst zu kriegen für RCA Victor dieweil er Die Stimme Seines Herrn hört und genau wie ein lebendiges Fragezeichen in das große Grammophon des verwirrenden Daseins hineinäugt mit seinem wunderlichen hohlen Horn das immer wirkt als würd es grad auf alles irgendeine Victoriose Antwort ausspein wolln |
- Lawrence Ferlinghetti, nach
(arc)
Hund (17)
|
|