Eines Morgens nach einer unruhigen Nacht stand Marione auf mit dem Entschluß, die Männer von den Frauen zu trennen. Er ging durch die Straßen, und jedesmal wenn er einen Mann mit einer Frau sah, drängte er sich dazwischen und versuchte, sie zu trennen. Aber niemand wollte etwas von Mariones neuer Ordnung wissen, und irgendwer gab ihm sogar eine Ohrfeige.
Beim Anblick von so viel Unordnung ringsumher auf der
Welt wurde Marione immer deprimierter. Als seine Frau drohte, daß sie
ihn verlassen würde, wenn er weiter darauf bestünde, die Männer
von den Frauen zu trennen, gab Marione endlich Frieden und sah ein, daß
ein wenig Unordnung ganz gut zu ertragen sei. - (
ma
)
Ordnung (2) Wer Ordnung
hält, ist nur zu faul zum Suchen. - (
cel
)
Ordnung (3) Die Tischtuchtolle ist blütenweiß und atmet in Linnen. Ihre Finger sind strikt, ihre Augen eckig. Seit sie denken kann, hat sie nie Schnupfen gehabt und doch ist die Stimme ein wenig heiser. Sie sagt, daß sie noch nie einen Traum gehabt hat, und man glaubt‘s ihr.
Manche kommen zu ihr, um sich Ordnung zu holen. Sie ist unwiderstehlich. Sie sagt wenig, aber was sie sagt, hat die Glaubenskraft einer ganzen Kirche. Es ist nicht ausgemacht, daß sie betet, sie ist selbst ihre Kirche. Wenn sie die Blütenweiße zelebriert, versinkt man vor Scham, daß man so lange in Schmutz gelebt hat. Verglichen mit ihr ist alles Schmutz, da hilft kein Leugnen. Sie öffnet die eckigen Augen groß, richtet sie ungetrübt auf einen und man spürt von innen her ein Leuchten. Da ist es, als trüge man alle ihre Tischtücher in sich, strikt gefaltet, nie ausgebreitet, auf einem blütenweißen Haufen, ewig, ewig.
Sie ist aber nie ganz zufrieden, denn selbst sie findet Flecken auf ihren Blüten. Man soll sie sehen, wenn sie urplötzlich stutzt, weil sie einen winzigen Punkt gewahrt hat. Da wird sie gefährlich wie eine Giftschlange. Da öffnet sie den Mund und zeigt schreckliche Giftzähne. Da hißt sie, bevor sie zustößt, wehe dem winzigen Fleck. Es ist vorgekommen, daß er aus Angst vor ihr verschwand und daß sie dann stundenlang beharrlich nach ihm suchte. Aber es kommt auch vor, daß er nicht verschwindet. Dann erlebt man einen Orkan. Sie packt das Blütenweiße, sie packt es nicht allein, sie packt es zusammen mit zwanzig andern Blütenweißen, wo es geschichtet lag und macht sich daran, den ganzen hohen Pack auf der Stelle wiederzuwaschen.
In solchen Augenblicken ist es geraten, sie allein zu lassen, denn ihre Raserei
kennt keine Grenzen. Was immer in die Nähe gerät, wird mitgewaschen, Tische,
Stühle, Betten, Leute, Tiere. Da geht es zu wie beim Jüngsten Gericht. Da findet
nichts vor ihren eckigen Augen Gnade. Da sind schon Tiere und Leute totgewaschen
worden. Da geht es zu wie vor Erschaffung der Geschöpfe. Da wird Licht und Finsternis
getrennt. Da ist Gott seiner weiteren Sache nicht mehr sicher.
- (can)
Ordnung (4) Auch
die moderne
Ordnung, die
sich kennzeichnend
von der vorangegangenen
Art des Erzeugens
abhebt, beruht
auf einer fundamentalen
Symbolik. Sofern
man die überlieferte
Zivilisation
mit ihrer natürlichen
Ordnung der
Substanzen
oralen Strukturen
zuordnen kann,
muß man in
der modernen
Ordnung der
Produktion,
des Kalküls
und der Funktionalität,
die mit dem
Unternehmen
des Überholens,
des Umformens
und Hervorbrechens
objektiver
Strukturen
verbunden ist,
eine phallische
Ordnung erblicken
— aber auch
eine Ordnung
der Fekalität,
beruhend auf
der Abstraktion,
Extraktion
homogener Stoffe,
Kalkulation
und Analyse
der Substanzen,
und auf einer
analen Aggressivität,
die sich im
Spiel, im Gespräch,
im Ordnen,
Klassifizieren
und Verteilen
sublimiert.
-
(
baud
)
Ordnung (5) Ein Problem waren schon immer die Pilze: Solange man nur Tiere und Pflanzen unterschied, mußte man sie wohl oder übel zu den Pflanzen rechnen. Andererseits enthalten Pilze kein Chlorophyll, weshalb sie, wie ein Tier, auf die Ernährung mit organischer Substanz angewiesen sind. Diese wiederum können sie aber nicht, wie ein Tier das tut, durch den Abbau mit eigenen Enzymen selbst auswerten. Pilze leben daher parasitisch, auf toter organischer Substanz (»Schimmelpilze«) oder auf lebenden Tieren oder Pflanzen, denen sie gleichsam bereits verdaute Nahrung entziehen.
Angesichts dieser Einordnungsschwierigkeit und nicht zuletzt auch angesichts der an dieser Stelle des Textes geschilderten neuen Erkenntnisse wird die belebte Natur von den Wissenschaftlern, einem Vorschlag des amerikanischen Biologen R. H. Whittaker folgend, seit einigen Jahren nicht mehr in 2, sondern in 5 selbständige »Reiche» eingeteilt: 1. das Reich der »Moneren». Als Moneren bezeichnen die Biologen alle heute noch ezistierenden Vertreter der ursprünglichsten und primitivsten Zellart, die »kernlosen Zellen» (oder »Prokaryoten«). Dazu gehören also alle Bakterien und die Blaualgen. 2. das Reich der Protisten (oder Protozoen), zu dem die große Zahl aller der vielen verschiedenen Einzeller vom »fortschrittlichen Typ» rechnet, die mit einem selbständigen Kern und spezialisierten Organellen ausgestattet sind. Die restlichen 3 Reiche werden von all den vielzellig gebauten Lebewesen gebildet, die sich aus unterschiedlich spezialisierten und weiterentwickelten Formen der » Protisten» zusammensetzen. Als » Pflanzen» bezeichnet man jetzt ausschließlich die Vielzeller, deren Zellen Chloroplasten enthalten, die sich also (überwiegend) mit Hilfe der Photosynthese ernähren.
»Tiere« heißen die Vielzeller, die zu ihrer Ernährung fertig vorliegender organischer Substanzen bedürfen, die also Pflanzen fressen müssen oder Tiere, die sich ihrerseits von Pflanzen ernähren, Und die Pilze schließlich haben ein eigenes, 5. »Reich« in dieser Einteilung bekommen.
Diese Einteilung ist sicher ein Fortschritt. Daß auch sie noch keineswegs
befriedigt, geht allein aus der Tatsache hervor, daß auch in ihr die Viren nach
wie vor keinen überzeugenden Platz gefunden haben. - Hoimar v. Ditfurth,
Im Anfang war der Wasserstoff. Hamburg 1972
Ordnung (6) Ich bin leider in
den Jugendjahren und gleichsam im Keime schon verdorben, denn wie andere gelehrte
Knaben und vielversprechende Jünglinge es sich angelegen sein lassen immer gescheuter
und vernünftiger zu werden, habe ich im Gegentheile stets eine besondere Vorliebe
für die Tollheit gehabt, und es zu einer absoluten Verworrenheit in mir zu bringen
gesucht, eben um, wie unser Herrgott, erst ein gutes und vollständiges Chaos
zu vollenden, aus welchem sich nachher gelegentlich, wenn es mir einfiele, eine
leidliche Welt zusammen ordnen ließe. —Ja es kommt mir zu Zeiten in überspannten
Augenblicken wohl gar vor, als ob das Menschengeschlecht
das Chaos selbst verpfuscht habe, und mit dem Ordnen zu voreilig gewesen sei,
weshalb denn auch nichts an seinen gehörigen Platz zu stehen kommen könne, und
der Schöpfer bald möglichst dazu thun müsse die Welt, wie ein verunglücktes
System auszustreichen und zu vernichten. -
[August Klingemann,] Nachtwachen von Bonaventura. Frankfurt
am Main 1974 (it 89, zuerst 1804)
Ordnung (7) Jeder Mythos stellt ein Problem und behandelt es, indem er zeigt, daß es anderen Problemen analog ist; oder der Mythos behandelt mehrere Probleme gleichzeitig, indem er zeigt, daß sie untereinander analog sind. Diesem Spiegelspiel, diesen einander erwidern-den Reflexen entspricht nie ein wirkliches Objekt.
Genauer: Das Objekt bezieht seine Substanz aus invarianten Eigenschaften,
die herauszuarbeiten dem mythischen Denken gelingt, wenn es eine Vielzahl von
Aussagen zueinander in Parallele setzt. Sehr ver-einfachend könnte man sagen,
daß der Mythos ein System von logischen Operationen ist, die durch die Methode
des »wenn, dann« oder »so, wie« definiert werden. Eine Lösung, die keine Lösung
eines besonderen Problems ist, mildert die intellektuelle Unruhe und gegebenenfalls
die existentielle Angst, sobald eine Anomalie, ein Widerspruch
oder ein Skandal als die Manifestation einer Ordnungsstruktur dargeboten wird,
die in anderen, das Denken oder das Gefühl gleichwohl nicht im selben Maße betreffenden
Aspekten des Realen sehr viel deutlicher ist. - (
str
)
Ordnung (8) Viele Jahre führte Cesare Borgia Krieg, um im Namen seines Vaters, Papst Alexanders, weite Teile von Italien unter seine Kontrolle zu bekommen. Im Jahr 1500 gelang es ihm, die Romagna zu erobern. Die Region war seit langer Zeit von einer Reihe gieriger Herren regiert worden, die die Reichtümer des Landes nur zum eigenen Nutzen ausgeplündert hatten. Ohne Polizei oder eine sonstige disziplinierende Staatsgewalt war die Region in die Gesetzlosigkeit zurückgefallen, ganze Landstriche wurden von Räubern und sich befehdenden Familien beherrscht. Um die Ordnung wiederherzustellen, berief Cesare Remirro de Orco zum Generalleutnant der Region — »einen grausamen und schnell zupackenden Mann«, wie Niccolò Machiavelli schrieb. Cesare gab de Orco absolute Macht.
Mit Energie und harter Hand baute de Orco ein strenges, brutales Justizwesen
in der Romagna auf, und bald hatte er sie von so gut wie allen gesetzlosen Elementen
gesäubert. Doch er schoß in seinem Eifer oft über das Ziel hinaus, und nach
zwei Jahren verachtete, ja, haßte die ortsansässige Bevölkerung ihn. Im Dezember
1502 schritt Cesare ein. Zunächst ließ er wissen, daß er de Orcos
grausamem und brutalem Vorgehen nie zugestimmt hatte, daß dies auf die gewalttätige
Natur des Leutnants zurückzuführen sei. Am 22. Dezember ließ er dann de Orco
in Cesena gefangennehmen, und am zweiten Weihnachtstag erblickten die Bewohner
der Stadt in der Mitte der Piazza eine merkwürdige Szenerie: de Orcos kopfloser
Körper, in ein prächtiges Gewand und ein Purpurcape gekleidet, daneben sein
auf eine Lanze gespießter Kopf und die blutige Axt
des Henkers sowie der Hinrichtungsblock. Machiavelli beschließt seine
Ausführungen dazu mit den Worten: »Dieses furchtbare Schauspiel erfüllte die
Einwohner mit Genugtuung und machte gleichzeitig tiefen Eindruck auf sie.« -
(
macht
)
Ordnung (9) Eine Katze
hält ihre Kätzchen an ungefähr sechs Codes fest. Einer ist für die Zeit der
Fütterung, der zweite fürs Herbeirufen, der dritte fürs schnelle Verschwinden,
der vierte, um sich totzustellen, der fünfte ist der Liebescode für die Siesta,
und der sechste Code bedeutet, daß es Zeit ist, schlafen zu gehen ... Bei fortschreitendem
Sonnenuntergang hat nur ein einziger Fasan einen schönen, wehmütigen Code, mit
dem er allen anderen Fasanen kundtut, daß die Nahrungssuche zu Ende geht und
es Zeit ist, sich auf die Äste zu setzen, schlafen zu gehen. Ich jedoch habe
keinen Code und keine Ordnung, ich bin einsam, aber
nicht verlassen, denn nur so nehme ich all das wahr,
was um mich herum vorgeht, wodurch ich zum Reklamespiegelchen der von außergewöhnlichen
Alltagsereignissen angefüllten Kugelfläche werde.
- (
hra2
)
Ordnung (10) Die Gelehrten
ertragen den Zweifel und das Scheitern, weil sie nicht
anders können. Aber Unordnung ist das einzige, das sie nicht dulden können und
dürfen. Das Ziel der reinen Wissenschaft besteht darin, die Reduktion dieser
chaotischen Wahrnehmung, die auf einer niedrigere und wahrscheinlich unbewußten
Ebene mit dem Ursprung des Lebens selbst begonnen hat, bis zum höchsten und
bewußtesten Punkt zu führen. In bestimmten Fällen könnte man sich fragen, ob
der Typus von Ordnung, der erarbeitet worden ist, ein objektives Merkmal der
Erscheinungen ist oder eine Konstruktion des Gelehrten. Diese Frage stellt sich
unaufhörlich in der Taxonomie der Tiere... Dennoch ist es das grundlegende Postulat
der Wissenschaft, daß die Natur selbst geordnet ist ... In ihrem theoretischen
Teil läßt sich die Wissenschaft auf Herstellung von Ordnung reduzieren, und
wenn es wahr ist, daß die Systematik in einer solchen Herstellung von Ordnung
besteht, dann können die Termini der Systematik und der theoretischen Wissenschaft
als Synonyme angesehen werden. -
G. G. Simpson, nach: Claude Lévi-Strauss, Das wilde Denken. Frankfurt am Main
1973 (zuerst 1962)
Ordnung (11) Während nun aber die
Wissenschaft zwar mit der Magie
eines gemeinsam hat, daß sie nämlich ebenfalls den Glauben an die Ordnung als
das Grundprinzip aller Dinge ansieht, so brauchen die Leser
dieses Werkes wohl kaum daran erinnert zu werden, daß die von der Magie angenommene
Ordnung wesentlich von derjenigen abweicht, die die Grundlage der Wissenschaft
bildet. Der Unterschied ergibt sieh ganz naturlich aus den verschiedenen Methoden,
nach denen man zu den beiden Ordnungen gelangt ist. Während nämlich die Ordnung,
mit der die Magie rechnet, lediglich eine auf einer falschen Analogie beruhende
Erweiterung derjenigen ist, nach der sich die Gedanken unserem Geiste aufdrängen,
so gründet sich die von der Wissenschaft aufgestellte Ordnung auf die geduldige
und genaue Beobachtung der Phänomene selbst. Die Fülle, Zuverlässigkeit und
der Glanz der bereits erzielten Ergebnisse dürften wohl dazu angetan sein, uns
mit freudigem Vertrauen zu der Richtigkeit der Methode zu erfüllen. Hier hat
der Mensch endlich nach jahrhundertelangem Umhertasten im Dunkeln einen Faden
durch das Labyrinth, einen goldenen Schlüssel
gefunden, der viele Schlösser in der Schätzkammer der Natur öffnen kann. Es
ist wahrscheinlich nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, daß die Hoffnung
auf Fortschritt — und zwar sowohl sittlichen als
auch geistigen — in Zukunft mit dem Schicksal der Wissenschaft verbunden ist,
und daß jedes Hindernis, das der wissenschaftlichen Forschung in den Weg gelegt
wird, ein Unrecht gegen die Menschheit ist. - (
fraz
)
Ordnung (12) Als in der Urzeit
Bau Hi die Welt beherrschte, da blickte er empor und
betrachtete die Bilder am Himmel,
blickte nieder und betrachtete die Vorgänge auf Erden. Er betrachtete die Zeichnungen
der Vögel und Tiere und die Anpassungen an die Orte. Unmittelbar ging er von
sich selbst aus, mittelbar ging er von den Dingen aus.
So erfand er die acht Zeichen, um mit den Tugenden
der lichten Götter in Verbindung zu kommen und aller
Wesen Verhältnisse zu ordnen. - (
ig
)
Ordnung (13) Das gleiche Verlangen
nach Ordnung, das am Anfang die Mathematik erschuf,
machte, daß ich eine Ordnung in dieser Verirrung der Mathematik suchte, die
die unsinnigen Täuschungssteine darstellen. In ihren unvorhersehbaren Abwandlungen
wollte ich ein Gesetz auffinden. Tage und Nächte verbrachte ich damit, die Änderungen
statistisch zu erfassen. Aus jener Phase sind mir einige Hefte geblieben, die
gefüllt sind mit nutzlosen Zahlen. Ich ging folgendermaßen vor. Mit den Augen
zählte ich die Steine und schrieb die Zahl auf. Dann
teilte ich sie in zwei Handvoll und warf sie auf den Tisch. Ich zählte beide
Mengen, schrieb die Zahl auf und wiederholte den Vorgang. Vergebens war die
Suche nach einer Ordnung, nach einem geheimen Muster in den Veränderungen. Die
Höchstzahl an Steinen, die ich erhielt, war 419; die Mindestzahl drei. Es gab
einen Augenblick, in dem ich hoffte oder befürchtete. daß sie verschwänden.
Nach einigem Versuchen stellte ich fest, daß ein von den anderen isoliertes
Plättchen sich nicht vervielfachen oder verschwinden konnte. Natürlich waren
die vier Grundrechenarten der Addition. Subtraktion, Multiplikation und Division
unmöglich. Die Steine verweigerten sich der Arithmetik und der Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Vierzig Plättchen konnten bei der Division durch zwei neun ergeben: die neun,
ihrerseits dividiert, konnten dreihundert sein. Ich weiß nicht, wieviel sie
wogen. Eine Waage nahm ich nicht zu Hilfe, doch bin ich sicher, daß ihr Gewicht
gleich und leicht war. Die Farbe war immer jenes Blau. - Jorge Luis Borges,
Blaue Tiger. In: Blaue Tiger und andere Geschichten. München 1988 (zuerst 1977)
Ordnung (14) Die Ordnung der Primaten, eine der Untergliederungen der Säugetiere, umfasst so verschiedene ARTEN wie Krallenäffchen, die Eichhörnchen recht ähnlich sehen, Menschenaffen und Menschen. Mit Ausnahme des Menschen ist ihnen allen ihre Anpassung an ein Leben auf den Bäumen gemeinsam. Ihre Beckenstruktur und die Form ihrer Hände und Füße ermöglichen es ihnen, sich mühelos von Ast zu Ast zu hangeln. Daumen und großer Zeh sind sehr beweglich und lassen sich bei manchen Arten den Fingern beziehungsweise Zehen gegenüberstellen. Anstelle von Krallen haben sie Finger- und Zehennägel, die es ihnen ermöglichen, Gegenstände feiner zu handhaben. Die oberen Gliedmaßen sind daher imstande, andere Funktionen als das Gehen zu übernehmen, und diese Tiere können eine fast aufrechte Haltung einnehmen.
Ein weiteres charakteristisches Merkmal der Primaten ist die Rückbildung
des Geruchssinns zugunsten der Sehfähigkeit, was die Wahrnehmung der Umgebung
volkommen verändert. Die meisten Säugetiere erhalten Informationen hauptsächlich
über Gerüche, während Primaten sich vor allem auf ihr
Sehvermögen stützen. Durch die Parallelstellung ihrer
Augen können sie die Bilder, die jedes Auge von einem
Gegenstand liefert, vergleichen und seine Entfernung
abschätzen. Diese Fähigkeit setzt jedoch eine ausreichend entwickelte Gehirntätigkeit
voraus. - (thes)
Ordnung (15) Pythagoras
hat in den Mittelpunkt seiner Gedanken die Idee der Ordnung gestellt:
die musikalische Ordnung, die mathematische Ordnung, die Ordnung des Kosmos
und schließlich die ethische und soziale Ordnung. Er entdeckte, daß die Intervalle
der Tonleiter den Verhältnissen der Längen schwingender Saiten entsprechen und
durch Zahlverhältnisse ausgedrückt werden können. Die so entstehenden Zahlverhältnisse
waren 1:2, 2:3 und 3:4, und damit sind die vier ersten natürlichen Zahlen gegeben,
deren zentrale Bedeutung die Pythagoräer immer wieder hervorgehoben haben. Aus
solchen Überlegungen kamen die Pythagoräer zu der Überzeugung, daß »der Kosmos
mit reiner Mathematik isomorph ist« (Bell) und
daß alles im Universum durch ganze Zahlen meßbar sei. Es gab im System
keinen Raum für irrationale Zahlen, und die Entdeckung des Hippasus,
daß die quantitative Beziehung zwischen der Seite und der Diagonale eines Rechtecks
nicht durch ganze Zahlen ausgedrückt werden kann, erschütterte das Weltbild
der Pythagoräer. - (zahl)
Ordnung (16) Wir
Chinesen sind besessen von der Idee der Totalität
aller Dinge. Darum gelingt uns das Spezifische und Praktische oft nicht. Wir
betrachten Ursache und Wirkung
nur als zwei unter mehreren Aspekten des entscheidenden Triebes und Zwecks des
Lebens. Ursache und Wirkung sind für uns nur Nebenprodukte des letzten Lebenszwecks,
der alle Ursache und Wirkung hervorruft. — Zufall oder
was ihr 'Glück' nennt, ist eine andere Manifestation der gleichen Dinge, nicht
nur etwa irgendein zufälliges Ereignis, das in keinem Zusammenhang
steht in der allgemeinen Ordnung von Vorgängen, sondern
im Gegenteil Teil ist eines fundamentalen Gesetzes, dessen Funktionieren ihr
entweder schmerzhaft unwissend seid, oder das ihr arrogant verachtet. Wir dagegen
haben tiefen Respekt davor und studieren es ohne Unterlaß und entwickeln Methoden,
die Natur dieses Gesetzes zu ahnen. Wir tun es instinktiv. Sehen Sie, es ist
gerade dieses Zusammensein aller Dinge in der Zeit und nicht ihre scheinbare
Beziehungslosigkeit in der konkreten Welt, die uns Chinesen interessiert. - Laurens
van der Post, Flamingo Feathers. Nach: Hans Richter, in: Dada - Kunst und Anti-Kunst.
Köln 1964
Ordnung (17) Das
überwältigende Bestreben nach Unordnung bedeutet
nicht, dass sich geordnete Strukturen wie Sterne und Planeten über geordnete
Lebensformen wie Pflanzen und Tiere nicht bilden können. Sie können. Und
sie tun es offensichtlich. Der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik besagt,
dass bei der Hervorbringung von Ordnung eine mehr als gleichwertige Erzeugung
von Unordnung erfolgt. Die Entropiebilanz ist noch immer in der Gewinnzone,
selbst wenn einige Bestandteile ein höheres Maß an Ordnung annehmen. -
Brian Greene, Der Stoff, aus dem der Kosmos ist
Ordnung (18) Konfusion
ohne Absicht: das ist wirkliche Ordnung, die meinen Gegenstand durch Unordnung
immer kennzeichnen wird. - Pascal, Pensées
Ordnung (19) EINE WELT OHNE ORDNUNG IST UNDENKBAR WEIL DOCH DIE ORDNUNG SO WICHTIG IST UND OHNE ORDNUNG ALLES SEHR UNORDENTLICH WÄRE
Die ganze Menschheit findet auf wenigen Quadratkilometern Platz.
Es ist notwendig, die ganze Mensdjheit auf einem Platz zu
versammeln und dann eine treffende Neueinteilung zu treffen. Alle
Schneider müssen sich durch Erheben einer Hand melden. Dann könnte man
alle Schneider in einer Stadt ansiedeln, man müßte die Stadt
SCHNEIDERSTADT taufen. Dasselbe betrifft dann auch die Schuster der
ganzen Welt. Die kämen in die SCHUSTERSTADT.
Die Zeitungsleser kommen in die ZEITUNGSLESERSTADT. Wenn jemand
nach dieser neuen Einteilung einen Anzug braucht, fährt er einfach in
die SCHNEIDERSTADT und kann sich dort unter tausend Schneidern einen
guten Schneider aussuchen. Oder es braucht jemand S&uhe, der könnte
dann in die SCHUSTERSTADT fahren.
Oder, es will jemand Zeitung lesen, dann fährt er in die ZEITUNGSLESERSTADT.
Sollte jemand Zeitungsleser und Schneider zugleich sein, muß er
sich durch das Werfen eines Würfels, auf dessen Seitenflächen
abwechselnd die Worte ZEITUNGSLESER und SCHNEIDER geschrieben sind,
jener Stadt zuteilen lassen, deren Name nach Werfen des Würfels auf der
beim Stehenbleiben des Würfelf zuoberst liegenden Seitenfläche
(OBERFLACHE) geschrieben steht. ODER:
Die Menschen werden nach ihren GEBURTSDATEN aufgeteilt. Es
müssen neue Städte gegründet werden, die jeweils nur zwölf Straßen
aufweisen. Die Jännerstraße, die Feberstraße, die Märzstraße etcetc.
Die Städte haben keine Namen sondern Ziffern. Z. B. würden dann
in der Stadt *1945* nur diese Menschen wohnen, die 1945; geboren worden
sind, und zwar in der jeweiligen MONATSSTRASSE mit der jeweiligen
TAGESHAUSNUMMER. - G. F. Jonke, Wilhelm Rudnigger,
nach
(weltb)