arve   Mein Blick fiel auf eine große, graubraune Larve, der sich in der steigenden Wärme des Frühlingsmorgens soeben die junge Wasserjungfer entzog. Nicht allzu lange haftete das zitternde Insect an dem gelben Röhricht nahe an der Stelle, an der die nun verlassene, gespenstige Hülse sich zuvor zu dem todes- und geburtsbangen Akte festgekrallt hatte. Im warmen Sonnenschein trockneten bald die zarten Flügel. Ruckartig hoben sie sich öfters, entfalteten sich zierlich, glätteten sich in träumerischer Bewegung an den emsig striegelnden Hinterbeinen, erzitterten dann inbrünstig — und mit einemmal hob sich schwirrend der kleine Elf und blitzte und irrte im nächsten Augenblick mit zuckendem Flug in der Seeligkeit des Luftmeers umher. Tot aber hing die starre Larve am gestorbenen Schilf über dem stockenden Moder des Teichs. - Gustav Meyrink, Der Engel vom westlichen Fenster. München 1984 (zuerst 1927)

Larve (2) Tag und Nacht pulsiert es unter der Haut der Schnecke - bis ein Vogel geflogen kommt und in den begreiflichen Irrtum verfällt, daß es sich nicht um das Fühlhorn einer Schnecke, sondern um eine wohlschmeckende Larve handle. Er pickt danach. Die Haut des Fühlhorns springt auf, der Schnabel zieht den Torpedosack hervor - und verspeist der Sänger oder Nichtsänger ihn selbst, so geschieht nichts sonderliches Aufregendes mehr; der Magensaft löst die verheißungsvolle Nachkommenschaft samt der farbenstrahlenden Hülle, das ganze Falsifikat auf; es wird verdaut. Hat der Vogel hingegen hungrige Schnäbel im Nest, und sind die Jungen noch so recht kindlich, und drängt es den Fliegenden im elterlichen Liebesgefühl, ihnen einen Leckerbissen zu bringen, und stopft er dann diese walzenförmige Farbenpracht in den Kropf - dann hat Doppelgroßmaul gewonnenes Spiel. Im Darm der jungen Vögel entwickeln sich die kleinen Larven, zumeist sind es ihrer drei- bis vierhundert, zu geschlechtsreifen Leberegeln, die sich an Ort und Stelle, aber auch in der Kloake für beständig festsaugen und von dort die Millionenzahl ihrer Eier verbreiten lassen.

Das Schicksal der befallenen Jungvögel ist eindeutig. Die Annahme, daß alle unglücklich werden, ist nichts Überspanntes. Wir haben auch nicht den geringsten Anlaß, an der Leidensmöglichkeit unserer Mitgeschöpfc zu zweifeln. Junge Störche, die von der Brut eines Verwandten Doppelgroßmauls befallen werden, gehen zugrunde; sie werden gnadenhalber von ihren Eltern getötet (sie sind sterbenskrank, nicht etwa nur schwächlich, wie der Volksmund, durch Darwin mißleitet, es ausspricht).   - Hans Henny Jahnn,  Der gehorsame Kuckuck. In: Lesebuch. Deutsche Literatur zwischen 1945 und 1969. Hg. Klaus Wagenbach. Berlin 1980 (zuerst 1952)

Larve (3)

"Larve von Tymbcio" (1935)

  - Aus: Stanislaw I. Witkiewicz. Verrückte Lokomotive. Ein Lesebuch, mit Bildern des Autors. Hg. Andrzej Wirth. Frankfurt am Main 1994

Larve (4)

Larve (5)   Aufrecht im Bette sitzend hatte ich im Schatten seines Himmels diesen flüchtigen Schmetterling gefangen, der bei einem Mondstrahl oder Tautropfen ausgekrochen ist.

Einen bebenden Nachtfalter, welcher mich mit einem Lösegeld von Wohlgerüchen bezahlte, um seine Flügel frei zu bekommen, die zwischen meinen Fingern gefangen sind.

Plötzlich entflatterte der zarte Umhertreiber und ließ in meinem Schoße - o Grauen! eine ungeheuerliche und mißgestaltete Larve mit einem menschlichen Gesichte zurück!

»Wo ist deine Seele, auf daß ich sie jage!« - Meine Seele, ein Zelter, der durch des Tages Ermattungen hinkt, ruhl jetzt in der goldenen Sänfte der Träume!«

Und sie entfloh vor Entsetzen, meine Seele, mitten durch die bleifarbene Spinnwebe der Dämmerung über schwarze zackige Umrisse schwarzer gotischer Glockentürme hinweg.

Der Zwerg aber, welcher kreischend zu ihrer Verfolgung entschwebte, bewegte sich wie eine Spindel in den Rocken ihrer weißen Mähne.  - Aloysius Bertrand: Gaspard de la Nuit, nach (bo4)

Larve (6)   Ein rascher Lauf und ein früher Sumpf, stehendes Wasser, Kröten, Unken, Frösche und Binsen — und darüber, im laulichen Sonnenschein, das Hin- und Widergaukeln einer schillernden Libelle mit edelsteingeschmückten Schwingen: fängt man aber das trügerische Wunder, so hat man in Händen einen häßlichen Wurm mit gläsernen Flügeln.

Indem ich solches bedachte, fiel mein Blick auf eine große, graubraune Larve, der sich in der steigenden Wärme des Frühlingsmorgens soeben die junge Wasserjungfer entzog. Nicht allzu lange haftete das zitternde Insect an dem gelben Röhricht nahe an der Stelle, an der die nun verlassene, gespenstige Hülse sich zuvor zu dem todes- und geburtsbangen Akte festgekrallt hatte. Im warmen Sonnenschein trockneten bald die zarten Flügel. Ruckartig hoben sie sich öfters, entfalteten sich zierlich, glätteten sich in träumerischer Bewegung an den emsig striegelnden Hinterbeinen, erzitterten dann inbrünstig — und mit einemmal hob sich schwirrend der kleine Elf und blitzte und irrte im nächsten Augenblick mit zuckendem Flug in der Seeligkeit des Luftmeers umher. Tot aber hing die starre Larve am gestorbenen Schilf über dem stockenden Moder des Teichs.   - Gustav Meyrink, Der Engel vom westlichen Fenster. München 1984 (zuerst 1927)

Metamorphose Insekt

 

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