enster  Wer verlassen lebt und sich doch hie und da irgendwo anschließen möchte, wer mit Rücksicht auf die Veränderungen der Tageszeit, der Witterung, der Berufsverhältnisse und dergleichen ohne weiteres irgend einen beliebigen Arm sehen will, an dem er sich halten könnte, — der wird es ohne ein Gassenfenster nicht lange treiben. Und steht es mit ihm so, daß er gar nichts sucht und nur als müder Mann, die Augen auf und ab zwischen Publikum und Himmel, an seine Fensterbrüstung tritt, und er will nicht und hat ein wenig den Kopf zurückgeneigt, so reißen reißen ihn doch unten die Pferde mit in ihr Gefolge von Wagen und Lärm und damit endlich der menschlichen Eintracht zu.  - (kaf)

Fenster (2) Herbst — die Epoche der Astern und der großen Spinnen. Jeden Morgen sitzt einer dieser Riesen an der Wand oder in einem der Waschbecken, durch die Türen können sie nicht gelangen, aus den Wasserleitungen nicht steigen, also wo kommen sie her, das frage ich mich jeden September, nun ich will nachschlagen, die Zoologen werden es wissen. - Gottfried Benn, Der Radardenker

Fenster (3) Und so kam es, daß Joe Cullen, halbirischer Police Detective, gelegentlich bei der Mordkommission, im Foyer eines In-Kinos saß, an einer Tasse starkem Kaffee herumspielte, neben seinem Ellbogen in einer Tüte ein frühes Geburtstagsgeschenk für seinen Sohn, aus der Stereoanlage Lisa Stansfield lauschte, ohne wirklich zuzuhören («All Around the World»), aus einem Fenster schaute, ohne wirklich etwas zu sehen, gerade als, direkt draußen vor der Scheibe, direkt gegenüber auf der anderen Seite der Mercer Street, auf einem Bürgersteig nur ein paar Meter nördlich der West Houston, ein Schwarzer mit breitem Kreuz einem schmalen Schwarzen mit einem Goldzahn mitten ins Gesicht schoß. - Jerry Oster, Wenn die Nacht kommt. Reinbek bei Hamburg 1994 (rororo thriller 3155, zuerst 1993)

Fenster (4) Es hörte sich an, als nagte eine Maus an einem Brett, und ich lag einige Zeit lauschend und behielt den Eindruck, das Geräusch habe eben diese Ursache. Dann wurde es stärker, und auf einmal hörte ich vom Fenster ein metallisches Klirren. Alarmiert setzte ich mich im Bett auf. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr, was das Rumoren bedeutete. Das leise Geräusch war dadurch verursacht worden, daß jemand ein Instrument durch die Ritze zwischen den Fensterrahmen trieb, und das lautere rührte daher, daß man den Wirbel hochzudrücken suchte.

Dann vernahm ich ungefähr zehn Minuten lang nichts, so als ob der Eindringling abwartete, ob ich von dem Geräusch wach geworden sei. Dann hörte ich ein leises Knarren; das Fenster wurde langsam geöffnet. Ich konnte mich nicht länger beherrschen, denn meine Nerven sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Ich sprang aus dem Bett und riß die Läden auf. Im Fenster hockte ein Mann. Ich sah wenig von ihm, denn er verschwand wie der Blitz. Er war in einen weiten Mantel gehüllt, der auch den unteren Teil seines Gesichts bedeckte. Nur in einem bin ich mir ganz sicher: Er hatte eine Waffe in der Hand. Es schien ein langes Messer zu sein. Ich habe es deutlich blitzen sehen, als er davonrannte. - Arthur Conan Doyle, Das Marineabkommen. In: Ders., Die Memoiren von Sherlock Holmes. Leipzig und Weimar 1984  (zuerst ca. 1900)

Fenster (5) Im Vorüberlaufen schaute er durch die leere Fensterhöhle und gewahrte einen seltsamen und erschreckenden Anblick - die Gestalt eines Mannes, der in der Mitte des Raumes an einem Tisch saß, auf welchem einige lose Blätter lagen. Seine Ellbogen ruhten auf dem Tisch, seine Hände stützten den unbedeckten Kopf. Auf beiden Seiten krallten sich die Finger ins Haar. Im Licht einer einzigen, etwas abseits stehenden Kerze, schien das Gesicht totengelb. Die Flamme beleuchtete diese Gesichtshälfte, die andere lag im tiefen Schatten. Die Augen des Mannes hafteten mit einem Blick auf der leeren Fensterhöhlung, in dem ein älterer und ruhiger Betrachter vielleicht eine Spur Erwartung entdeckt hätte; auf den Jungen aber wirkte er seelenlos. Er glaubte, der Mann sei tot.

Die Situation war entsetzlich, aber nicht ohne jede Faszination. Der Junge blieb stehen, um alles in sich aufzunehmen. Er fühlte sich flau und schwach, und er zitterte; er konnte es spüren, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. Trotzdem biß er die Zähne zusammen und ging entschlossen weiter auf das Haus zu. Er hegte keine bestimmte Absicht - es war der schiere Mut des Entsetzens. Er stieß sein weißes Gesicht vorwärts, hinein in die beleuchtete Öffnung. Im selben Augenblick zerriß ein unheimlicher, schriller Schrei, ein Kreischen, die Stille der Nacht - der Ruf einer Zwergohreule. Der Mann fuhr hoch; dabei warf er den Tisch um und löschte die Kerze aus. Der Junge machte sich aus dem Staub. - Ambrose Bierce, Angemessene Umgebung.  Frankfurt am Main 1979. In: Das unsichtbare Auge. Eine Sammlung von Phantomen und anderen unheimlichen Erscheinungen.  (st 477, zuerst 1891)

Fenster (6)  Da waren die Fenster, manche sehr hoch liegend, mit den Köpfen darin, die von unten auf getrieben aussahen, sehr große, fleischige breite Gesichter, über die oft Hochfrisuren aufgebauscht waren, die sie noch breiter und mächtiger wirken ließen, aufgeplustert. Gelegentlich beugten sie sich weiter vor, näher an die Fensterscheiben: Heran, so daß dann auch ihre nackten, fleischigen Schultern auftauchten. In anderen Fenstern, die tiefer lagen, hatten sie sich ganz ausgestellt in langen, altmodischen Abendkleidern, die vorne tief ausgeschnitten waren. Er starrte zu ihnen hinein, während er langsam wie die anderen Männer daran vorbeiging und sich vorstellte, daß da wieder schmale, lang nach hinten führende Flure waren, die Flure abgedunkelt, und rechts und links die Türen, Zimmer, klein und eng mit diesen Liegen, auf denen am Fußende ein Gummilaken ausgebreitet liegt. Unter dem Waschbecken steht sauber ein emaillierter Abfalleimer. Ein langes Gummiding mit der milchigen herausgespritzten Flüssigkeit fällt weg. Der Deckel klappt zu. Danach kam das Hochziehen der Hose, das Händewaschen, die Frage, ob es gut gewesen sei. Es war gut gewesen. Das Liegen und die Bewegungen, hoppelnd auf einer weich ausgebreiteten Masse Körper, unten, oben, dazu die Einbildung, daß es genau das Richtige war, so, in dieser Lage, auf diese Art, was gewünscht wurde, um es flüchtig, sehr kurz zu haben, das, das nicht, das, das nicht, an dieser Stelle, an der Stelle, in einem weich geronnen und einem einzigen Gefühl für einen Augenblick, das und das nicht und das und das nicht, die Erregung, ein Stammeln, so ist das gut, drängend nach mehr davon, so daß es dann wieder dieses Aufeinanderliegen und die hoppelnde Bewegung nicht allein war. Es war ebensosehr auch die Einbildung, daß dieses nun tatsächlich ein einziges, angestrengtes Tun war, eine Handlung, aus der etwas für immer rausspringen konnte, durch die man sich in den Augenblicken ein für allemal befriedigen wollte, zärtlich und saugend, wie sich selbst in dieser ungeschickten Hoppelei auf dem anderen ausgebreiteten Körper aufsaugend. - (brink)

Fenster (7)  Es knarrte, und ein Fensterflügel sprang auf. Ein Gesicht wurde hereingestoßen und sah uns an.

Wir sahen, eingerahmt durch das Fenster, dicke weiße Augäpfel, die aus ihren Höhlen quollen, einen Mund, der in scheußlichem Grinsen erstarrt war. Jetzt quoll ein Blutschwall aus dem Mund. Mit einem Gurgeln drehte sich der Kopf zur Seite, und ich sah, daß ein Messer aus dem Genick ragte.  - John Dickson Carr, Club der Masken. München 1977 (Crime Classics 1740)

Fenster (8) Wales saß still und steif auf dem Sofa und blickte auf McCloor. Seine Augen waren finster. Er atmete kaum.

McCloor stieß den Lauf seiner Pistole gegen die Scheibe, und ein dreieckiges Stück Glas fiel heraus und zerklirrte auf dem Fußboden. Leider, dachte ich, war das Geräusch nicht laut genug, um MacMan in der Küche zu alarmieren. Es lagen zwei geschlossene Türen zwischen dem Zimmer und der Küche.

Wales blickte auf die zerbrochene Scheibe und machte die Augen zu. Er machte sie langsam zu. Nach und nach, geradeso, als schliefe er ein. Er hielt sein starr=finsteres, ausdrucksloses Gesicht voll zum Fenster gewandt.

McCloor schoß dreimal auf ihn.

Die Schüsse warfen Wales auf das Sofa nieder, an die Wand zurück. Wales' Augen sprangen auf, traten hervor. Seine Lippen zogen sich über die Zähne zurück, entblößten sie bis zum Zahnfleisch. Seine Zunge kam heraus. Dann sank sein Kopf um, und er regte sich nicht mehr.  - Dashiell Hammett, Hinterlist im Zickzack. Berlin und Frankfurt am Main 1966

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