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Rad
Erklärung der Buchstaben

A Der Inquisit B Die ihme mit zweymaliger Umwicklung einer im Durchschnitt 1/4Zoll dick-hanffenen Schnur mit den Oberflächen einwärts, und den Ballen auswärts, am Rucken zusammengebundene Hände C Die eben mit einer dergleichen Schnur, und doppelter Ueberwindung derselben zusammengebundene Füsse D Der zwischen die Hände eingelegte Doppelglang E Das in solchem Doppelglang mit dem Hacken eingehenkte Aufzugseil F Das oben in Gewölb verfestigte metallene Zugradel, welches mit eisernen Schinnen eingeschlossen ist, damit das Seil nicht herausweichen könne G Die Aufzugs-Machine H Der zum Aufziehen das Rad ergreiffende Freymann - Aus: Constitutio Criminalis Theresiana (Österreich 1769)

Rad (2) Das Rädern, eine Strafe die ausschließlich an Männern vollzogen wurde, war von der germanischen Frühzeit bis in das 18. Jahrhundert gebräuchlich. Es galt als schimpflichste und ehrloseste Strafe und wurde nur bei Mord angewendet.

Der Verbrecher wurde mit ausgestreckten Armen und Beinen auf  den Boden gelegt, Hände und Füße an Pflöcken festgebunden und unter die Glieder und den Körper kamen Hölzer, so daß er völlig hohl lag. Der Scharfrichter zerstieß ihm dann mit einem Rad sämtliche Glieder und das Rückgrat, wobei die Zahl der Stöße im Urteil vorgeschrieben war. Der Sterbende oder Tote wurde dann durch die Speichen des Rades geflochten, dabei kamen die Glieder einmal über und einmal unter die Speichen des Rades. Am Ende wurde das Rad auf einen Pfosten oder auf den Galgen gesteckt. Brach man beim Rädern zuerst die Knochen der Beine, dann die der Arme usw., trat der Tod sehr langsam ein und häufig lebte der Verbrecher noch wenn er auf das Rad geflochten wurde.

Es galt daher als Gnadenerweis, den ersten Stoß des Rades gegen den Hals zu führen. Ebenfalls eine Strafmilderung war es, wenn der Verurteilte vor dem Rädern gehenkt oder enthauptet wurde oder den Herzstoß erhielt. Dies konnte aber auch eine Zusammenfassung mehrerer Strafen bei mehreren verschiedenartigen Verbrechen sein (Kumulation). Zu jeder Hinrichtung wurde ein neues Rad verwendet, welches neun oder zehn Speichen haben mußte.

Verbunden mit der Todesstrafe des Räderns war auch häufig das Schleifen. Der Verurteilte wurde gefesselt auf eine Tierhaut oder ein Brett gelegt und von einem Pferd zur Richtstätte geschleift. Eine Strafverschärfung war es, wenn er unterwegs an bestimmten Plätzen mit glühenden Zangen in Brust, Arme oder Hüften gezwickt wurde. -  Gustav Radbruch, Heinrich Gwinner: Geschichte des Verbrechens. Frankfurt am Main 1990 (Die Andere Bibliothek 62, zuerst 1951)

Rad (3) Alle Dinge, die sich auf dieselbe Weise bewegen, haben, im Traum geschaut, dieselbe Bedeutung. So träumte z.B. jemand, er sei von einem Drachen in den Fuß gebissen worden. Der Betreffende erlitt durch ein Rad auf der Straße eine Verletzung, genau an dem Fuß, an welchem er im Traum gebissen worden war; denn wenn ein Rad sich dreht, bewegt es sich mit seiner ganzen Masse gleich wie der Drache. - (art)

Rad (4) In acht Monaten würde er sterben, dahingerafft von einer der zahlreichen Seuchen, die die bewohnten Teile der Erde heimsuchten. Er würde Fieber bekommen, rote Flecken würden auf seiner Haut ausbrechen, er würde sich in qualvollem Delirium hin- und herwälzen. Seine Eingeweide würden herausquellen; sein Fleisch würde verdorren; seine Augen würden sich verdrehen; und nach einer endlosen Zeit des Leidens würde er sterben. Sein Körper würde auf einem riesigen Haufen liegen, mit Hunderten von anderen - eine ganze Straße voller Toter, die von den glücklicherweise immunen Entsorgungsrobotern weggekarrt wurden. Seine sterblichen Überreste würden in einer gewöhnlichen Müllverbrennungsanlage am Stadtrand verbrannt werden.

Unterdessen würde der ewige Funke, Sung-wus göttliche Seele aus dieser Raum-Zeit-Materialisierung in die nächste eilen. Aber er würde sich nicht erheben; er würde herabsinken; er hatte sich seinen Niedergang viele Male auf dem Scanner angesehen. Es war immer dasselbe gräßliche Bild seiner Seele - ein unerträglicher Anblick -, die wie ein Stein herabstürzte in eines der niedrigsten Kontinuen, in die Senkgrube einer Materialisierung am untersten Ende der Leiter.

Er hatte gesündigt. In seiner Jugend hatte sich Sung-wu mit einem schwarzäugigen Frauenzimmer eingelassen, dessen langes wallendes Haar ihr wie ein schimmernder Wasserfall über Rücken und Schultern fiel. Einladende rote Lippen, pralle Brüste, Hüften, die sich unmißverständlich wiegten und lockten. Sie war die Frau eines Freundes aus der Kriegerklasse, aber er hatte sie zur Geliebten genommen; er war sicher gewesen, daß noch genug Zeit blieb, um seine Verderbtheit wiedergutzumachen.

Aber er irrte: Das Rad drehte sich zu schnell für ihn. Die Seuche - nicht genug Zeit, um zu fasten und zu beten und gute Werke zu tun. Er war dazu bestimmt, hinabzusteigen, geradewegs hinab zu einem taumelnden, verpesteten Planeten in einem stinkenden Rotsonnensystem, eine alte Grube voller Dreck und Verwesung und endlosem Schleim - eine Dschungelwelt niedrigsten Typs.

Darin würde er eine Fliege mit glänzenden Flügeln sein, ein dicker, blaubäuchiger, surrender Aasfresser, der summend und gefräßig durch die verfaulenden Kadaver großer Eidechsen kroch, die im Kampf getötet worden waren.

Von diesem Sumpf, diesem seuchenbefallenen Planeten in einem kranken, vergifteten System würde er sich die endlosen Sprossen der kosmischen Leiter hinaufquälen müssen, die er bereits erstiegen hatte. Es hätte Äonen gedauert, so weit zu kommen, bis zur Ebene eines menschlichen Wesens auf dem Planeten Erde im strahlenden gelben Sol-System; jetzt würde er wieder ganz von vorn anfangen müssen. - Philip K. Dick, Die Drehung des Rades, in: Das Vater-Ding. Zürich 2000 (zuerst 1954)

Rad (5)  Die Hölle ist ein ungeheuer großes feuriges Rad. Die Aufschrift auf der Radnabe besagt, „daß es sich ewig hin, ewig herumdreht". Ein reines Meer von Flammen; die Aufschriften der Speichen bezeichnen die einzelnen Strafarten, die auf die Verdammten warten:

Hunger und Durst - Gestank und Dunkelheit - Pechflammen 1000 Jahre lang - Schwefelflammen bis 20 000 Jahre - glühendes Eisen bis l0 0000 Jahre - Zähneknirschen bis 100 000 Jahre. Und das sind nur die körperlichen Strafen (Poena positiva), die rings um den Reifen des Rads laufenden Aufschriften geben dann die seelischen Strafen an (Poena privativa), die Qualen des Schreckens, der Reue, der Verzweiflung usw.

Das Rad ist aus feuerfestem Eisen, und die tausend Millionen Umdrehungen, die es in einer Million Jahren macht, schaden ihm nicht!

Die Feuerstrafe wird vollzogen, indem der Verdammte über dem Feuer hundert Jahre auf der linken Seite, tausend Jahre auf der rechten Seite, zwanzigtausend auf dem Rücken und hunderttausend auf dem Bauch gebraten wird. Dann beginnt die Röstung wieder von vorn. - Justus Georg Schottel, Grausame Beschreibung und Vorstellung der Hölle und der höllischen Qual, nach: Istvan Ráth-Végh, Die Komödie des Buches. Leipzig 1984

Rad (6) Vor ihnen öffnete sich  ein weiter Raum, darinnen stand ein ungeheures Rad, das mehrere Dutzend Fuß im Durchmesser hatte. Es drehte sich knarrend, und Feuerflammen blitzten rings empor. Darunter standen lange Reihen zahlloser abgeschiedener Geister. Einige von ihnen waren in kaiserliche und königliche Gewänder gekleidet, wieder andere in seidene Beamtentracht, andere in Helm und Panzer, andere mit Gold und Edelsteinen in den Händen, andere als Gelehrte, als Bauern, als Handwerker, als Kaufleute, Buddhistenmönche und Taoistenpriester, als Arme und Bettler. Wiederum waren andere da, die hatten Häute von Tieren und Vögeln übergeworfen, und noch andere solche von Schlangen und Würmern. Männer und Frauen Waren also aufgestellt, in sechs Reihen geteilt. Neben dem Rad stand ein Topf mit gelbem Wasser. Der Wärter des Rades ließ die abgeschiedenen Seelen von dem Wasser trinken. Es ward genannt der Trank der Vergessenheit. Wer von dem Wasser trank, vergaß, was er in seinem früheren Leben erfahren hatte. Nachdem die Abgeschiedenen getrunken hatten, halfen ihnen Teufel, das Rad zu besteigen. Es drehte sich, und sie waren verschwunden — zu neuer Geburt auf der Oberwelt. - (chm)

Rad (7) Es war drückend heiß im Zug. Der Waggon war gerüttelt voll. Moravagine ist sofort eingeschlafen. Die Räder drehten sich in meinem Kopf und zermahlten mit jeder Umdrehung mein Hirn zu Brei. Breite Himmelsfetzen wehten in meine Augen, aber die Räder stürzten wütend darüber her und zerquetschten alles. Sie drehten sich auf dem Himmelsgewölbe und überzogen es mit langen, öligen Streifen. Diese Ölflecken breiteten sich aus, teilten sich, bekamen Farbe, ich sah eine Million Augen im prallen Sonnenlicht die Lider öffnen und schließen. Riesige Pupillen rollten von einem Horizont zum andern, schoben sich ineinander und wurden ganz klein, hart, starr. Eine Art durchscheinendes Ektoplasma bildete sich rundherum, eine Art Gesicht, mein Gesicht. Mein Gesicht in hundertfacher Auflage. Und alle Gesichter setzten sich plötzlich in Bewegung, tanzten, hüpften in rasenden Sprüngen vorwärts, wie Insekten, die über die Wasserfläche eines Tümpels huschen. Der Himmel wurde glashart, glänzte wie ein Spiegel, und die Räder, ein letztes Mal zum Angriff ausholend, zertrümmerten ihn. Tausende Scherben prasselten herunter, wirbelten durcheinander, und Tonnen von Lärm, Geschrei und Stimmen wälzten sich lawinengleich heran, entluden sich, prallten in meinem Trommelfell zusammen. Zickzacklinien, phantastische Wundmale, Risse, Blitze, Lippen, Münder, abgeschnittene Finger, eine furchtbare Explosion hallte tief in meinen schmerzhaft dröhnenden Ohren wider, und Moskau stürzte aus dem Himmel, in tausend Trümmern, als Regen, als Asche, wie ein Luftschiff, das Feuer gefangen hat und birst. Oben und unten, rechts und links flatterten, schwirrten, sich überschlagend und durcheinanderwirbelnd, bevor sie zu Staub zerfielen, Bilder, das Leben: die Kremlmauer, Sankt Basilius, die Marschallsbrücke, die Mauer der Chinesenstadt, mein Hotelzimmer, dann, ein wenig später, Raja, duftig und zart. Sie zerfasert. Die Beine spreizen sich, dehnen sich, werden immer länger, entmaterialisieren sich. Nur noch ein Seidenstrumpf schwebt in der Luft, ein Strumpf, der sich an der Wade aufbläht und dick wird wie ein Sack, riesenhaft wie ein Bauch. Es ist Mascha. Und sie verschwindet wieder, ein kleiner, aufgedunsener Junge fällt trudelnd zur Erde.  - (mora)

Rad (8)  In der Epistel des Jakobus  (Jak. 3,6), ist der Ausdruck   »das Rad der Entstehung« von jeher eine crux Interpretum  [harte Nuß für die Deutung] gewesen. Im Buddhaismus ist aber das Rad der Seelenwanderung ein sehr geläufiger Begriff. In Abel Remusat's Uebersetzung  des Foe-Kue-ki heißt es 8.28: la roue est l'emblème de la transmigration des âmes, qui est comme un cercle sans commencement ni fin. [Das Rad ist das Sinnbild der Seelenwanderung, die wie ein Kreis ohne Anfang und ohne Ende ist.] S. 179: la roue est un emblème familier aux Boudhhistes, il exprime le passage successif de l'âme dans le cercle des divers modes d'existence. [Das Rad ist ein den Buddhisten vertrautes Sinnbild; es bedeutet den Durchgang der Seele durch den Kreis der verschiedenen Daseinsformen.] S. 282 sagt der Buddha selbst: qui ne connaît pas la raison, tombera par le tour de la roue dans la vie et la mort. [Wer die Wahrheit nicht erkennt, wird durch die Umdrehung des Rades dem Leben und dem Tode verfallen.] In Burnouf's  Introduction à l'histoire du Buddhisme finden wir die bedeutsame Stelle: il reconnut ce que c'est que la roue de la  transmigration,  qvti porte  cinq  marques, qui est à la fois mobile et immobile; et ayant triomphe de toutes les voies par lesquelles on entre dans le monde, en les détruisant [Er erkannte, was das Rad der Seetenwanderung ist, das fünf Merkmale hat, zugleich beweglich und unbeweglich ist; und er triumphierte über alle Wege, durch die man in die Welt eingeht,  indem  er  sie  zerstörte. . .].   In  Spencer Hardy, Eastern Monachism ist zu lesen: like the revolutions  of a wheel, tbere is a regular succession of deat and birth, tbe moral cause of whicb is tbe cleaving to existing objects, whilst the instrumental cause is karma (action). [Wie die Umdrehungen eines Rades ist die regelmäßige Aufeinanderfolge von Tod und Geburt; ihre moralische Ursache ist da: Haften an den bestehenden Dingen, während die bewirkend! Ursache Karma (Werk) ist.]  Auch im Prabodh Chandro Daya steht: Ignorance is the source of Passion, who turns the wheel of this mortal existence. [Unwissenheit is die Quelle der Leidenschaft, die das Rad dieses sterblicher Daseins antreibt.] Vom beständigen Entstehn und Vergehn successiver Welten heißt es in der Darlegung des Buddhaismus nach Birmanischen Texten, von Buchanan, in den Asiatic researches: the successive destructions and reproduction. of the world resemble a great wheel, in which we can point out neither beginmng nor end. [Die aufeinanderfolgender Zerstörungen und Neuschaffungen der Welt gleichen einem großen Rade, an dem wir weder Anfang noch Ende feststellen können.]  - (schop)

Rad (9)

Rad (10)   Ich sah ein himmelhohes Rad, das nicht vor meinen Augen, nicht in meinem Rücken, nicht seitwärts, sondern allenthalben und gleichzeitig war. Dieses Rad war aus Wasser gemacht, aber auch aus Feuer, und es war (obwohl ich den Rand sehen konnte) unendlich. Ineinander verschlungen bildeten es alle Dinge, die sein werden, die sind und die waren, und ich war einer der Fäden dieses Allgewebes, und Pedro de Alvarado, der mir die Folter zufügte, war ein anderer. Hier waren die Ursachen und die Wirkungen, und ich brauchte nur dieses Rad anzusehen, um alles zu begreifen, ohne Ende. O Seligkeit des Begreifens, größer als die des Vorstellens oder Empfindens. Ich sah das Universum und sah die verborgenen Pläne des Universums. Ich sah die Ursprünge, die das Buch vom Rat erzähll. Ich sah die Berge, die dem Wasser entstiegen, ich sah die ersten Menschen aus Holz, ich sah die Gefäße, die sich gegen die Menschen kehrten, sah die Hunde, die ihnen das Gesicht zerfleischten. Ich sah den antlitzlosen Gott, der jenseits der Götter ist. Ich sah unzählige Vorgänge, die eine einzige Wonne bildeten, und indem ich alles verstand, gelang es mir auch, die Schrift des Tigers zu verstehen. - Jorge Luis Borges, Die Inschrift des Gottes. Nach (bo3)

Rad (11)  Die Decke war bemalt mit einem Rad, das aus kleinen bunten Dreiecken und Vierecken bestand. Es wirkte wie ein Mosaik.

»Das hat Jack gemacht«, sagte Mary und zeigte nach oben. »Hättest ihn mal dabei sehen sollen. Er steckte ein Brett zwischen zwei Leitern durch und legte sich drauf, und die Farbe tropfte ihm dauernd ins Gesicht. So Sachen macht er unheimlich gern. Wir kriegen ziemlich irre Kicks mit diesem Rad, wenn wir high sind. Wir legen uns auf den Rücken und lassen das Ding auf uns wirken, und nach ner Weile fängt es an .sich zu drehen. Je länger mans ansieht, desto schneller dreht es sich.«

In dem Rad vereinigte sich die alptraumhafte Vulgarität von aztekischen Mosaiken, das blutrünstige vulgäre Alpdrücken, das rohe zuckende Herz in den Strahlen der Morgensonne, mit dem schreienden Rosa und Violett von Souvenir-Aschenbechern, Ansichtskarten und Kalendern. Die Wände waren schwarz gestrichen, und an einer Seite war mit roter Lackfarbe ein chinesisches Schriftzeichen aufgemalt.

»Wir wissen nicht, was es bedeutet«, sagte sie.  - (jun)

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