he
ein Fleischer sagte mir einmal, die Ehe, das ist, wie wenn
man eine schwere Kuhhaut über dünnes Eis trägt, es gibt Fälle, in denen
spricht die Frau zum Ehemann, Vater, dir würde
ein hübscher Hieb guttun, und er redet ihr zu, Mutter, du ausgedienter
Militärgaul, säufst, ich reiß dir mit dem Kanthaken
das Maul auf, mein Fräulein, bei so was geraten
Ideale leicht ins Wanken, nicht einmal Goethe
hat das ausgehalten, geschweige denn Mozart, es ist zwar schön,
wenn sich zwei, kaum daß sie einander sehen, bei den Händen fassen und
gleich darauf überall, wo man sich fassen kann, diese Dinge erregen
vor allem die kleiderfrommen Völker, die nackten sind einerseits nicht
so wollüstig, andererseits haben sie weniger
Taschendiebstähle
- (
hra
)
Ehe (2) Zölibat und Selbstmord
stehn auf ähnlicher Erkenntnisstufe, Selbstmord und Märtyrertod
keineswegs, vielleicht Ehe und Märtyrertod. - (
hochz
)
Ehe (3) Hipponikos, dem Vater
des Kallias, der infolge seines Reichtums und seiner edlen Abkunft hohes Ansehen
genoß und großen Einfluß hatte, gab er eine Ohrfeige, nicht im Zorn oder infolge
eines Streites, sondern zum Spaß wegen einer Wette mit seinen Freunden. Als
nun von dieser Frechheit in der Stadt ein großes Gerede war und alle sich, wie
natürlich, mit dem Beleidigten entrüsteten, erschien Alkibiades
am frühen Morgen vor dem Hause des Hipponikos, klopfte an die Tür, trat ein,
legte sein Gewand ab und stellte sich zur Verfügung mit der Aufforderung, ihn
zu peitschen und zu bestrafen. Hipponikos aber ließ seinen Groll fahren und
verzieh ihm, machte ihn später sogar zum Gatten seiner Tochter Hipparete. Einige
freilich berichten, nicht Hipponikos, sondern sein Sohn Kallias habe dem Alkibiades
Hipparete gegeben mit einer Mitgift von zehn Talenten, und als sie darauf Mutter
geworden sei, habe Alkibiades weitere zehn Talente gefordert mit der Behauptung,
dies sei abgemacht worden für den Fall, daß Kinder kämen. Daraufhin flüchtete
Kallias, einen Anschlag gegen sein Leben fürchtend, vor das Volk und vermachte
ihm sein Vermögen und sein Haus für den Fall, daß er stürbe, ohne Nachkommenschaft
zu hinterlassen. Hipparete war sittsam und liebte ihren Mann, aber da sie von
ihm durch seinen ständigen Umgang mit fremden Hetären und attischen Bürgerinnen
in ihrer Hausfrauenehre gekränkt wurde, verließ sie sein Haus und begab sich
zu ihrem Bruder. Als sich Alkibiades nicht daran kehrte, sondern seinen anstößigen
Lebenswandel fortsetzte, mußte sie nun den Scheidebrief bei dem Archon einreichen,
aber nicht durch andere, sondern persönlich erscheinend. Als sie nun erschien,
um dies dem Gesetz gemäß zu tun, trat Alkibiades herzu, packte sie und schleppte
sie quer über den Markt zu seinem Hause, ohne daß irgendein Mensch wagte, ihm
entgegenzutreten und sie ihm abzunehmen. So blieb sie denn bei ihm bis zu ihrem
Tode, und zwar starb sie nicht lange Zeit, nachdem Alkibiades nach Ephesos gesegelt
war. Übrigens galt diese Gewalttat als nicht so ganz sittenwidrig noch menschlichem
Gefühl widersprechend, denn das Gesetz scheint deswegen eine Frau, die ihren
Mann verlassen hat, zum Erscheinen in der Öffentlichkeit zu nötigen, damit der
Mann die Möglichkeit hat, sie anzutreffen und sich ihrer zu bemächtigen. -
(
plut
)
Ehe (4)
Fidus: "Am Traualtar" (1906)
- Diethart Kerbs,
Jürgen Reulecke (Hg.): Handbuch der deutschen Reformbewegungen 1880 bis
1933. Wuppertal 1998
Ehe (5) Bereits der Entschluß zur
Ehe zeigt das Ende der Liebe an, da er erst gefaßt werden
kann, wenn man glaubt, den anderen besitzen zu können, wenn man glaubt, ihn
heiraten zu können und ihn daher schon nicht mehr begehrt. - Ulrike
Sprenger, Proust-ABC. Leipzig 1997
Ehe (analytische) Eine Bezeichnung, die Stekel (»Die moderne Ehe«, 1931) für jenen modernen Ehetypus einführte, in dem beide Partner vor der Eheschließung eine Psychoanalyse durchgemacht hatten und nun an der »analytischen Krankheit« leiden und sich gegenseitig tage- und nächtelang bis in die Unendlichkeit analysieren und sich gegenseitig das »Unbewußte« und die »Komplexe« an den Kopf werfen.
Die Prognose der Dauerhaftigkeit einer solchen a. E. ist recht ungünstig.
- (
erot
)
Ehe (7) Die Ehe der Eltern war
ein kopuliertes Ja-Nein und doch die friedlichste im Markgraftum. Der Vogler,
ein alter langer hagerer Soldat - der von seinen Heerzügen nichts heimgebracht
als den Abschied und eine Kugel, die noch in ihm ging -, sprach zwar zuweilen
mit sich, aber selten mit andern, höchstens sinesisch, nämlich einsilbig. Wie
in einem durchsichtigen Eispalast wohnhaft, sah er ruhig und kühl die äußeren
Schneestürme um sich fliegen und sagte: »Es ist halt Welt«;
und war durch nichts zu ändern, nicht einmal durch die Frau. Darwider hatte
sie viel; sie hatte sich in den Träumen einer glücklichen Ehe versprochen, sie
werde in der ihrigen, wie jede andere Gattin, ordentlich
schmollen und weinen können; aber der Alte brachte sie darum und sagte zu allem
Ja und machte keine Worte, sondern bloß was er wollte. »Sagst einmal wieder
Ja?« fuhr sie ihn oft außer sich an; darauf nickte er Ja.
- (
fibel
)
Ehe (8) Bei den Ehen im bürgerlichen
Sinne des Wortes, wohlverstanden im achtbarsten Sinne des Wortes „Ehe",
handelt es sich ganz und gar nicht um Liebe, ebensowenig
als es sich dabei um Geld handelt — aus der Liebe läßt sich keine Institution
machen —: sondern um die gesellschaftliche Erlaubnis, die zwei Personen zur
Geschlechtsbefriedigung aneinander erteilt wird, unter Bedingungen, wie sich
von selbst versteht, aber solchen, welche das Interesse der Gesellschaft
im Auge haben. Daß einiges Wohlgefallen
der Beteiligten und sehr viel guter Wille - Wille zur Geduld, Verträglichkeit,
Fürsorge füreinander — zu den Voraussetzungen eines solchen Vertrags gehören
wird, liegt auf der Hand^ aber das Wort Liebe sollte man dafür nicht mißbrauchen!
Für zwei Liebende im ganzen und starken Sinn des Wortes ist eben die Geschlechtsbefriedigung
nichts Wesentliches und eigentlich nur ein Symbol: für den einen Teil, wie gesagt,
Symbol der unbedingten Unterwerfung, für den andern Symbol der Zustimmung zu
ihr, Zeichen der Besitzergreifung. — Bei der Ehe im adeligen, altadeligen Sinne
des Wortes handelte es sich um Züchtung einer
Rasse (gibt es heute noch Adel? Quaeritur), ~ also
um Aufrechterhaltung eines festen, bestimmten Typus herrschender Menschen: diesem
Gesichtspunkt wurde Mann und Weib geopfert. Es versteht sich, daß hierbei nicht
Liebe das erste Erfordernis war, im Gegenteil! und noch nicht einmal jenes Maß
von gutem Willen füreinander, welches die gute bürgerliche Ehe bedingt. Das
Interesse eines Geschlechts zunächst entschied, und über ihm -der Stand. Wir
würden vor der Kälte, Strenge und rechnenden Klarheit eines solchen vornehmen
Ehe-Begrifis, wie er bei jeder gesunden Aristokratie geherrscht hat, im alten
Athen wie noch im Europa des 18. Jahrhunderts, ein wenig frösteln, wir warmblütigen
Tiere mit kitzlichem Herzen, wir „Modernen"! Eben deshalb ist die Liebe
als Passion — nach dem großen Verstande des Wortes — für die aristokratische
Welt erfunden worden und in ihr: da, wo der Zwang,
die Entbehrung eben am größten waren ... - Friedrich Nietzsche, Der Wille zur Macht
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