chere   Der den Taschendieben eigentümliche Griff heißt die Schere. Zur Schere dient der Zeige- und Mittelfinger, die seitlich voneinander bewegt und wie die Schneiden einer Schere zusammengeführt werden, um die in der Tasche des Freiers befindliche Geldbörse usw. zu fassen. Der Torfdrucker führt die Hand gewöhnlich so in die Tasche, daß der Rücken seiner Hand gegen den Körper des Freiers gewendet ist, damit er desto leichter die Tasche vom Körper abbiegen und jede körperliche Berührung vermeiden kann. Der Daumen, der vierte und fünfte Finger liegen leicht in der inneren Hand und werden nach Bedürfnis zur Ausweitung der Taschenfalten bewegt, um so den Durchgang und die Arbeit der Schere zu erleichtern.  - (ave)

Schere (2)

"Konrad!" sprach die Frau Mamma,
"Ich geh aus und du bleibst da.
Sei hübsch ordentlich und fromm.
Bis nach Hause ich wieder komm'
Und vor allem, Konrad, hör!
Lutsche nicht am Daumen mehr;
Denn der Schneider mit der Scher'
Kommt sonst ganz geschwind daher,
Und die Daumen schneidet er
Ab, als ob Papier es wär'."

Fort geht nun die Mutter und
Wupp! den Daumen in den Mund.

Bauz! Da geht die Türe auf,
Und herein in schnellem Lauf
Springt der Schneider in die Stub'
Zu dem Daumen-Lutscher-Bub.

Weh! Jetzt geht es klipp und klapp
Mit der Scher' die Daumen ab,
Mit der großen scharfen Scher'!
Hei! Da schreit der Konrad sehr.
Als die Mutter kommt nach Haus,
Sieht der Konrad traurig aus.
Ohne Daumen steht er dort,
Die sind alle beide fort.

- Heinrich Hoffmann, Der Struwwelpeter

Schere (3)

 - Walter Schnackenberg

Schere (4)

Schere (5) Klinkert erklärte: «Das große, klare, einfache Beispiel ist nicht wie in früheren Zeiten ein Held, eine edle Figur. Die schwere Zeit der großen Männer liegt hinter uns. Unser Symbol ist die Maschine. Nach Ansicht einiger hat Gott die Menschen gemacht. Wenn das so ist — wir wollen es unterstellen —, so sind wir jetzt in einer Epoche, wo das Geschöpf über den Schöpfer zur Tagesordnung übergeht. Wir haben die Maschinen hervorgebracht, und sie sind unsere Lehrmeister und bestimmt, uns voranzugehen.» Er holte aus seiner Westentasche eine kleine Schere, die an einem Kettchen hing: «Die Christen von früher hatten das Kreuz, das sie mit sich herumtrugen; eine merkwürdige Sache, ungeheuer verbreitet, man hat deswegen Kriege geführt, wir können das erfreulicherweise nicht mehr verstehen. An dieser Nickelschere ist nichts Unnützes, zwei Branchen, für die Finger; man drückt, und es schneidet. So ist unsere Art, klar, entsprechend, richtig. Liest man ein altes Buch und schlägt sich mit Gedanken herum, die schiefen Begriffen entstammen, und betrachtet darauf diese Schere, dann muß man ihr danken, so wohltuend ist sie. Sie ist der bessere Philosoph. Sie steht über den alten Heroen. Mich erinnert meine Schere an Sokrates, der zwischen den fatalen Sophisten herumging und sie mit einfachen Fragen aus dem Konzept brachte. Die Masse mag das nicht. Sie ist faul, abstrakt, ein toter Gegenstand. Was mag überhaupt die Masse? Schnaps. Gebt ihr Schnaps, dann seid ihr ihr Gott. Käme es auf die Masse an, so säßen wir noch im Urwald.»    - Alfred Döblin, Amazonas. Romantrilogie. München 1991 (entst. 1935-37)

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