(kjw)
Zweideutigkeit (2) Alles sieht so aus wie echt verstanden, ergriffen und gesprochen und
ist es im Grunde doch nicht, oder es sieht nicht so aus und ist es im
Grunde doch. Die Zweideutigkeit betrifft nicht allein das Verfügen über
und das Schalten mit dem in Gebrauch und Genuß Zugänglichen, sondern
sie hat sich schon im Verstehen als Seinkönnen, in der Art des Entwurfs
und der Vorgabe von Möglichkeiten des Daseins festgesetzt. Nicht nur
kennt und bespricht jeder, was vorliegt und vorkommt, sondern jeder
weiß auch schon darüber zu reden, was erst geschehen soll, was noch
nicht vorliegt, aber »eigentlich« gemacht werden müßte. Jeder hat schon
immer im voraus geahnt und gespürt, was andere auch ahnen und spüren.
Dieses Auf-der-Spur-sein, und zwar vom Hörensagen her – wer in echter
Weise einer Sache »auf der Spur ist«, spricht nicht darüber -, ist die
verfänglichste Weise, in der die Zweideutigkeit Möglichkeiten des
Daseins vorgibt, um sie auch schon in ihrer Kraft zu ersticken. - Martin Heidegger,
Sein
und Zeit
Zweideutigkeit (3) Ich hörte von einem sehr hohen Fürsten
von irgendwo in der Welt, der seine Frau in Verdacht
hatte, ein Liebesverhältnis mit einem vornehmen Galan zu haben; er ließ ihn
niedermachen, als er des Abends seinen Palast verließ, dann die Dame: kurz vorher
hatte sie bei einem am Hof abgehaltenen Turnier ihren Liebhaber,
der sein Pferd sehr gut ritt, fest ins Auge gefaßt
und gesagt: »Mein Gott! wie gut er spornt! - Ja, aber er sticht zu hoch!« Das
machte den Gatten betroffen, und bald darauf vergiftete er sie mit Gerüchen
oder sonst etwas, das er sie essen ließ.
-
(
brant
)
Zweideutigkeit (4)
Zweideutigkeit (5) Es wäre schon viel, wenn
man da frei und witzig reden dürfte und weder zu wild noch zu steif wäre. Das
Feinste und das Beste würde immer fehlen, was überall, wo sich ein bißchen gute
Gesellschaft zeigt, Geist und Seele davon ist. Und das ist der Scherz mit der
Liebe und die Liebe zum Scherz, der ohne den Sinn für jenen zum Spaß herabsinkt.
Aus diesem Grunde nehme ich auch die Zweideutigkeiten in Schutz. - Tust du das
im Scherz oder zum Spaß? - Nein, nein! ich tue es im vollen Ernst. - Aber doch
nicht so ernsthaft und so feierlich wie Pauline und ihr Liebhaber? - Gott behüte!
ich glaube, die ließen die Betglocken anziehen, wenn sie sich umarmen, falls
es nur schicklich wäre. O! es ist wahr, meine Freundin, der Mensch ist von Natur
eine ernsthafte Bestie. Man muß diesem schändlichen und leidigen Hange aus allen
Kräften und von allen Seiten entgegenarbeiten. Dazu sind die Zweideutigkeiten
auch gut, nur sind sie so selten zweideutig, und wenn sie es nicht sind und
nur einen Sinn zulassen, das ist eben nicht unsittlich, aber zudringlich und
platt. Leichtfertige Gespräche müssen geistig und zierlich und bescheiden sein,
soviel als möglich; übrigens aber ruchlos genug. - Das ist gut, aber was sollen
sie grade in der Gesellschaft? - Sie sollen das Gespräch frisch erhalten wie
das Salz an den Speisen. Es fragt sich gar nicht, warum man sie sagen soll,
sondern nur wie man sie sagen soll. Denn lassen kann und darf man's doch nicht.
Es wäreja grob, mit einem reizenden Mädchen so zu reden, als ob sie ein geschlechtsloses
Amphibion wäre. Es ist Pflicht und Schuldigkeit, immer auf das anzuspielen,
was sie ist und sein wird; und so unzart, steif und schuldig, wie die Gesellschaft
einmal besteht, ist es wirklich eine komische Situation, ein unschuldiges Mädchen
zu sein. - Das erinnert mich an den berühmten Buffo, der selbst oft sehr traurig
war, während er alle zu lachen machte. - Die Gesellschaft ist ein Chaos, das
nur durch Witz zu bilden und in Harmonie zu bringen ist; und wenn man nicht
scherzt und tändelt mit den Elementen der Leidenschaft, so ballt sie sich in
dicke Massen und verfinstert alles. - Friedrich Schlegel, Lucinde. Berlin u.a. 1980 (zuerst 1799)
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