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(hero)
Gegensatz (2) Im Jahr 1809 zeigten sich in
Europa zwei sonderbare entgegengesetzte menschliche Naturphänomene: das
eine eine sogenannte Unverbrennliche, namens Karoline
Kopini, das andere eine ungeheure Wassertrinkerin,
namens Chartret aus Courion in Frankreich. Jene, die Unverbrennliche,
trank siedendheißes Öl, wusch sich mit Scheidewasser, ja sogar mit zerschmolzenem
Blei, Gesicht und Hände, ging mit nackten Füßen auf einer dicken glühenden
Eisenplatte umher,alles ohne irgend eine Empfindung von Schmerz. Die andere
trinkt, seit ihrem achten Jahre, täglich 20 Kannen laues Wasser; wenn sie
weniger trinkt, ist siekrank, fühlt Stiche in der Seite, und fällt in eine
Art von Betäubung. - Heinrich von Kleist, Beitrag zur Naturgeschichte
des Menschen
Gegensatz (3) Ich beriet mich bei mir selbst.
Es gibt nur eine Weisheit: ein vertrautes
Verhältnis zu der Einsicht, nach der überall alles gelenkt wird. Der
Gott ist Tag-Nacht, Winter-Sommer, Krieg-Frieden,
Sättigung-Hunger. Verbindungen: Ganzheiten und keine Ganzheiten,
Zusammentretendes - Sichabsonderndes, Zusammenklingendes - Auseinanderklingendes;
somit aus allem eins wie aus einem alles. Das Widerstreitende zusammentretend
und aus dem Sichabsondernden die schönste Harmonie. Krieg
ist von allem der Vater, von allem der König.
Krankheit macht Gesundheit angenehm und gut, Hunger Sättigung, Ermüdung
das Ausruhen. Meer: das sauberste und zugleich
das verfaulteste Wasser, für Fische trinkbar und
lebenerhaltend, für Menschen nicht trinkbar und tödlich. Auf der
Peripherie des Kreises fallen Anfang und Ende
zusammen. Der Weg hinauf und hinab ist ein und derselbe. Kaltes
wird warm, Warmes kühlt sich ab, Feuchtes trocknet,
Trocknes wird feucht. Dasselbe ist: lebendig und tot und wach und
schlafend und jung und alt. Denn dieses ist umschlagend in jenes und jenes
umschlagend in dieses. In dieselben Flüsse
steigen wir und steigen wir nicht, wir sind es und wir sind es nicht. Dem
Gott ist alles schön und gut und gerecht; die Menschen aber haben das eine
als ungerecht, das andere als gerecht angesetzt. Schweine
fühlen sich wohler im Kot als im sauberen Wasser.
Einer gilt mir unzählige, so er der Ausgezeichnetste ist. Eins
vor allem anderen wählen sich die Besten: den ewigen Ruhm
vor den sterblichen Dingen; die große Menge aber
ist gesättigt, wie das Vieh. -
Heraklit
Gegensatz (4) Ein einziger, absoluter Geist, Urprinzip, Urcharakter, Genie, Wissenschaft, Künstler, Architekt, hat es vermocht, alle Teile des Universums aus dem Nichts der Welt zu ziehen, sie zusammenzusetzen, hat seinen Geschöpfen körperliche Augen gegeben, um zu sehen, zu betrachten, zu prüfen, um über seine universelle, wunderbare Ausstellung über unserem Kopf, unter unseren Füßen, rechts und links von unserem unwissenden, ungläubigen, schuldigen, sterblichen Körper nachzudenken, kurzum mit allen unseren Fähigkeiten in der Regel. Harmonisch unter dem Himmelsgewölbe organisiert, das das Ganze hält, zwischen zwei extremen Punkten liegend, wo alles existiert, geordnet, abgestuft, festgelegt, spintualisiert, wunderbar charakterisiert, magnetisch, hier zum Vergleich in zwei Sektionen aufgeteilt, die eine rechts, die andere links, in der Mitte das Zentrum oder der Äquator, was leicht die beiden extremen Punkte bildet und anzeigt, auf einen einzigen, absoluten Punkt gebracht, den der Versöhnung.
So daß die Vereinigung, alle ihre universellen Abhängigkeiten, ob geistig, ob materiell, in dieser Position, dieser Situation existieren.
Pol zur Linken (Äquator). Pol zur Rechten.
Waagschale
zur Linken (Achse). Waagschale zur Rechten.
1. Die Lampe |
und |
das Licht |
2. Das Böse |
und |
das Gute |
3. Die Dunkelheit |
und |
die Helligkeit |
4. Die Unwissenheit |
und |
das Wissen |
5. Der Gelehrte |
und |
die Wissenschaft |
- (
lim
)
Gegensatz (5) [Am 6. August 1945 wurde über Hiroshima die erste Atombombe abgeworfen.]
Ich kann mich nur daran erinnern - möglicherweise hatte meine Reaktion mich
für alles andere blind gemacht -, daß unglaubliche Hochstimmung und Begeisterung
herrschten; wir feierten, alle betranken sich. Wollte man dem, wie es in Los
Alamos zuging, gegenüberstellen, was gleichzeitig in Hiroshima passierte, der
Kontrast wäre ungeheuerlich. Natürlich feierte ich auch und trank und hatte
schließlich einen ziemlichen Schwips, setzte mich auf die Motorhaube eines Jeeps
und spielte auf einer Trommel; jedermann in Los Alamos war völlig aus dem Häuschen
- und zur selben Zeit starben in Hiroshima Menschen
oder kämpften ums Überleben. - Richard P. Feynman, Es ist so einfach. Vom Vergnügen, Dinge zu entdecken.
München 2001
Gegensatz (6) An eine vortreffliche schöne und tugendbegabte Jungfrau
1 Gelbe Haare, goldne Stricke, Taubenaugen, Sonnenblicke, schönes Mündlein von Korallen, Zähnlein, die wie Perlen fallen.
2 Lieblichs Zünglein in den Sprachen, süßes Zürnen, süßes Lachen, schnee- und lilienweiße Wangen, die voll roter Rosen hangen.
3 Weißes Hälslein, gleich den Schwanens Ärmlein, die mich recht gemahnen, wie ein Schnee, der frisch gefallen, Brüstlein wie zwei Zuckerballen.
4 Lebensvoller Alabaster, große Feindin aller Laster, frommer Herzen schöner Spiegel, aller Freiheit goldner Zügel.
5 Ausbund aller schönen Jugend, Aufenthaltung aller Tugend, Hofstaat aller edlen Sitten, ihr habt mir mein Herz bestritten.
Gegensatz
An eine sehr häßliche Jungfrau
1 Graues Haar voll Laus und Nissen, Augen von Schablack, von Flüssen, blaues Maul voll kleiner Knochen, halb verrostet und halb zerbrochen.
2 Blatterzunge, krank zu sprachen, äffisches Zürnen, Narrenlachen, runzelnvolle magre Wangen, die wie gelbe Blätter hangen.
3 Halshauts gleich den Morianen, Arme die mich recht gemahnen, wie ein Kind in Kot gefallen, Brüste, wie zwei Druckerballen.
4 Du bist so ein Alabaster, als ein wohlberegntes Pflaster, aller Ungestalt ein Spiegel, aller Schönen Steigebügel.
5 Schimpf der Jungfern und der Jugend, Unhuld aller lieben Tugend, Einöd aller plumpen Sitten, laßt du dich zum Freien bitten.
- N.N., nach: Von der Eitelkeit der Welt. Barockgedichte. Hg.
Herbert Heckmann. Berlin 1994
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