örper
Rastlos wird auch unser Leib verwandelt
zu jeder |
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Körper (2) Alle Körper sind / wie Ströme / in einem stetigen Ab- und Zuflusse / allwo ohne Unterlaß gewisse Teile hineinfließen / gewisse aber heraus treten.
§. 74. Also verändert die Seele ihren Körper nur nach und nach und stufenweise / dergestalt daß sie niemals auf einmal aller ihrer organorum entblößet und beraubet wird; wie dann öfters in denen Tieren eine Metamorphosis oder Veränderung der Forme / niemals aber weder eine Metempsychosis noch transmigration der Seelen vorgehet / noch weniger auch Seelen angetroffen werden / welche von aller Materie durchgängig abgesondert wären.
§.
75. Eben dieses verursacht auch / daß niemals eine völlige Generation,
noch ein vollkommener Tod / wann beides genau genommen wird / in der Natur
vorgehen könne. Und dasjenige was wir die Zeugung
zu nennen pflegen / ist nichts anders als eine Evolution und ein Wachstum;
gleichwie hingegen dasjenige / welches man den Tod
heißet / eine gewisse Art der Involution und der Abnahme oder Verminderung
ist. - Gottfried Wilhelm Leibniz, Monadologie, nach dem
Projekt
Gutenberg
Körper (3)
Körper (4) Ich will einen Blick auf das Körperliche werfen,
den Körper, es wird sich allerdings zeigen, daß er der Schulfall des Mystischen
ist. Sie gehen schlafen, nicht geraucht, nicht getrunken, auch sonst nichts,
völlig in Ordnung, und Sie erwachen zerstört, leidend, bekommen nicht einen
Fuß vor den anderen - was vollzog sich in der Nacht, wer vollzog sich in der
Nacht? Bedenken Sie überhaupt die unheimlichen Eindrücke, die ohne Unterbrechung
vom Körperlichen in unser Bewußtsein einströmen und die so bestimmend sind,
daß man den Korper schlechthin als Parzenheim und Weltenesche bezeichnen kann.
Oder bedenken Sie, wenn die Leute immer sagen: „aus heiler Haut" - aus
heiler Haut entsteht irgendein Leiden - natürlich: jedes Leiden! - auch diese
heile Haut ist der Volant vor tausend Fragen. Es ist ja auch vollkommen klar,
daß etwas so Künstliches, Altes, Fremdartiges wie der menschliche Körper nur
durch straffe zentrale Regulierungen in Ordnung gehalten werden kann, da kann
nicht jedes Organ etwas Privates arrangieren. Es ist der Geist, der sich den
Körper schafft, sagte Schiller und starb
mit fünfundvierzig Jahren an Tuberkulose, man müßte ihn also als Selbstmörder
bezeichnen, aber er ist es nicht, die Sache liegt anders, Beispiel: die Leber,
ich habe über sie nachgelesen: ein Filter, ein Entgiftungsapparat, eine Drüse,
ein Reservoir, wer hat das erdacht, sie in Beziehung gebracht zu Nahrungsaufnahme,
Fettspeicherung, Blutfülle - nur denkbar, nur sinnvoll, nur beziehungsfähig
innerhalb des totalen fleischlichen Systems - vorausschauend oder versuchsweise
oder spielerisch - Erfahrung und Idee, Nützlichkeit und Entelechie in einem
raffiniert und ursprünglich - und Sie selber leiten das alles nicht, wissen
gar nichts davon - müssen darüber nachlesen - also wer ist interessiert daran,
wer regelt das Spiel der Drüsen - wer und was? - Gottfried Benn,
Drei alte Männer. In: G.B., Prosa und Szenen. Ges. Werke Bd. 2. Wiesbaden
1962
Körper (5) Wer einigermaßen sich vom Leibe eine Vorstellung geschaffen hat — wie viele Systeme da zugleich arbeiten, wieviel füreinander und gegeneinander getan wird, wieviel Feinheit in der Ausgleichung usw. da ist — der wird urteilen, daß alles Bewußtsein, dagegen gerechnet, etwas Armes und Enges ist: daß kein Geist nur annähernd ausreicht für das, was vom Geiste hier zu leisten wäre, und vielleicht auch, daß der weiseste Sittenlchrer und Gesetzgeber sich plump und anfängerhaft inmitten dieses Getriebes von Krieg der Pflichten und Rechte fühlen müßte. Wie wenig wird uns bewußt! Wie sehr führt dies wenige zum Irrtum und zur Verwechslung! Das Bewußtsein ist eben ein Werkzeug: und in Anbetracht, wie Viel und Großes ohne Bewußtsein geleistet wird, nicht das nötigste, noch das bewunderungswürdigste, — im Gegenteil: vielleicht gibt es kein so schlecht entwickeltes Organ, kein so vielfach fehlerhaft arbeitendes: es ist eben das letzt-cntstandene Organ, und also noch ein Kind, — verzeihen wir ihm seine Kindereien! (Zu diesen gehört außer vielem anderen die Moral, als die Summe der bisherigen Werturteile über Handlungen und Gesinnungen der Menschen.)
Also müssen wir die Rangordnung umdrehen: alles „Bewußte" ist nur das
Zweit-Wichtige; daß es uns näher und intimer ist, wäre
kein Grund, wenigstens kein moralischer Grund, es anders zu taxieren. Daß wir
das Nächste für das Wichtigste nehmen, ist eben das alte Vorurteil. — Also umlernen!
in der Hauptschätzung! Das Geistige ist als Zeichensprache
des Leibes festzuhalten! - Friedrich Nietzsche, "Die Unschuld des Werdens"
(Nachlaß)