reatur  Die Kreatur war kaum eine Spanne lang; in dem Vogelkopf staken ein Paar runde glänzende Augen, und aus dem Sperlingsschnabel starrte noch ein langes spitzes Ding wie ein dünnes Rapier hervor, dicht über dem Schnabel streckten sich zwei Hörner aus der Stirne. Der Hals begann dicht unter dem Kopf auch vogelartig, wurde aber immer dicker, so daß er ohne Unterbrechung der Form zum unförmlichen Leibe wuchs, der beinahe die Gestalt einer Haselnuß hatte und mit dunkelbraunen Schuppen bedeckt schien, wie der Armadillo. Das Wunderlichste und Seltsamste war aber wohl die Gestaltung der Arme und Beine. Die ersteren hatten zwei Gelenke und wurzelten in den beiden Backen der Kreatur dicht bei dem Schnabel. Gleich unter diesen Armen befand sich ein Paar Füße und denn weiterhin noch ein Paar, beide zweigelenkig, wie die Arme. Diese letzten Füße schienen aber diejenigen zu sein, auf deren Tüchtigkeit die Kreatur sich eigentlich verließ, denn außerdem daß diese Füße merklich länger und stärker waren als die andern, so trug die Kreatur auch an denselben sehr schöne goldne Stiefel mit diamantnen Sporen. - E.T.A. Hoffmann, Meister Floh

Kreatur (2)  Salamander haben die ihnen zugewiesene Behausung im Feuer, Sylphen die ihre in den Lüften, Nymphen im fließenden Wasser und Gnomen in Erdhöhlen; die Kreatur aber, deren Stoff die Verzückung [bliss] ist, ist allenthalben zu Hause. Alle Töne, sogar das Brüllen der Löwen, das Kreischen nächtlicher Eulen, das Klagen und Ächzen der in der Hölle Eingekerkerten sind für sie wie süße Musik. Alle Gerüche, selbst der übelste Gestank der Verwesung, sind ihr gleich der Wonne der Rosen und Lilien. Jeglicher Geschmack, gar bis hin zum Festmahl der Harpyien in heidnischer Überlieferung, sind ihr wie süßer Brotlaib und gewürztes Bier. Wandelt sie in mittäglicher Hitze durch die Wüsteneien der Welt, so fühlt sie sich erfrischt wie unter Baldachinen aus Engels-schwärmen. Der ernsthaft Suchende wird nach ihr an allen Orten dieser Welt oder der sieben anderen Welten Ausschau halten, wie düster und unflätig sie auch sein mögen. Man stoße eine scharfe Schwertklinge durch sie hindurch, und es wird ihr als ein Quell göttlicher und reiner Wonne erscheinen. Diesen meinen Augen ward durch Verwandlung beschieden, diese Kreatur zu erkennen, und eine ähnliche Gabe, wie sie die Weisheit offenbart, ist bisweilen dem Kinde gegeben. - Jane Leade, nach (bo)

Kreatur (3)  

Ich bin eine Kreatur

Wie dieser Stein
des hl. Michael
so kalt
so hart
so ausgetrocknet
so widerständig
unbeseelt
so ganz und gar

Wie dieser Stein
ist mein Weinen
man sieht es nicht

Den Tod
büßt man
lebend ab

- Giuseppe Ungaretti, nach (mus)

Kreatur (4)

Die Kreatur

Das Brennglas dünnen Eises,
das morgens im Eimer schwimmt,
zeigt den Stand der Sonne an.

Ein Mann in abgeschabter Jacke
zieht auf dem Hof
im müden Kreis
die Maultierstute hinter sich her,
das Fell vom Kummet wundgestoßen.

Sie lahmt, als läge
ein Stein unter dem lockeren Eisen
des linken Hinterhufs.
Es näßt der Fesselbehang.

Mit einem Strohwisch
die Flanke des Tieres reibend,
starrt er mit schweißig leerem
Gesicht die Berge an.
Er sieht den Hafer in der Kiste,
dumpf und schimmlig,
von Pilzen befallen.
Er sieht die Stute mit schlechtem Gebiß,
die Hungergrube in den Wolken,

An der rußigen Mauer
der Abdeckerei
neigt sich die Sonne zur Unterwelt.

   - Peter Huchel, nach (arc)


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