Melancholiker

 

- Hannah Höch

Melancholiker (2)    Es gibt Menschen, die in ihrem Sinne traurig, furchtsam und unbeständig sind, weil in ihnen keine rechte Gesundheit und kein Halt ist. Sie sind wie ein heftiger Wind, der allen Kräutern und Früchten schädlich ist. In ihnen mehrt sich das wässerige Blut, das weder richtig feucht noch dick, sondern lau und zäh wie Fäulnis ist und da sich wie Gummi in die Länge zieht. Das führt die Melancholie herbei, die zu allererst im Samen Adams aus dem Hauche der Schlange entstand, als Adam deren Rat in der Speise folgte.  - (bin)

 Es gibt auch andere Männer, deren Gehirn fett und deren Gehirnhäutchen und Gehirnadern stürmisch sind. Ihr Antlitz zeigt düstere Farben; ihre Augen sind häufig feurig und viperngleich. Sie haben harte und starke Adern, in denen schwarzes und dickes Blut fließt. Dick und hart ist ihr Fleisch, grob sind ihre Knochen, die nur mäßig Mark enthalten, das aber so heftig brennt, daß sie mit Frauen wie Tiere und Vipern unenthaltsam sind ... Eine richtige Liebe haben sie zu niemand; immer sind sie bitter, habsüchtig und unvernünftig, in der Lust ausschweifend und mit den Weibern wie die Esel. Lassen sie zuweilen von der Lust, dann werden sie leicht im Kopfe krank und wahnsinnig. Frönen sie jedoch im Umgang mit Frauen ihrer Lust, dann leiden sie nicht an Kopfschmerzen; aber ihre Umarmungen, die sie maßvoll mit den Frauen vollziehen sollten, sind ein Verkrümmen, haßvoll und todbringend wie die von reißenden Wölfen ... Manche von den Melancholikern können das weibliche Geschlecht meiden, weil sie die Frauen nicht lieben, dann sind sie in ihren Herzen wild wie Löwen und haben Bärensitten; bei der Arbeit ihrer Hände aber sind sie brauchbar, geschickt und gerne tätig.

Der Wind der Lust, der in die beiden Gezelte solcher Männer fährt, ist so unmäßig und bricht mit derartiger Plötzlichkeit herein wie ein Sturm, der ein ganzes Haus plötzlich und stark erschüttert, und richtet den Stamm, der doch wie eine Blume aufblühen sollte, so tyrannisch empor, daß er sich mit Vipernbitterkeit verdreht und in seiner Bosheit wie eine todbringende und mordende Viper die Bosheit auf die Nachkommenschaft überträgt. Der teuflische Einfluß wütet nämlich so stark bei der Lust solcher Männer, daß sie, wenn sie könnten, die Frau bei der Umarmung töten würden. Deshalb haben auch die Söhne und Töchter, die sie hervorbringen, oft teuflischen Wahnsinn in ihren Lastern und ihrem Charakter, weil sie nicht aus Liebe hervorgegangen sind.   - (bin)

Melancholiker (3)

Melancholiker (4)

- Jeongmee Yoon

Melancholiker (5)

Melancholiker (6)

O du den Menschen und den Göttern selbst
verhaßter Name, Melancholia, weihvolle Tochter
des Kozytus, die in der nächtlichsten,
geheimsten Kluft des finstern Tartarus
die Furie Megära ausgeheckt,
und der statt Muttermilch Alekto Gift
aus ihren Zähnen eingeträufelt hat:
O welch ein Dämon ließ zur bösen Stunde
dich, Unglückselige, ans Licht herauf?
Nein, solche Blitze schießt der Donnerer nicht,
so raset nicht des Meeres wildste Flut,
so wütend wirbelt sich kein Wirbelwind.
Oh! Mich zerreißt der Zahn des Höllenhundes,
mir nagen Ottern alle Knochen ab!
Ich steh in Flammen, gleich als wäre mein
Gewand in des Zentauren Blut getaucht.
Erbarme dich, Göttin, denn du überwältigst alles,
allmächtige Besiegerin der Welt.

Keine körperliche Qual kommt der Melancholie gleich, keine Folterwippe, keine heißen Eisen und glühenden Ochsen des Phalaris, und selbst die sizilianischen Tyrannen haben keine schlimmere Tortur erdacht. Alle Ängste, Kümmernisse, Unzufriedenheiten, aller Argwohn, alles Ungute und alle Unannehmlichkeiten münden und verlieren sich wie Bächlein in diesem Euripus, dieser Irischen See, diesem Ozean des Elends, diesem Zusammenfluß allen Grams, wie Ammianus über seinen unglücklichen Freund Palladius schrieb. Ich behaupte vom Melancholiker, daß er die Quintessenz, das Endprodukt und den Gipfel menschlichen Mißgeschicks darstellt und daß alle anderen Krankheiten verglichen mit dieser Heimsuchung nur Flohbisse sind, denn sie ist der Inbegriff allen Unheils:

                        'ne Herberg ist's
jedweden Jammers. Doch was braucht's der Worte viel?
Wie viel du Elend suchen magst, dort findest du's.   (Plautus)

Der Melancholiker ist der wahre an den Kaukasus geschmiedete Prometheus, der wahre Tityus, dessen Eingeweide nach den Erzählungen der Dichter die Geier verschlingen, denn seine Ängste und drückenden Sorgen verzehren ihn, wie Lilius Giraldus dieses poetische Gleichnis richtig deutet, bei lebendigem Leibe.  - (bur)

 

Melancholie

 

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