(pan)
Messer (2) Sehr gelungen ist auch die Szene, in der Janet Leigh erstochen wird.
Wir haben sieben Tage gebraucht, sie zu drehen, und wir hatten
für fünfundvierzig Sekunden Film siebzig Kamerapositionen. Mir
stand für diese Szene ein hinreißender künstlicher Oberkörper
zur Verfügung, aus dem das Blut spritzte, wenn man hineinstach,
aber ich habe ihn nicht gebraucht. Ich habe doch lieber ein Mädchen
genommen, ein nacktes Modell, das Janet Leigh gedoubelt
hat. Von Janet sieht man nur die Hände,
die Schultern und den Kopf. Alles übrige
ist mit dem Modell. Selbstverständlich berührt das Messer nie
den Körper, das ist alles beim Schnitt gemacht worden. Man sieht
nie einen Körperteil der Frau, den zu zeigen als indezent gilt.
Bestimmte Szenen haben wir in Zeitlupe gefilmt, um zu verhindern,
daß die Brüste ins Bild kamen. Die
Zeitlupeneinstellungen haben wir hinterher nicht beschleunigt.
Wie sie in die Einstellungsfolge eingebaut sind, machen sie den
Eindruck von normaler Geschwindigkeit. - Alfred Hitchcock,
in: François Truffaut, Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?
München 1973 (zuerst 1966)
Messer (3) An einem Abend hat in der Kneipe ein Junge namens Garmendia Streit mit mir angefangen. Ich stell mich taub, aber der andere hat schon ein bißchen geladen und macht immer weiter. Wir sind rausgegangen; als wir schon auf dem Weg draußen waren, hat er die Kneipentür halb geöffnet und den Leuten gesagt:
›Keine Sorge, ich bin gleich wieder da.‹
Ich hatte mir ein Messer besorgt; wir sind auf den Bach zugegangen, langsam, und haben uns gegenseitig beobachtet. Er war ein paar Jahre älter als ich; er hatte schon oft mit mir mit Stöcken gefochten, und ich hatte das Gefühl, er wird mich in Stücke schneiden. Dann ist er über ein paar Lehmklumpen gefallen. Ich seh ihn stolpern und stürz mich auf ihn, ohne zu überlegen. Hab ihm das Gesicht mit einem Stich aufgerissen, wir haben kurz gerungen, einen Augenblick lang war alles möglich, und schließlich hab ich ihm einen Stich angebracht, und das war der letzte. Erst später hab ich bemerkt, daß ich von ihm auch ein paar Kratzer abbekommen hatte. In dieser Nacht hab ich gelernt, daß es nicht schwer ist, einen umzubringen oder umgebracht zu werden. Der Bach war ziemlich seicht; um Zeit zu gewinnen, hab ich den Toten halb hinter einem Ziegelofen versteckt. Aus blankem Leichtsinn hab ich ihm den Ring mit Stein abgezogen, den er immer getragen hatte. Ich hab ihn mir angesteckt, den Hut zurechtgerückt und bin in die Kneipe zurückgegangen. Ich bin reingegangen, als ob überhaupt nichts war, und hab ihnen gesagt:
›Sieht so aus, als ob ich der wär, der zurückkommt.‹ -
Jorge Luis Borges, Die Geschichte des Rosendo Juarez. In: Spiegel
und Maske. Erzählungen 1970 bis 1983. Frankfurt am Main 2000
(Fischer Tb. 10589).
Messer (4) Mich drängte im Rücken ein
vor Sonne bebender Strand. Ich machte ein paar Schritte auf die
Quelle zu. Der Araber rührte sich nicht. Trotz allem war er noch
ziemlich weit entfernt. Vielleicht waren die Schatten auf seinem
Gesicht schuld daran, daß ich meinte, er lachte.
Ich wartete. Sonnenbrand machte sich auf meinen Backen bemerkbar,
und ich fühlte, wie die Schweißtropfen sich in meinen Brauen
sammelten. Es war dieselbe Sonne wie an dem Tag, an dem ich Mama
beerdigte, und wie damals tat mir besonders die Stirn weh, und
alle Adern pochten gleichzeitig unter der Haut. Wegen dieses
Brennens, das ich nicht mehr ertragen konnte, machte, ich eine
Bewegung nach vorn. Ich wußte, daß das dumm war, daß ich die
Sonne nicht los würde, wenn ich einen
Schritt weiter ginge. Aber ich tat einen Schritt, einen einzigen
Schritt nach vom. und dieses Mal zog der Araber, ohne aufzustehen,
sein Messer und ließ es in der Sonne spielen. Licht sprang aus
dem Stahl, und es war wie ein lange, funkelnde Klinge, die mich
an der Stirn traf. Im selben Augenblick rann mir der Schweiß,
der sich in meinen Brauen gesammelt hatte, auf die Lider
und bedeckte sie mit einem lauen, dichten Schleier. Meine Augen
waren hinter diesem Vorhang aus Tränen und Salz geblendet. Ich
fühlte nur noch die Zymbeln der Sonne auf meiner Stirn und undeutlich
das leuchtende Schwert, das dem Messer vor mir entsprang. Dieses
glühende Schwert wühlte in meinen Wimpern und bohrte sich in
meine schmerzenden Augen. Da geriet alles ins Wanken.
Vom Meer kam ein starker, glühender Hauch. Mir war, als öffnete
sich der Himmel in seiner ganzen Weite, um Feuer regnen zu lassen.
Ich war ganz und gar angespannt, und meine Hand umkrallte den
Revolver. Der Hahn löste sich, ich berührte den Kolben, und mit
hartem, betäubendem Krachen nahm alles seinen Anfang. Ich schüttelte
Schweiß und Sonne ab. Ich begriff, daß ich das Gleichgewicht
des Tages, das ungewöhnliche Schweigen eines Strandes zerstört
hatte, an dem ich glücklich gewesen war. Dann schoß ich noch
viermal auf einen leblosen Körper, in den die Kugeln eindrangen,
ohne daß man es sah. - Albert Camus, Der Fremde.
Reinbek bei Hamburg 1963 (zuerst 1953)
Messer (5)
Von den sieben Messern stürzen sieh zwei in das Licht. Es waren sieben Messer. |
- Hans Arp, wortträume und schwarze sterne. Wiesbaden 1953