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(se)
Ruhm (2) Tugendhafte und gutmütige Mittel führen zu nichts.
Tatkräftigere Hebel und kunstvollere Schliche müssen ins Werk gesetzt werden.
Bevor du durch Tugend berühmt wirst und ans Ziel gelangst, werden hundert andere
Zeit haben, Kapriolen über deinen Rücken zu machen und vor dir ans Ziel der
Bahn zu gelangen, und zwar so, daß dort kein Platz mehr für deine beschränkten
Ideen übrigbleibt. Man muß verstehen, den Horizont der heutigen Zeit viel weiter
zu fassen. Hast du zum Beispiel nie von dem gewaltigen Ruhm sprechen hören,
den die Siege bringen? Und doch kommen Siege nicht von allein. Es muß Blut
vergossen werden, viel Blut, um sie hervorzubringen und sie den Eroberern zu
Füßen zu legen. Ohne die Leichen und die verstreuten
Gliedmaßen, die du dort auf der Ebene siehst, wo das Blutbad klugerweise stattfand,
gäbe es keinen Krieg, und ohne Krieg gäbe es keinen
Sieg. Du siehst, wenn man berühmt werden will, muß man voller Anmut
in die Blutströme tauchen, die das Kanonenfutter speist. Der Zweck heiligt die
Mittel. Vor allem muß man Geld besitzen, um Ruhm zu erwerben.
Da du aber keines hast, mußt du morden, um es zu gewinnen; da du aber nicht
stark genug bist, um den Dolch zu führen, werde ein Dieb, bis deine Glieder
stark geworden sind. Und damit sie schneller erstarken, rate ich dir, zweimal
am Tage Gymnastik zu treiben, morgens eine Stunde, abends eine Stunde. Auf diese
Weise kannst du dich schon von fünfzehn Jahren an, mit einem gewissen Erfolg,
im Verbrechen versuchen, anstatt bis zwanzig zu warten.
Die Liebe zum Ruhm entschuldigt alles. - (
mal
)
Ruhm (3) Er spürte, wie ihn allmählich eine
seltsame Begeisterung überkam: »Man spürt an etwas Besonderem, daß man ein Meisterwerk
schafft, daß man ein Wundergeschöpf ist: manche haben sich mit acht Jahren als
Wunderkind entpuppt, ich mit neunzehn Jahren. Dante und Shakespeare waren meinesgleichen,
ich verspürte, was der gealterte Victor Hugo mit siebzig Jahren, was Napoleon
im Jahre 1811 verspürt hat, was Tannhäuser im Venusberg träumte: ich verspürte
den Ruhm (gloire) ... Nein, der Ruhm ist keine Vorstellung, kein Begriff, den
man erwirbt, indem man feststellt, daß der eigene Name auf den Lippen der Menschen
flattert. Nein, es geht nicht um das Gefühl des eigenen Wertes, um das Gefühl,
man verdiene den Ruhm; nein, ich empfand nicht das Bedürfnis, nicht den Wunsch
nach dem Ruhm, denn vorher dachte ich überhaupt nicht daran. Dieser Ruhm war
eine Tatsache, eine Feststellung, eine Empfindung, ich hatte den Ruhm ... Was
ich schrieb, war von Strahlungen umgeben, ich zog die Vorhänge zu, weil ich
Angst hatte, der kleinste Spalt könnte die leuchtenden Strahlen, die von meiner
Feder ausgingen, nach außen dringen lassen, ich wollte auf einen Schlag die
Trennwand wegziehen und die Welt erleuchten. Diese Papiere herumliegen lassen,
das hätte bedeutet, daß Lichtstrahlen bis nach China gedrungen wären und die
bestürzte Menge über das Haus hergefallen wäre. Doch ich mochte noch soviele
Vorkehrungen treffen, Lichtstrahlen drangen aus mir hervor und durchquerten
die Wände, ich trug die Sonne in mir und konnte dieses ungeheure Blitzen meiner
selbst nicht verhindern. Jede Zeile wurde in Tausenden von Exemplaren wiederholt,
und ich schrieb mit Tausenden von lodernden Federkielen. Beim Erscheinen des
Bandes hätte sich dieser blendende Flammenherd sicherlich noch weiter enthüllt
und das All erleuchtet, er wäre aber nicht geschaffen worden, ich trug ihn bereits
in mir ... Ich befand mich damals in einem Zustand unerhörten Glücks, mit einem
Hackenhieb hatte ich eine wundersame Erzader entdeckt, ich hatte das umwerfendste
große Los gewonnen. Ich habe in diesem Augenblick mehr gelebt als während meines
ganzen Daseins.« Zur gleichen Zeit verlor Martial das Interesse an allem anderen
und unterbrach nur mit großer Mühe ein wenig seine Arbeit, um ab und zu ein
wenig essen zu gehen. Völlig bewegungslos war er nicht, er tat ein paar Schritte
und schrieb ein wenig, aber stundenlang saß er reglos mit der Feder in der Hand,
in seine Träumerei und in das Gefühl seines Ruhmes versunken. -
Pierre Janet, Die psychischen Merkmale der
Ekstase
. In: Raymond
Roussel. Eine Dokumentation.
Hg. Hanns Grössel. München 1977
Ruhm (4) Zur Zeit König Heinrichs II. war am Hofe
Herr von Barbezan, genannt Saint-Amand, der sich dreimal nacheinander verheiratete.
Seine dritte Frau war Fräulein bei der Frau von Monchy, der Erzieherin der Herzogin
von Lothringen, die, tapferer als ihre beiden Vorgängerinnen, über sie recht
behielt, denn unter ihr starb der Gatte; wie man ihn nun am Hof bedauerte und
sie über seinen Verlust schmählich niedergeschlagen war, machte ihr Herr von
Monpesat, der ganz vortrefflich redete, den Einwand: anstatt sie zu beklagen,
müsse man sie vielmehr preisen wegen ihres Sieges über ihren Mann, von dem man
sagte, daß er so stark und kräftig und wohlausgestattet wäre, daß er seine ersten
beiden Frauen durch die Gewalt, mit der er es ihnen machte, ins Grab brachte;
sie, die beim Kampf nicht unterlegen sei, sondern siegreich geblieben wäre,
müßte für einen so schönen Sieg über einen so tapfern
und robusten Kämpen vom Hofe gelobt und bewundert werden; daher müsse sie selber
sehr stolz darüber sein. Was für ein Ruhm! - (
brant
)
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