Gebrauchsanweisung ...

Diese Literaturgattung hat nicht nur eine ehrwürdige Tradition ...

Die Inhalte dieses Physiologus erklären sich von selbst aus seinem sprechenden Titel - mit vielleicht etwas anderen Gewichtungen als in der Tradition.

Einen Überblick erhalten sie hier.

Das Problem ist die (An-)Ordnung der Inhalte der Welt. Das Alphabet als Ordnungsprinzip ist offensichtlich ein Unordnungsgenerator. Wer diese Enzyklopädie durchblättert, findet unweigerlich zahllose unangemessene Wort-Nachbarschaften, denen die dinglichen so nicht entsprechen. Was sucht die Blase neben der Blasphemie, die Zärtlichkeitstriebe neben der Zahnpasta, der Gattenschmaus neben dem Gebetbuch, die Guillotine neben dem Gurgeln? Auf Erfinden folgt Erschießen? Was hat ein Polizist mit Pollution zu tun, was die Problemlösung mit demProfessor, der Pövel mit dem Politiker, Platitüde mit Platon, ein Satyr mit Gödels Satz, Sackgasse mit Sacklangerin usw. [veraltete Besispiele ]

Da Wirklichkeitsforscher auf Ordnung aus sein müssen, war ein zweiter Ansatz notwendig: Neben der alphabetisch-zeitlichen Ordnung (= lineares Erzählen) gibt es auch noch eine logische, und die ist die eigentliche.

Eine Art Thesaurus - Mischung aus Linné und "Wehrle-Eggers" - mußte her.
Der Zufall musste mittels Ober- und Unterbegriffen, Verweisen, Synonymen, "verwandten Begriffen" in Ordnung gebracht werden.
Allerdings: Wie ordnet man Ober-, Unterbegriffe usw., wenn es deren mehrere gibt? Alphabetisch. Für Wörter gibt es kein anderes Ordnungsprinzip (vom Erzählen u. ä. abgesehen, das erst recht zufällig und der Willkür der Erzählers ausgeliefert ist).
Ungehörige Nachbarschaften sind so unvermeidlich wie der Zufall - Aber wenigstens wird die Unordnung ordentlich abgebildet.

Diesen Physiologus gibt es also in alphabetischer und in logischer Ordnung (ansatzweise schon bei Diderot, d'Alembert et. al....).

Die alphabetische Ordnung versteht sich von selbst. Man kann sie von A bis Z durchblättern. Diese Ordnung produziert ein  zufälliges (eines der Prinzipien dieses Physiologus) Nebeneinander von  Dingen / Begriffen  (in den Indizes wie im Thesaurus) - d. h. sie produziert Überraschung, Neuheit, ein Hauptprinzip der literarischen Moderne von spätestens Rimbaud und Apollinaire bis  zum Surrealismus. Überraschend ist auch oft dies Begegnung von Lemma und Definition bzw. der Reihe von Definitionen. Hyperlinks (etwas umständlicher schon in der Gutenberg-Welt möglich) sind Sprungbretter ins Unerwartete, für sozusagen shandyistische Kopfsprünge (Digressionen, "Abschweifungen"), der Physiologus ist ein flash-epiphanischer shandyistischer Dada-Surrealismus, der Surrealismus ist, wie Breton ankündigte, immer wieder brauuchbar. Ob gehäufte Überraschungen langweilig werden können? Man muß das ja nicht wochenlang am Stück lesen, dem Verfasser ist der Physiologus in über zwanzig Jahren jedenfalls nicht langweilig geworden - und die Langeweile liegt bekanntlich immer im Betrachter. 

Die logische Ordnung ist in einem Thesaurus (nicht bloß ein Synonymwörterbuch, wie in Textverarbeitungen üblich!) abgebildet. Alle Einträge sind hierarchisch nach Ober- und Unterbegriffen geordnet, von abstrakteren, weiteren ("broader terms") zu immer konkreteren, außerdem werden "verwandte Begriffe" (VB) und "Synonyme" (S) notiert (Die "verwandten Begriffe" verweisen häufig auf ein weiteres Vorkommen des Begriffs in der - eben polyhierarchischen - Systematik). Wird "polyhierarchisch" [ein Begriff kann anders als in einer Klassifikation mehrere Obergegriffe haben] etwa ein weiterer Oberbegriff für einen Eintrag angeführt, wird der gleiche Begriff auch dort noch einmal eingetragen; VB, verwandte Begriffe verweisen nur, ohne unbedingte Rück-Verweise (entsprechend einem "s.a." oder "vgl.")
Man kann also z. B. bei dem Phänomen "Mensch" ansetzen und demselben bis in die subtilsten logischen Verästelungen folgen. VB und OB sind nicht immer ganz eindeutig unterschieden / zu unterscheiden. - So wird der Zusammenhang der Dinge deutlich.

NB 1 "Verwandte Begriffe" sind weder Ober- noch Unterbegriffe, sondern bezeichnen eben bloß verwandte Phänomene - "Ähnliches ist nicht dasselbe" - Ausnahmen: s.u., bei mehrfacher Einordnung der Lemmata.

Die anfängliche Vermengung von verwandten mit Obergegriffen ist inzwischen wieder entmengt worden (es ist eben nicht dasselbe; jedenfalls wurde damit angefangen ...) - auch wenn die Unterscheidung gelegentlich schwer fällt ...  Die immer weiter wachsenden "polyhierarchischen" Querverweise lösen allmählich die "Hierarchie" auf, in Richtung eines semantischen Netzes, der hierarchische Aspekt bleibt als Orientierung nützlich.

NB 2 Antonyme (Gegenbegriffe) sind ebenfalls neuerdings separat bezeichnet, jedenfalls ist auch hier ein Anfang gemacht (abschließen kann man Enzyklopädien sowieso nicht).

NB 3 "Synonyme" sind hier rein praktische Definitionssache, nicht immer im genauen sprachwissenschaftlichen Sinn.

Da auch der Thesaurus  großenteils Teil neu geordnet werden mußte, bleibt der Baustellencharakter des Physiologus noch eine  Weile erhalten, von dem erwähnten gattungsbedingten Unabschließbarkeit ganz abgesehen.


Dieses Projekt ist zu vergleichen (von weitem) der zoologischen Systematik des Linnaeus ("Systema naturae", 1735) oder dem sprachwissenschaftlichen des "Wehrle/Eggers" (1888-1968); literarisch ist nochmals auf die alte erbauliche Tradition der "Physiologi" hinzuweisen, die hiermit weitergeführt wird.

[Da sich heutigentags die Moral von selbst versteht, habe ich die traditionellen moralischen bzw. theologischen Nutzanwendungen der Physiologi weg- bzw. dem Leser überlassen, wodurch mgw. die Erbaulichkeit gelegentlich zu kurz kommt.]

Daß dieser Thesaurus polyhistorisch ist, versteht sich von selbst. Außerdem ist er polyhierarchisch wie die Wirklichkeit: Jeder Begriff kann Ober- und/oder Unterbegriff zu jedem anderen Begriff sein [anders als in einer Dezimalklassifikation z.B.], und jeder Begriff kann mehreren Oberbegriffen untergeordnet werden(Verweis dorthin oft per "VB"). Wundern Sie sich also nicht, wenn "Dummheit" sowohl in tierischen als auch in menschlichen Zusammenhängen notiert wird. "Schmarotzer" sind mindestens so sehr ein menschliches wie ein tierisches Phänomen; überhaupt zeigt dieser Thesaurus Analogien zwischen den " Reichen", die manchmal kaum auseinanderzuhalten sind, und die zu analysieren einer seiner Hauptzwecke ist. Polyglott ist er auch: Neben der literarischen Hochsprache werden auch die Skat- und Gaunersprache, Starckdeutsch und die Sprache des Schimpfens usw. notiert. Er ist auch polysemantisch = vergeichend: Der Elefant des Plinius muß neben dem starckdeutschen Heilepfunt gesehen werden usw.

Labyrinthisch wird die alphabetische Variante des Physiologus, da sie Verweise zur systematischen enthält. Zu jedem Eintrag finden Sie sofort seinen systematischen Ort sowie sein Umfeld ... Folgen Sie den Fingerzeigen ....

Von jedem Eintrag aus kann man sowohl der alphabetischen Reihe folgen (waagerechte Symbole) als auch zu den jeweiligen Ober- und Unterbegriffen, Synonymen und verwandten Begriffe (Pfeile nach oben und unten) in den ordentlichen Teil wechseln. Das Dritte Auge in der Mitte führt zuwenigstens einer systematischen Stelle des aktuellen Begriffs. (Da dies ein polyhierarchischer Thesaurus ist, können einzelne Einträge aber mehrere Systemorte haben ... ;-) , wohin man meistens über die "Verwandten Begriffe" geführt wird ...
Generell: Es muß nicht hinter jedem weiterführenden Symbol ein Link stecken, der kann sich ja noch später einfinden, dies ist ein offenes Projekt (wie schon die abgebildete "Wirklichkeit") ... es sind auch nicht immer alle Unter- usw. Begriffe in den einzelnen Einträgen verzeichnet, maßgebend ist die Systematik ...

Und sonst:

Thesauri (abgesehen vom Textverarbeitungs-Wortgebrauch im Sinne von Synonymenwörterbuch und im Sinne von 'Schatzhaus' - Textsammlung bei den Philologen) können verschiedenen Zwecken dienen:

- sie bilden für Dokumentare ( Bibliothekare usw.) ein "kontrolliertes Vokabular" (hierarchisch geordnet nach dem Abstraktionsgrad) zur Beschreibung (Verschlagwortung) von Dokumenten aller Art;
- als "Dihairesis" kann dieses hierarchisierende, einordnend-definierende Verfahren auch als Einstieg in das Philosophieren dienen. Der Platon-Nachfolger Speusippos soll seine gesamte Philosophie derart systematisiert dargestellt haben;
- schließlich zu mögl. literarischen Zwecken, eine Mischung aus Lullus' "Ars magna" (ohne Angst vor Swifts Spott), Okopenkos "Exporteurtreffen" und Harsdoerffers Nürnberger Trichter, mgw. mit Hilfe von Anagrammgeneratoren .. :

man könnte - etwa unter Vorgabe von Satzmustern und einer Reorganisation des Thesaurus nach Wortarten, [Personen, Dinge, Geschehen, Handeln ...] Sätze bilden, für Episode, Erzählung, Essay, Dialog, Gedicht (wie schon vorhanden ) ... man könnte aber auch ohne maschinelle Nachhilfe (Anagramm-Generator) als Leser von irgend einem Punkt aus nach der Lautréamont-Methode ("schöne Begegnungen auf einem Seziertisch") weiterassoziieren -/suchen, -/probieren, -/zusammensetzen -/"erzählen" ....

Z. B., nach (cel):

Philip K. Dick, britische Süßigkeiten lutschend, stürzte zwischen zwei Realitäten durch in einen Zwischenraum, surfte an einem indischen dreibeinigen doppelköpfigen Transvestiten vorbei auf eine Toreinfahrt zu, die sich als Anfang eines roten Fadens um einen Affenschwanz wickelt ...

(Péret grüßt von weitem, dessen Übergänge waren allerdings poetischer, fließender ... ) - und "Zusammenhänge" sind doch eher was für Leser-Weibchen!?, der Augenblick ist das einzig Wahre-Reale. Auch Hagbard ist Paranoiker.

 

NB Zur Entstehungsweise des Ganzen, die einige Leerstellen, Holprig-, Vorläufig- bzw (vorläufige) Schlampigkeiten erklären könnte:

- Das Ganze ist ohne Konzept, ein Spiel, aus Zufällen entstanden, die bis heute bestimmend sind / sein sollen (mit der Zeit finden sich dann auch noch andere Antriebe): Ende der 80er Jahre sind mir zufällig und fast gleichzeitig mehrere einschlägige Bücher in die Hände gefällen, u. a. Seeliger, Ambrose Bierce, Andreas Okopenko, Pavic;  an der Uni, so denkt man dort,  hätte man darin ein wahrscheinlich noch unbeakkertes akademisches Arbeitsfeld sehen können ("Wörrbuch als literarische Form"). Mitte der 90er Jahre, nach dem Start der Webseite, sind mir diese Sachen wieder eingefallen, nach einem ersten Versuch mit Seeliger habe ich dann mit anderen Zitaten angefangen, aus der rein alphabetischen wurde eine auch systematische, man kann auch Zeichnungen und Musik zu Begriffsdefinitionen verwenden, man kann auch mehrere Definitionen nebeneinander stellen usw. Die allermeisten Texte sind Fundstücke aus der Entstehungszeit nach 97, von einigen Erinnerungen abgesehen. Auf Tommaso Landolfi z. B. bin ich zufällig in der Philologenbibliothek der FU gestoßen (ein auffällig bunter Buchrücken aus einer mir bekannten alten Reihe - Bibliotheca dracula -, in der u. a.die Geschichte von Gogols Gattin zu finden war, woraufhin ich mir alles erreichbare von diesem mir bis dahin noch nicht mal dem Namen nach bekannten  Autor besorgte; ähnlich zufallshaltig  Enzensbergers  Museum der modernen Poesie - daher u. a. Francis Ponge und William Carlos Williams, und Borges'  Bibliothek von Babel - von dort Cortázar und Pu Sung-Ling, - usw.  die Bücher haben sich sozusagen die Klinke in die Hand gegeben, ein bischen magisch. Aus Zu- und ein paar Einfällen wuchert so ein Ganzes sich zusammen. - Aus  konzeptionsloser Wucherung scheinen dann aber doch ein paar Andeutungen von Struktur (keine zwingende) sich zu ergeben, Zufälle (incl. Autorenwillkür) können ja auch Kausalketten anstoßen, und im äußeren Universum haben sich ja auch Materie, Galaxien, Sonnen, Galaxienhaufen. Nebel, Kohlensäcke usw. gebildet: Romantik und die aus ihr hervorgegangene litarische Moderne zeigen sich hier als  maßgebend und sehr wohl noch virulent, und so sind auch hier einige Themenkreise  stärker als andere vertreten, wenn man schon was hat, findet sich leicht was hinzu ...  Aktualität spielt bei einer solchen Art von Auswahl natürlich keine Rolle.

Ein "Programm"  soll das aber nicht sein, wohl aber ein Hinweis auf immer noch brauchbare (nötige) Traditionen (wenn man sie brauchen kann). Aus Dada und Surrealismus sind mgw. doch literarische Antworten auf  "unsere Art zu leben" zu finden?  Es gebe heute keine Skandale mehr, soll Breton geklagt haben, das ist aber auch eine Definitionsfrage (von "Skandal"). Man kann den Physiologus natürlich auch als "Thesaurus" (wörtlich: Schatzhaus) lesen, als Zeugnis dessen, was Literatur kann, konnte, könnte  ... und auch als Wörterbuch der (verschwindenden) Literatursprache ...

Zur "Auswahl" der Texte:

Die Auswahl beruht auf Zufall, der öfters zur Kausalität führt (hat man einmal mit den Italienern angefangen ...) und Instinkt: "Ich rieche, rieche Menschenfleisch"

Neben Prosa Poesie...  (wie im "wirklichen Leben" mehr Prosa ...); überhapt Juxtapositionen, Latréamonts schüne Begegnung.   Kunst der Wahrnehmung und ihrer Sprache... (Ponge, Williams)

Die Alten Wilden sind die besten [ähnlich: die alten Narren] - es gibt ja auch kaum Neue, Junge (in diesen Medien-Zombie-Zeiten): von Homers "gliederlösenden" Schwertern (manchmal auch Beiwort für Schlaf) bis zu den Revolvern der Surrealisten; s. a. Gewalttätigkeit ...

Und: Es handelt sich hier um eine Enzyklopädie, in der definitionsgemäß eben ALLes vorkommen sollte - an eine "Glättung" ist nicht gedacht, s. Gombrowicz über "Form".

Nochmal zu den Holprigkeiten: Diese sind oft Relikte aus der Anfangszeit, in der die Einordnung neuer Lemmata in relativ wenige Begriffe etwas schwierig war; es gab wie gesagt keinen anfänglichen Totalentwurf, auch der Thesaurus kam erst später, auch der ist eine Wucherung. Natürlich finden sich auch Flüchtigkeiten und dünne Stückchen; dafür gibt es in diesem Medium aber die Möglichkeit (und den Zwang) zu Korrekturen, aber keine sachgerechte Möglichkeit des Abschlusses -  in diesem Genre .

All the good things have been said -, ja, man muß sie nur nochmal sagen, und variatio delectat. Es macht immer noch einen höllischen Spaß, diesen Heuhaufen aus Stech-Nadeln aufzuhäufen, greift nur hinein. Der ist zwar "nur" eine  Aufzählung, die ist aber eine Urform des Erzählens, Augenblicke,  zeitlos nebeneinander, (noch) nicht nacheinander. Und nicht irgendein "Roman", der eine sinnvolle Gesamtordnung, einen sinnvollen Gesamtablauf vorspiegelt. Und die "Wonnen der Aufzählung" waren nicht nur Arno Schmidt bekannt, sondern von Homer ("Schiffskatalog") über Ovid (Metamorphosen) bis zu Georges Perec und Umberto Eco. Greift nur hinein.

 - Hiermit sind Erklärungen, Selbstinterpretationen usw. ein für allemal abgeschlossen, dem Leser soll auch noch was zu tun bleiben. - HD

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Verwandte Begriffe

Einzelne Synonyme

Hier gehts zu einem ersten Überblick über die Hauptbegriffe dieses Thesaurus
(nicht mehr ganz aktuell möglicherweise... die Dinge ändern sich ständig...)

Don't get lost

© Hartmut Dietz 1997