eisheit

Der Weise macht sich keine Sorgen
um sein eigenes Leben;
er macht sich die Bedürfnisse
der Menschen zu eigen.

Ich bin gut zu denen,
die gut sind,
aber ich bin auch gut zu denen,
die nicht gut sind,
denn so vermehre ich die Güte.

Ich vertraue den Menschen,
die vertrauensvoll sind,
und ich vertraue den Menschen,
die nicht vertrauensvoll sind,
denn so vermehre ich das Vertrauen.

Der Weise hält sich zurück
und ist bescheiden in dieser Welt.
Man sieht ihn, man hört ihn,
und er behandelt alle
Menschen wie Kinder.

- (tao)

Weisheit (2) Die alten Goten in Deutschland, welche (der gelehrte Cluverus weiß es gewiß) erst das Land zwischen der Weichsel und Oder bewohnten und welche nachher die Heruler, die Bugier und andere vandalische Völkerschaften mit sich vereinigten, hatten allesamt den weisen Brauch, alle ihre wichtigen Staatsangelegenheiten zweimal zu beraten, nämlich einmal betrunken und einmal nüchtern.

Betrunken, damit es ihren Beratschlagungen nicht an Feuer und Nachdruck, und nüchtern, damit es ihnen nicht an Klugheit gebrechen möchte.  - (shan)

Weisheit (3) Einem jeden Vorwitze nachzuhängen, und der Erkenntnissucht keine andre Grenzen zu verstatten, als das Unvermögen, ist ein Eifer, welcher der Gelehrsamkeit nicht übel ansteht. Allein unter unzähligen Aufgaben, die sich selbst darbieten, diejenige auswählen, deren Auflösung dem Menschen angelegen ist, ist das Verdienst der Weisheit. Wenn die Wissenschaft ihren Kreis durchlaufen hat, so gelanget sie natürlicher Weise zu dem Punkte eines bescheidenen Mißtrauens, und sagt, unwillig über sich selbst, wie viel Dinge gibt es doch, die ich nicht einsehe. Aber die durch Erfahrung gereifte Vernunft, welche zur Weisheit wird, spricht in dem Munde des Sokrates, mitten unter den Waren eines Jahrmarkts, mit heiterer Seele: Wie viel Dinge gibt es doch, die ich alle nicht brauche. - Immanuel Kant, Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik. 1766

Weisheit (4) Ich liebe diese nächtliche Stille: gern würde ich es jemandem sagen, und mitunter bedaure ich meine Angewohnheit, allein zu schlafen. Aber wie könnte ich andererseits, wenn ich nicht allein wäre, etwas über die Stille sagen, ohne sie dabei zu verletzen? Ich muß gestehen, in meinem Alleinsein liegt Weisheit.  - Giorgio Manganelli, Reisenotizen. In (irrt)

Weisheit (5) Memnon faßte eines Tages den törichten Entschluß, wahrhaft weise zu werden. Es gibt wohl kaum einen Menschen, in dessen Kopf dieser Wahn nicht auch schon einmal gespukt hätte. «Um wirklich weise und folglich auch wirklich glücklich zu sein, braucht man nur frei von allen Leidenschaften zu sein», sagte sich Memnon, «und bekanntlich ist nichts leichter als das. Erstens will ich niemals eine Frau lieben, denn beim Anblick einer vollkommenen Schönheit muß ich mir stets sagen: Diese Wangen werden eines Tages voller Runzeln und diese schöne Augen rot umrändert sein. Dieser straffe Busen wird flach herabhängen, und dieses schöne Haupt wird kahl werden. Ich brauche mir eine Frau also nur so vorzustellen, wie ich sie Jahre später sehen würde, und dann wird sie mir nicht mehr den Kopf verdrehen.» - Voltaire, Memnon oder die menschliche Weisheit. Stuttgart 1983 (Die Bibliothek von Babel, Bd. 28)

Weisheit (6)  Das Gute ist die einzige Natur GOTTes, und beide sind von einem Geschlecht, daraus alle Geschlechter entstanden sind.

Denn der alles gibt und nichts nimmt, der ist gut, GOTT aber gibt alles und nimmt nichts, darum ist GOTT das Gute und das Gute ist GOTT.

Der andere Name ist Vater, weil er ein Gebärer ist aller Dinge, denn die Eigenschaft der Väter ist gebären.

Darum lassen sich die Weisen in diesem Leben mit der allergrössten und allerseeligsten Sorgfalt das Kinder-Zeugen angelegen sein.

Und das grösste Unheil und Ungöttlichkeit ist, wenn jemand von den Menschen kinderlos stirbt, und ein solcher wird nach dem Tode von den Geistern gestraft.

Die Strafe demnach ist diese: Die Seele dessen, der kinderlos ist, wird in einen Leib verurteilt, welcher weder Mannes noch Weibes Natur hat und welcher unter der Sonne verflucht ist. - Corpus Hermeticum

Weisheit (7)  Die Freundschaft ließ er nicht gelten, weil sie sich weder bei den Unweisen fände noch bei den Weisen, denn für jene schwinde mit dem Wegfall des Nutzens auch die Freundschaft; die Weisen aber bedürften, selbstgenügsam wie sie seien, überhaupt keines Freundes. Er erklärte es auch für vernunftgemäß, daß der brave Mann sich nicht für das Vaterland dem Tode preisgebe. Denn man dürfe die Einsicht nicht preisgeben, um den Unverständigen zu nützen. Vaterland sei die Welt. Der Weise werde gelegentlich auch stehlen, Ehebruch treiben und Tempelraub begehen. Denn nichts davon sei an sich (von Natur) verwerflich, sobald man absehe von der gangbaren Meinung, die ihr Dasein nur dem Zwecke der Abschreckung der Unvernünftigen verdanke. - (diol)

Weisheit (8) SOFOLOGIE. Weisheit muß man hienieden meist nur beym Mittelmäßigen (Eingeschränkteren) suchen. Hemsterhuis.

Weisheit ist Harmonie. 2 und 3 sind leichter in Harmonie, als 1 und 100. Schwierige Harmonie des Genies, (quantitatives Genie. qualitatives Genie. Ihre Synthesis.)  - Novalis

Weisheit (9)

Die zeit ist schnäll; das leben blöd;
der weg ist schmal; die Wält ist schnöd;
das Fleisch ist schwach; der Feind ein wicht;
der Tod gewis / die stund doch nicht:

- Jesaias Rompler von Löwenhalt, nach: Lyrik des Barock I. Hg. Marian Szyrocki. Reinbek bei Hamburg 1971


Klugheit Philosophie Weltverbesserung

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