eitergeben   Ach, mein lieber Candide, Sie haben doch Paquette gekannt, das hübsche Zöfchen der Baronin? In ihren Armen habe ich alle Wonnen des Paradieses gekostet, und die haben die Höllenqualen, die mich nun verzehren, in mir angefacht! Sie war durch und durch verseucht und ist wohl auch daran gestorben. Paquette verdankte dieses Geschenk einem grundgelehrten Barfüßermönch, und der hatte es aus erster Hand, denn ihm hatte es eine steinalte Gräfin angehängt, die es wiederum von einem Rittmeister bekommen, der es seinerseits von einer Marquise bezogen hatte; die aber hatte es bei einem Pagen erwischt, und der hatte es von einem Jesuiten, dem das Übel seinerzeit, als er noch Novize war, in gerader Linie von einem Gefährten des Christoph Columbus eingeimpft worden war. Was mich betrifft, so werde ich's keinem mehr weitergeben, denn mit mir ist's aus. - Voltaire, Candide oder Der Glaube an die beste der Welten, nach (vol2)

Weitergeben (2)

- Charles M. Schulz, You're not for real, Snoopy! Greenwich, Conn. 1971 ( Fawcett Crest Books, zuerst ca. 1964)

Weitergeben (3)  Eine Wäscherin in Paris hatte eine hübsche Tochter, die sie an einen Komtur der Malteser verkaufte, der sie einige Zeit aushielt. Danach hielt sie ein gewisser Gaillonnet (Vion, Herr von Gaillonnet; es heißt, sie seien Edelleute) von der Kriegssonderkasse aus und hatte eine Tochter mit ihr; und danach beteiligte er, damit es ihn nicht soviel kostete, einen Burschen namens Marbault, der ebenfalls von der Kriegssonderkasse war. Alle beide zusammen verheirateten sie an einen gewissen Chirat, der als Bruder einen Prokurator vom Chastelet hatte. Dieser Chirat war ein Schurke, der das Vorleben des Fräuleins kannte; als er sich indessen einige Zeit danach einfallen ließ, den Verdrießlichen zu spielen, wollten ihn seine Frau und Gaillonnet vergiften. Er verklagte sie wegen Ehebruchs und Giftmischerei, und sie wurden beide ergriffen. Man legte die Angelegenheit für fünfzehntausend Pfund auf Anraten des königlichen Prokurators bei, und weil keine Kinder da waren, wurde die Ehe wegen Unvermögens aufgehoben. Gaillonnet und Marbault waren also wieder auf freiem Fuß, sie bildeten eine neue Gemeinschaft mit ihrem Amtsbruder Le Page. Seine erste Frau, die von der Geschichte Wind bekam, wartete einmal einen ganzen Tag in einem Stall auf ihn, um ihn zu züchtigen, als er sein Liebchen besuchen ging. Nach Ablauf von zwei Jahren wollte Gaillonnet, der jener Frau viel Geld gegeben hatte und sah, daß sie von seinen Gesellschaftern viele gute Möbelstücke erhalten hatte, in den Genuß dieses Besitzes kommen und heiratete das Fräulein. - (tal)

Weitergeben (4)

 

 "Die große Weitergabe der Dummheit"

- Paul Flora

Weitergeben (5)  Man darf zu Recht behaupten, daß eine der fundamentalen Aussagen der Informationstheorie: daß nämlich die Übermittlung einer Botschaft notwendig von einem gewissen Verlust der in ihr enthaltenen Information begleitet ist, in der Informatik das Äquivalent des Zweiten Hauptsatzes in der Thermodynamik darstellt.   - Jacques Monod, Zufall und Notwendigkeit. München 1996 (zuerst 1970)

Weitergeben (6)   Eine berühmt-berüchtigte Zeremonie der Mandan hieß die »Mit den Büffeln gehen« oder »Mit den Büffel koitieren«. Dabei schliefen verheiratete Frauen mit meist älteren, machtvollen Männern, um deren ›Kraft‹ in sich aufzunehmen und anschließend an ihre Ehemänner weiterzugeben, die oft diese Kraft benötigten, um gefährliche Kriegszüge und andere risikoreiche Unternehmen zu bewältigen. Schon die Reisenden Lewis und Clark, die den Winter 1804/1805 bei den Mandan verbrachten, berichteten davon, daß man ihn viele Frauen zum Beischlaf angeboten hatte, weil die Indianer die Weißen als sehr machtvoll ansahen; und dies wußten sich manche Händler zunutze zu machen, die mit besonderer Vorliebe ihre Büffelfelle von den Mandan bezogen, weil diese im Rufe estanden, die laszivsten Frauen dieses Erdenwinkels ihr eigen zu nennen.   - Hans Peter Duerr, Sedna oder Die Liebe zum Leben. Frankfurt am Main 1984

Weitergeben (7)

Weitergeben (8)  Ihr seid entstanden, weil die Evolution ein Spieler ist, der es mit der Ordnung nicht so genau nimmt, denn nicht genug damit, daß sie durch Fehler Fehler macht, beschränkt sie sich außerdem im Wettstreit mit der Natur nicht auf irgendeine besondere Taktik, sondern setzt in jeder nur erdenklichen Weise auf alle freien Spielfelder. Aber darüber, ich sage es noch einmal, seid ihr mehr oder weniger im Bilde. Das ist jedoch nur ein Teil - und zwar der einleitende Teil -dessen, worin ich euch einweihen werde. Seinen ganzen Inhalt, soweit er bislang enthüllt ist, kann man lapidar folgendermaßen fassen: DER SINN DES BOTEN IST DIE BOTSCHAFT. Denn die Organismen dienen der Übermittlung- und nicht umgekehrt; wenn man von der Übermittlungsprozedur der Evolution absieht, bedeuten die Organismen nichts, sind sie sinnlos wie ein Buch ohne Leser. Freilich kommt auch das Gegenteil vor: DER SINN DER BOTSCHAFT IST DER BOTE. Diese beiden Glieder sind jedoch nicht symmetrisch, denn NICHT JEDER Bote ist der EIGENTLICHE Sinn der Botschaft, sondern nur derjenige, der der WEITEREN Übermittlung der Botschaft treu dienen wird.

Ich weiß nicht, ob das - bitte verzeiht mir - nicht zu schwierig für euch ist. Nun also: DIE BOTSCHAFT darf in der Evolution Fehler machen, soviel sie will, aber wehe den BOTEN! Die BOTSCHAFT kann einen Wal bedeuten, eine Kiefer, einen Wasserfloh, eine Hydra, einen Nachtfalter oder einen Pavian - ihr ist alles erlaubt, denn ihr partikularer, das heißt gattungsmäßig konkreter Sinn ist völlig unerheblich: Hier ist jeder ein Bote für weitere Botengänge und folglich jeder gut. Er ist eine zeitweilige Stütze, und es kommt nicht darauf an, wie er beschaffen ist - Hauptsache, er gibt den Code weiter. Solche Freiheit ist den BOTEN nicht gegeben: sie dürfen KEINE FEHLER mehr machen! Der Inhalt der Boten, die auf das bloße Funktionieren, auf diese Briefträgerdienste reduziert sind, kann also nicht beliebig sein; im wesentlichen deutet er stets auf die auferlegte Pflicht hin, dem Code zu dienen. Soll der Bote nur versuchen, sich aufzulehnen, seine Dienstpflichten zu überschreiten - auf der Stelle wird er ohne Nachkommenschaft zugrunde gehen. Eben deshalb kann die Botschaft sich der Boten bedienen, aber nicht umgekehrt. Sie ist der Spieler, jene aber sind nur die Karten im Spiel mit der Natur, sie ist der Autor der Briefe, die den Adressaten zwingen, den Inhalt weiterzugeben. Er darf ihn entstellen - wenn er ihn nur weitergibt! Und das heißt eben, daß der ganze SINN im Weitergeben besteht; WER das tut, ist unerheblich. - Stanislaw Lem, Also sprach GOLEM. Frankfurt am Main 1986

Weitergeben (9)  Cézanne hat ja anfangs Schreckensbilder, wie die Versuchung des Heiligen Antonius, gemalt. Aber mit der Zeit wurde sein einziges Problem die Verwirklichung (»réalisation«) des reinen, schuldlosen Irdischen: des Apfels, des Felsens, eines menschlichen Gesichts. Das Wirkliche war dann die erreichte Form; die nicht das Vergehen in den Wechselfällen der Geschichte beklagt, sondern ein Sein im Frieden weitergibt. — Es geht in der Kunst um nichts anderes. Doch was dem Leben erst sein Gefühl gibt, wird beim Weitergeben dann das Problem.   — Peter Handke, Die Lehre der Sainte-Victoire. Frankfurt am Main 1984 (zuerst 1980)
 
 

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